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Lieferantenbewertung in Deutschland

Umfrage der Fachhochschule Niederrhein
Lieferantenbewertung in Deutschland

Ziel der vorgestellten empirischen Untersuchung war eine Bestandsaufnahme der derzeit in Deutschland praktizierten Verfahren der Lieferantenbewertung bei Produktionsmaterialien. Lieferantenbewertung umfaßt Auswahl und Controlling der Lieferanten.

Im Rahmen der Lieferantenauswahl beschäftigt sich die Studie vorrangig mit der Ermittlung der relevanten Vergabekriterien. Insbesondere wurde geprüft, inwieweit die Unternehmen die Entscheidungsparameter situationsspezfisch variieren und welche Motive sie dazu veranlassen. Die Analyse des Lieferantencontrollings bezweckt eine Darstellung der in der Praxis gängigen Kontrollgrößen und Steuerungsmechanismen.

Zur Datenerhebung wurden von August bis November 1997 ca. 800 Unternehmen aus dem Verarbeitenden Gewerbe und dem Handel in Deutschland befragt. Selektionsfilter bei der Unternehmensauswahl bildeten die Branchenzugehörigkeit und eine Unternehmensgröße von mindestens 100 Beschäftigten.
149 Unternehmen beteiligten sich an der Umfrage, was einer Rücklaufquote von 18,6% entspricht. Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt sind Unternehmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten in der Stichprobe überrepräsentiert. Ihr Anteil an der Zahl der Rückmeldungen beträgt 49,7%.
Die hier vorgestellten Untersuchungsergebnisse abstrahieren weitgehend von branchen- und unternehmensgrößenspezifischen Besonderheiten.
Einfaktorenvergleich
Die Untersuchung der Lieferantenauswahlverfahren konzentriert sich zunächst auf die Frage, inwieweit die Unternehmen ihre Auswahlentscheidung auf Ein- oder Mehrfaktorenvergleiche abstützten. Ein Einfaktorenvergleich liegt vor, wenn die Lieferantenauswahl nur mit Hilfe eines Entscheidungskriteriums getroffen wird.
Das am häufigsten angewandte Verfahren des Einfaktorenvergleiches ist der Preisvergleich. Wie die Umfrageergebnisse belegen, beruhen ca. 40% der Vergabeentscheidungen auf einem reinen Preisvergleich. Die Auffassung, nur der Preis sei entscheidungsrelevant, spiegelt somit die betriebliche Realität nicht wider.
Aus der Berücksichtigung zusätzlicher Faktoren bei der Lieferantenauswahl kann aber nicht zwingend auf eine sinkende Bedeutung des Preises im Entscheidungsprozeß geschlossen werden. So betonten die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion auf dem 12. deutschen Symposium für Einkauf und Logistik zum Thema „Was zählt im Einkauf wirklich? Der Preis oder mehr?“ den nach wie vor hohen Stellenwert des Preises im Einkauf. Aussagen wie „Der Preis muß stimmen“ deuten darauf hin, daß die Erreichung des vom Abnehmer vorgegebenen Preiskorridors häufig eine Mußbedingung bei der Lieferantenauswahl darstellt.
Mehrdimensionale Lieferantenauswahl
Wie der empirische Befund zeigt, stellt der Mehrfaktorenvergleich heute das gebräuchlichste Verfahren der Lieferantenfestlegung dar. Die Verwendung mehrerer Vergabekriterien erfordert aber zum einen deutlich höhere Informationsbeschaffungskosten, da die Merkmalsausprägungen verschiedener Beurteilungsgrößen ermittelt werden müssen; zum anderen gestalten sich auch die Entscheidungsprozesse langwieriger und kostspieliger. Aufwendige Auswahlverfahren zur Liefe- rantenfindung sind somit nur dann ökonomisch sinnvoll, wenn der dadurch erreichte Zusatznutzen die verursachten Mehrkosten überkompensiert. Es ist somit die Frage zu klären, welche Motive die Unternehmen veranlassen, neben dem Preis weitere Kriterien zur Lieferantenauswahl heranzuziehen.
Gemessen an der Anzahl der Nennungen, erfordert in erster Linie eine hohe Produktkomplexität die Berücksichtigung zusätzlicher Entscheidungskriterien. Aber auch die Existenz marktseitig bedingter Beschaffungsrisiken, hohe Einkaufsvolumina sowie Auslandsbeschaffungen führen häufig zur Verwendung mehrerer Vergleichsgrößen bei der Lieferantenauswahl.
Im Durchschnitt nennen die Unternehmen fünf verschiedene Motive, bei denen sie die Anbieter anhand mehrerer Leistungsmerkmale bewerten. Allerdings kann aus dem bloßen Vorliegen einer dieser Anlässe nicht zwingend auf den Einsatz von Mehrfaktorvergleichen geschlossen werden. Die Neigung zusätzliche Kriterien bei der Lieferantenauswahl zu beachten, hängt vielmehr stark von der jeweiligen Motivationskonstellation ab. So belegt die Untersuchung, daß bei gleichzeitiger Präsenz mehrerer Motive in einer konkreten Beschaffungssituation die Wahrscheinlichkeit eines Mehrfaktorenvergleichs am höchsten ist. Das Einzelmotiv, welches am ehesten eine Lieferantenauswahl durch verschiedene Kriterien erfordert, ist ein geplantes gemeinsames Entwicklungsvorhaben zwischen Abnehmer und Anbieter. Hingegen ist das alleinige Vorhandensein eines hohen Einkaufsvolumens in weniger als der Hälfte der Fälle für einen Mehrfaktorenvergleich hinreichend.
Generelle Ableitung der Entscheidungskriterien
Die weitere Untersuchung der Lieferantenauswahlprozesse konzentriert sich ausschließlich auf die Analyse der Entscheidungsstrukturen beim Einkauf von Produktionsmaterialien. Dabei ist zu prüfen, ob die Beschaffungssituation die Auswahl der verwendeten Entscheidungskriterien beeinflußt oder ob die Unternehmen die Vergabekriterien losgelöst von der Beschaffungsaufgabe festlegen.
Rund die Hälfte der Befragten gaben an, bei der Lieferantenauswahl einen für alle Beschaffungsfälle einheitlichen Kriterienkatalog zu verwenden. Vorteile dieser Vorgehensweise sind die einheitliche Strukturierung der Auswahlprozesse mit der damit verbunden Möglichkeit einer guten Rechnerunterstützung sowie eine einfache Nachprüfbarkeit der Entscheidungsfindung. Außerdem läßt sich leicht sicherstellen, daß sich die Unternehmensziele in den Auswahlkriterien widerspiegeln.
Unternehmen, die die Bieter auf der Grundlage eines einheitlichen, fallübergreifenden Kriterienkatalogs auswählen, bewerten deren Leistungsfähigkeit durchschnittlich anhand von 4,15 verschiedenen Faktoren. Die Anzahl der in den Entscheidungsprozeß eingehenden Größen variiert allerdings zwischen den untersuchten Branchen erheblich.
Die in den Auswahlprozeß eingehenden Entscheidungsparameter werden von den Unternehmen wiederum in eine Vielzahl von Teilkriterien aufgesplittet. Wie eine Analyse zugesandter Lieferantenauswahlverfahren aus der Praxis verdeutlicht, operationalisieren die Unternehmen beispielsweise die Kriterien Qualität und Preis mit folgenden Dimensionen:
Qualitätsfähigkeit
–allgemeine Qualitätsfähigkeit/Zertifizierung nach ISO,
–Produktaudit.
Beanstandungen
–prozentualer Anteil der beanstandeten Lieferungen,
–Art und Schwere des Fehlers.
Reklamationswesen
–Dauer bzw. Schnelligkeit einer Reklamationsabwicklung,
–Zusammenarbeit bei Fehlerbeseitigung
Preisniveau
–marktgerechte Preisgestaltung,
–Preis-Leistungsverhältnis.
Preisentwicklung
–individuelle produktbezogene Preisveränderungen,
–Preisänderungen auf dem Gesamtmarkt für diese Produktgruppe,
–Bereitschaft zur langfristigen Preisbindung,
–lieferantenseitige Intentionen zu Preisreduzierungen.
Preisseriosität
–Preistreue,
–Häufigkeit von Nachforderungen,
–Verhandlungsbereitschaft.
Preistransparenz
–Aufschlüsselung der Preiszusammensetzung,
–Darstellung von Mehr- und Minderaufwand,
–Bereitschaft zu wertanalytischen Untersuchungen.
Eine Lieferantenbewertung, die auf einer detaillierten Analyse aller wesentlichen Teilaspekte der unterlegten Beurteilungskriterien beruht, erfordert einen hohen Zeitaufwand. Daher ist es nicht verwunderlich, daß weniger als 14% der Unternehmen einen Anbieter anhand von sechs oder mehr Beurteilungskriterien validieren. In diesem Befund dürfte sich zudem auch die Erfahrung widerspiegeln, daß eine Flut von Entscheidungsparametern die Auswahlprozesse unnötig verkompliziert und verlängert, ohne andererseits einen deutlichen Informationsgewinn zu erzeugen.
Die in der Praxis bedeutendsten Vergabekriterien sind Qualität sowie preis- bzw. kostenrelevante Faktoren. Bei 94% bzw. 89% der befragten Unternehmen fließen diese beiden Größen in den Auswahlprozeß ein. Mit einem deutlichen Abstand an Nennungen folgt eine zweite Gruppe mit den Parametern Liefertreue, Entwicklungspotential, Lieferzeit und Service.
Überraschend ist insbesondere, daß nur rd. 12% der Unternehmen angaben, die wirtschaftliche Lage ihrer zukünftigen Partner bei der Lieferantenauswahl zu berück-sichtigen. Auch die in Diskussionen häufig betonte logistische Leistungsfähigkeit scheint in der Praxis eher eine untergeordnete Rolle zu spielen. Aktuelle Themen wie die Recycelbarkeit der eingesetzten Produkte oder die EDI-Fähigkeit eines Lieferanten besitzen nur bei 3% der befragten Unternehmen Entscheidungsrelevanz.
Situationsspezifische Ableitung der Vergabekriterien
Die Beurteilung der Anbieter mit einem für alle Beschaffungsfälle einheitlichen Kriterienkatalog führt zu einer Lieferanteneinheitsbewertung. Ein solcher Auswahlmodus vernachlässigt notwendiger- weise die Besonderheiten der konkreten Beschaffungssituation. So fließen weder eine unterschiedliche Teilekomplexität (komplexe Module vs. Norm-Teile), noch die geplante Versorgungsstrategie (local- vs. global sourcing, single- vs. multiple sourcing, fertigungssynchrone Anlieferung vs. Lagerhaltung) oder die Gegebenheiten auf den Beschaffungsmärkten (wie Marktmachtverhältnisse) in die Entscheidungsfindung ein.
Wie bereits aufgezeigt, bewertet etwa die Hälfte der befragten Unternehmen die Anbieter mit situationsspezifisch wechselnden Faktoren. Im Durchschnitt unter-scheiden die Unternehmen 3,35 verschiedene Beschaffungskonstellationen, für die sie jeweils den Verhältnissen angepaßte Entscheidungskriterien ableiten.
Eine Klassifizierung der von den Firmen aufgeführten Entscheidungssituationen in Fallgruppen, zeigt die überragende Bedeutung spezieller Produktanforderungen (wie Teilekomplexität, besondere Qualitäts- und/oder Garantieerfordernisse) sowie der Beschaffungsmarktbedingungen (insbesondere Auslandsbeschaffungen) für eine situationsspezifische Lieferantenauswahl. Ferner bedingen auch ein hohes Einkaufsvolumen (bzw. hohe Beschaffungskosten) sowie geplante Entwicklungsvorhaben relativ häufig den Einsatz gesonderter Entscheidungsparameter.
Ausgewählte Beschaffungssituationen
Eine Analyse ausgewählter Beschaffungssituationen zeigt, daß Unternehmen, die ihre Vergabekriterien situationsspezifisch festlegen, im allgemeinen mit deutlich weniger Bewertungskriterien für die Lieferantenauswahl auskommen (Ausnahme: Beschaffung technisch komplexer Produktionsmaterialien) als solche, die ihre Entscheidungsparameter ohne Berücksichtigung einer konkreten Beschaffungssituation ermitteln.
Die beschaffungssituationsunabhängige Festschreibung von Entscheidungskriterien verlangt aufgrund der Vielfalt abzudeckender Sachverhalte ein breites Spektrum an Beurteilungsfaktoren. Dies führt dazu, daß auch Informationen im Auswahlprozeß verarbeitet werden, die eigentlich zur Entscheidungsfindung nicht zwingend benötigt werden. Komplizierte, langwierige und teuere Entscheidungsprozesse sind die Folge.
Eine situationsspezifische Ableitung von Entscheidungskriterien für typische, häufig vorkommende Beschaffungskonstellationen hingegen erfordert einen einmaligen Zusatzaufwand für die fallklassenspezifische Festlegung der relevanten Beurteilungsparameter. Die Entscheidung selbst kann aber dann schneller, gezielter und mit vergleichsweise geringeren Kosten getroffen werden.
Komplexe Produktionsmaterialien
Bei der Beschaffung technisch anspruchsvoller Güter erachten fast die Hälfte der Unternehmen die Produktqualität als wesentlichstes Entscheidungskriterium. Folgende Aspekte sind unter Produktqualität subsumiert: Art der technischen Lösung, Beanstandungsquote, Zertifizierung und Qualitätssicherungssysteme. Neben der Produktqualität werden weitere, primär die technische Leistungsfähigkeit eines Bieters kennzeichnende Faktoren besonders hoch gewichtet. So sehen 17% bzw. 9% der Abnehmer das Entwicklungspotential der Lieferanten sowie dessen fertigungstechnische Kompetenz als vorrangig an.
Der Einstandspreis wird nur von wenigen Unternehmen (8%) als erstrangiges Selektionskriterium angesehen. Er gewinnt erst an zweiter Stelle mit 25% der Nennungen an Bedeutung. Die Mehrzahl der Unternehmen (40%) stufen den Preis jedoch auf den dritten Platz ein.
Servicefaktoren – wie Beratungsqualität, Kundenorientierung oder Umfang der Garantieleistungen – werden von den Befragten ebenfalls als bedeutendes Leistungsmerkmal technisch komplexer Güter angesehen. Weniger relevant sind hier offenbar logistische Anforderungen sowie Merkmale, die in einem umfassenden Sinne terminliche Vorgaben des Abnehmers beschreiben.
Global sourcing
Bei geplanten Auslandsbeschaffungen stellen die Größen Produktqualität und Einstandspreise die überragenden Entscheidungskriterien dar, wobei die Abnehmer insgesamt die Produktqualität stärker gewichten als den Preis. Kriterien, die die logistische Kompetenz eines Anbieters charakterisieren, sehen die Unternehmen eindeutig als drittwichtigstes Lieferantenmerkmal an. An vierter Stelle stehen mit Lieferzeit, Flexibilität bei Bedarfsschwankungen, Lagerhaltung, Fertigungskapazität und Auslastungsgrad Faktoren, die in einem umfassenden Sinn die Lieferfähigkeit eines Lieferanten anzeigen.
Es versehen lediglich 10% der Befragten die Gegebenheiten auf dem Beschaffungsmarkt mit dem höchsten Gewicht; 7% bzw. 8% berücksichtigen diesen Parameter erst auf dem zweiten bzw. dritten Rang.
Hohes Einkaufsvolumen
Charakterisiert ein hohes Einkaufsvolumen eine Beschaffungssituation am markantesten, so erachten die Unternehmen den Einstandspreis bzw. die Gesamtkosten im Sinne einer total cost of ownership-Betrachtung als herausragendes Entscheidungskriterium. Die Produktqualität wird als zweitwichtigster Beurteilungsfaktor betrachtet. Mit Abstand folgen logistische Kompetenz und Lieferfähigkeit des Bieters.
Entwicklungsvorhaben
Bei gemeinsamen Entwicklungsvorhaben zwischen Abnehmer und Anbieter schätzen die Abnehmer vor allem das Entwicklungspotential der Anbieter als bedeutendstes Lieferantenmerkmal ein. Die Produktqualität wird von vielen Unternehmen als zweitwichtigster Entscheidungsparameter angesehen. Preis- und Kostenaspekte gewinnen erst an dritter Stelle an Bedeutung. Mit einer erheblich geringeren Relevanz folgt die logistische Kompetenz eines Lieferanten erst auf dem vierten Rang.
Entscheidungsträger
Der Einkauf ist der gewichtigste Entscheidungsträger bei der Lieferantenauswahl. Durchschnittlich legt er in 55% aller Beschaffungsfälle die Lieferanten alleinverantwortlich fest. Unter Berücksichtigung seiner Mitwirkung in Projektgruppen ist er an über 80% aller Beschaffungsentscheidungen beteiligt. Andererseits geben 7% der Befragten an, die Lieferantenauswahl ausschließlich durch den Einkauf vorzunehmen.
Die modernen Beschaffungsstrategien stellen vielschichtige Ansprüche an die Qualitäts-, Kosten-, Entwicklungs- und Logistikkompetenz der Anbieter. Die Bewertung komplexer Anforderungen setzt bei den Entscheidungsträgern ein hohes technisches und kaufmännisches Fachwissen voraus, was häufig eine abteilungsübergreifende Zusammenarbeit im Auswahlprozeß erforderlich macht. Zur Lösung solcher Problemstellungen praktizieren mittlerweile 78% der befragten Unternehmen ein interdisziplinäres Teamwork. Durchschnittlich werden dabei 27% der Beschaffungsfälle gemeinschaftlich entschieden.
Die technischen Fachabteilungen legen im Mittel in 19% der Beschaffungsfälle den Lieferanten fest. Ihre Bedeutung ist insbesondere im Maschinenbau relativ hoch.
Lieferanten-Controlling
Der Prozeß der Lieferantenauswahl endet mit der Festlegung eines oder mehrerer Lieferanten. Im weiteren ist nun zu prüfen, ob die Lieferanten durch angemessene Leistungen ihre Auswahl rechtfertigen. Diese Analyse geschieht im Rahmen des Lieferanten-Controllings.
Eine regelmäßige Leistungsbewertung der Lieferanten führen ca. 87% der Abnehmer durch. Immerhin verzichten rund 12% der befragten Unternehmen – mit Ausnahme von Qualitätskontrollen, die 98% der Unternehmen vornehmen – auf eine umfassende, permanente Beobachtung der Leistungsfähigkeit ihrer Partner. In diesen Fällen ist ein frühzeitiges Erkennen von Eignungsdefiziten und ein entsprechendes rechtzeitiges Gegensteuern kaum mehr möglich. Darüber hinaus können die gemachten Erfahrungen mit einem Lieferanten bei zukünftigen Bezugsentscheidungen allenfalls unzulänglich berücksichtigt werden.
Wird ein Lieferanten-Controlling durchgeführt, geschieht es in 50% der Unternehmen rechnergesteuert. Rund 32% der Unternehmen führen die Lieferantenüberprüfung teilautomatisiert durch. Insbesondere die Ermittlung der Qualitäts-, Termin- und Mengentreue, die bei jedem Wareneingang vorgenommen wird, dürfte hier rechnergestützt erfolgen. Lediglich 18 % der Befragten erledigen die Lieferantenüberwachung manuell.
Controlling-Kriterien
Durchschnittlich bewerten die Unternehmen 4,62 verschiedene Leistungskriterien ihrer Lieferanten. Die am häufigsten kontrollierte Größe ist die Produktqualität, die von 98% der Unternehmen regelmäßig überwacht wird. Es folgen die Parameter Termintreue, Preisverhalten und Mengentreue. Eine erheblich geringere Bedeutung weisen Service bzw. Kundendienst sowie Bereitschaft zur technischen Zusammenarbeit auf.
Die Ergebnisse des Lieferanten-Controllings dienen zum einen der permanenten Steuerung des Lieferverhaltens; zum anderen sollten die Ausprägungen der Kontrollvariablen Inputgrößen der Lieferantenauswahl darstellen. Ein Vergleich der verwendeten Kontroll- und Auswahlparameter zeigt: Durchschnittlich überprüfen die Unternehmen 4,62 Leistungsmerkmale, während die Lieferantenauswahl im Mittel auf 4,15 Entscheidungskriterien basiert.
Ursächlich ist das ausschließlich im Lieferanten-Controlling relevante Prüfkriterium Mengentreue. So vergleichen 74% der Unternehmen, ob die gelieferte mit der bestellten Menge übereinstimmt. Dieser Mengenabgleich stellt nämlich in vielen Betrieben die Voraussetzung für die Zahlungsanweisung an die Lieferanten dar.
Um eine eventuell vorhandene unterschiedliche Relevanz einzelner Leistungsmerkmale in der Auswahl- und Controllingphase offenzulegen, dient ein Rangfolgevergleich der Nennungen von Entscheidungs- und Kontrollkriterien. Dieser zeigt auf, daß Qualtitäts- und Preiskriterien sowohl im Entscheidungs- als auch im Abwicklungsprozeß eine überragende Bedeutung besitzen. Die Termintreue hingegen wird regelmäßig von 90% der Unternehmen im Rahmen des Lieferanten-Controllings festgestellt; bei der Lieferantenauswahl jedoch berücksichtigen nur 47% der Befragten die Termintreue explizit. Ursächlich für diese Diskrepanz könnte sein, daß etliche Unternehmen auch die Ausprägung der Entscheidungsparameter Lieferzeit und terminliche Flexibilität vor allem an der Einhaltung der vereinbarten Termine messen.
Bei der generellen Ableitung der Entscheidungskriterien gaben 36% der Unternehmen an, das Entwicklungspotential der Bieter bei ihrer Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Beim Controlling hingegen bewerten nur noch rund 9% das Entwicklungsvermögen ihrer Partner. Das Schwergewicht bei der Beurteilung verschiebt sich hierbei auf die Einschätzung der Bereitschaft zur technischen Zusammenarbeit.
Ein interessantes Ergebnis weist das Leistungsmerkmal Service/Kundendienst auf. Während in der Entscheidungsphase rd. ein Viertel der Unternehmen diese Größe beachten, gewinnt sie während der Lieferbeziehung an Bedeutung. So validieren rd. 36% der Befragten regelmäßig den Kundendienst bzw. die Serviceleistungen ihrer Partner.
Die Bewertung der Finanz- und Ertragskraft der Lieferanten spielt in der Praxis offenbar nur eine untergeordnete Rolle. Bezogen schon nur 12% der Unternehmen die Wirtschaftskraft der Bieter in die Auswahlentscheidung ein, so spielt das Bonitäts-Ranking beim Lieferanten-Controlling mit ca. 2% praktisch keine Rolle.
Lieferantenklassifizierung
Die bewerteten Leistungsmerkmale werden von den Unternehmen zu einer Lieferantenkennzahl verdichtet, die die Leistungsfähigkeit eines Lieferanten dokumentiert. In diesem Zusammenhang werden häufig folgende Themen diskutiert:
–Inwieweit sollen Schlecht-Leistungen kompensierbar sein?
–Wie ist die Informationspolitik der Abnehmer gegenüber den Lieferanten auszugestalten?
–Welche Konsequenzen folgen aus einer Lieferantenbewertung?
Mindestanforderungen an ein Leistungsmerkmal werden meistens dann festgelegt, wenn deren Verletzung eine erhebliche Störung im Geschäftsprozeß verursacht. Ein Unterschreiten des Mindestleistungsniveaus bei kritischen Erfolgsgrößen sollte also zur Disqualifikation des Lieferanten oder zu sofortigen Gegenmaßnahmen führen.
Informationspolitik
Zweckmäßigerweise informiert ein Abnehmer seine Lieferanten umfassend über die relevanten Leistungskriterien sowie die angewandte Bewertungsmethodik. Dieses Wissen ermöglicht es dem Lieferanten, sich an den Wünschen seiner Kunden zu orientieren. Neben dieser Basisinformation ist ein regelmäßiger Informationsaustausch über die tatsächlich erbrachten Lieferleistungen sinnvoll. So können Leistungsveränderungen im Zeitablauf aufgezeigt, mögliche Handlungsbedarfe identifiziert und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.
Der Notwendigkeit, dem Lieferanten eingehend Bewertungskriterien und -methoden der Lieferantenbewertung zu erläutern, wird in der Praxis weitgehend entsprochen. Rund drei Viertel der Befragten unterrichten ihre Lieferanten über das in ihrem Hause praktizierte Bewertungsverfahren; fast ein Viertel weist jedoch eine restriktive Informationspolitik auf.
Konsequenzen der Lieferantenbewertung
Die Lieferantenklassifizierung muß Konsequenzen zeitigen, wenn sie als Instrument der Lieferantenbewertung nicht stumpf werden soll. Dabei geht es nicht nur darum, ungeeignete Bezugsquellen zu eliminieren. Ziel ist es vielmehr auch, gute Lieferanten zu fördern, um langfristig eine optimale Lieferantenstruktur zu realisieren.
Wie der Befund belegt, belohnen die Abnehmer überdurchschnittliche Leistungen mit einer verstärkten Integration der Lieferanten in ihre Wertschöpfungskette. Die Einbindungsstrategien weisen sowohl eine mengenmäßige als auch eine zeitliche Komponente auf. So beabsichtigen drei Viertel der Befragten ihre Lieferquote bei guten Anbietern zu erhöhen. 50% wollen sogar die Lieferanten als Alleinversorger für ein spezielles Teilespektrum aufbauen. Um leistungsstarke Partner langfristig zu binden, wollen weiterhin mehr als die Hälfte der Abnehmer den Lieferanten lange Vertragslaufzeiten anbieten. Auch die Absicht, Top-Lieferanten als Entwicklungspartner in zukünftige Neuentwicklungen einzubeziehen, unterstreicht die Intention zur langfristigen Zusammenarbeit.
Eine Honorierung guter Leistungen durch Preiszugeständnisse oder Prämien ist eher die Ausnahme. Lediglich 6% der Befragten nutzen dieses Instrument der Lieferantenpflege. Auszeichnungen für herausragende Leistungen setzten ca. 17% der Unternehmen ein. Diese Möglichkeit nutzten vor allem Großunternehmen, während sie bei kleineren Unternehmen aufgrund ihres geringen Bekanntheitsgrades und der damit beschränkten Motivationswirkung für die Lieferanten keine Rolle spielen.
Die bei Schlecht-Leistungen am häufigsten eingeleitete Maßnahme ist ein Lieferantengespräch. Parallel dazu verstärken die Abnehmer ihre Kontrollen. Fast zwei Drittel der Befragten zeigen über das Lieferantengespräch hinaus den Lieferanten detailliert ihre Schwachstellen auf, um gemeinsam Optimierungskonzepte zu erarbeiten. 60% der Unternehmen reagieren auf unzureichende Leistungen mit Quotensenkungen bzw. einem Abbruch der Lieferbeziehung.
Die Umfrage zeigt, daß ein unterdurchschnittliches Leistungsniveau nicht unmittelbar eine Reduzierung des Lieferumfangs bedingt. Vielmehr mahnen die Abnehmer zunächst eine Leistungssteigerung an, bevor sie die Lieferquoten kürzen bzw. die Geschäftsbeziehung beenden.
Zusammenfassung
Die Bestandsaufnahme der derzeit angewandten Verfahren der Lieferantenbewertung bei Produktionsmaterialien zeigt folgenden empirischen Befund:
–Der Einfaktorenvergleich in Form des reinen Preisvergleichs hat als alleiniges Instrument der Lieferantenauswahl weitgehend ausgedient. Allenfalls spielt er noch bei der Beschaffung von B- und C-Artikeln eine Rolle.
–Die Notwendigkeit, die Auswahlentscheidung mit Hilfe mehrerer Beurteilungsfaktoren zu fällen, steigt mit zunehmender Produktkomplexität der Beschaffungsgüter, erhöhten marktseitig bedingten Versorgungsrisiken, steigenden Einkaufsvolumina, geplanten gemeinsamen Entwicklungsvorhaben mit dem Lieferanten sowie dem gewünschten Einsatz anspruchsvoller Logistikkonzepte.
–Ungefähr die Hälfte der Unternehmen praktiziert eine Lieferanteneinheitsbewertung. Dabei stützen sie ihre Auswahlentscheidung auf durchschnittlich 4,15 Leistungsmerkmale ab. Die gewichtigsten Vergabeparameter sind Qualität, Preise bzw. Kosten, Liefertreue, Entwicklungspotential und terminliche Flexibilität.
–Wesentliche Motive für eine situationsspezifische Lieferantenauswahl stellen spezielle Anforderungen an das Beschaffungsobjekt, besondere Marktgegebenheiten, gemeinsame Entwicklungsvorhaben sowie hohe Beschaffungsvolumen dar.
–Der bedeutendste Entscheidungsträger ist der Einkauf. Er legt in 55% der Fälle allein die Lieferanten fest. Daneben gewinnt die interdisziplinäre Zusammenarbeit in Projektgruppen eine immer größere Bedeutung (27%).
–Fast 90% der Unternehmen betreiben ein regelmäßiges Lieferanten-Controlling, welches weitgehend rechnergesteuert durchgeführt wird.
–Die wesentlichen Controlling-Größen sind Produktqualität, Termintreue, Preisverhalten sowie Mengentreue.
–Wesentliche Anreizinstrumente bei Gutleistungen stellen Lieferquotenerhöhungen,die Qualifizierung zum Alleinlieferanten, Langzeitverträge sowie die Einstufung als potentieller Entwicklungspartner dar.
–Als Sanktionsintrumente bei Schlechtleistungen bevorzugen die Unternehmen zunächst „weiche“ Maßnahmen, um bei nicht erfolgter Verhaltensänderung die Lieferquoten zu senken oder die Lieferbeziehung abzubrechen.
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