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Kunststoff-Gleitlager – eine Alternative zum Nadellager?

Vergleich Lagerarten
Kunststoff-Gleitlager – eine Alternative zum Nadellager?

Lager sind Komponenten, die bewegte Maschinenteile voneinander entkoppeln. Ihre Aufgabe ist es, Bewegungen zu ermöglichen und die Maschinenteile vor Verschleiß zu schützen. Stellt man die verschiedenen Lagerarten im Vergleich gegenüber, wird deutlich, dass die Varianten Vor- und Nachteile haben.

Nach der Art ihrer Reibung werden Lager in Wälz- und Gleitlager unterschieden. Wälzlager übertragen die auftretenden Kräfte zwischen den zueinander beweglichen Teilen mithilfe rollender Elemente, der Wälzkörper. Diese können verschiedene Formen haben, die jeweils den Namen des Lagers bezeichnen: Kugeln, Zylinderrollen, Kegelrollen, Tonnen oder Nadeln. Sie bestehen hauptsächlich aus gehärtetem Chromstahl, seltener aus Einsatzstahl, Keramik oder Kunststoff.

Nadellager

Bei Nadellagern bilden lange und dünne Wälzkörper die Grundelemente. Diese Nadelrollen sind um ein Vielfaches länger als ihr Durchmesser. Die Bauweise von Nadellagern variiert: Es gibt Nadellager mit und ohne Innenring, wobei die Nadellager ohne Innenring kompakter sind. Dazu zählen die Nadelkränze als einbaufertige, selbstständige Lagerelemente. Diese ein- oder zweireihigen Baueinheiten bestehen nur aus einem Käfig und den Nadelrollen. In diesem Fall rollen die Nadeln direkt auf einer gehärteten und geschliffenen Welle ab, die als Laufbahn dient. Sie sind raumsparender als Nadellager mit Laufringen, da ihre radiale Bauhöhe allein dem Durchmesser der Nadelrollen entspricht. Baueinheiten ohne Innenring, die nur aus einem dünnwandigen Außenring und Nadelkränzen bestehen, werden als Nadelhülsen oder Nadelbüchsen bezeichnet. Aufgrund des Linienkontaktes zwischen Nadelrollen und Laufbahnen verfügen Nadellager beim Wälzvorgang – im Vergleich zum Punktkontakt der Kugellager – zwar über eine bessere Lastverteilung an der Kontaktstelle, dennoch bedingt die Linienberührung eine hohe Hertz’sche Pressung. Daher sind sie wie alle Wälzlager mehr oder minder empfindlich gegenüber Erschütterungen sowie Stößen und können ausschließlich radiale Kräfte aufnehmen.

Gleitlager

Gleitlager werden aufgrund ihrer zylindrischen Form auch Buchsen genannt. Sie enthalten keine beweglichen Teile und benötigen nur wenig Bauraum. Gleitlager unterscheiden sich von Wälzlagern durch das Prinzip der Bewegung: Gleitlager rollen nicht, sie gleiten. Dabei werden die Lagerungselemente nicht mittels rollender Wälzkörper voneinander getrennt, sondern gleiten direkt auf der Gleitfläche einer Lagerbuchse, einer Lagerschale oder einer Gleitfolie. Im Betrieb tritt folglich Gleitreibung auf; im Gegensatz zur Rollreibung bei den Wälzlagern. Im Vergleich zum Punktkontakt der Kugelbuchsen und der Linienberührung der Nadellager, treffen Gleitlager mit einer größeren Fläche auf die Welle. Die Kraft wird gleichmäßig auf die Auflagefläche verteilt, sodass Gleitlager hohe statische Belastungen aufnehmen können. Die größere Kontaktfläche zwischen Lager und Welle hat eine wesentlich geringere Flächenpressung zur Folge. Durch die großflächige Lastverteilung lassen sich darüber hinaus bei manchen Gleitlagern neben gehärtetem Edelstahl oder hartverchromtem Stahl sogar kostengünstige, weiche Wellenwerkstoffe wie Aluminium und nichtmetallische Komponenten als Gegenlaufpartner einsetzen. Ein Beispiel für Gleitlager, die das erlauben, sind Iglidur-Kunststoffgleitlager des motion-plastics-Spezialisten Igus. Durch die Auswahl der geeigneten Materialpaarung von Lager und Welle lassen sich die Reibwerte der Gleitlager positiv beeinflussen und ihre Lebensdauer verlängern.

Schmierverhalten

Um die Reibung und den Verschleiß zu minimieren, verlangen Nadellager aufgrund der Wälzkörper aus Metall eine kontinuierliche Schmierung mit Fett oder Ölen. Sobald der Schmierstoff versagt, entstehen Materialschäden bis hin zum sogenannten Fressen. 38,5 Prozent aller Wälzlagerschäden entstehen aufgrund einer falschen oder mangelnden Schmierung, beispielsweise wenn eine Maschine länger stillsteht. Beim Anfahren muss sich das Schmiermittel erst wieder verteilen. Das Lager läuft heiß, die Geräuschentwicklung steigt und die Schmierung versagt. Ein weiterer Grund für Schäden ist eine unzureichende Abdichtung: Geht der Schmierstoff verloren, läuft das System trocken. Ferner verkürzen eindringender Schmutz und Staub die Lebensdauer von Nadellagern, indem sich die Verunreinigungen mit dem Schmierstoff vermengen und so in die Laufbahn geraten. Gleitlager aus Hochleistungspolymeren hingegen sind vollkommen schmiermittelfrei. Diese bestehen aus einem thermoplastischen Basismaterial, das für eine gute Verschleißfestigkeit sorgt. Um die mechanische Belastbarkeit zu erhöhen, werden der Materialmatrix Fasern und Füllstoffe zugesetzt. Hinzu kommen eingebettete Festschmierstoffe, die sich freisetzen, sobald sich der Gegenlaufpartner entlang der Gleitfläche des Gleitlagers bewegt.

Vibration

Zusätzlich sind Iglidur-Gleitlager resistent gegen stoßartige Lasten und können Vibrationen absorbieren. Bei Nadellagern hingegen ergeben sich bei Verkippungen aufgrund ihrer Steifigkeit hohe Kantenpressungen zwischen Rollen und Laufbahnen, die zu Verschleiß führen. Dies kann zwar durch ballige Profilenden abgeschwächt, doch nicht vermieden werden. Auch Stöße erzeugen einen sogenannten Brinellierungseffekt – der Laufring des Lagers verformt sich und es entstehen raue Laufflächen im Lager, die zu erhöhter Geräuschentwicklung und Verschleiß bis hin zum Ausfall führen.

Korrosionsbeständigkeit

Außerdem kann der Korrosionsprozess die Funktion der Nadellager stark beeinträchtigen: Dringen Wasser, Kondenswasser oder Säuren in das Lager, führt dies häufig zu Stillständen. Im Vergleich dazu zeichnen sich Kunststoffgleitlager, je nach Werkstoffauswahl, durch eine niedrige Feuchtigkeitsaufnahme aus und sind völlig korrosionsfrei. Aufgrund ihrer organischen Natur sind sie resistent gegenüber anorganischen Medien, Säuren, Laugen und Salzlösungen.

Präzision

Die Vorteile von Wälzlagern sind ihre hohe Präzision und Steifigkeit. Je mehr Nadelrollen eingesetzt werden, desto tragfähiger und steifer wird das Lager. Außerdem lassen sich die Genauigkeit und Steifigkeit je nach Betriebsverhältnis durch die Lagerluft einstellen. Die Stärke der Präzision spielen Nadellager in Werkzeugmaschinen oder Getrieben aus. In vielen anderen Anwendungen ist diese hohe Präzision jedoch gar nicht erforderlich. Darüber hinaus treiben der hohe Materialeinsatz und der aufwendige Herstellungsprozess der Nadellager die Kosten in die Höhe.

Gewicht

Das geringe spezifische Gewicht von Polymeren bei gleichzeitig guter Festigkeit ist ein Vorzug der Kunststofflager. Im Gegensatz zu baugleichen Metalllösungen reduzieren Polymer-Gleitlager das Gewicht an jeder Lagerstelle um das Siebenfache. In der Automobilindustrie zum Beispiel, wo jedes Gramm zählt, werden daher teure Nadellager durch leichte und günstigere Iglidur-Gleitlager, beispielsweise in den Drosselklappen, ausgewechselt.

Fazit

Wenn anstelle der Präzision und Steifigkeit Faktoren wie ein geringes Gewicht, Medien- und Korrosionsbeständigkeit sowie hohe Robustheit und Standzeit speziell bei kleinen Bewegungswinkeln besonders wichtig sind, können Gleitlager aus Tribo-Polymeren ihre Stärken ausspielen. Dann stellen sie sowohl technisch als auch vor allem wirtschaftlich eine echte Alternative zu metallischen Nadellagern dar.


Das Unternehmen

igus GmbH

Die igus GmbH ist ein Hersteller von Energiekettensystemen und Polymer-Gleitlagern. Das familiengeführte Unternehmen mit Sitz in Köln ist in 35 Ländern vertreten und beschäftigt weltweit 3800 Mitarbeiter. 2017 erwirtschaftete man mit motion plastics, Kunststoffkomponenten für bewegte Anwendungen, einen Umsatz von 690 Mio. Euro. igus betreibt die größten Testlabore und Fabriken in seiner Branche, um dem Kunden innovative auf ihn zugeschnittene Produkte und Lösungen in kürzester Zeit anzubieten.


René Achnitz
Leiter Geschäftsbereich iglidur-Gleitlager
igus GmbH

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