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Know-how-Lieferanten an der kurzen Leine

Studie zu Freiberuflern
Know-how-Lieferanten an der kurzen Leine

Obwohl Unternehmen externe Spezialisten brauchen und schätzen, sind diese kaum in Teams mit den Angestellten integriert. Doch gerade das könnte richtig Früchte bringen. Auch in anderen Punkten unterscheiden sich Freiberufliche von fest angestellten Wissensarbeitern.

Ob Wissensarbeiter fest in eine Organisation integriert sind oder nur zeitlich befristet als Freiberufler ihr Know-how in Projekte einbringen, wirkt sich direkt auf ihre Haltung aus: Während die breite Mehrheit der Festangestellten (71 %) meint, Wissen sei eine wichtige strategische Ressource und werde auch als solche behandelt, bejahen dies nur 42 Prozent der Freiberufler. Dies zeigt die Befragung von 309 fest angestellten und 272 freiberuflichen Wissensarbeitern im Rahmen des Studienprojekts „Wissensarbeiter und Unternehmen im Spannungsfeld“.

Zwei Drittel der befragten Freiberufler attestieren Wissensarbeitern (und damit sich selbst) keine herausgehobene Stellung in Organisationen. Freiberufler scheinen folglich ungleich kritischer zu sein, was die Bedeutung von Wissensarbeitern betrifft. Ein Grund hierfür könnte sein, dass Externe mit ihrem Blick von außen über eine höhere Klarheit verfügen. Eine zweite Erklärung verweist auf die nur ungenügende Integration Externer in die Organisationswelt ihrer Kunden, die eher ernüchternd wirkt.
Bei der Charakterisierung der eigenen Tätigkeit zeigen sich naturgemäß zum Teil erhebliche Unterschiede. So überrascht wenig, dass Freiberufler (53 %) ihre Wissensarbeit ungleich höher mit Projektorientierung als Festangestellte (33 %) assoziieren. Schließlich werden sie i. d. R. auch nur für spezifische Projekte eingesetzt. Die Befragungsergebnisse bestätigen zudem, dass Festangestellte (55 %) wesentlich stärker mit Routinetätigkeiten beschäftigt sind als Freiberufler (34 %). Unternehmen engagieren externe Spezialisten meist, um Know-how-Lücken zu schließen und weniger für die Erledigung administrativer Arbeiten.
Festangestellte Wissensarbeiter sind in hohem Maße wechselwillig. So würden 60 Prozent ihr derzeitiges Unternehmen verlassen, wenn sie sich bei einem neuen Arbeitgeber fachlich weiterentwickeln können. 40 Prozent denken sogar darüber nach, freiberuflich tätig zu sein. Umgekehrt halten nur etwa 22 Prozent der Freiberufler eine Festanstellung für denkbar. Mit anderen Worten: Flexible Beschäftigungsverhältnisse werden von der großen Mehrhzueit der externen Spezialisten bewusst gewählt, und nicht als Zwischen- oder gar Notlösung betrachtet. Dies mag auch darauf zurückzuführen sein, dass sie ähnlich wie die festangestellten Wissensarbeiter über ein hohes Selbstbewusstsein verfügen: Fast drei Viertel (72 %) sind sich sicher bzw. teilweise sicher, aufgrund ihrer Qualifikation immer ein attraktives Projekt zu finden.
Die überwiegende Mehrheit der Freiberufler (mehr als 80 %) fühlt sich zwar – ähnlich wie die Festangestellten – von den Unternehmen als Spezialisten wertgeschätzt und nach ihrer Meinung gefragt. Allerdings scheint das Maß an Selbstbestimmung, das Freiberuflern von den Unternehmen zugestanden wird, deutlich geringer zu sein als bei Festangestellten.
Während 62 Prozent der Festangestellten laut eigenen Aussagen selbst bestimmen, wo und wann sie arbeiten, fällt dieser Anteil bei Freiberuflern mit 42 Prozent wesentlich geringer aus. Unsere Erklärung lautet: Da Freiberufler meist über Stundenhonorare bezahlt werden, ist das Kontrollbedürfnis der Unternehmen hier deutlich stärker ausgeprägt als bei Fest-anstellungen. Dies äußert sich u. a. darin, dass freiberufliche Mitarbeiter vor Ort präsent sein müssen. Dagegen können festangestellte Wissensarbeiter im Home Office arbeiten.
Ohnehin scheint ihre Selbstbestimmung ein sensibler Punkt für Freiberufler zu sein. 56 Prozent betonen, sie sei sehr wichtig für ihre Entscheidung gewesen, sich freiberuflich zu machen. Doch nur 33 Prozent sehen die Selbstbestimmung als vollständig erfüllt an. Ein ähnliches Ergebnis zeigt sich bei der flexiblen Gestaltung des Arbeitsalltags. Für 38 Prozent der befragten Freiberufler ist diese sehr wichtig, aber nur 22 Prozent betrachten sie als wirklich realisiert.
Während Unternehmen Freiberufler weniger gerne an der langen Leine laufen lassen als Festangestellte, zeigen sie gleichzeitig weniger Bereitschaft, diese zu integrieren. So ist zwar den Freiberuflern die Vernetzung mit Kollegen innerhalb der Unternehmen sehr wichtig und ist ein Großteil in hohem Maße bereit, Fachwissen auszutauschen. Doch die Realität scheint anders auszusehen: Nur 59 Prozent der befragten Freiberufler sehen diesen Austausch als gegeben an, aber 40 Prozent verneinen ihn. Festangestellte zeichnen ein anderes Bild: Hier meinen 77 Prozent, ihr fachlicher Austausch mit ihren Kollegen werde gefördert.
Sowohl festangestellte als auch freiberufliche Mitarbeiter halten die Zusammenarbeit in Mixed Teams insgesamt für produktivitätsfördernd – wobei der Anteil der positiven Bewertungen bei den Freiberuflern (86 %) noch deutlich über denen der Festangestellten (62 %) liegt. Offensichtlich sehen sich die externen Spezialisten innerhalb der Mixed Teams in der Rolle von Know-how-Lieferanten, die mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen aus anderen Unternehmen den Projektmehrwert steigern. Die positiven Aspekte von Mixed Teams sind jedoch nicht zum Nulltarif zu haben: Fast die Hälfte (43 %) der Freiberufler benennt einen hohen Einarbeitungs- und Kommunikationsaufwand als notwendig – ein Ergebnis, das sich übrigens mit den empirischen Ergebnissen anderer Studien deckt.
Umso wichtiger ist es, Mittel und Wege zu finden, um Externe effektiv in Teams zu integrieren. Für diese Integration halten 89 Prozent der Freiberufler die Einbindung in die Kommunikationsstruktur ihrer Kunden als sehr wichtig bzw. wichtig. Interessant ist, dass dieser Aspekt bei der Befragung von Fachbereichsleitern (siehe unsere Studie „Fachbereiche im Wandel“, 2011) zur Integration der Externen nur eine untergeordnete Rolle spielte. Dementsprechend ist die Realität eher ernüchternd: Nur 26 Prozent der Freiberufler werden laut eigenen Angaben heute vollständig in die Kommunikationsinfrastruktur eingebunden; immerhin 46 Prozent fühlen sich überwiegend eingebunden.
Ähnlich hoch ist die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit bei der Einbindung von Externen in die internen Austauschprozesse, wie Teammeetings. 47 Prozent halten diesen Aspekt für sehr wichtig, de facto vollständig realisiert ist es laut den befragten freiberuflichen Wissensarbeitern aber nur bei 22 Prozent.
Viele der angeführten Unterschiede lassen sich mit dem spezifischen Charakter der Freiberuflertätigkeit begründen. Ungeachtet dessen überraschen einige Ergebnisse. So zeigen sich Freiberufler – anders als vermutet – durchaus als Teamplayer. Wissen ist ihr Kapital und sie sind daher noch mehr als festangestellte Wissensarbeiter bereit, über das normale Maß hinaus in den Aufbau von Kompetenzen zu investieren. Dennoch – oder gerade deswegen – sind sie bereit, dieses Wissen zu teilen und zeigen sich überdurchschnittlich überzeugt von der produktivitätssteigernden Wirkung der Mixed Teams. Dies bedeutet nicht, dass Freiberufler eher altruistisch sind. Sie erkennen aber offensichtlich mehr als festangestellte Mitarbeiter die hohe Bedeutung von Teamarbeit und Vernetzung, um Wissensarbeit produktiv zu machen.
Ebenfalls verblüffend – auf den ersten Blick – erscheint auch, dass Freiberufler offensichtlich nicht so frei sind, wie es oftmals scheint. Unternehmen benötigen sie, um Know-how-Lücken zu schließen, tun sich aber schwer damit, ihnen selbstbestimmtes Arbeiten zuzugestehen und sie in die Kommunikationsstrukturen zu integrieren. Gerade mit Blick auf die hohe Bereitschaft der Freiberufler, ihr Wissen zu teilen, zeigen die Befragungsergebnisse hier ein großes Verbesserungspotenzial.

Zum Umgang mit Freiberuflern

Experten Tipps

Um das Potenzial externer Spezialisten auszuschöpfen und gleichzeitig die Produktivität der festangestellten Wissensarbeiter zu steigern, sollten sich die Unternehmen deshalb noch stärker mit der Integration der Freiberufler beschäftigen.
Hier ein paar Tipps:
  • Externe Freiberufler noch wesentlich aktiver in die Kommunikation im Rahmen des Projekts einbinden
  • Klare Regeln für Freiberufler in der Einarbeitungsphase aufsetzen
  • Die Dokumentation der geleisteten Arbeit der Freiberufler regeln und gewährleisten
  • Feste interne Ansprechpartner für externe Wissensarbeiter etablieren
  • Freiberuflern mehr vertrauen und ihnen wenn arbeitstechnisch möglich mehr Freiräume in Bezug auf Zeit und Ort ihrer Arbeit ermöglichen
  • Offene Räume schaffen für die Projektarbeit und den Austausch der Teams
  • Unsere Webinar-Empfehlung
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