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Mini-Mills und CSP auf internationalem Erfolgskurs

Kompakte Elektrostahlwerke mit Direktwalzanlagen
Mini-Mills und CSP auf internationalem Erfolgskurs

Wenn man über Mini-Mills und CSP-Direktwalzanlagen redet, muß man sich bewußt machen, daß bis 1988 mit Mini-Mills ausschließlich Langprodukte erzeugt wurden. In den 60er Jahren hatte Willi Korff als erster mit der herkömmlichen Tradition der Hüttenwerke gebrochen, als er mit der Kombination Elektro-Lichtbogenofen, Knüppelstranggießanlage und Feinstahl-Walzwerk eine Anlagenkonzeption verwirklichte, die gegenüber den herkömmlichen Hüttenwerken hochflexibel und äußerst wirtschaftlich arbeiten konnte. Dieses Konzept mit der Stahlerzeugung auf Schrottbasis hat sich für Langprodukte als wirtschaftlichste Lösung durchgesetzt.

Wilfried Bald

Der große Bereich der Flachstahl-Erzeugung galt als Domäne der integrierten Hüttenwerke. Aus Qualitätsgründen sowie auch wegen der großen Mengen war man überzeugt, daß das Mini-Mill-Konzept für Flachprodukte nicht realisierbar sei. Im Mittelpunkt dieser Überzeugung standen die großen Warmbandstraßen mit Erzeugungskapazitäten bis zu 5 Millionen Tonnen pro Einheit, die dem Mini-Konzept entgegenstanden.
Diese heile Welt für die großen Hüttenwerke besteht heute nicht mehr. Bereits die erste CSP-Anlage, die NUCOR 1989 in Betrieb genommen hat, bewies sehr schnell, daß das Mini-Konzept auf Basis Elektrostahl-Erzeugung mit direkt gekoppelter CSP-Anlage für Warmband mit besseren geometrischen Abmessungen als zuvor erreichbar, ganz erhebliche Kostenvorteile ergibt.
Schnell wurde deutlich, daß diese Technologie weit mehr bietet als einen Kostenvorteil. Die direkte Kopplung von Gießen und Walzen mit einem dazwischenliegenden Rollenherdofen ergibt neben den Kostenvorteilen auch erhebliche qualitative Vorteile. Eine vorher nicht erreichbare Temperatur-Homogenität der Dünnbramme beim Einlauf schafft ideale Voraussetzungen für das Walzwerk. Es ist möglich, geometrische Abmessungen zu erreichen, die deutlich besser sind als auf konventiellen Warmbandstraßen. Auch die mechanisch-technologischen Eigenschaften sind aufgrund der homogenen Walzbedingungen und der durch das Gießen der dünnen Brammen ohnehin schon günstigeren Ausgangsstruktur besser als bei konventioneller Erzeugung.
Anfänglich aufgetretene Schwierigkeiten, eine fehlerfreie Oberfläche zu erreichen, sind heute durch die Entwicklung entsprechend angepaßter neuer Hochdruck-Entzunderungseinrichtungen vor der Walzstraße beseitigt.
Feinblech-Qualitäten
Mini-Mills für Flachstahlerzeugung sind heute durch die CSP-Technologie eine Selbstverständlichkeit. Was gerade erst beginnt, ist das Eindringen dieser Technologie in den Produktsektor der kaltgewalzten Feinbleche:
Das Erzeugungsprogramm konventioneller Warmbandstraßen endet in aller Regel bei Dicken von 1,8 mm. Der Schwerpunkt der Erzeugung liegt im Dickenbereich von 2 bis 2,5 mm. Der Anteil an Dicken unterhalb von 1,8 mm ist nur sehr gering. Abmessungen unter diesen Dicken werden durch Kaltwalzen erzeugt.
Mit der CSP-Technik ist es heute möglich, diese Grenzen weit nach unten zu verschieben: 1,0 mm Warmbanddicke werden heute bereits sicher erreicht. Versuchsweise wurden schon Dicken unter 0,9 mm erfolgreich gewalzt. Dicken bis hinunter zu 0,7 mm als Warmband erzeugt scheinen heute realistisch. Für viele Anwendungszwecke ist es damit möglich geworden, das bisher erforderliche Kaltband durch Warmband zu ersetzen. Die Größe dieses Marktpotentials läßt sich noch nicht genau abschätzen; es ist jedoch erkennbar, daß hier allein in Europa ein Marktpotential von vielen Millionen Tonnen pro Jahr besteht.
Die Investitionen für eine CSP-Anlage betragen nur Bruchteile der erforderlichen Investition einer großen Warmbreitbandstraße. Durch die optimale Temperaturführung, die sich aus dem Tunnelofen zwischen Gießmaschine und Walzwerk ergibt, ist es möglich, ohne aufwendige Verbindungseinrichtungen für das Endloswalzen Abmessungen von 1 mm Dicke und darunter zu erzeugen. Darüber hinaus bietet der Tunnelofen zwischen der CSP-Gießmaschine und dem Walzwerk die Möglichkeit, quasi endlos zu walzen. Bei einer Länge von z.B. 250 m ist es möglich, eine Mutterbramme von über 150 Tonnen zu erzeugen, die dann, sofern die entsprechenden Schneid- und Haspeleinrichtungen vorgesehen sind, im Endlosverfahren gewalzt werden kann und erst nach dem Teilen auf die gewünschten Coilgewichte geschnitten wird.
Das Betreiben einer CSP-Anlage dieser Art erfordert kaum zusätzlichen Aufwand und ermöglicht es, bei gegebener Betriebssicherheit Warmbanddicken von 0,7 mm zu erreichen. Darüber hinaus kann bei dieser Fahrweise, dem sogenannten ferritischen Warmwalzen, ein Gefüge des warmgewalzten Bandes erzeugt werden, das in seinen Eigenschaften dem kaltgewalzter und geglühter Bänder nahekommt.
Diese neuen Möglichkeiten der CSP-Technologie sind besonders für die integrierten Hüttenwerke von Interesse. Durch eine teilweise Verlagerung der Produktion dünner Warmbänder von den bestehenden Warmbandstraßen auf eine zusätzliche CSP-Anlage, die hochspezialisiert nur für die Erzeugung dünner und dünnster Warmbänder ausgelegt ist, öffnet sich nicht nur der Markt im Sektor der Feinbleche, darüber hinaus wird die Leistungsfähigkeit der großen Warmbandstraßen durch das Wegfallen des Programmes der dünnen Abmessungen deutlich gesteigert.
Da bei den integrierten Hüttenwerken die Stahlerzeugung höchste Anforderungen an Reinheitsgrad und Metallurgie traditionell erfüllen kann, sind auch von dieser Seite alle Voraussetzungen erfüllt, Produkte mit höchsten Qualitätsansprüchen zu erzeugen.
Als erstes integriertes Hüttenwerk der Welt wird die Thyssen Stahl AG dieses Konzept verwirklichen. Die CSP-Anlage, die SMS in Auftrag nehmen konnte, ist für eine maximale Warmbanddicke von 2,5 bis 3 mm konzipiert. Die minimale Dicke, für die die Anlage ausgelegt ist, wird bei 0,8 (0,7) mm liegen. Die Kapazität der Anlage beträgt bis zu 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr. Darüber hinaus wird die Kapazität der bestehenden Warmbandstraßen durch eine Programmverschiebung zu den größeren Dicken hin merklich steigen.
Edelstahlerzeugung
Als weiteres Feld für den Einsatz der CSP-Technologie kommt die Erzeugung von Edelstahl in Frage.
Die CSP-Technologie bietet sich durch die geringe Gießdicke von 50 oder 60 mm für Edelstahlwerke geradezu an. Die Kapazität, bei der ein CSP-Walzwerk wirtschaftlich betrieben werden kann, beginnt schon deutlich unter 1 Millionen Tonnen pro Jahr und paßt somit gut in die Edelstahl-Landschaft. Warum also konnte sich diese Konzeption bis heute noch nicht durchsetzen? Im wesentlichen gibt es zwei Gründe:
  • 1. Die klassischen Edelstahlwerke haben ein breites Produktspektrum von einfachen ferritischen Chromstählen bis hin zu komplexen stabilisierten austenitischen Stählen. Viele dieser Stahlsorten, die zwar nur einen geringen mengenmäßigen Anteil der Produktion darstellen, müssen heute noch vor dem Walzen zur Vermeidung von Oberflächenfehlern geschliffen werden. Will man diese Güten auf einer CSP-Anlage erzeugen, müßte man die Dünnbrammen im Fluß heiß schleifen. Hierfür gibt es bis heute keine geeigneten Einrichtungen.
  • 2. Bis heute läuft keine CSP-Anlage zur Erzeugung von Edelstahl. Dies ist eine ähnliche Situation, wie sie vor 10 Jahren für die Kohlenstoff-Stähle bestand: Keiner möchte als erster eine solche Anlage realisieren mit dem Risiko erhöhter Anlaufkosten, die sich durch das Erarbeiten der notwendigen Betriebsparameter ergeben. In der Vergangenheit wurde SMS als Anlagenbauer immer wieder aufgefordert, die CSP-Technologie zur Erzeugung von Edelstahl anzubieten, selbstverständlich mit der notwendigen Qualitätsgarantie. Ohne die Risikobereitschaft und das Engagement eines Betreibers ist dies aber nicht möglich.
Einzig der Edelstahlerzeuger AST (Acciai Speciali Terni) in Terni hat sich bereits 1990 bei der Nutzung der CSP-Technologie für den Edelstahlbereich engagiert. Seit Ende 1992 wird im Werk Terni eine CSP-Gießmaschine im Rahmen einer Kooperation von AST und SMS versuchsweise betrieben. Nach weit über 100 Versuchen wird voraussichtlich noch in diesem Jahr von AST über die industrielle Einbindung dieser Gießmaschine in die Produktion entschieden.
Einen völlig anderen Weg ist der amerikanische CSP-Pionier Nucor gegangen: Nach einigen Versuchen, einen chromlegierten ferritischen Edelstahl auf der CSP-Anlage in Crawfordsville zu erzeugen, hat man entschieden, in dieses Werk einen AOD-Konverter zu integrieren und damit industriell in die Edelstahl-Erzeugung einzusteigen. Es war klar, daß man sich zunächst auf eine Stahlgüte konzentriert und für dieses Produkt die entsprechenden Absatzmärkte schafft. Für dieses Jahr ist bereits eine Produktion von 200.000 Tonnen der Stahlgüte 409, d.h. ein 13%iger Chromstahl, geplant. Hauptverwendungszweck für diese Güte sind Bleche für die Herstellung von Automobil-Katalysatoren.
Dazu Wilfried Bad: „In typischer Weise hat Nucor also nicht darauf gewartet, daß andere (hoffentlich) diese neue Technologie einführen, sondern hat die unternehmerische Entscheidung gefällt, es selbst als erster im Markt zu tun“.
Zusammenfassung:
Das Patent für die CSP-Trichterkokille wurde am 05. Januar 1984 beim Deutschen Patentamt eingereicht. Schon im Dezember 1986 fällte Nucor die Entscheidung, ein komplett neues Mini-Hüttenwerk auf Basis dieser Technik zu bauen. Im Herbst 1989 wurde auf dieser Anlage das erste Coil produziert. Ende 1990 entschied sich Nucor, ein zweites komplettes Werk auf Basis dieser Technologie zu bauen. Im April 1997 produzieren schon 9 Werke, unter Einbindung der Pilot-Anlage für Edelstähle bei AST sogar 10 Anlagen, weltweit. Weitere 8 Anlagen diese Typs sind zur Zeit im Bau und werden in Kürze in Betrieb gehen. In Summe sind dies 25 Millionen Tonnen Jahreskapazität weltweit.
Gründe für diesen Erfolg sind das überzeugende Gesamtkonzept von Gießmaschine mit Trichterkokille und vertikalem Erstarrungsbereich, dem Ausgleichsofen als Rollenherdofen und die speziell für das Walzen dünner Bänder entwickelten Lösungen der technologischen Regelkreise in Walzwerk und Haspelanlage. Diese Gesamt-Konzeption bietet neben überzeugenden wirtschaftlichen Vorteilen die Voraussetzungen, einen Produktsektor, der bisher dem Kaltwalzen vorbehalten war, zu erschließen, das heißt, Bleche im Dickenbereich unter 1 mm in erstklassiger Qualität unter Umgehung des Kaltwalzprozesses zu erzeugen.
Nachdem heute bereits die ganze Palette der Kohlenstoffstähle bis zu 1% Kohlenstoflgehalt auf CSP-Anlagen erzeugt werden, steht auch die Einführung dieser Technologie bei der Erzeugung von Edelstahl an der Schwelle zur industriellen Umsetzung.
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