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Materialwirtschaftliche Strategien umsetzen

Strategieentwicklung und -abgleich
Materialwirtschaftliche Strategien umsetzen

In Fachgesprächen ist immer wieder festzustellen, dass das Setzen von Zielen in der Materialwirtschaft und dem Einkauf nach wie vor ein Problem ist. Nicht so sehr aus der betriebswirtschaftlichen Ecke, sondern vielmehr aufgrund der Tatsache, dass in der Mehrzahl der Mittelbetriebe eine systematische Planung und Budgetierung immer noch nicht gängige Praxis ist. Allein ausländische Tochtergesellschaften bilden eine Ausnahme.

Dipl.-Ing. Rainer Budde

Die alte Idee der Balanced Scorecard könnte hier gleichwohl ein Hilfsmittel sein, belebend auf den Zielsetzungsprozess einzuwirken. Sie ist ein Rationalisierungs- und Zielsystem mit ausgewogener Leistungsmessung.
Problembeschreibung
Obwohl im Vertrieb die Gedanken der Kundenplanung mit vielschichtigen Ansätzen geübte Praxis ist, hinkt der Einkauf nach wie vor hinterher. Personal wird bis zur Schmerzgrenze abgebaut – ohne Rücksicht auf die Belastungen der Mitarbeiter. Verkannt wird immer noch die Schlagkraft des Einkaufs auf die Sicherung der Liquidität durch marktorientierte Beschaffung, sicheres verhandlungstechnisches Auftreten und konsequentes betriebswirtschaftliches Denken.
Betriebe, die konsequent die beiden Pole Vertrieb und Einkauf am Markt arbeiten lassen, sind die Gewinner. Sie leiten Ihre Strategien in Einkauf und Materialwirtschaft von der unternehmerischen Kernstrategie ab. Eingebettet in strategische Planungen und der Zielsetzungslogik für Mitarbeiter und/oder Teams, ergibt sich ein individualer Steuerkreis, der durch Renditeabgleich mit dem Ziel Return on Investment des Einkaufs den sicheren Weg der Gewinnerzielung aufzeigt.
Steuerungsinstrument ist die Balanced Scorecard, in die Kennzahlen realer betriebswirtschaftlicher Daten und Individualzielsetzungen eingebettet sind. Sie gelten für den Mitarbeiter oder das eigenverantwortlich arbeitende Team. Der Ansatz der Task-Force-Verbesserungsmaßnahmen ist analog dem Abgleich der Eigenleistung und Verbesserung der Fähigkeiten zur Zielerreichung zu sehen.
Arbeitsmittel zur Problemlösung
Herzstück des Balanced-Scorecard-Ansatzes ist die Verknüpfung von Zielen des Unternehmens oder der einzelnen Funktionseinheiten/Profit-Center/Shared-Service-Center über sämtliche Unternehmensbereiche hinweg, so dass bei Nichterfüllung von Vorgaben eine dynamische Ursachenforschung möglich wird. Die Balanced Scorecard betont, dass finanzielle und nicht finanzielle Kennzahlen ein Teil des Informationssystems für Mitarbeiter aller Organisationseinheiten sein müssen. Dabei spielt die Rendite (Return on Investment) eine entscheidende Rolle. Ausführende Mitarbeiter müssen die finanziellen Konsequenzen ihrer Handlungen und Entscheidungen kennen. Die Kennzahlen werden aus einem Top-down-Prozess hergeleitet.
Der Erfolg der einzelnen Organisationseinheiten im Einkauf wird nach den Kriterien
–Lieferantenorientierung,
–Prozessoptimierung,
–Wachstum sowie
–finanzieller Erfolg, ausgedrückt durch die Rendite/Liquiditätsorientierung,
im Sinne der Shareholder-Value-Strategie abgeprüft. Im Ergebnis werden die Handlungen transparent wie auf einem Röntgenschirm. Der Vorteil liegt in der Offenlegung der eigenen Stärken und Schwächen. Eine zielgerichtete Führung, die mehr Coachingcharakter hat, entwickelt entscheidende Motivationsschubkräfte.
Wie geht man vor?
Zunächst werden in einem Strategiegespräch, ableitend aus den Budgetierungsphasen, die notwendigen Strategien zur Renditeerfüllung gemeinsam definiert, beschrieben und die Steuerungskriterien abgeglichen.
Darauf aufbauend sind dann die Individualziele zu entwickeln, z.B. Zufriedenheits-kriterien der anderen Abteilungen mit dem Einkauf, Mitarbeiterzufriedenheit usw. Die Parameter sind gemeinsam festzulegen. Mögliche Parameter können sein:
–Rendite des Einkaufs (Profit-Center-Ansatz),
–Mitarbeiterzufriedenheit,
–Reklamationsquote,
–Lieferantenentwicklung,
–Auslastungsgrad,
–Skontobudget,
–QS-Verbesserungen,
–TQM-Vorverlagerungen,
–Kundenzufriedenheitsindex,
–Umlaufvermögenssenkung,
–Preisniveausenkung A-, B-, C-Teile,
–Supply-Chain-Index.
Dabei könnten die Parameter
–Reklamationsquote, Lieferantenentwicklung, Supply-Chain-Index der Lieferantenorientierung,
–Mitarbeiterzufriedenheit, Auslastungsgrad, QS-Verbesserungen, Kundenzufriedenheitsindex der Prozessorientierung,
–Skontobudget, TQM-Vorverlagerungen, Umlaufvermögensenkung, Preisniveausenkung ABC dem Finanzerfolg und
–die Rendite dem Wachstum zugeordnet werden.
Verdichtet man die Parameter nach diesen vier übergeordneten Grundparametern, lassen sich weitere Schnellinformationen erkennen.
Mit Ausnahme der Mitarbeiterzufriedenheit und der Kundenzufriedenheit sind alle Parameter als Kennzahlen aus den Daten des laufenden Controlling entnehmbar, da es sich um klassische Kennzahlen handelt. Der Auslastungsgrad entwickelt sich aus der Rückrechnung der Prozesskosten je Prozess und aus der Wechselverrechnung der Einzelleistung des Arbeitssystems.
Besonders wichtig sind die subjektiven Zielsetzungen, die sich aus den Multifaktorenprofilen entwickeln lassen. Die Frage nach Effektivität des Arbeitssystems in der Kommunikation mit den anderen Abteilungen wird zunehmend wichtiger. Genauso die Abprüfung der Zufriedenheit der Mitarbeiter. Schließlich sind sie es, die das Unternehmen mit geistiger Energie versorgen. Der Einkauf speziell ist Repräsentant in den Beschaffungsmarkt nach Außen. Eine wichtige Funktion, die nur gelingt, wenn der Einkäufer oder die Einkäuferin sich wohl fühlen und Spaß an der stressigen, ständig unter Strom stehenden Arbeit haben.
Die Daten werden in die Scorecard übertragen, zeitraumbezogen festgesetzt und mit Abgleichterminen ergänzt.
Für die Durchführung und die Definition der Daten gilt:
–Keine Kennzahl kann genauer sein als die Genauigkeit der Basisdatenerfassung,
–keine Kennzahl kann aktueller sein als die Aktualisierung der Basisdatenerfassung,
–der Informationsgehalt von Kennzahlen muss den Aufwand ihrer Erfassung rechtfertigen.
Lösungsweg
Die Ansätze der BC sind nicht neu. Bereits John W. Humble hat in seinem Buch „Ziele setzen, Gewinne steigern“, erschienen 1967, alle Ansätze der strukturierten Zielstrategieumsetzung beschrieben. Das Buch liest sich heute genauso spannend wie in den 60er Jahren. Es sollte nach wie vor in die Hände aller Führungskräfte gelegt werden.
Aber es ist so nicht wichtig, wer wann welche Ideen neu rekonstruiert hat, denn die Balanced Scorecard ist mehr als nur ein taktisches oder operatives Messsystem. Es ist ein kraftvolles Managementsystem, um strategische Ziele langfristig verfolgen zu können. Die Balanced Scorecard ist durchaus anspruchsvoll und muss von einer vertrauensvollen Führung begleitet werden.
Literatur
– Budde, Rainer: Einkaufsstrategie 2001: Werkzeuge für den Einkaufsleiter, Seminarunterlage der Technischen Akademie Wuppertal, Budde & Partner GmbH, Hamburg 2000;
– Humble, John W.: Ziele setzen, Gewinne steigern, mi verlag, Landsberg 1967;
– Kaplan, Norton: Balanced Scorecard, Strategie erfolgreich umsetzen, Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart 1997;
– Friedag, Herwig R; Schmidt, Walter: Balanced Scorecard, Mehr als ein Kennzahlensystem, Haufe Verlag, Freiburg 1999.
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