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Liquidität – für Unternehmen eine lebenswichtige Versorgungsaufgabe

Der Einkauf beteiligt sich am Cash-Management
Liquidität – für Unternehmen eine lebenswichtige Versorgungsaufgabe

Verschärfte Wettbewerbssituation, geringes Wirtschaftswachstum und geringer werdende Deckungsbeiträge zwingen Unternehmen, alle möglichen Spar- und Optimierungspotenziale zu erschließen. Die Einkaufsverantwortlichen sind mehr denn je aufgefordert, positive Markteinflüsse in das Unternehmen zu holen und negative Markteinflüsse zu vermeiden.

Bernhard Riffner, Ralf Weidelich, Kreatives Kostenmanagement, Karlsruhe, Fax: 07 21/40 29 75

Positive Markteinflüsse sind z.B. Materialpreisreduzierungen, technische Verbesserungen und längere Zahlungsziele beim Zulieferer. Negative Markteinflüsse sind z.B. Preiserhöhungen, Unterversorgung usw. Die langfristige Existenz eines Unternehmens wird durch erfolgreiche Einkaufstätigkeit gesichert bzw. oft erst möglich gemacht. Nachstehend sind einige Indikatoren aufgeführt, an denen die Verbesserung oder Verschlechterung der Unternehmenslage festgemacht werden kann:
– Verschuldungsgrad,
– Gewinn,
– Rentabilität,
– Wirtschaftlichkeit,
– Produktivität,
– Motivation jedes einzelnen Mitarbeiters
– und die Liquidität.
Selbstverständlich haben alle Abteilungen und Geschäftsbereiche eines Unternehmens die Verpflichtung, neben dem Tagesgeschäft noch zusätzliche Aufgaben mit entsprechender Zielbildung zu übernehmen. Das gilt auch für den Einkauf, der mehr als fünfzig Prozent der Selbstkosten direkt beeinflusst und durch die Vertragsgestaltung die Zahlungstermine und den Liquiditätsabfluss entscheidend festlegt. Damit ist klar, dass die existenzsichernde Liquiditätsbeschaffung auch eine der Aufgaben der Einkaufsverantwortlichen ist.
Wie die Liquidität eines Unternehmens durch den Einkauf permanent verbessert werden kann, ist Gegenstand nachfolgender Ansatzpunkte.
Die Verbesserung der finanziellen Liquidität kann im Rahmen des Qualitätsmanagements z.B. gemeinsam mit den anderen liquiditätsbeeinflussenden Stellen wie Verkauf, Buchhaltung usw. als Projektarbeit übernommen werden. Wichtig dabei ist, dass die Veränderung bzw. die Verbesserung auch erfasst und der Erfolg – zum Beispiel innerhalb des Controllings – dokumentiert wird. Somit sind neben der Optimierung der Einstandpreise und der Materialgemeinkosten auch die Zahlungszeitpunkte so flexibel zu gestalten, dass das Betriebsergebnis und die Liquidität nachhaltig verbessert werden. Die Kennzahl der Liquidität ist der Cash flow. Dieser definiert den Grad der Zahlungsfähigkeit und ist gerade bei dem betrieblichen Controlling eine wichtige Maßgröße für die Leistungsfähigkeit oder Eigenfinanzierung eines Betriebes. Das heißt:
– Hoher Cash flow entspricht hoher Liquidität! (wenn die Kunden vertragsgemäß bezahlen.)
Der Cash flow errechnet sich durch Addition von Betriebsergebnis nach Steuern, Abschreibungen und Veränderung der langfristigen Rückstellungen.
Eine weitere Kennzahl ist der Saldo auf dem Bankkonto. Ist dieser ständig im Soll oder wird der Kontokorrentkreditrahmen permanent überschritten, ist offensichtlich der Geldfluss im Ungleichgewicht und es besteht ein Optimierungsbedarf. Hier unterscheidet sich die Liquidität eines Unternehmens nicht von der einer Privatperson. Für die private Liquiditätsoptimierung ist ein jeder selbst verantwortlich, für die des Unternehmens sollte auf jeden Fall auch der Einkauf zuständig sein, da die Höhe der ausgabewirksamen Kosten und die jeweiligen Zahlungszeitpunkte durch die Einkaufsverantwortlichen entscheidend beeinflusst werden. Es folgen einige Ansatzpunkte, die auf die jeweilige Unternehmensphilosophie, das Firmenimage und die Zielbildung der Einkaufsverantwortlichen angepasst werden müssen:
Variable Skonto-Gestaltung
Die Vereinbarung eines Skonto-Abzugs ist quasi ein zusätzlicher Preisnachlass, allerdings nur dann, wenn innerhalb einer bestimmten Frist die Zahlung erfolgt. Kann aus Gründen mangelhafter Liquidität die Zahlung nicht pünktlich geleistet werden, entsteht ein Skonto-Verlust oder anders ausgedrückt eine Materialverteuerung. Das darf nicht sein, und schon gar nicht wegen ein paar Tagen Liquiditätsengpasses. Aus diesem Grund sollte der Einkäufer bei der Vertragsverhandlung vom starren zum variablen Skonto übergehen und dies auch vertraglich vereinbaren und schriftlich fixieren.
Beispiel: Bisher lautete die Zahlungsbedingungen 14 Tage 3% oder 30 Tage netto (jeweils nach Wareneingang). Diese Vereinbarung ermöglicht einen 3%igen Abzug, einen zusätzlichen Rabatt, wenn innerhalb von 14 Tagen nach Eingang der Ware gezahlt wird. Eine frühere Zahlung, z.B. 3 Tage nach Wareneingang, bringt dem Kunden keine weiteren Vorteile. Eine verspätete Zahlung, z.B. 16 Tage nach Wareneingang, führt zum Skonto-Verlust. Diese Systematik sollte im Sinne der Flexibilität verändert werden! Das kann nach folgendem Schema geschehen: Die Ecktermine 14/3 und 30/netto bleiben bestehen. Nun wird weiter vereinbart: Sollte man die Rechnung vor dem 14. Tag bezahlen, ist der Skontovorteil höher. Zum Beispiel 10 Tage nach Wareneingang 3,2%, 5 Tage nach Wareneingang 3,5%.
Wichtig ist, dass auch nach Überschreiten des 14 Tage-Zeitpunktes ein Skontovorteil und somit eine Materialpreisreduzierung verbleibt. Entscheidend ist, dass die Buchhaltung über diesen neuen Modus informiert wird und auch die dadurch entstehenden Skontovorteile auf die entsprechenden Materialgruppen bucht. Somit sind die Materialeinstandspreise auf einem niedrigeren Kostenniveau als zuvor. Im Rahmen des Win-Win-Prinzips hat dieses Zahlungssystem wirtschaftliche Vorteile für beide: Der Kunde wird im Regelfall innerhalb der vereinbarten Zeitspanne bezahlen, da in jeder Phase dieser Zeitspanne ein Skontovorteil besteht. Somit hat auch der Zulieferer einen Liquiditätsvorteil, denn der Kunde zahlt – weil bis zum 30. Tag ein Skontovorteil entsteht – innerhalb der Frist.
Beim alten System fehlt dem Kunden der Anreiz, am 20., 30. oder 40. Tag zu bezahlen. Er kann währenddessen die 3. Mahnung abwarten und zahlt erst dann. Unterstützt durch die EDV ist auch eine täglich veränderte Skontozahlung möglich. Beispielsweise 5 Tage nach Wareneingang 3,5%, 6 Tage nach Wareneingang 3,45%, 7 Tage nach Wareneingang 3,4%, usw. Diese Zahlungsvariante setzt eine tägliche Zahlungsmöglichkeit voraus und funktioniert vom Ablauf her so, dass das EDV-System täglich überprüft, ob eine bestimmte Betragshöhe auf dem Konto vorhanden ist. Wenn ja, erfolgt die Zahlung, wenn nein, wird der Vorgang zum nächst möglichen Zeitabschnitt wiederholt.
Komplette Zahlung nur bei Vertragstreuer Leistung
Ein Vertragspartner und zuverlässiger Lieferant hat Anspruch auf die vertragsgemäß vereinbarte Zahlung. Ein Lieferant hingegen, der unpünktlich liefert, falsche Ware sendet oder sonstige Mehrkosten verursacht, sollte über eine Reduzierung des Rechnungsbetrages oder eine Verlängerung des Zahlungszieles sanktioniert werden können. Dies muss natürlich im Vorfeld vereinbart und auch Vertragsbestandteil werden. Folgende Vereinbarung wäre beispielsweise angebracht: Bei Überschreitung des Wareneingangstermines um mehr als zwei Tage ist der Kunde berechtigt, für jeden weiteren Tag der Nichtlieferung den Zahlungstermin um zwei Tage nach hinten zu verschieben.
Rücksendung nur mit Rechnung
Wird Ware an den Zulieferer zurückgeschickt, sollte dies künftig mit einer Rechnung geschehen. Also, nicht wie gewohnt zur Gutschrift zurück, sondern berechnet zurück. Die Ersatzlieferung ist gegen Neuberechnung vorzunehmen. Somit muss der Einkauf keine Gutschrift überwachen und die ausgestellte Rechnung kann in der Buchhaltung den Verbindlichkeiten gegengebucht werden. Das bedeutet, dass eine fällige Zahlung nicht bzw. nicht in vollem Umfang geleistet werden muss.
Wechselzahlungen
Eine Liquidität schonende Zahlungsweise ist der Wechsel. Der Wechsel ist ein beurkundetes Zahlungsversprechen, zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte Summe zu bezahlen. Ein Wechsel mit einer Laufzeit von 90 Tagen hat für den Käufer einer Ware den Vorteil, dass erst 90 Tage nach Ausstellung des Wechsels die Wechselsumme ausgabewirksam bezahlt werden muss. Diese Art der Bezahlung sollte grundsätzlicher Bestandteil des Vertrages sein, wobei über folgende Punkte zwischen Einkauf und Lieferant Einigkeit bestehen muss:
– Liegt das Einverständnis des Zulieferers für Wechselzahlung vor?
– Ist eine zusätzliche Sicherung des Wechsels durch eine Bürgschaft (z.B. Bank) erforderlich?
– Wer übernimmt die Diskontgebühren? (Wenn der Zulieferer oder ein anderer Besitzer des Wechsels diesen bei der Bank diskontieren lässt, also der Wechsel zu Buch- oder Bargeld wird, entstehen Zinskosten, der Wechseldiskont. Dieser ist in der Regel günstiger als ein Bankkredit.)
Sicherlich wird der Zulieferer diese erprobte, aber aktuell nicht allzu oft praktizierte Zahlungsweise kritisch betrachten. Doch die Vorteile für den Zulieferer sind einleuchtend:
– Hohe Absicherung seiner Forderungen. (Der Wechsel ist ein Instrument der Kreditsicherung),
– Nach Bedarf kann er den Wechsel an seine Lieferanten weitergeben,
– Sofortige Bargeldschöpfung (Diskontierung) möglich.
Maßnahmen, ausgabewirksame Kosten zu vermeiden oder zu verzögern
Die nachstehend aufgeführten Maßnahmen gehören zum ureigenen Aufgabengebiet des Einkaufs. Sie sind erprobte und wirksame Maßnahmen, den Produktionsfaktor Kapital auf wirtschaftlichste Weise einzusetzen und dem Unternehmen finanziellen Spielraum zu gewährleisten:
– Verlängerung der Zahlungsziele,
– Einführen eines Konsignationslagers,
– Verkürzung der Wiederbeschaffungszeiten (WBZ), dadurch ist eine höhere Planbarkeit der Bestände möglich,
– Just-in-time-Lieferung,
– Pufferlager beim Zulieferer,
– Bonusvereinbarungen,
– Vermeidung von Anzahlungen, z.B. bei Investitionen.
Jeder Vertrag, den der Einkaufsverantwortliche abschließt, definiert Rechte und Pflichten von Verkäufer und Käufer. Eine stabile Kunden-/Lieferantenbeziehung lebt von der Vertragstreue beider Partner. Zurecht wird vom Zulieferer immer qualitäts- und termingerechte Lieferung verlangt. In gleichem Maße hat der Zulieferer aber auch das Recht auf die vereinbarte Zahlung. Eine Überschreitung des vereinbarten Zahlungszieles (nach der 3. Mahnung wird bezahlt!) oder ein unberechtigter Skonto-Abzug (zwar wurde 14/3 vereinbart, wir zahlen erst nach 40 Tagen, ziehen aber trotzdem 3% ab) entsprechen nicht den Grundsätzen des ordentlichen Kaufmannes.
Schon manche terminmahnenden Einkaufsverantwortlichen haben sich den Satz „Zahlen Sie erst mal die fälligen Rechnungen, dann liefern wir“, anhören und gefallen lassen müssen. In solch einer Situation fällt es selbst den Besten schwer, Versorgungssicherheit zu realisieren, Kosten zu senken und einen realen Beitrag zur Liquiditätssicherung zu leisten.
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