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Kulturelle Unterschiede kennen und nutzen

Neue Serie: Weltweit verhandeln, Teil I
Kulturelle Unterschiede kennen und nutzen

„Andere Länder, andere Sitten“ heißt es und genauso unterscheidet sich auch das Verhalten am Verhandlungstisch. Bei internationalen Verhandlungen treffen sprachliche, vor allem aber kulturelle Unterschiede aufeinander. Wer heute erfolgreich sein will, muss sich auf dem internationalen Parkett der Geschäftswelt sicher bewegen können. In unserer Serie „Weltweit verhandeln“ beschreibt Ihnen Verhandlungsexperte Raphael Schoen den Stand der internationalen Forschung und gibt Empfehlungen für die Praxis.

Mit Verhandlungen werden Geschäftsaktivitäten gestartet, angepasst, erweitert oder abgeschlossen. Da Verhandlungen auf nationaler Ebene bereits sehr vielschichtig sind, kommt bei ihrem internationalen Pendant noch eine zusätzliche Komplexitätsdimension hinzu. Somit ist internationale Verhandlungskompetenz ein wichtiges Business-Skill für Einkäufer. In der Forschung kann es inzwischen als gesichert gelten, dass internationale Verhandlungen deutlich schwieriger durchzuführen sind als Verhandlungen im nationalen Kontext. Vorgehensweisen und Strategien, die hierzulande erfolgreich angewandt werden, sind international nur noch bedingt brauchbar.

Am internationalen Verhandlungstisch treten die Unterschiede durch kulturell geprägte Einstellungen zu Strategien, Vorgehensweisen, Kommunikationsverhalten, Teamzusammensetzung, Entscheiderstrukturen und Risikobereitschaft zutage, um nur die wichtigsten Unterschiede zu nennen.
Diese Unterschiede münden in praktische Fragestellungen, deren Antwort für internationale Verhandlungsakteure von entscheidender Bedeutung sein können:
  • Kann man die Verhandlungsstrategie voraussagen, die mein Gegenüber wahrscheinlich ergreifen wird?
  • Kann ich meine Vorgehensweise der meines Verhandlungspartners anpassen, um bessere Ergebnisse zu erzielen?
  • Welche Ziele wird mein Gegenüber wahrscheinlich verfolgen?
  • Für welche Zugeständnisse wird er eher empfänglich sein?
  • Wie ist die andere Seite organisiert und wer fällt die Entscheidungen?
Vom linearen zum agilen Verhandlungsstil
In dieser und den folgenden Ausgaben wird der Autor den Stand der internationalen Verhandlungsforschung darstellen und dabei Empfehlungen für die Praxis aussprechen. Schwerpunkt dieser Ausgabe ist der Unterschied zwischen zwei international gegensätzlichen Haltungen zum Wesen von Verhandlungen, den Umgang mit dem Verhandlungspartner und praktische Implikationen.
Viele wissenschaftliche Studien kommen zu dem Schluss, dass es deutliche Unterschiede in der Art und Weise gibt, wie international verhandelt wird. Es gibt zum Beispiel bei der Auffassung, wie Verhandlungen prinzipiell zu führen sind, weltweit bereits signifikante Unterschiede. In einer Ländergruppe überwiegt die Tendenz zu einem eher kooperativen Verhandlungsstil, wie er von den mit der Harvard University assoziierten Autoren Fisher und Ury favorisiert wird, als auch den Konfrontativen Verhandlungsstil, wie er nicht selten auch noch in Deutschland noch aufgefasst und verstanden wird.
Zwar spielen selbstverständlich auch individuelle Ausprägungen der Verhandlungsakteure des Gegenübers eine Rolle, jedoch erlauben kulturelle Ausprägungen unterstützende tendenzielle Voraussagen der Haltung des Gegenübers. Als kooperatives-, häufig wird auch von integrativem Verhandlungsverständnis gesprochen, wird aufgefasst, wenn beide Seiten fair miteinander umgehen und um eine Lösungssuche bemüht sind. Sie sehen ihre Verhandlungsziele als kompatibel an und versuchen dabei durch gezielten Informationsaustausch die Verhandlungsmasse kreativ auszuweiten. Damit wird eine Win-win-Situation erreicht und gemeinsamer Mehrwert erzeugt.
Kooperativ vs. Kompetitiv
Als Gegenentwurf gilt der kompetitive oder auch distributive Verhandlungsansatz. Dabei überwiegt die Einstellung, Verhandlungen als einen konfrontativen Machtkampf zwischen zwei Parteien aufzufassen, mit einem klaren Sieger und Verlierer. Die Verhandlungsmassevon der es gilt, möglichst viel für sich zu reklamieren wird als begrenzt angesehen, Verhandlungsziele werden als nicht kompatibel betrachtet und Informationen hauptsächlich mit dem Motiv ausgetauscht, den Verhandlungspartner unter Druck zu setzen, um so seine Positionen durchzusetzen.
Auf der Skala wird deutlich, wie stark die Einstellungen im Umgang mit dem Verhandlungspartner international variieren. Der japanische Verhandlungsstil ist zum Beispiel sehr durch Kooperation geprägt.
Es dominiert „Wa“, das in etwa mit dem Streben nach Harmonie übersetzt werden kann, und fundamental in der japanischen Kultur verankert ist. Es werden einvernehmliche Lösungen gesucht und langfristige, vertrauensvolle Geschäftsbeziehungen angestrebt.
Spanien hingegen, ist diejenige der gemessenen Nationen mit der kompetitivsten Einstellung zu Verhandlungen. Der Verhandlungspartner wird eher als Gegner verstanden, gegen den es gilt, möglichst viel von der begrenzten Verhandlungsmasse für sich in Anspruch zu nehmen.
Adaptiver Verhandlungsstil
Wenn wir Deutschland als Bezugspunkt betrachten und nach links sehen, dann liegen dort Mexico, Nigeria, Brasilien und Spanien mit einer überwiegend konfrontativen Verhandlungsauffassung. Rechts von Deutschland liegt die Mehrheit der untersuchten Nationen. Je weiter sich die Nationen auf der Skala rechts befinden, umso ausgeprägter ist in der jeweiligen Kultur der kooperative Verhandlungsstil.
Die weltweit unterschiedlichen Auffassungen zu Verhandlungsstrategien legen zwei Schlüsse nahe: Erstens ist der US-amerikanische kooperative Ansatz, wie er von den Harvard Autoren vertreten wird, nicht ohne Weiteres auf Deutschland direkt übertrag- und anwendbar, da hier im Vergleich zum US-amerikanischen Verhandlungsverständnis eine eher kompetitivere Interpretation vorherrscht.
Zweitens ist, durch die deutlich bestehenden weltweiten Unterschiede, der kooperative Verhandlungsansatz nur bedingt universell einsetzbar. Da beim Blick auf die deutsche Position auf der Skala nicht entscheidend ist, wo sich das Land absolut befindet, sondern wo die Zielnation liegt, mit der verhandelt wird, müssen wir unsere Verhandlungsstrategie anpassen, je nachdem wer uns gegenüber sitzt. Liegt die Zielnation auf der rechten Seite muss eher von kooperativeren Einstellungen des Gegenübers ausgegangen und entsprechende Strategien entwickelt werden. Stammt der Verhandlungspartner aus einem Land von der linken Seite der Skala mit einer wahrscheinlich kompetitiveren Auffassung des Verhandlungsprozesses, ist es notwendig, der kreativen Lösungssuche einige Schritte vorwegzuschalten.
Kompetitive Verhandlungspartner: Schritte zum Erfolg
Die Basis für einen erfolgreichen Verhandlungsausgang ist es, im allerersten Schritt eine vertrauensvolle Beziehung zu unserem Gegenüber zu schaffen. Je besser das gelingt, umso leichter lassen sich die weiteren Schritte auf dieses Fundament aufbauen.
Da kompetitive Verhandlungspartner tendenziell dazu neigen werden, Informationen nicht von sich aus zu teilen, ist es notwendig, den ersten Schritt zu machen und Transparenz über die eigenen Absichten, Motive und Interessen herzustellen.
Als dritter Schritt dient eine gezielte Fragetechnik dazu herauszufinden, welche Interessen die andere Seite verfolgt, vor welchem Hintergrund sich die Transaktion für unser Gegenüber abspielt und welche Interessen sich hinter ihren Verhandlungspositionen verbergen. Je mehr Vertrauen hierbei zwischen den Verhandlungspartnern herrscht, umso einfacher ist es Informationen zu erhalten, die für einen kreativen Lösungsansatz benötigt werden.
Um die Antworten des Gegenübers richtig einzuordnen ist es, notwendig sich landesspezifisches Hintergrundwissen und Geschichte, vor allem auch in Bezug zu Deutschland, anzueignen.
Da wir jetzt die wirklichen Interessen und Präferenzen unseres Gegenübers kennen, können wir im letzten Schritt beginnen kreative Vorschläge zur Lösungssuche zu unterbreiten.
Erst wenn wir die Unterschiede weltweiter Verhandlungsstile begreifen, können wir intelligente und agile Methoden anwenden, um unsere Verhandlungsstrategie anzupassen. Nur dann eröffnen sich die Möglichkeiten auch international Verhandlungsmassen zu vergrößern, umso bessere Ergebnisse für alle Beteiligten zu erzielen.

Raphael Schoen

Der Autor

… forscht an der HHL Leipzig, Graduate School of Management über internationale Verhandlungen und hat Verhandlungen im Industrie- und Hochtechnologiebereich in mehr als 20  Ländern geführt und begleitet. Er ist Trainer für globale Verhandlungsführung und Gründer von Global-IQ.org einer Trainingsakademie für internationales Management.

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Raphael Schoen, Global-IQ.org
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