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Mindern – aber richtig

Mängelgewährleistung
Mindern – aber richtig

Die Minderung spielt in der Praxis des industriellen Einkaufs eine große Rolle. Was Sie von der Minderung wissen sollten, erläutert unser Autor Professor Dr. jur. Karlheinz Schmid.

Minderung ist die Herabsetzung des Kaufpreises auf den Betrag, um den der Mangel den Wert des Kaufgegenstandes mindert. Nach einer weit- verbreiteten Meinung spielt die Minderung in der Praxis des industriellen Einkaufs keine Rolle. Doch fragt man genauer nach, räumen die Befragten ein, dass man Material gelegentlich „abwerte“, wenn die vorgeschriebene Beschaffenheit des Kaufgegenstandes nicht erfüllt wurde, die Ware aber für einen anderen Zweck brauchbar war. Also doch eine Minderung! Oder es wird zugegeben: Wir haben dann nach längerer Diskussion mit dem Lieferanten die Ware behalten, aber kurzerhand zehn Prozent vom Kaufpreis einbehalten. Der Lieferant hat sich dann nicht mehr gemeldet. Also auch hier – wie in vielen anderen Fällen – wurde eine Minderung vorgenommen. Ein Grund, sich mit der Minderung einmal näher zu beschäftigen.

Ist die Sache mangelhaft oder weist sie einen Rechtsmangel (§ 435 BGB) auf, kann der Käufer, soweit nichts anderes bestimmt ist, u. a. vom Vertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern (§ 437 Nr. 2 BGB). Ergänzend hierzu heißt es in § 441 Abs. 1 Satz 1 BGB: „Statt zurückzutreten, kann der Käufer den Kaufpreis durch Erklärung gegenüber dem Verkäufer mindern.“
Die Voraussetzungen für die Minderung: Da es in § 441 Abs. 1 Satz 1 BGB heißt „Statt zurückzutreten“, müssen die Voraussetzungen für die Geltendmachung des Rücktritts vor Ausspruch der Minderung vorliegen. Um mindern zu können, muss also der Käufer im Regelfall eine Frist setzen (§ 323 Abs. 1 BGB), wenn die Fristsetzung nicht ausnahmsweise wegen § 323 Abs. 2, 440 BGB entbehrlich ist. Mit anderen Worten: Bevor der Käufer den Kaufpreis mindern kann, muss er zunächst fristgemäß Nacherfüllung, das heißt entweder Nachbesserung oder Neulieferung verlangt haben (BGH, Betriebs-Berater 2005, S. 910).
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 12.08.2009 (VIII ZR 254/08) entschieden, dass es für eine Fristsetzung ausreicht, wenn der Käufer den Verkäufer auffordert, den Mangel „umgehend“ zu beseitigen. Die Angabe eines bestimmten (End-)Termins oder Zeitraums ist für die Bestimmung einer angemessenen Frist nicht erforderlich.
Die Minderung kann nur ausgesprochen werden, solange der Kaufvertrag und das Rücktrittsrecht noch bestehen. Der Ausschluss des Rücktrittsrechts wegen Unerheblichkeit der Pflichtverletzung (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB) hindert die Minderung nicht, weil die Minderung auch bei geringfügigen Mängeln zulässig ist. Schließlich darf der Käufer für den Mangel nicht verantwortlich sein.
Die Ausübung des Minderungsrechts erfolgt durch eine empfangsbedürftige Willenserklärung des Käufers gegenüber dem Verkäufer. Diese Willenserklärung unterliegt keiner gesetzlichen Form. Es ist aber möglich, dass die Vertragspartner bei Vertragsabschluss hierfür Schriftform vereinbart haben. Sonst ist die Minderung auch mündlich möglich, was aber wegen fehlender Beweise nicht empfehlenswert ist. Als Gestaltungsrecht ist die Minderung bedingungsfeindlich und ab Zugang unwiderruflich.
Sind auf der Seite des Käufers oder des Verkäufers mehrere Personen am Kaufvertrag beteiligt, kann die Minderung nach § 441 Abs. 2 BGB nur von allen oder gegen alle erklärt werden. Spricht der Käufer die Minderung aus, muss er dem Käufer auch mitteilen, in welchem Umfang er den ursprünglich vereinbarten Kaufpreis reduzieren möchte. Er kann einen bestimmten Betrag oder auch einen Bruchteil oder Prozentsatz nennen, um den er den Kaufpreis mindern möchte. Die Bestimmung eines bestimmten Minderungsbetrags kann ausnahmsweise auf einen späteren Zeitpunkt aufgeschoben werden, wenn dieser Betrag erst noch ermittelt werden muss.
Da das Minderungsrecht ein Gestaltungsrecht ist, wird der Kaufpreis allein durch die Erklärung des Käufers herabgesetzt. Ein Einverständnis des Verkäufers ist nicht erforderlich, auch nicht bezüglich der Höhe. Wird das Einverständnis vom Verkäufer erklärt, sind die Vertragspartner vertraglich gebunden.
Verlangt der Käufer Minderung, wird – anders als beim Rücktritt – nicht in den Bestand des Vertrages eingegriffen. Das bestehende Schuldverhältnis wird nicht aufgelöst. Vielmehr wird nur nachträglich der Kaufpreis herabgesetzt. Nach erklärter Minderung braucht der Erwerber daher den Minderungsbetrag nicht mehr zu bezahlen bzw. er kann diesen Betrag vom Kaufpreis absetzen.
Einigen sich die Vertragsparteien nicht außergerichtlich auf einen für beide Seiten akzeptablen geminderten Kaufpreis, wird auf Klage des Verkäufers, wenn der Käufer noch nichts oder nicht genügend bezahlt hat, oder des Käufers, wenn er schon den vollen Kaufpreis erbracht hat, das Gericht, erforderlichenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigen, den geminderten Kaufpreis festsetzen.
Ist der Kaufgegenstand durch den nachträglich eingetretenen Mangel völlig wertlos geworden, führt die Minderung zum völligen Wegfall der Zahlungsverpflichtung. Der Käufer gibt dann den Kaufgegenstand zurück und erhält den Kaufpreis ohne Abzug zurück.
Das Recht des Käufers zur Minderung ist ausgeschlossen, wenn der Wertverlust des Kaufgegenstandes durch andere Umstände herbeigeführt worden ist, als durch einen vom Verkäufer zu verantwortenden Sach- oder Rechtsmangel, zum Beispiel durch höhere Gewalt beim Käufer. Kein Minderungsrecht gibt es auch, wenn der Käufer bei Vertragsabschluss den Mangel kannte (§ 442 BGB).
Bei der Berechnung des Minderungsbetrags ist vom ursprünglich vereinbarten Kaufpreis auszugehen. Dieser ist um den Betrag herabzusetzen, um den der Verkehrswert einer mangelfreien Sache im Vergleich zu dem einer mangelhaften Sache vermindert ist. Es ist darauf abzustellen, in welchem Verhältnis der vereinbarte Kaufpreis herabzusetzen ist.
  • 1. Beispiel: War der Kaufpreis 1000 Euro, der Wert der mangelfreien Sache jedoch 1200 Euro, lag also ein für den Käufer günstiger Vertrag vor, und beträgt jetzt der Wert der mangelhaften Sache nur noch 600 Euro, dann wird der geminderte Betrag wie folgt berechnet: 1000/1200 = x/600, 1200x = 600 000, x = 500 Euro. Der Käufer kann den Kaufpreis um die Hälfte reduzieren, d.h. 500 Euro vom Verkäufer zurückverlangen. Er muss also für eine Kaufsache, die nicht frei von Mängeln ist, aber immer noch einen Wert von 600 Euro hat, lediglich 500 Euro bezahlen. Der Vorteil aus dem ursprünglich günstig abgeschlossenen Vertrag blieb erhalten.
  • 2. Beispiel: Hätte der Kaufpreis von 1000 Euro dem tatsächlichen Wert der gekauften Sache entsprochen, lag also kein für den Käufer günstiger Kaufvertrag vor, und wäre der Wert der mit Mängeln behafteten Sache wiederum nur noch 600 Euro, dann würde der geminderte Betrag wie folgt berechnet: 1000/.000 = x/600, 1000x = 600 000, x = 600 Euro. Der Käufer müsste hier für die im Wert geminderte Ware einen Preis bezahlen, der jetzt ihrem tatsächlichen Wert entspricht. Das Preis-Leistungs-Verhältnis hat sich für den Käufer nicht verbessert. Das entspricht auch der Intention des Gesetzgebers, dass durch die Minderung das ursprüngliche Preis-Leistungs-Verhältnis nicht geändert werden soll.
Die Minderung ist, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln (§ 441 Abs. 3 BGB). Dies ist in der Praxis auch üblich. Die vom Gesetzgeber vorgesehene Berechnung des Minderungsbetrags ist deshalb erfahrungsgemäß kompliziert, weil der Wert der mangelhaften Ware genau zu bestimmen ist. Dann kann man auch gleich den geminderten Kaufpreis schätzen.
Eine Minderung des Kaufpreises nach § 441 Abs. 3 Satz 1 BGB setzt also eine Differenz zwischen dem Wert der Sache in mangelfreiem Zustand und ihrem tatsächlichen Wert voraus. Wenn sich die beiden Werte decken, ist eine Minderung nicht möglich. Auch bei kleinen bzw. geringfügigen Schäden kann man — nach erfolgloser Nachbesserung oder Neulieferung — den Kaufpreis reduzieren. Der Käufer wird dann seine Forderung auf Minderung wie folgt formulieren: „… nachdem es Ihnen in der von uns gesetzten angemessenen Frist nicht gelungen ist, die volle Funktionstüchtigkeit der Anlage herbeizuführen, erklären wir hiermit die Minderung und fordern Sie auf, 20 Prozent des bereits voll erbrachten Kaufpreises, also insgesamt … Euro, umgehend an uns zurück zu überweisen.“
Ergibt sich nach einer solchen Kaufpreisminderung erneut innerhalb der Gewährleistungszeit ein Mangel am gekauften Gegenstand, so steht dem Käufer ein erneutes Recht auf Minderung oder bei einem erheblichen Fehler wieder ein Recht zum Rücktritt vom Vertrag zu. Wenn schon gemindert wurde, kann allerdings für ein und denselben Mangel nicht nachträglich noch Rücktritt verlangt werden.
Schadensersatz und Minderung: Die Minderung ist seit der Schuldrechtsreform 2002 – abweichend von dem früheren Recht – ein sogenanntes Gestaltungsrecht. Seit dieser Zeit ist es in der Fachliteratur umstritten, ob der Käufer nach Geltendmachung des Minderungsanspruchs vom Verkäufer noch Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 281 BGB verlangen kann. Der Bundesgerichtshof hat diese Rechtsfrage zwar mit Urteil vom 5.11.2010 (V ZR 228/09) nicht endgültig und umfassend entschieden, immerhin aber festgestellt: „Jedenfalls dann, wenn die Minderung fehlschlägt, weil der Betrag der Minderung in Anwendung der in § 441 Abs. 3 Satz 1 BGB bestimmten Berechnungsmethode nicht ermittelt werden kann, ist der Käufer, der infolge des Mangels tatsächlich einen Vermögensschaden erlitten hat, berechtigt, seinen Schaden im Wege des kleinen Schadensersatzes geltend zu machen, auch wenn er bereits die Minderung erklärt hat. Andernfalls würde nämlich der Zweck der Vorschriften über die Gewährleistung des Verkäufers bei einem Mangel insgesamt verfehlt, weil der Verkäufer den vollen Kaufpreis behielte, obwohl er seine Verpflichtung zur mangelfreien Leistung nach § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht erfüllt hat, der Käufer dagegen keinen Ausgleich bekäme, obwohl er durch den Mangel eine Vermögenseinbuße erlitten hat.“
Minderung beim Werk- und Dienstvertrag. Beim Werkvertrag (§§ 631ff BGB) kann der Besteller/Auftraggeber – statt zurückzutreten – die Vergütung durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer/Auftragnehmer mindern, auch wenn nur kleinere Mängel vorliegen (§ 638 BGB). Wie beim Kaufvertrag kann der Besteller auch hier erst nach fruchtlosem Ablauf einer von ihm dem Werkunternehmer zur Nacherfüllung bestimmten, angemessenen Frist mindern. Auch sonst verläuft hier die Minderung wie beim Kaufvertrag. Beim Dienstvertrag (§§ 611ff BGB) ist eine Minderung im Gesetz nicht vorgesehen. Der volle Vergütungsanspruch setzt nach den §§ 611, 614 BGB die Erbringung der vollen Dienst-/Arbeitsleistung in zeitlicher Hinsicht voraus.
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