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Mit Gebläsen auf der Überholspur

Internationale Logistikdrehscheibe
Mit Gebläsen auf der Überholspur

Im Rahmen eines Effizienzsteigerungsprogramms „Fabrik 2012“ des Herstellers von Ventilatoren und Motoren ebm-papst wurden die gesamten logistischen Abläufe am Standort Landshut unter die Lupe genommen. Das Ergebnis mündete in der Realisierung des hochmodernen Logistikzentrums mit vollautomatischem Hochregallager und angeschlossener Logistikhalle.

Von der breiten Öffentlichkeit eher unbemerkt hat die Ventilatorentechnik in den vergangenen Jahrzehnten zumindest in punkto Effizienzsteigerung einen ähnlich umwälzenden Wandel erlebt wie die Automobilindustrie. Zudem werden Ventilatoren immer seltener als isoliertes Produkt verkauft. Vielmehr bieten Hersteller gleich komplette Funktions- und Montagemodule an, die sich per Plug & Play ohne großen Aufwand in verschiedenen Kundenanwendungen integrieren lassen. An vorderster Front steht hier die ebm-papst Unternehmensgruppe, die mit zahlreichen Anwendungen in ihren Geschäftsfeldern Heiztechnik, Luft- und Klimatechnik, Kältetechnik, Maschinenbau, Distribution, Verkehr, Hausgeräteindustrie sowie der IT- und Telekommunikationsindustrie unterwegs ist. Dabei ist der Hersteller von Ventilatoren und Motoren sehr stark auf Wachstum ausgerichtet. Das Geschäftsjahr 2014/15 schloss das Familienunternehmen mit einem Umsatzplus um 4,8 Prozent auf 1,57 Mrd. Euro ab. Über 105 Mio. Euro hat der Branchenprimus in den Ausbau seiner weltweiten Kapazitäten und 95 Mio. Euro für Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten investiert. Auch die Beschäftigtenzahl nahm weiter zu und erreichte knapp die Marke von 12 000. Von Jahr zu Jahr wird das Geschäft immer internationaler. Längst gehen die Highend-Produkte über die EU-Grenzen hinaus in die ganze Welt. Allein der Standort Landshut hat eine Exportquote von über 70 Prozent.

Mit dieser Internationalisierung der Zuliefer- und Vertriebsstrukturen, aber auch dem Wandel vom reinen Komponentenhersteller hin zum Systemlieferanten nehmen auch die Anforderungen an die Logistik stetig zu. So werden beispielsweise Gebläse mit Ventil und Steuerung in einer Einheit hergestellt. Gleichzeitig liefern Kunden ihre Brenner zur Montage an. Für die Logistik bedeutet das, weniger Einzelteile in den Kartons, dafür aber größere Volumina.
Auch in den kommenden Jahren muss die Logistik also mit diesem hohen Wachstumstempo und Strukturwandel Schritt halten. Allerdings bot das über lange Jahre kontinuierlich gewachsene Hauptwerk am Standort Landshut keine Erweiterungsmöglichkeiten mehr. Längst war die Logistik über dessen räumliche Grenzen auf verschiedene extern angemietete Standorte verteilt. Die konsequente Entscheidung war daher, die Logistik komplett aus dem Gelände herauszunehmen und dadurch 1400 qm Produktionsfläche für das stetig expandierende Unternehmen zusätzlich zu gewinnen. Mit dem Neubau eines rund fünf Kilometer vom Werk entfernten Logistikzentrums sollten auch die extern angemieteten Standorte aufgegeben werden.
Inzwischen ist am Standort Landshut ein weiteres Montagewerk direkt neben dem neuen Logistikzentrum entstanden. Produktion und Logistik sind also abwechselnd auf der Überholspur. „Mit dem Logistikzentrum sowie dem neuen Produktionswerk stärken wir den Standort Landshut und sichern damit unsere Wachstumsfähigkeit“, erklärt Stefan Brandl, Geschäftsführer von ebm-papst Landshut. Der Plan sei, den Umsatz in Landshut in den nächsten Jahren auf über 300 Mio. Euro zu steigern und damit einen bedeutenden Umsatzanteil für die ebm-papst Gruppe zu liefern.
Der Planungsprozess fand im Rahmen des „Effizienzsteigerungsprogramms Fabrik 2012“ statt. Eingebunden war das Kompetenzzentrum Produktion und Logistik von Prof. Dr. Markus Schneider an der Hochschule Landshut. Dabei standen nicht nur Produktionsstrukturen auf dem Prüfstand, sondern auch die damit verbundenen Logistikprozesse.
Nach 13-monatiger Bauzeit ist auf einer Gesamtfläche von 20 000 qm ein hochmodernes Logistikzentrum entstanden. 13 Mio. Euro wurden in das vollautomatische Hochregallager mit angeschlossener Kommissionier- und Umschlaghalle sowie Bürogebäude investiert. Auf der dem Hochregallager (HRL) gegenüberliegenden Seite der Halle befinden sich insgesamt zehn Tore und Andockstationen für den Warenein- und ausgang. Das Zeitfenster-Managementsystem „Cargoclix“ sorgt dafür, dass sich jeder anliefernde und abholende Spediteur online ein Zeitfenster buchen kann. Damit können bereits im Vorfeld Aufträge und Transporte im Warenein- und -ausgang entsprechend gesteuert werden.
Über die in weiten Teilen der Halle installierte Fördertechnik, deren Gesamtlänge über 500 Meter beträgt, gelangen die Packstücke durch eine Schleuse in das benachbarte Hochregallager. Die Anlage ist auf 250 Spiele bzw. 125 Doppelspiele pro Stunde ausgelegt.
Im Hochregallager werden auf knapp 15 000 Palettenstellplätzen in zehn Regalen und 16 Ebenen bis zu einer Höhe von 26 Metern Rohmaterialien, Halbfertigprodukte für die Produktion sowie fertige Teile wie Gebläse oder Ventile gelagert. Die Ein- und Auslagerung steuert das EWM von SAP. In den unteren Ebenen können Paletten mit einem Gewicht bis zu einer Tonne eingelagert werden. Die maximale Höhe der Paletten liegt hier bei 1,10 Meter, in den oberen Ebenen können sie maximal 1,90 Meter hoch sein. In den fünf jeweils 110 Meter langen Gassen fahren Regalbediengeräte (RBG) von SSI Schäfer, die mit einem Eigengewicht von ca. acht Tonnen bis auf 16 Stundenkilometer beschleunigen. Die Energierückgewinnung der RBG ist ein weiteres Beispiel für die konsequente Umsetzung des „GreenTech“-Gedankens, den ebm-papst nicht nur in seinen energieeffizienten Produkten, sondern selbst in den Bereichen Produktion und Logistik umsetzt: Durch Rekuperation, speisen die Geräte Energie in den Stromkreislauf des Lagers zurück. So wird die Energiebilanz im Warehouse verbessert.
Im laufenden Betrieb hat sich für die Effizienz der Lagerprozesse eine Auslastung des HRL von etwa 80 Prozent als ideal erwiesen. „Je voller die Anlage, desto langsamer wird der ganze Prozess, weil die RBG immer längere Strecken fahren müssen“, erklärt Marc Styrnal, der Leiter des Logistikzentrums. Diese Negativeffekte waren bei dem bisher erreichten Maximum von 95 Prozent bereits deutlich zu spüren. Die jeweils tagesaktuellen Zahlen liefert SAP EWM. Da sich ebm-papst Landshut auch in der Produktion und zum Atlas-System des Zolls ohnehin in der SAP-Welt bewegt, können Schnittstellenprobleme vermieden werden.
Auch im Layout bietet der neue Standort weitere Vorteile: So liegen Warenein- und -ausgang direkt nebeneinander. Damit können auch Mitarbeiter nach Bedarf zwischen beiden Bereichen schnell ausgetauscht werden. Getaktet ist das Zentrum mit seinen rund 40 Mitarbeitern als Betrieb in zwei Schichten. Ein Shuttle zum Werk verkehrt nach festgelegtem Fahrplan alle 75 Minuten, insgesamt zehn Mal pro Tag. Er transportiert Waren für die Produktion zum Werk und holt fertige Ware dort ab. Das Shuttle-Fahrzeug selbst fährt mit Erdgas-Antrieb, ganz nach dem an der Fahrzeugseite kommunizierten Motto „Wir bewegen Luft. Und fahren mit Gas“.
In gleicher Weise wird per Shuttle von Landshut aus das ebm-papst Werk in Slowenien in festgelegen Takten mit Vormaterialien versorgt und dessen Fertigwaren nach Niederbayern transportiert.
Ein täglicher Shuttle verkehrt auch zum ebm-papst-Standort Mulfingen, der Waren in beide Richtungen transportiert. So wird die gesamte Luftfracht über den Standort Mulfingen abgewickelt. Gerade aus dem Mix größerer und kleinerer Sendungen beider Standorte ergeben sich Synergien in Form besserer Auslastungen von Transporteinheiten und entsprechende Vorteile bei den Frachtkosten.
Die Etablierung und Pflege langfristiger strategischer Partnerschaften zu Lieferanten und zu Logistikdienstleistern ist charakteristisch für das Unternehmen. Dies wird exemplarisch auch in der Abwicklung des Shuttle-Verkehrs mit täglich acht bis zehn Lkw zwischen dem Werk in Slowenien und Landshut deutlich, die seit langem ein Spediteur übernimmt, dessen Fuhrpark mit ebm-papst quasi „mitgewachsen“ ist. „In punkto Zuverlässigkeit ist die Qualität dieser gewachsenen Beziehung sehr hoch“, freut sich der Logistikleiter. Für ebm-papst gehe es darum, nicht durch ständige Wechsel der Logistikpartner die hohe Qualität in den Prozessen zu gefährden. Um sowohl Qualität als auch Kosten kontinuierlich und transparent auf diesem Niveau zu halten, werden die Dienstleister auch regelmäßig mittels Kennzahlen bewertet. „Für ebm-papst ist Logistik kein Kostenfaktor, sondern ein Wettbewerbsvorteil“, erklärt Marc Styrnal dazu. „Die Logistik ist auch deshalb so wichtig, weil sie eigentlich die letzte Station auf dem Weg zum Kunden ist. Die Querschnittsfunktion der Logistik im Unternehmen ist voll erkannt worden.“ Damit ordnet sich die Logistik in die Unternehmensphilosophie bei ebm-papst ein, möglichst viel in möglichst hoher Qualität selbst zu machen. Die hohe Fertigungstiefe in der Produktion spiegelt sich damit in der Logistik wider. Die Logistik sieht sich im Unternehmen als interner Dienstleister gegenüber der Produktion. Zugleich findet die hohe Qualität der Highend-Produkte ihren Niederschlag im logistischen Handling dieser Produkte. Die Zuverlässigkeit gehört dabei zum Qualitätsanspruch, getragen von der Erfahrung und dem Know-how der zumeist langjährig beschäftigten Mitarbeiter.
Um die künftige personelle Besetzung seines Logistik-Teams macht sich der Logistikleiter – noch – keine Sorgen. Dabei liegt der Standort Landshut inmitten einer prosperierenden Region Niederbayerns, in der vielerorts Vollbeschäftigung besteht und Unternehmen händeringend nach zusätzlichen Arbeitskräften suchen. Zum einen engagiert sich ebm-papst an allen Standorten sehr stark in der Ausbildung, bindet also seine Mitarbeiter schon in jungen Jahren konsequent ein. So werden in diesem Jahr erstmals zwei Azubis zur Fachkraft für Lagerlogistik eingestellt. Hinzu kommen zahlreiche Incentives für Mitarbeiter, die zu einer hohen Betriebstreue sicherlich ihren Beitrag leisten, neben den tariflich attraktiven Konditionen und flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeitszeiten.
Weitere Automatisierungen dürften angesichts des bereits erreichten Status quo nur wenige Effekte bringen. Im neuen Logistikzentrum hat das Unternehmen das Prinzip „Lean Logistics“ bereits umgesetzt. Damit ist eine durchgängige Standardisierung der Transportbehälter und Prozesse verbunden. So ist die gesamte Förder- und Lagertechnik auf Gitterboxen und Europaletten ausgelegt.
Gerade in der Anlaufphase hat sich gezeigt, dass für die Einarbeitung der Mitarbeiter ausreichende Zeit eingeplant werden muss. Auch auf verfügbare Ansprechpartner bei den Ausrüstern legen die Landshuter großen Wert.
Eine bleibende Herausforderung liegt im Bestandsmanagement. Aufgrund der sehr werthaltigen Fertigprodukte ist der Anteil des Working Capital im Lager entsprechend hoch. In der größtmöglichen Reduzierung der Sicherheitsbestände ohne Risiken auf der Kundenseite wartet auf die Logistiker bei ebm-papst also eine logistische Kernaufgabe.
Weitere Verbesserungen erwartet der Logistikleiter speziell im Wareneingang, wo der Anteil der manuellen Prozesse zugunsten der automatischen Verbuchung bereits belabelter Waren reduziert werden soll.
Weiter verbessert werden sollen auch die Abläufe in der Kommissionierzone, in der derzeit täglich bis zu 120 Paletten aus dem HRL angefordert und endkommissioniert werden. Dabei gilt es, den Anteil der manuellen Tätigkeiten weiter zu reduzieren. So sollen die Waren künftig direkt von der Palette auf der Förderanlage genommen werden, ohne die gesamte Palette mit dem Stapler umsetzen zu müssen. Zudem soll die Sicherheitszone zum Staplerverkehr besser markiert und vergrößert werden. Angedacht sind hier auch Optimierungen in punkto Arbeitsergonomie, um das Heben schwerer Behältnisse zu erleichtern.
Ausgelegt ist das neue Logistikzentrum für Umsätze am Standort bis zu 350 Mio. Euro. Damit dürfte das erwartete Wachstum der nächsten Jahre problemlos zu bewältigen sein. Doch die Planer haben noch ein Ass im Ärmel: Das komplette Hochregallager lässt sich direkt nebenan noch einmal eins zu eins spiegeln. Mit dann bis zu 30.000 Stellplätzen wäre die Logistik damit wieder eindeutig auf der Überholspur.
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