Startseite » Allgemein »

Klug verhandelt, wer sich um Interessenausgleich bemüht

Die Harvard-Methode:
Klug verhandelt, wer sich um Interessenausgleich bemüht

Der Verhandlungsanlaß oder -gegenstand, die an einer Verhandlung mitwirkenden Personen und die Begleitumstände sorgen dafür, daß es auch für erfahrene Verhandler kaum so etwas wie eine Verhandlungsführung von der Stange gibt. Trotzdem existieren verhaltenspsychologisch fundierte und auf ihre Wirksamkeit hin überprüfte Anhaltspunkte, auf denen sich das individuelle Vorgehen und Verhalten abstützen läßt. Der folgende Beitrag erläutert die Schritte zu einer in der Sache erfolgreicheren und in der Atmosphäre streßärmeren Verhandlungsführung.

Hartmut Volk, Dipl.-Betriebswirt und Journalist DJV, Bad Harzburg

Warum laufen viele Verhandlungen so zäh und in sich unbefriedigend ab? Für Dr. Jan Bodo Sperling von der Münchner Unternehmensberatung Coverdale Team Management Deutschland GmbH, die sich mit ganz speziellen Verhandlungs-Trainings nach der Harvard-Methode befaßt, ist die Sache klar: „In der überwiegenden Zahl der Fälle kennen die meisten Menschen lediglich zwei Arten, Verhandlungen zu führen: Das mehr oder weniger geschickte harte oder weiche Feilschen um Positionen!“
Weshalb taugt diese Art der Verhandlungsführung nichts? Der hart Verhandelnde betrachtet jede Verhandlung als eine Art ritualisierten Kampfspiels, in dem die Seite besser fährt, die die härtere Position einnimmt und diese Position so lange wie möglich durchhält. Menschen, die in Verhandlungen so miteinander verfahren, bezeichnen sich zwar offiziell gern als Verhandlungspartner, sehen sich im Gegensatz dazu aber unzweideutig als Verhandlungsgegner an. Und das wiederum bedeutet: In den ungeschriebenen Verhandlungsdrehbüchern in ihren Köpfen steht als zentrale Handlungsanweisung „Siegen!“
Daraus folgt, daß
  • a) überhaupt nicht offen und fair verhandelt, sondern zäh und verbissen miteinander gekämpft und gerungen wird und
  • b) nicht die Annäherung von Standpunkten und der Ausgleich von Interessen das Ziel ist, sondern das krampfhafte Halten von bezogenen Positionen.
Und weil es so augenscheinlich ist, daß dieses Verhaltensmodell Verhandlungen mit erheblichen Problemen befrachtet, versuchen viele, auf die weiche Tour in Verhandlungen zum Ziel zu kommen, geben sich konziliant, zeigen freundliches Entgegenkommen und beugen so natürlich der Gefahr vor, daß die Beziehungen einer Belastungsprobe unterzogen werden. Wer in dem Verhandlungspartner nicht den Erzrivalen im Kampf um Oberhand und Sieg sieht, sondern den Partner, wer, anstatt Tore zu bejubeln, die Notwendigkeit aufeinander zuzugehen in die Tat umsetzt, wer also weich verhandelt, schrittweise Angebote und Zugeständnisse unterbreitet, der anderen Seite vertraut und Konfrontationen vermeidet, der macht in der Tat eine Übereinkunft wahrscheinlicher.
Jedoch: Eine auf diesem Weg erzielte Übereinkunft muß nicht unbedingt auch eine tragfähige, eine wirklich sinnvolle oder vernünftige, zukunftsweisende Übereinkunft sein. Und tatsächlich stellt sich nach weich geführten Verhandlungen schnell das ungute Gefühl ein, ausgenutzt worden zu sein. Weich zu verhandeln, birgt also stets die Gefahr in sich, zur leichten Beute für jeden zu werden, der knallhart um Positionen feilscht. Wenn die eine Seite hart feilscht und auf Zugeständnissen besteht, womöglich noch zu offenen oder versteckten Drohungen greift oder Daumenschrauben anzusetzen versteht, und die andere Seite weich darauf reagiert, entscheidet sich das Spiel unweigerlich zugunsten der hart verhandelnden Seite. Auf anhaltendes hartes Positionsfeilschen mit konziliantem weichen Verhalten zu antworten, bedeutet – bildhaft formuliert – das letzte Hemd aufs Spiel zu setzen.
Welche Alternative gibt es ?
Ein Forschungsteam der renommierten Harvard-Universität hat sich jahrelang mit politischen Verhandlungen auf höchster Ebene, mit Verkaufsgesprächen im orientalischen Bazar bis zu Tarifverhandlungen der Gewerkschaften befaßt. Ziel dieser Studien war es, Methoden und Strategien zu entwickeln, mit denen nicht nur unterschiedliche Positionen durch Verhandeln überwunden werden konnten, sondern die auch helfen sollten, aus verfahrensten Situationen herauszukommen. Das Verfahrensmodell für Verhandlungen, das so entwickelt wurde, ist als Harvard-Methode bekannt geworden. Vereinfacht läßt es sich als Methode sachbezogenen Verhandelns charakterisieren, die in dem Gegenüber nicht die gegnerische Seite sieht, die es auszuknocken gilt, sondern den Partner, mit dem ein gemeinsames Bemühen um einen Interessenausgleich verbindet.
Das wird besonders aus den vier Verhaltensmaximen deutlich, die das Gerüst der Harvard-Methode ausmachen:
  • 1. Die Beteiligten müssen Menschen und Probleme voneinander trennen.
  • 2. Was zählt, sind die Interessen, nicht die Positionen.
  • 3. Es gilt, für sich selbst wie auch zusammen mit dem Verhandlungspartner Alternativen zu entwickeln, die für beide Vorteile bringen.
  • 4. Alle Beteiligten müssen sich auf objektive Kriterien einigen, an denen das Verhandlungsergebnis gemessen werden kann.
Nüchternes, pragmatisches, verstandesorientiertes Verhandeln ist eine Wunschvorstellung; ein fernes Ziel, das auch beileibe nicht aus den Augen verloren werden sollte. Nur – die Realität ist es nicht! Neben der Sache, die letztendlich dazu geführt hat, daß verhandelt wird, spielen bei Verhandlungen bewußte oder unbewußte Vorurteile eine gewichtige Rolle. Egal, ob der Einkäufer mit dem Vertreter oder Repräsentanten des Lieferanten Konditionen aushandelt, ob die Marketingexperten sich mit den Kollegen aus der Forschung auseinandersetzen, stets spielen Verstand und Gefühl eine Rolle und nicht selten spielt das Gefühl ganz und gar die gewichtigere!
Verhandeln spielt sich also immer auf zwei Ebenen ab, und zwar auf der Sach-Ebene und der Beziehungsebene. Und nur wer beide Ebenen in Verhandlung gleichermaßen berücksichtigt, verhandelt auf der richtigen Grundlage. Immer sind es vier Aspekte, die in Verhandlungen gesehen werden müssen und zwar der Mensch, Interessen, Möglichkeiten und Kriterien.
Verhaltenshinweise
Behandeln Sie Menschen und Probleme getrennt voneinander!
Das sollten Sie sich stets vor Augen führen, bevor Sie in eine Verhandlung gehen:
l Menschen sind keine gefühllosen Roboter – sie haben Emotionen.
l Menschen haben häufig voneinander abweichende Vorstellungen.
l Menschen neigen dazu, ihre Gefühle mit der objektiven Sachlage des Problems zu vermengen.
l Menschen versteifen sich gern von vornherein auf bestimmte Positionen.
Darum: Trennen Sie unbedingt persönliche Beziehungen von der Sachfrage! Kümmern Sie sich unmittelbar um das Problem Mensch! Und fangen Sie damit bei sich selber an! Denn bei Verhandlungen vergißt man sehr leicht, sich nicht nur um die menschlichen Probleme der anderen zu kümmern, sondern auch um die eigenen. Ärger und Frustrationen können auch eine günstige Übereinkunft erschweren oder verhindern. Oft genug werden Vorstellungen einseitig sein. Und möglicherweise passt man manchmal auch gar nicht richtig auf. Denn das Problem wird bei Verhandlungen durch die Sichtweise beider Seiten bestimmt. Und das erst eröffnet den Weg zu einer Lösung.
Hier einige Orientierungshilfen, die den schwierigen Weg durch das Dickicht Mensch bei Gesprächen bzw. Verhandlungen erleichtern und es ermöglichen, Menschen und Probleme wirklich getrennt voneinander zu behandeln:
l Versetzen Sie sich in die Lage des anderen.
l Leiten Sie die Absichten des anderen nie aus Ihren eigenen Befürchtungen ab.
l Schieben Sie die Schuld an Ihren Problemen nicht der Gegenseite zu.
l Sprechen Sie über die Vorstellungen beider Seiten.
l Achten Sie darauf, daß jeder Verhandlungsteilnehmer sein Gesicht wahren kann.
l Bemühen Sie sich, Emotionen zu erkennen und zu verstehen.
l Gestatten Sie der Gegenseite, Dampf abzulassen.
l Reagieren Sie auf emotionale Ausbrüche nicht noch emotionaler.
l Benutzen Sie auch symbolische Gesten.
l Hören Sie zu und geben Sie Rückmeldungen über das, was bei Ihnen angekommen ist.
l Sprechen Sie so, daß man Sie versteht.
l Überzeugen Sie sich davon, daß Sie wirklich so verstanden worden sind, wie Sie es gemeint haben.
l Bauen Sie aktive Beziehungen auf! Gehen Sie auf den anderen zu, um ihn kennenzulernen. Verhandeln ist einfacher, wenn man mehr voneinander weiß als nur, daß man ein gemeinsames Problem hat, das man unterschiedlich sieht.
l Gehen Sie das Problem an, nicht die Menschen.
Auf Interessen konzentrieren, nicht auf Positionen!
Das eigentliche Grundproblem bei Verhandlungen liegt selten in unvereinbaren gegenseitigen Positionen. Meistens liegt es im Konflikt beiderseitiger Ängste, Befürchtungen, Nöte, Sorgen oder Wünsche. Und das sind die Interessen, die in Verhandlungen unbedingt aufgespürt werden müssen, denn sie sind die Beweggründe hinter dem vordergründigen Durcheinander von Positionen. Werden Interessen statt Positionen zur Übereinstimmung gebracht, so ist das in doppelter Hinsicht hilfreich. Zum einen kann jedes Interesse durch mehrere mögliche Positionen befriedigt werden. Zum anderen ist der Ausgleich von Interessen nützlicher als jeder Positionskompromiß, weil es trotz gegensätzlicher Positionen in der Regel mehr gemeinsame als gegenteilige Interessen gibt.
Wie kann man nun die Interessen erkennen, die bei Verhandlungen eine Rolle spielen (wobei es nicht nur um die Interessen der anderen geht, sondern auch um die eigenen). Die Antwort lautet: Stellen Sie Fragen! Hinterfragen Sie sowohl Ihre eigene Position als auch die der Gegenseite. Machen Sie mit der Art und Weise, in der Sie Fragen stellen, unmißverständlich deutlich, daß es Ihr Wunsch ist zu verstehen.
Entscheidungsalternativen entwickeln
Was macht viele Verhandlungen zu zähflüssigen, sich nur schwer bewegenden, frustrierenden Angelegenheiten? Meistens sind es zwei Dinge:
1.Die felsenfeste Überzeugung der meisten Verhandelnden, daß
l sie die richtige Antwort schon kennen,
l ihr Angebot damit über jeden Zweifel erhaben und vernünftig ist,
l ihr Angebot aus besagten Gründen angenommen werden sollte.
Kurz, daß ihre Sicht der Dinge die Oberhand behalten muß.
2.Die festverwurzelt mitten im Weg zu einem Übereinkommen stehende Ansicht, daß alle eventuell doch noch in Betracht zu ziehenden Kompromisse auf einer geraden Linie zwischen der eigenen Position und der der Gegenseite liegen. Die einzig kreativen Schritte, die den Verhandelnden unter dieser Sicht der Dinge in den Sinn kommen ist, die Differenz zwischen ihren richtigen Auffassungen feilschenderweise aufzuteilen, bestenfalls zu halbieren.
Dies macht sowohl das Hauptproblem der meisten Verhandlungen deutlich als auch die Chance zur Lösung festgefahrener Auseinandersetzungen.
l Das Hauptproblem: Die Programmierung der meisten Verhandelnden darauf, daß Verhandeln sich auf einem gedachten Trampelpfad abspielt, der ausschließlich Schritte nach vorne oder zurück erlaubt. Motto: Soviel Sieg wie möglich, soviel Niederlage wie unvermeidbar. Und wenn’s denn gar nicht anders gehen will: Halbe/Halbe.
l Die Chance: Die Entweder-oder-Programmierung verlassen; Verhandlungen nicht als eine positionsmäßig bereits zementierte Kraft- oder Machtprobe ablaufen lassen, sondern als einen kreativen Prozeß, der in einem ersten Schritt darauf abzielt, soviel denkbare Lösungsalternativen wie nur möglich aufzuspüren, aus denen in einem zweiten Schritt die für alle Beteiligten befriedigendste Alternative herausgefiltert und verabschiedet beziehungsweise in einem dritten Schritt inhaltlich ausgefeilt und beschlossen wird.
Objektive Meßlatte für Problemlösung suchen
In Verhandlungen fällt früher oder später der Satz „Betrachten wir die Dinge doch einmal objektiv!“ Aber statt daß dieser Satz tatsächlich als Aufforderung verstanden wird, wenigstens für eine Verhandlungssequenz einmal die subjektive Brille beiseite zu legen und sich gemeinsam nach objektiven Betrachtungshilfen umzusehen, wird er als Signal gedeutet, daß in demjenigen, der diesen Satz äußert, der Ärger langsam dem Siedepunkt zustrebt.
Dabei ist einem zügigen Verhandlungsfluß in vielen Fällen kaum etwas förderlicher als der Rückgriff auf objektive Maßstäbe, an denen der kontrovers diskutierte Verhandlungsgegenstand gemessen werden kann. So fahren sich beispielsweise Preisverhandlungen häufig allein deswegen fest, weil die objektive Größe Abnahmemenge nicht genügend mit in die Verhandlungen einbezogen wird. Ebenso unsinnig ist es, sich über Preise zu streiten, wenn allen Beteiligten bewußt sein müßte, daß es zu einem spezifischen Lieferanten keine vernünftige Alternative gibt, sei es nun aufgrund der Qualität eines spezifischen technologischen Know-hows oder aufgrund der Schnelligkeit, mit der die Lieferung erfolgen könnte und auf die es ankommt.
Vorbereitung einer Verhandlung
-Meine beste Alternative ist?
-Die beste Alternative der Verhandlungspartner ist?
-Wie behandle ich die Sache, wie die Person?
-Meine Interessen sind?
-Die Interessen der Verhandlungs-Partner sind wahrscheinlich?
-Welche Alternative habe ich schon?
-Welche Alternativen können noch entwickelt werden?
Folgende Maßstäbe können herangezogen werden?
Prinzipien sachgerechten Verhandelns Emotionen/Sache:
In einer Verhandlung werden Gefühle zu Fakten. Rechnen Sie mit diesen Fakten. Oftmals sind in Verhandlungen die Menschen das größere Problem als die Sache bzw. der Verhandlungsgegenstand. Trennen Sie deshalb Mensch und Sache. Behandeln Sie jedes für sich, klar voneinander getrennt. Dafür benötigen Sie die Mittel geschulter Wahrnehmung und einfühlsamer Kommunikation.
Interessen:
Sinn und Zweck Ihrer Verhandlungen ist, Ihre Interessen zu befriedigen (nicht Ihre Positionen zu verteidigen).
Jedoch um zu einem befriedigenden Ergebnis für beide Verhandlungspartner zu gelangen, müssen die Interessen beider Seiten berücksichtigt werden. Nur dann wird eine langfristig nützliche Beziehung gesichert. Werden Sie sich klar über Ihre Interessen und die der anderen.
Alternativen:
Nutzen Sie Methoden zur Kreativitätssteigerung. Entwickeln Sie Optionen. Erarbeiten Sie Alternativen. Sie verändern auf diese Weise Form und Umfang der Verhandlung im Interesse beider Parteien. Vermeiden Sie die gefährliche Festlegung auf starre Positionen.
Maßstäbe
Bauen Sie Ihr Verhandlungsergebnis auf objektiven Entscheidungskriterien auf. Diskutiert man diese im Verlauf der Verhandlung mit seinem Verhandlungspartner, so muß am Ende keiner nachgeben, da sich einer fairen Lösung beide anschließen können.
Der bessere Weg ist, Fragen zu stellen!
Anstatt Ihrem Verhandlungspartner Antworten zu geben, sollten Sie ihm die richtigen Fragen stellen, z.B.:
-„Was wäre, wenn …?“
-„Wie wäre es, wenn …?“
-„Besteht die Möglichkeit, daß …?“
-„Könnten wir vielleicht …?“
-„Wäre es nicht denkbar, daß …?“
Sie erreichen damit eine Vielzahl von möglichen Lösungen, ohne die Position Ihres Verhandlungspartners herauszufordern oder zurückzuweisen.
Quelle:
Coverdale Team Management Deutschland GmbH, 81541 München
Aktuelles Heft
Titelbild Beschaffung aktuell 4
Ausgabe
4.2024
PRINT
ABO

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de