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Lieferantenmanagement als crossfunktionales Projekt

Konzentration auf die Besten
Lieferantenmanagement als crossfunktionales Projekt

Ein neues ganzheitliches Lieferantenmanagement wird im Siemens Konzern im Einkauf von über 100 Geschäftseinheiten dezentral eingeführt. Im Geschäftsbereich Energieversorgung und -verteilung pilotierte der Einkauf für Leistungstransformatoren die Implementierung.

Peter Fuchs,Dr. Thomas Zachau

Mit dem neuen Lieferantenmanagementsystem konzentriert sich Siemens geschäftsbereichsübergreifend auf die besten Lieferanten und baut mit diesen die Zusammenarbeit weiter aus. Zentrale Bausteine des Systems sind ein konzernweit einheitliches Vorgehen bei der Lieferantenauswahl, -bewertung und -entwicklung. Das Konzept und das Lieferantenbewertungstool wurde in einem Team auf Konzernebene erarbeitet (siehe Beschaffung aktuell Ausgabe 5/99). Die Einführung des Lieferantenmanagements erfolgt jedoch dezentral in Eigenverantwortung der einzelnen Geschäftsgebiete und -bereiche.
Bevor bereichsweise der Roll-out vorgenommen wird, haben in den meisten Geschäftsbereichen des Elektronikkonzerns einzelne Standorte oder Geschäftseinheiten das neue Lieferantenmanagment-System pilotiert. Im Geschäftsbereich Energieversorgung und -Verteilung (EV) übernahm Anfang des Jahres der Einkauf im Geschäftsgebiet Leistungstransformatoren diese Rolle. Diese Pilotierung konnte jetzt erfolgreich abgeschlossen werden.
Das Geschäft mit Leistungstransformatoren umfasst bei Siemens ein Produktspektrum, das von Maschinen-, Netz-, Triebfahrzeugs- und Stromrichtertransformatoren bis zu Drosselspulen reicht. Hauptkunden sind Energieversorger und die Verkehrstechnik. Der Umsatz mit Leistungstransformatoren beträgt weltweit ca. 650 Mio. DM. Der Haupt-Produktionsstandort ist das Transformatoren-Werk Nürnberg – einer der ältesten Siemens-Standorte überhaupt. Weitere Standorte liegen in Portugal, Brasilien, Kroatien, China, Pakistan und Kolumbien. In Nürnberg stellen 200 Mio. DM Einkaufsvolumen mehr als 50% der Gesamtkosten dar. Die Materialkosten sind somit der wichtigste Kostenblock. Dieses Einkaufsvolumen teilt sich auf zehn Hauptmaterialgruppen auf – wie zum Beispiel Bleche, Kupferdrähte oder Trafokessel.
Projektziele
Im Rahmen eines umfangreichen Leistungssteigerungsprogrammes wurden in den letzten zwei Jahren in nahezu allen Funktionen und Prozessen Verbesserungs-maßnahmen angestoßen. Für die Materialeinsatzkosten wurden in diesem Zusammenhang 30% Senkung als Ziel festgelegt. Die Pilotierung des Themas Lieferantenmanagement bot dazu vor knapp einem Jahr die Gelegenheit, einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung dieses hochgesteckten Zieles zu leisten und gleichzeitig den Einkauf und die zugrundeliegende Systematik weiter zu professionalisieren. Folgende Projektziele wurden im einzelnen festgelegt:
–Signifikanter Beitrag zu den Materialkostensenkungszielen,
–Professionalisierung des Einkaufs durch strukturiertes Vorgehen,
–fundierte Materialgruppenstrategien auf der Basis von Technik, Logistik, Qualität und Einkaufsaspekten,
–konkrete Verbesserung der Lieferbeziehungen hinsichtlich Logistik- und Qualitätsleistung.
Projektorganisation
Entscheidend für den Erfolg des Projektes war neben dem Engagement des Einkaufes insbesondere die Beteiligung der Geschäftsleitung. Sie stand als Mitinitiator von Anfang an hinter dem Vorhaben und demonstrierte ihr klares Commitment in der Kick- off-Sitzung im Januar. Dabei wurde ein Entscheidungsteam gegründet, das sich aus den Leitern der vier Abteilungen Einkauf, Qualität, Logistik und Entwicklung zusammensetzte. Dieses Team kam im weiteren Projektverlauf in regelmäßigen Abständen zusammen, um die zu bewertenden Lieferanten festzulegen und um die durch die Bewerter erarbeiteten gesamtkostenwirksamen Strategie- und Maßnahmenempfehlungen zu verabschieden.
Für die Startphase wurde auf der Arbeitsebene ein Kernteam aus dem stellvertretenden Einkaufsleiter und 1-2 Beratern gebildet. Das Projekt wurde durch die Berater vier Monate lang 3-4 Tage pro Woche begleitet. Nach dem gemeinsamen Durchlauf des gesamten Prozesses, von der Lieferantenbewertung über die Ableitung der Materialgruppenstrategien bis zur Erarbeitung der ersten konkreten Maßnahmen und Zielvereinbarungen mit Lieferanten, konnte das Projekt in der Folge von einem erfahrenen Einkäufer allein betreut und anschließend zügig ins Tagesgeschäft integriert werden.
Der Projektablauf gliedert sich in vier Schritte. Als Ziel war vorgegeben, 80% des Einkaufsvolumens in die neue Systematik für das Lieferantenmanagement einzubeziehen.
Vorbereitung
Die erste Aufgabe des Teams nach dem Kick-off bestand darin, die zu bewertenden Lieferanten in den wichtigen Materialgruppen auszuwählen. Konkret wurden dabei im Transformatorenwerk Nürnberg 48 Lieferanten identifiziert, auf die sich die geforderten 80%, nämlich 160 Mio. DM Einkaufsvolumen, verteilen. Auf die ausgewählten Lieferanten entfiel dabei entweder ein großes Einkaufsvolumen oder sie besaßen eine besondere strategische Bedeutung bzw. verursachten hohen Aufwand bei der Geschäftsabwicklung.
Parallel zur Auswahl der zu bewertenden Lieferanten hat das Team einundvierzig Bewertungskriterien im Detail formuliert und mit den Funktionen Logistik, Qualität und Entwicklung erarbeitet. Bild 2 zeigt beispielhaft die Bewertungskriterien für die Kategorie Einkauf.
Nach diesen Vorarbeiten wurden jedem Lieferanten erfahrene Bewerter aus allen vier Funktionen Einkauf, Logistik, Qualität und Entwicklung zugeordnet. Das System wird so von Anfang an funktionsübergreifend im Unternehmen verankert und bleibt nicht nur ein Werkzeug des Einkaufs. Insgesamt wurden alle 48 Lieferanten von ca. 30 Bewertern aus den vier verschiedenen Funktionen beurteilt. Die Bewerter wurden dazu sowohl konzeptionell im Lieferantenmanagement-Gesamtsystem als auch für die Nutzung des Intranet-Tools zur Lieferantenbewertung geschult.
Bewertung
Die Bewertung erfolgte in moderierten, halbtägigen Startworkshops oder dezentral über das Intranet-Tool. In den Workshops wurde jeweils eine Bewertungskategorie durchgearbeitet. Entscheidend ist dabei nicht nur die quantitative Einschätzung des Lieferanten und der unmittelbare Gütevergleich mit den übrigen Wettbewerbern, sondern das planmäßige Sammeln aller Kommentare, die von den Experten über einen Lieferanten abgegeben werden. Diese Informationen beschreiben Verbesserungspotenziale und liefern erste Anhaltspunkte für die Ableitung notwendiger Entwicklungsmaßnahmen für einzelne Lieferanten.
Nach jeder Bewertung wurden die Ergebnisse im Team mit den Einkäufern plausibilisiert und anschließend im Intranet-Tool aufbereitet (Bild 3). Eine angeschlossene Excel-Funktionalität ermöglichte dann Auswertungen je Materialgruppe auf verschiedenen Aggregationsstufen. Diese Auswertungen bilden die Basis für die anschließende Strategiefindung.
Strategiefindung
In dieser Phase trafen sich die Bewerter materialgruppenweise. Beispielsweise konnten alle Mitarbeiter, die mit den Grobblechlieferanten zu tun haben, ihre Erfahrungen in einem Workshop austauschen. Gemeinsam wurde die mittelfristige Strategie für die Materialgruppe vorgeschlagen und Verbesserungsmaßnahmen und konkrete Kostensenkungspotenziale je Lieferant erarbeitet. Für die Materialgruppe Grobbleche/Profilstahl wurde u.a. vorgeschlagen, einen Lieferanten auszuphasen und zwei weiteren Lieferanten punktuell Ziele zur Verbesserung ihrer Schwachstellen vorzugeben. In einer anderen Materialgruppe wurde z.B. empfohlen, einen Lieferanten in Workshops weiterzuentwickeln. Diese Strategieempfehlungen und Maßnahmen wurden anschließend im Entscheidungsteam vorgestellt und entschieden.
Im Projekt ist dieser Schritt besonders wichtig. Ein funktionsübergreifender Konsens über das Verhalten gegenüber einzelnen Lieferanten und die generelle Vorgehensweise in einer Materialgruppe entsteht. Die Situation, dass unter Umständen Einkauf und Entwicklung verschiedene Strategien verfolgen, wird vermieden.
Ähnlich entscheidend wie die interne Kommunikation im Transformatorenwerk Nürnberg war die Kommunikation gegenüber den Lieferanten. An einem Lieferantentag – ca. 3,5 Monate nach Projektbeginn – wurde das neue Lieferantenmanagement-System, die Bewertungen sowie die Erwartungen an die Lieferanten und das weitere Vorgehen durch die Geschäfts- und Einkaufsleitung vorgestellt. Die Resonanz war sehr positiv: „Bei konsequenter Umsetzung ist der Erfolg garantiert“ und „eine ausgezeichnete Motivationsveranstaltung“ sind nur zwei der abgefragten Kommentare der Lieferanten.
Ergebnisse
Das Pilotprojekt konnte inzwischen erfolgreich abgeschlossen werden. Wesentliche Erfolgsfaktoren für die Einführung waren die konsequente Einbindung der Funktionen Technik, Qualität und Logistik bei der Bewertung und Strategiefindung, die verbesserte interne Kommunikation der Bewertungsergebnisse über das neue Intranet-Tool sowie die unmittelbare Ableitung von Entwicklungsmaßnahmen für die Lieferanten. Keine Bewertung bleibt ohne Konsequenzen. In Lieferantenworkshops werden alle Entwicklungsziele und Maßnahmen mit den Lieferanten diskutiert und verabschiedet. Dabei werden die Lieferanten aufgefordert auch eigene Vorschläge einzubringen.
Auf diese Weise wurden in den bisher durchgeführten Workshops zwischen fünf und zehn weitere Verbesserungsvorschläge erarbeitet, deren zusätzliche Potenziale geprüft werden. Für die konsequente Umsetzung stehen dabei grundsätzlich zwei Alternativen zur Verfügung. Im ersten Modell setzt der Lieferant die abgestimmten Entwicklungsziele selbständig um. Der Erfolg kann dann bei der nächsten Bewertung unmittelbar überprüft werden. In einem zweiten Modell beteiligt sich Siemens aktiv in Form von Workshops, Trainings oder sogar durch weitreichendere (Unternehmens-) Beratung an der Entwicklung des Lieferanten.
Vertiefendes Material über Lieferantenmanagement und konkrete Hinweise zur Einführung erhalten Sie auf Anfrage unter
Fax 0 89/92 21 83 97
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