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Just-in-time-Beschaffung von Verpackungen

Konzeptentwicklung des Einkaufs von Verpackung
Just-in-time-Beschaffung von Verpackungen

Die Nutzung von produktionssynchronen Beschaffungskonzepten wird meist für direktes Material empfohlen, da die Eigenschaften dieser Materialien für eine Just-in-time-Beschaffung besonders günstig sind. Dabei werden aber die Potenziale dieser Beschaffungsart für indirekte Materialien wie Verpackungsmaterial oft übersehen. Der Beitrag beschreibt, wie eine Just-in-time-Lösung auch für Verpackungsmaterialien implementiert werden kann.

Verpackungsmaterial, als ein sogenanntes „End-of-the-Line“-Produkt und typisches C-Material findet in der Entwicklung von ausgefeilten Beschaffungsstrategien häufig wenig Beachtung. Der Grund ist, dass Verpackungsmaterial auf den ersten Blick in punkto Kostenersparnis wenig Potenzial vermuten lässt. Im Gegenteil, um nicht Gefahr zu laufen, wegen des Fehlens einer zumeist geringwertigen Verpackung sogar Produktionsstockungen zu verursachen, ist eine hohe Vorratshaltung von Verpackungsmaterial in vielen Unternehmen an der Tagesordnung. Die Folge sind vernachlässigte, hohe und unübersichtliche Bestände, Lagerkosten sowie aufwendige und ressourcenbindende interne Prozessabläufe für die Disposition und Bereitstellung dieser Materialien. In einer Just-in-time-Beschaffung dieser Materialien liegen somit oft unentdeckte Nutzenpotenziale.

Just-in-Time-Konzept. Die Grundidee des Just-in-time-Konzepts (Jit) ist die flexible Anpassung der kurzfristigen Kapazitäts- und Materialbedarfsplanung an die aktuelle Fertigungs- und Auftragssituation. Charakteristisch sind daher kleine Bestellmengen, stark verkürzte Wiederbeschaffungszeiten und kurzfristige Abrufe bei den Lieferanten. Dabei wird die Zielsetzung verfolgt, eine starke Reduzierung von Lagerbeständen und Durchlaufzeiten sowie eine damit verbundene Senkung von Kapitalbindungs- und Logistikkosten zu erreichen. Ermöglicht werden soll dies durch die Überwälzung von Aktivitäten wie Lagerhaltung, Warenprüfung und Anlieferung auf die involvierten Lieferanten. Ein Augenmerk gilt dabei insbesondere der Übertragung der Qualitätssicherung, da mangelhaft gelieferte Materialien Produktionsstockungen zur Folge haben können. Enge Zusammenarbeit, Transparenz sowie intensiver Informationsaustausch zwischen Zulieferer und Abnehmer gelten als Voraussetzungen, indem der Auftragsabwicklungsprozess als ganzheitliche logistische Kette betrachtet wird. Eine Neuordnung der betrieblichen Prozesse ist dabei zumeist unumgänglich.
Verpackungsmaterialien. Verpackungsmaterialien nehmen in ihrer Klassifizierung eine Sonderstellung ein, da sie für das fertige Endprodukt zwar benötigt, aber nicht als direktes, produktionsbezogenes Material im engeren Sinne eingestuft werden. Eine Zuordnung erfolgt zumeist zu der Gruppe der Hilfsstoffe, die in ihrem mengen- und wertmäßigen Anteil am Enderzeugnis von untergeordneter Bedeutung sind. Beschaffungsvorgänge geschehen in Unternehmen daher typischerweise nur verbrauchsgesteuert, da eine aufwendige stücklistengesteuerte Planung, wie sie für eine Jit-Beschaffung typisch ist, nicht zu rechtfertigen wäre.
Jedoch lassen sich auch Argumente für eine Jit-Beschaffung von Verpackungsmaterialien finden. So charakterisiert sich Verpackungsmaterial u.a. durch hohe Raumbedarfe in der Lagerung, ressourcenbindenden Handling-Aufwand in der Bereitstellung oder hohe Anforderungen an Lagerbedingungen. Dies gilt insbesondere für die in vielen Unternehmen genutzte Wellpappe. Nicht selten müssen Lagerhallen eigens zur Lagerung von Verpackungsmaterialien angemietet oder aber potenziell wertschöpfende Flächen in der Produktion in Anspruch genommen werden. Potenziale einer Jit-Beschaffung stecken hier daher insbesondere in der Reduzierung der mit der Lagerhaltung verbundenden Prozesskosten.
Teileauswahl. Den Ausgangspunkt der Teileauswahl geeigneter Verpackungsmaterialien für eine Jit-Beschaffung stellt zunächst die Anwendung einer kombinierten ABC-XYZ-Analyse dar. Materialien mit einem hohen wertmäßigen Anteil am Gesamtverbrauch (A-Material) lassen hohe Kostensenkungspotenziale mit Hinblick auf Kapitalbindungskosten vermuten. Insbesondere ist aber auch bei X-Materialien, die einem kontinuierlichen Verbrauch und stetiger Planung unterliegen, ein großes Rationalisierungspotenzial zu erwarten. Mit Blick auf Verpackungsmaterialien bietet es sich an, weitere Analysen durchzuführen, die an den besonderen Eigenschaften der Materialien anknüpfen.
Besonders starkes Gewicht ist hier der Volumenbetrachtung beizumessen. Potenziell hohe Bedarfe an Raumvolumen von Verpackungsmaterial führen zu tendenziell erhöhten Lagerkapazitäten und -kosten, binden aber auch für Ein- und Auslagerungsprozesse Ressourcen. Hilfestellung kann hier eine sogenannte GMK-Analyse leisten, die eine Materialklassifizierung in groß- (G), mittel- (M), und kleinvolumige Materialien (K) vornimmt. Durch eine kombinierte Analyse bietet sich so die Möglichkeit, die Verpackungsmaterialien zu identifizieren, die für eine Jit-Beschaffung als geeignet eingestuft werden können.
Material- und Informationsfluss.
Konnten in einer Materialanalyse geeignete Verpackungsmaterialien identifiziert werden, spielt eine ebenso gezielte Material- und Informationsflussgestaltung eine wichtige Rolle, um eine geforderte Direktanlieferung auf Abruf, ohne Kontrollen und Lagerung beim Abnehmer erst zu ermöglichen.
In einem ersten Schritt erweist sich eine Analyse des bisherigen Beschaffungs- und Materialbereitstellungsprozesses als sinnvoll, um Ineffizienzen zu identifizieren und diese gezielt beheben zu können. Von entscheidender Bedeutung ist es, einen Anlieferprozess so zu definieren, dass Lager- und Handling-Stufen eliminiert werden können. Auch spielen räumliche Voraussetzungen, wie z.B, Anlieferrampen und Stellplätze, eine entscheidende Rolle, um eine adäquate Anlieferung zu gewährleisten.
Häufig wird Verpackungsmaterial an mehreren Stellen in der Produktion genutzt. Dabei bietet es sich an, feste Routen innerhalb des Werkes mit den Lieferanten zu vereinbaren, wodurch gelieferte Tagesmengen entladen und parallel verbucht werden können. Außerdem bieten sogenannte „Warehouse-on-Wheels“-Lösungen eine Alternative, bei der Lkw-Auflieger in der Nähe der Verbrauchsorte als kurzfristige Lager auf Rädern dienen. Vorratshaltung und Zwischenlagerung in der Produktion oder der Lagerhalle können so vermieden sowie gleichzeitig Handlingstufen durch möglichst kurze Wege deutlich reduziert werden. Auch bieten mittlerweile Lieferanten „Ship-to-Line“-Lieferungen an, bei denen Tagesbedarfe selbstständig und ohne Wareneingangsprüfung und Zwischenlagerungen direkt an die Produktionslinien geliefert werden. Die Etablierung des Anlieferprozesses umfasst jedoch nur einen der nötigen Schritte für eine Jit-Implementierung. Grundlegend ist die Ausgestaltung eines flexiblen Abrufsystems, wodurch eine Beschaffung in Form von kurzfristigen Abrufen erst ermöglicht wird. Dessen Aufbau kann dabei in drei Stufen gegliedert werden.
Die Basis stellt eine geltende Rahmenvereinbarung dar, deren Inhalt eine rollierende Kapazitäts- und Bedarfsvorschau für i.d.R. ein bis zwei Jahre beinhaltet. Im zweiten Schritt werden feste Lieferabrufe vereinbart. Diese umfassen festgelegte Lieferkonditionen und zeitraumbezogene Abnahmeverpflichtungen. Über vereinbarte Höchst- und Mindestbestände, die bei den Lieferanten vorgehalten werden können, kann zudem auch bei schwankenden Bedarfen ein hoher Grad an Versorgungssicherheit gewährleistet werden.
Viele Lieferanten im Verpackungsbereich bieten hier eine Lagerkapazität von bis zu zwölf Monaten an, bei der je nach Bedarf Mengen flexibel abgerufen werden können. Der tatsächliche Materialabruf erfolgt letztendlich über täglich kurzfristige Feinabrufe, die innerhalb der vereinbarten Lieferabrufe erfolgen. Dadurch wird es ermöglicht, den tatsächlichen Bestellvorgang auf maximal 24 Stunden zu reduzieren. Voraussetzung kurzfristiger Feinabrufe ist eine schnelle und transparente Informationsflussgestaltung zum Lieferanten über eine schnittstellenfreie Lieferantenintegration. Denn häufig scheitern Jit-Konzepte an der zeitlich verzögerten oder mangelhaften Bereitstellung von Informationen. Zur Lösung findet hier insbesondere der EDI-Standard Anwendung, wodurch Geschäftsdokumente ohne Medienbrüche direkt verarbeitet werden können.
Lieferantenintegration. Erheblichen Einfluss auf ein gut funktionierendes Jit-Konzept hat nicht zuletzt der Lieferant. Neben dem Preis stellen vorwiegend Qualität, Lieferzeit, Lagerkapazität aber auch räumliche Nähe und Anpassungsfähigkeit des Lieferanten angeforderte Lieferfrequenzen die bestimmenden Auswahlkriterien dar. Insbesondere lohnt sich aber auch ein Blick auf mögliche Entwicklungspotenziale, die eine strategische Zusammenarbeit bieten kann. Strategische Partnerschaften wirken auf den ersten Blick im Bereich von Verpackungen wenig relevant, können jedoch Chancen für beide Parteien in sich bergen.
Zu nennen sind hier eine gemeinsame Entwicklung von individuellen Verpackungslösungen sowie eine übergreifende Prozessoptimierung. Ein Beispiel wäre eine gemeinsame Reduzierung der Verpackungsvielfalt in Richtung Standardverpackung für mehrere Produkte. Die Grundlage einer strategischen Kooperation stellt eine detaillierte Produkt- und Prozessanalyse in enger Abstimmung mit dem Lieferanten dar.
Qualitätssicherungs- und Speditionskonzept. Eine weitere wichtige Maßnahme innerhalb eines Jit-Konzepts für Verpackungsmaterial ist die Etablierung eines Qualitätssicherungs- und Speditionskonzepts. Gerade bei auf Paletten angelieferter Wellpappe stellen sich Wareneingangsprüfungen oftmals als problematisch dar, da beim Öffnen der Paletten ein Transport nicht ohne Weiteres möglich ist. Wird dem Lieferanten hingegen die grundlegende Qualitätssicherung nach vorher definierten Normen übertragen, obliegt dem Abnehmer im Wesentlichen lediglich eine Identitäts- und Mengenprüfung im Wareneingang.
Ebenso muss beachtet werden, dass aufgrund geringerer Anlieferungsmengen und einer stark steigenden Lieferfrequenz durch die Lieferanten in der Jit-Beschaffung die Transportkosten steigen. Durch die zunehmende Spezialisierung vieler Verpackungshersteller auf Jit-Lieferungen haben diese aber immer häufiger die Möglichkeit, auf umfangreiche und variable Fuhrparks zurückzugreifen. Gleichzeitig wirkt großvolumiges Verpackungsmaterial der Problematik unausgelasteter Transporte entgegen. Möglichkeiten bieten sich außerdem durch lieferanten- oder kundenbezogene Rundreisen und das Gebietsspediteurkonzept, die eine Sammelfunktion für Teilladungen wahrnehmen.
Total-Cost-of-Ownership-Ansatz. Viele Lieferanten bieten eigene Lagerkapazitäten an, wobei kleinere Bedarfsmengen flexibel abgerufen werden können. Es kann sich daher auch lohnen, einen Blick auf die mit der Lagerung von Verpackungsmaterial verbunden Gesamtkosten zu richten, um die Wirtschaftlichkeit einer gesamten Auslagerung zu prüfen. Gerade bei geringwertigem und gleichzeitig großvolumigem Verpackungsmaterial kann dies günstiger sein, wenn eigens Lagerräume angemietet werden müssen und durch die Lagerung erhebliche Prozesskosten entstehen. Die Folge können hohe Lagerkosten im Vergleich zu geringen Bestandswerten sein. Hilfestellung einer ganzheitlichen Kostenbetrachtung kann der Total-Cost-of-Ownership-(TCO)-Ansatz leisten.
Betrachtet werden bei diesem Ansatz die gesamten Kosten und Aufwendungen, die mit der Lagerung verbunden sind. Erfasst werden nicht nur Einstandspreise, sondern alle vor- und nachgelagerten sowie abhängigen Kosten der Lagerhaltung. Diese umfassen insbesondere Personal, Lagerräume, Versicherungen der Vorräte und Räume sowie Handling- und Administrationsaufwand.
Nicht selten werden dabei oft übersehene Kosten aufgedeckt. Um Kostentransparenz zu erreichen, lohnt sich meist schon ein Blick auf den Lagerkostensatz, der das Verhältnis von Gesamtkosten der Lagerhaltung und Bestandswert widerspiegelt. Ein in der Praxis üblicher Lagerkostensatz liegt ungefähr zwischen 15 bis 20 Prozent. Hohe Lagerkosten im Vergleich zu geringen Bestandswerten sind ein Indiz dafür, die Möglichkeiten einer Gesamtauslagerung zu prüfen.
Bewertung. Die Basis einer Beurteilung der Jit-Beschaffung ist eine detaillierte und umfangreiche Wirtschaftlichkeitsanalyse. Bei der Jit-Beschaffung von Verpackungsmaterial ist diese Bewertung häufig schwierig, da Einsparungen vorwiegend auf der Prozesskostenebene zu erwarten sind. Einsparungen in Lagerhaltung, Personalbedarf und Handlingaufwand oder gar Produktivitätssteigerungen sind häufig auch im Nachhinein nur schwer bestimmbar. In einem ersten Schritt können jedoch qualitative und quantitative Soll-Ist-Vergleiche des Beschaffungs- und Bereitstellungsprozesses erste Erfolgspotenziale aufzeigen. Wichtig ist ein Blick auf die veränderte Raumsituation, da freiwerdende Flächen in unmittelbarer Nähe der Produktionslinien Möglichkeiten bieten, produktiv und wertschöpfend eingesetzt zu werden. Gleichzeitig können damit Layout- oder gar Fahrwegoptimierungen erzielt werden. Da Flächen in der Produktion baulich bedingt nicht einfach oder aber nur kostspielig erweiterbar sind, besitzen diese Einsparungen von Raumvolumen einen besonders hohen Stellenwert.
Das vorgestellte Konzept wurde bei der Armacell GmbH entwickelt und befindet sich in der Implementierung. Bereits gestartet ist eine Pilotphase mit ausgewählten Kartonagen innerhalb eines definierten Prozessbereichs nach grundlegender Materialanalyse und Ausgestaltung eines Anlieferkonzepts. Die erzielten Erfahrungswerte sollen als Grundlage für ein weiteres Roll-out dienen. Dabei steht die gezielte Lieferantenintegration in einem besonderen Fokus, um Maßnahmen der Qualitätssicherung zu definieren sowie in Zukunft einen möglichsten schnittstellenfreien Informationsaustausch gewährleisten zu können.
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