Startseite » Allgemein »

Latin Lover und Lademeister

Testbericht Seat Leon ST FR 2.0 TDI
Latin Lover und Lademeister

Seat steht für deutsche Ingenieurskunst unter raffinierter Verpackung. Der Leon ST FR macht da keine Ausnahme. Er kombiniert genügend Laderaum und gute Fahreigenschaften mit einem lässigen Design.

So breit wie der Volkswagen-Konzern dürfte kein anderer Hersteller bei Kompaktklasse-Kombis aufgestellt sein: der VW Golf für gehobene Ansprüche, Skoda Octavia als Lademeister und der Seat Leon für die spanisch-sportlichen Momente im Fuhrpark-Alltag. Dass Audi vom A3 keine Kombi-Version anbietet – geschenkt. Denn Golf, Octavia und Leon rangieren mit ihrem Raumangebot ohnehin auf Augenhöhe mit dem Audi A4 Avant, der aber preislich und beim Image in einer ganz anderen Liga spielt.

Wer den sportlich geschnittenen Seat Leon Kombi noch eine Spur schärfer möchte, wählt ihn in der Ausstattungslinie FR (Formula Racing): Sie bringt serienmäßig Sportsitze vorn, dunkel getönte Scheiben hinter der B-Säule, 17-Zoll-Leichtmetallfelgen, LED-Heckleuchten und Doppel-Abgasendrohre mit. Dermaßen aufgehübscht macht die Sportversion des Leon optisch mächtig Eindruck, zumal der Testwagen in einem schönen Weiß lackiert war, das mit mattschwarzen Applikationen wie dem wabenförmigen Kühlergrill und den schwarz-roten FR-Emblemen gut harmoniert.
Überhaupt wirkt die Karosserie mit ihrer abfallenden Dachlinie, der schrägen Heckklappe und den markanten Sicken an der Seite nicht besonders kombihaft, eher wie ein Coupé. Selbst die filigrane Dachreling passt sich optisch sehr dezent in diese sportliche Silhouette ein. Der Leon ST FR entwickelt sogar so etwas wie Überholprestige, wenn seine optionalen Voll-LED-Scheinwerfer mit ihrer interessanten dreiecksförmigen Leuchtgrafik im Rückspiegel auftauchen.
Auch die inneren Werte stimmen
Ein Sportfahrwerk, vier Fahrmodi sowie der Zweiliter-Dieselmotor und ein Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe sorgen für sportliche Gefühle, die Klimaautomatik für einen kühlen Kopf. Für 24 857 € (ohne MwSt.) ein scharfes Angebot.
Allerdings schnappt man auch nach Luft, wenn man nach Ankreuzen der aufpreispflichtigen Optionen nochmals zusammenzählt. Ein Navigationssystem, mehrere Fahrassistenten (Fernlicht, Spurhaltung, ACC, Notbremsfunktion), eine Ultraschall-Einparkhilfe, ein höherwertiges Soundsystem, Panorama-Glasdach, spezielle Felgen im FR-Design und andere kleine Annehmlichkeiten treiben den Endpreis des Testwagens auf stattliche 32 050 € (ohne MwSt.) hoch.
Ob der Leon ST FR diese Summe wert ist, zeigt sich im Alltagsbetrieb. Kleine Kompromisse müssen größere oder nicht so gelenkige Frontpassagiere beim Einsteigen in Kauf nehmen. Die vorderen Türöffnungen sind etwas klein geraten, zudem sorgen Sportsitze und Sportfahrwerk für eine recht tiefe Sitzposition von Fahrer und Beifahrer. Das Gestühl verwöhnt allerdings mit ausgeprägten Seitenwangen, ausgezeichnetem Seitenhalt, einer Lendenwirbelstütze sowie mit einem sehr guten Sitzkomfort. Im Fond ist in etwa so viel Fußraum wie im Golf, aber etwas weniger als im Skoda Octavia Combi. Bei der Kopffreiheit merkt man die Sportkombi-Ambitionen des Spaniers deutlicher, hier fühlen sich groß gewachsene Passagiere in den Modellen der Schwestermodelle spürbar wohler. Kein Wunder, ist doch der Leon Kombi zum Beispiel drei Zentimeter niedriger als der Golf Variant. Als Placebo kann man sich das großflächige Glasdach leisten, das sich zur Hälfte öffnen lässt. Es bringt zwar nicht viel mehr Kopffreiheit, aber durch seine Transparenz ein luftigeres Raumgefühl – solange man den verschiebbaren Sonnenschutz nicht schließt.
Wer es sich hinter dem Lenkrad bequem macht, lässt seinen Blick über die bewährte Volkswagen-Bedienlandschaft schweifen; alles ist am gefühlt richtigen Platz, die Bedienelemente fühlen sich gut an und die Anzeigen lassen sich problemlos ablesen. Das 6,5-Zoll-Display in der Armaturentafel informiert mit klarer Farbgrafik über Navigations-, Reise und Audioinformationen. Auch in Sachen Konnektivität ist mit CD-Player, SD-Kartenslot, USB- und AUX-in-Anschluss sowie Bluetooth-Schnittstelle, integrierter Freisprecheinrichtung und Kompatibilität zu Mirror Link, Android Auto und Apple Carplay alles im grünen Bereich.
Elektronik unterstützt den Fahrer auch bei seiner unmittelbaren Fahraufgabe. Allerdings sind die Assistenten für Fernlicht, Spurhaltung, Geschwindigkeitsregelung, Notbremsfunktion und Verkehrszeichenerkennung in optionalen Paketen gebündelt. Sehr zu empfehlen ist die optionale Ultraschall-Einparkhilfe, da die Karosserie speziell am Heck aufgrund der ziemlich schrägen Heckscheibe schwer einzuschätzen ist. Die Assistenten funktionieren ohne Fehl, allerdings ist – aus rein subjektiver Einschätzung – ein kleiner Tadel angebracht: bei der automatischen Distanzregelung lässt sich zwar die Entfernung zum Vordermann einstellen. Fährt man aber auf ein langsameres Fahrzeug auf, regelt das ACC den Leon selbst bei minimal eingestelltem Abstand gefühlt schon sehr früh ab.
Deutsche Solidität mit südländischem Feuer
Dann heißt es Gelassenheit üben oder – bei einer mehrspurigen Straße flott die Überholspur nehmen. Mit dem elastischen und kräftigen Dieselmotor (110 KW, 320 Nm, Stopp-Start-System) gelingt das spielend, das Doppelkupplungsgetriebe stellt automatisch den passenden Gang bereit. Passend dazu trägt das Sportfahrwerk die Passagiere straff, aber noch mit einem Schuss Komfort über die Fahrbahnunebenheiten hinweg.
Wer es besonders flott will, wählt mit einer Taste auf der Mittelkonsole den Fahrmodus-Schalter „Sport“ und verfügt dann über ein „scharf“ gestelltes Motorkennfeld samt Getriebe-Schaltstrategie und eine direkter ansprechende Lenkung. Umgekehrt lässt es sich im „Eco“-Modus angenehm lässig und sparsam cruisen. Der durchschnittliche Kraftstoffverbrauch nach den gut 1000 Testkilometern – fast komplett im Eco-Modus und mit hohem Autobahnanteil – betrug etwa sechs Liter. Das ist zwar deutlich von den versprochenen 4,5 Liter im NEFZ-Verbrauchstest entfernt. Andererseits dürfte inzwischen bekannt sein, dass diese Labor-Testwerte wenig Praxisrelevanz aufweisen. Im Wettbewerbsumfeld kann sich der Testverbrauch durchaus sehen lassen. In Kombination mit einem vollen 50-Liter-Tank sind immerhin Trips von gut 800 Kilometern ohne Tankstopp möglich.
Angesichts des flotten FR-Designs und Antriebs sowie dank seiner inneren Werte tritt der eigentliche Zweck des Leon ST fast in den Hintergrund. Mit einem Gepäckvolumen von 587 Litern (1470 Liter bei umgeklappten Fondsitzen), einem doppelten Ladeboden und einer nahezu ebenen Ladefläche erfüllt er die Grundvoraussetzungen an einen Kombi mit Leichtigkeit. Wer noch mehr Laderaum will, kann sich ja einen Skoda Octavia Combi (610 bis 1740 Liter Ladevolumen) kaufen. Allerdings muss er beim langen Tschechen – wie auch beim Golf Variant – auf die lässige Kombination aus deutscher Solidität und südländischem Feuer verzichten. Denn genau das zeichnet den Seat Leon ST FR aus: Unter seiner angedeuteten Machismo-Attitüde verbirgt sich ein grundsolider Begleiter für den automobilen Alltag.

Hartmut Hammer, Fachjournalist
Aktuelles Heft
Titelbild Beschaffung aktuell 3
Ausgabe
3.2024
PRINT
ABO

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de