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Margen beim Müll

Entsorgung
Margen beim Müll

Margen beim Müll
Rund 3500 Entsorgungsdienstleister liefern sich laut aktueller Branchenanalyse einen Verdrängungswettbewerb. Gerade kleinere Anbieter konzentrieren sich zunehmend in Nischenmärkten. (Foto: 36clicks/123rf9) Der Autor Manfred Godek, Journalist, Monheim
Die meisten Unternehmen produzieren Müll, aber nur wenige verstehen etwas von seiner Vermarktung. Wer das Geschäft beherrscht, kann seine Entsorgungskosten sogar in Gewinne ummünzen.

Rund 10 000 Euro kostete die Elbe Flugzeugwerke GmbH Dresden allein die Entsorgung von Verpackungsmaterial. Die Abfallsäcke schlugen mit 5000 Euro, der innerbetriebliche Transport mit 3000 Euro und die Miete für Presscontainer mit 2000 Euro zu Buche. Binnen eines Jahres wurde aus dem Minusgeschäft ein dickes Plus von 40 000 Euro. Statt nur zu ‚beseitigen‘, den lästigen Müll gleichsam ‚loszuwerden‘, hatte sich das Unternehmen des EADS-Konzerns für eine aktive Vermarktungsstrategie entschieden. Papier, Pappe, Plastik und Folie wird bereits in den Werkhallen sortenrein getrennt, gepresst und an ein Recyclingunternehmen verkauft.

Von den gestiegenen Marktpreisen für Sekundärrohstoffe profitiert der Laborartikelhersteller Greiner Bio-One GmbH im baden-württembergischen Frickenhausen noch zusätzlich durch ein neues Preismodell. „Wir haben die Entsorgungsdienste neu ausgeschrieben mit der Maßgabe, dass die Erlöse an die verschiedenen Branchen- und Produktpreisindizes der Rohstoffbörsen oder Handelsplattformen gekoppelt werden. Bei einigen Materialien konnten die Einnahmen dadurch sogar verdoppelt werden“, so der kaufmännische Leiter Christian Buchholz.
„Branchenübergreifend überwiegen die Verträge zu festen Abnahmesätzen, die zudem sehr konservativ kalkuliert sind“, bemängelt Dr. Arnd Halbach von Expense Reduction Analysts, einer Beratungsgesellschaft für Kostenoptimierung, die Unternehmen bei der Entwicklung von Entsorgungskonzepten und bei der Auswahl der geeigneten Dienstleister unterstützt. Eine Tonne PE Mischfolie beispielsweise sei in 2011 mit 189 Euro bewertet worden. Inzwischen ließen sich auf dem Weltmarkt 290 Euro erzielen; ein Plus von 53 %. Vor allem Mittelständlern fehle es an Markt-Know-how, um hart verhandeln zu können. EUWID führt laufende Statistik über die an Altstoffmärkten gezahlten Preise. Die Spanne zwischen den oberen und unteren Preisbereichen zeigen, dass sich viele Unternehmen mit Konditionen weit unter Marktniveau abspeisen lassen, egal ob die Preise steigen oder fallen.
Wo Wertstoffe aufwendig getrennt, zerlegt oder geschreddert werden müssten, bleibe für finanzielle Erstattungen wenig Spielraum, argumentieren viele Entsorger. Mit Technologiewissen lassen sich solche Verhandlungsstrategien durchkreuzen. Halbach meint dazu: „Selbst bei Mischfraktionen sind heute Vermarktungserlöse möglich. In Sortieranlagen lassen sich wiederverwertbare Materialien separieren; der Rest wird zerkleinert und als Ersatzbrennstoff verkauft.“
Die Bielefelder Saperatec GmbH hat ein Verfahren entwickelt, mit dem sogar Verbundmaterialien aus Verpackungen, Getränkekartons, Photovoltaik-Modulen oder Lithium-Ionen-Batterien mittels Mikroemulsionen in ihre Bestandteile zerlegt werden können. „Pro Tonne Abfall kann man etwa bei Verpackungsmaterialien mit einer Wertschöpfung von mehreren Hundert Euro rechnen“, so Managing-Director Dr. Sebastian Kernbaum. Bisher wurde der Müll teuer entsorgt und verbrannt. Es gibt inzwischen eine Pilotanlage; die patentierte Technologie soll weltweit vermarktet werden.
Erst einmal gilt es einen passenden Entsorgungsdienstleister überhaupt zu finden. Es gibt zurzeit 3500 Unternehmen, die sich laut aktueller Branchenanalyse einen Verdrängungswettbewerb liefern. Eine gute Voraussetzung also, um gute Konditionen herauszuholen. Allerdings ist der Markt sehr heterogen. Konzerne wie Remondis, Bartscher oder Scholz decken vielfach die gesamte Wertschöpfungskette vom Sammeln der Abfälle über die Wiederverwertung bis hin zur Vermarktung der Sekundärrohstoffe ab. Kleinere Anbieter konzentrieren sich zunehmend in Nischenmärkten mit hoher technologischer Spezialisierung. Halbach: „Auf bestimmte Stoffe spezialisierte Anbieter realisieren durch technologischen Vorsprung und besondere Marktkenntnisse oft deutlich höhere Erlöse als Generalisten.“
Die Essel Deutschland GmbH, Weltmarktführer für Laminattuben, verteilte die Entsorgung ihrer 15 Abfall- und Wertstoffarten unter den zwei bisherigen Dienstleistern neu und stellte auf die neuesten effizienten und umweltschonenden Verwertungsverfahren um. Unter dem Strich stiegen die Überschüsse um knapp 62 % von 42 000 auf 68 000 Euro. Essel-Geschäftsführer Matthias Lütkemeier: „Wir haben nicht nur unser Ergebnis, sondern auch unsere Ökobilanz verbessert.“
Ein Entsorgungskonzept basiert auf einer exakten Ermittlung der Abfallkategorien bzw. -stoffe und deren Verwertungschancen. Erst auf dieser Basis lassen sich die logistischen Stellschrauben wie Behältergrößen und Abholfrequenzen justieren. Die möglichst sortenreine Trennung von Produktions- oder Verpackungsmüll beginnt aber nicht erst beim Entsorger, sondern bereits im Unternehmen. Vor allem kleinere Firmen schulen laut der Experten ihre Mitarbeiter nicht ausreichend. Dabei sichert Verwertung Gewinn und damit auch Arbeitsplätze. Der Konsumgüterkonzern Procter & Gamble hat nach eigenen Angaben durch Recycling und Wiederverwendung seiner Produktionsabfälle über eine Milliarde US-Dollar an Wert für das Unternehmen geschaffen.
Dass beim Abfall eine Menge zu holen ist, hat sich bis zu den Finanzbehörden herumgesprochen. Diese interessieren sich bei Betriebsprüfungen zum Beispiel für den Verbleib von Metallschrott. Ein baden-württembergisches Unternehmen ließ seine Baustellenabfälle von einem Entsorger abholen. Dieser stellte keine Rechnung, behielt dafür aber den Schrotterlös. Weil es keine Belege gab, setzte der Betriebsprüfer willkürlich einen Gewinnertrag nach Stahlmarktpreisen fest.
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