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Keine einsamen Entscheidungen

Verhandlungen im Grenzbereich – mit den Methoden des FBI
Keine einsamen Entscheidungen

Verhandlungen werden härter. Die früher angestrebte Win-Win-Einigung scheint nicht mehr erreichbar zu sein. Verhandlungen unter Druck lassen sich mit den bisher erlernten Verhandlungstaktiken nicht mehr bewältigen. Vielleicht erproben Sie einmal die Verhandlungstaktik der Polizei, wenn es hart auf hart kommt. Matthias Schranner berichtet, wie diese funktioniert.

Matthias Schranner www.verhandlungsinstitut.com

Der Einkauf ist eine der verantwortungsvollsten Aufgaben in einem Unternehmen. Das führt zu einer hohen Anerkennung intern. Und dazu, dass jeder mitreden möchte, der sich für wichtig hält. Dieses Mitreden und Einmischen ist die größte Gefahr für den Einkauf. Damit Sie nicht „hintenrum“ ausgespielt werden, sollten Sie die Erfahrung des FBI bezüglich der Teamaufstellung nutzen.
Ein Verhandlungsführer der Polizei verhandelt nie allein. Und das hat einen guten Grund. Wer allein verhandelt, ist emotional sehr stark in die Verhandlung eingebunden.
Teamaufstellung nach den Regeln des FBI
Er ist auf sein Verhandlungsziel fixiert und hat deshalb seine Strategie und seine Argumente ständig präsent. Diese Präsenz ist sehr gut für ein zielgerichtetes Verhandeln – und sehr schlecht für ein analytisches Zuhören.
Analytisches Zuhören – also nicht nur das Hinhören, sondern auch das Hineinhören – ist nur möglich, wenn Sie einen Teil Ihrer Konzentration auf das Gegenüber verwenden können. Bei sehr stressigen und emotional geführten Verhandlungen – wie Geiselnahmen – kann es sein, dass der Verhandlungsführer durch sein zielgerichtetes Verhandeln das Zuhören und damit wichtige Chancen vernachlässigt. Deshalb wird bei polizeilichen Verhandlungen der Verhandlungsführer beim Zuhören und beim strategischen Vorgehen unterstützt. Polizeiliche Verhandlungen werden im Team geführt.
Es gibt vier verschiedene Verhandlungspositionen:
  • 1. Negotiator, Verhandlungsführer und Ansprechpartner nach außen;
  • 2. Commander, interner Berater, beobachtet die „zweite Ebene“;
  • 3. Decision Maker, Entscheider, verantwortet das Ergebnis;
  • 4. Hostage Taker, Geiselnehmer oder, im normalen Leben, der Verhandlungsgegner.
Negotiator
Ein Negotiator ist der einzige direkte Ansprechpartner für das polizeiliche Gegenüber. Er stellt sich persönlich oder telefonisch als Verhandlungsführer mit seinem Namen vor. Er stellt gleich zu Beginn klar, dass er der alleinige Ansprechpartner für diese Verhandlung sein wird. Zusätzlich weist er darauf hin, dass aus rechtlichen Gründen einige wichtige Entscheidungen nicht von ihm allein, sondern von der Einsatzleitung bzw. der Staatsanwaltschaft getroffen werden müssen. Der Negotiator entscheidet bei einer Teamverhandlung nicht allein! Er kann lediglich jene Bereiche entscheiden, die ihm der Commander bzw. der Decision Maker einräumen, beispielsweise das Gewähren von Lebensmitteln, Getränken und Zigaretten. Das Austauschen von Geiseln fällt jedoch nicht mehr in seinen Aufgabenbereich.
Commander
Ein Commander ist auch ein Verhandlungsführer der Polizei, also ein Kollege des „sprechenden“ Negotiator. Es ist nicht zwingend notwendig, dass dieser Commander ein Vorgesetzter ist. Meist wird es ein sehr erfahrener Kollege sein. Seine Aufgabe besteht darin, die Verhandlung mit einer bestimmten Distanz zu verfolgen. Er sitzt am gleichen Tisch wie der Negotiator, hört mit einem Headset die Verhandlung mit, greift jedoch nie direkt in die Verhandlung ein. Der Umstand, dass er nicht sofort reden, antworten und argumentieren muss, verschafft ihm viel gedanklichen Freiraum. Er hört mehr oder andere Aspekte als der Negotiators. Zum einen weil er mit mehr Distanz zuhört, zum anderen weil er durch seine Persönlichkeit und Erfahrung eine andere Sichtweise hat.
Decision Maker
Ein Decision Maker entscheidet in letzter Instanz über das weitere Vorgehen. Wenn Sie Zweifel an der Differenzierung zwischen Decision Maker und Commander haben: Ein Decision Maker kann Ja sagen, wenn alle anderen Nein sagen. Und er kann Nein sagen, wenn alle anderen Ja sagen. Er ist auch derjenige, der die Entscheidung und damit die Folgen zu verantworten hat. Bei polizeilichen Einsätzen ist dies der Einsatzleiter. Ihm unterstehen die Leiter der jeweiligen Spezialgruppen wie PSK (Präzisionsschützenkommando) oder SEK (Sondereinsatzkommando).
Diese Aufteilung in Negotiator, Commander und Decision Maker empfehle ich Ihnen auch für die Verhandlungen mit Ihren Verhandlungspartnern. Die Gegenseite wird versuchen, einen Negotiator in die Verhandlung zu senden. Die wirklichen Entscheider bleiben im Hintergrund und lassen durch den Negotiator die Verhandlung vortasten. Der Negotiator wird Ihre Spielräume und vor allem Ihre Grenzen abtasten und dem Decision Maker berichten. Dieser kann – ohne emotionale Betroffenheit – entscheiden und die nächsten Schritte sorgfältig planen.
Als Einkäufer sind Sie in der Position des Negotiators, als Einkaufsleiter in der Position des Commanders, als Geschäftsführer sind Sie der Decision Maker.
Senden Sie in die Vorgespräche mit dem Lieferanten einen eigenen Negotiator. Nur wenn der Lieferant einen Commander ins Rennen schickt, sollten auch Sie von Anfang an einen Commander senden.
Vorgehensweise
Ein Negotiator muss über die minimalen und maximalen Ziele, die Strategie und die taktischen Schritte Bescheid wissen. Vor allem muss die Verantwortung klar abgrenzt werden:
  • Was darf er verhandeln und was nicht?
  • Was darf er zusagen und was nicht?
  • Was darf er ablehnen und was nicht?
Diese Verantwortung muss schriftlich fixiert und am besten während der Verhandlung für den Negotiator sichtbar sein.
Der Commander hat meist den Überblick über die Verhandlung und steuert das Team – nach unten mit dem Negotiator – nach oben mit dem Decision Maker.
Die große Gefahr bei Verhandlungen mit den Lieferanten ist die Eitelkeit der Geschäftsführer und Vorstände. Aufgrund von Eitelkeit oder falsch verstandenem Verantwortungsgefühl mischen sich viele Vorgesetzte viel zu früh in die Verhandlung ein. Mit dem Ergebnis, dass die Front zur Gegenseite offen ist und der Lieferant Sie ausspielen kann. Er ruft heute bei Ihnen an, morgen bei seinem V-Mann und übermorgen bei Ihrem Chef. Und spielt Sie und Ihr Unternehmen hintenrum aus.
Als Einkäufer oder Einkaufsleiter sind Sie für den Erfolg der Verhandlung verantwortlich.
Sorgen Sie bitte deshalb vor der Verhandlung mit einem klaren Briefing der Verantwortungsbereiche für eine einheitliche Sprache gegenüber den Lieferanten.
Stellen Sie sicher, dass alle E-Mails und Briefe, die zu Ihren Lieferanten verschickt werden, vorher über Ihren Schreibtisch gehen.
Diese interne Abstimmung erfordert Mut und vor allem Konsequenz.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei.
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