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Neue Anforderungen an Einkäufer und Lieferanten

QS 9000/ VDA 6.1:
Neue Anforderungen an Einkäufer und Lieferanten

Neue Qualitätsvorschriften wie der Automobilstandard QS 9000 und VDA 6.1 (Systemaudit) erweitern die Anforderungen, die von erfolgreichen Lieferanten zukünftig zu erfüllen sind. Die Installation einer Systematik zur Kundenzufriedenheitsmessung erweitert bei vielen Zulieferunternehmen das etablierte Qualitätsmanagement. Der folgende Beitrag zeigt, wie dafür vorzugehen ist.

Dr. Heiko Wolters ist Manager im Geschäftsbereich Automobil- und Zulieferindustrie bei Arthur D. Little International, Inc. in Wiesbaden. Sein Beratungsschwerpunkt liegt auf den Gebieten organisatorische Restrukturierung, Prozeßoptimierung, strategische Planung und Total Quality Management.

Dr. Heiko Wolters ist Manager im Geschäftsbereich Automobil- und Zulieferindustrie bei Arthur D. Little International, Inc. in Wiesbaden. Sein Beratungsschwerpunkt liegt auf den Gebieten organisatorische Restrukturierung, Prozeßoptimierung, strategische Planung und Total Quality Management.

Neue Qualitätsvorschriften wie der Automobilstandard QS 9000 und VDA 6.1 (Systemaudit) erweitern die Anforderungen, die von erfolgreichen Lieferanten zukünftig zu erfüllen sind. Die Installation einer Systematik zur Kundenzufriedenheitsmessung erweitert bei vielen Zulieferunternehmen das etablierte Qualitätsmanagement. Der folgende Beitrag zeigt, wie dafür vorzugehen ist.

Die gegenwärtig noch gängigen Auswahlkriterien für Lieferanten, wie beispielsweise hohe Entwicklungskompetenz, niedrige Kosten oder Lieferzuverlässigkeit, werden in Zukunft nicht mehr ausreichen, um den begehrten Auftrag von Automobilunternehmen zu erhalten. Der ursprünglich von den US-amerikanischen Herstellern eingeführte Qualitätsstandard QS 9000 sowie der von der deutschen Automobilindustrie forcierte VDA-Standard 6.1 erweitern die Anforderungen, die vom Einkauf an die Zulieferunternehmen der Hersteller neuerdings gestellt werden. Danach müssen die Lieferanten von Produktionsmaterial und Ersatzteilen ihr Qualitätsmanagementsystem anpassen oder ausbauen, um den neuen Maßstäben gerecht werden zu können.

Das Regelwerk QS 9000 besteht aus drei Bereichen:

Abschnitt 1 beinhaltet die Elemente der auf ISO-9000-Norm basierenden Forderungen, wie Informationen zum Geschäftsplan, Unternehmensziele und -strategie, Kundenzufriedenheitsmessung, Verfahren zu Prozeßabläufen.

Branchenspezifische Forderungen, etwa hinsichtlich der Freigabe von Produktionsteilen oder Maßnahmen zur kontinuierlichen Verbesserung, sind in Abschnitt 2 beschrieben.

Abschnitt 3 beinhaltet Forderungen kundenspezifischer Natur.

In dem aktualisierten VDA Standard 6.1 sind sowohl die QS 9000 als auch die französischen EAQF-Vorschriften eingeflossen, so daß bei den Anforderungen weitgehend Deckungsgleichheit besteht. Ein Audit nach diesen neuen Richtlinien ist damit wesentlich anspruchsvoller und umfangreicher als die bisher üblichen Prüfungen nach ISO 9000.

Gestiegene Anforderungen an Lieferanten

Erklärtes Ziel der neuen Standards ist die kontinuierliche Verbesserung der Produkt- und Dienstleistungsqualität, die Vermeidung von Fehlern sowie die Erhöhung der Prozeßfähigkeit und -effizienz des Lieferanten. Zudem soll dadurch die Kunden-Lieferanten-Beziehung verbessert werden. Zwar besteht bei den einzelnen Standards noch keine vollständige gegenseitige Anerkennung aller globalen Automobilhersteller, die Verabschiedung einer gemeinsamen Vorgehensweise wird in den nächsten Jahren jedoch erwartet. Das Regelwerk zielt dabei nicht nur auf die Lieferanten der ersten Ebene (Tier-1) ab, sondern auch die den direkten Lieferanten zuliefernden Subunternehmen sind gefordert, ihr Qualitätsmanagement-System anzupassen.

Eine wesentliche Forderung des QS 9000 sowie des VDA 6.1 (Z) zielt auf die Zufriedenheit des Kunden ab. Diese ist von den Unternehmen regelmäßig zu erfassen. So heißt es beispielsweise in QS 9000 I §4.1.6: „Der Lieferant muß ein schriftlich niedergelegtes Verfahren anwenden, um die Kundenzufriedenheit zu ermitteln… Trends in der Kundenzufriedenheit und wesentliche Hinweise auf Kundenzufriedenheit müssen dokumentiert und durch sachliche Informationen erläutert werden“.

Die von den Automobilunternehmen auferlegte Pflicht, die Kundenzufriedenheit zu messen, sollte nicht als Zwang aufgefaßt werden. Vielmehr besteht dadurch die Möglichkeit, den Kundenerwartungen besser zu entsprechen und die Kundenloyalität konsequent zu erhöhen. Dies führt zu profitablem Wachstum, erhöht die Mitarbeiterzufriedenheit und schließlich die Gesamteffizienz des Unternehmens.

Systematik der Kundenzufriedenheitsmessung

Ein aussagekräftiges Meß- und Feedbacksystem sollte über ein Verfahren in sechs Schritten entwickelt werden (Abb. 1). Im ersten Schritt sind dabei die Ziele aus Hersteller- und Zuliefersicht aufzustellen, weshalb eine Meßsystematik installiert werden soll. Dabei ist auch festzulegen, wer nach seiner Zufriedenheit befragt werden sollte – bestehende Kunden, ehemalige Kunden oder sogar Kunden der Wettbewerber. Im zweiten Schritt wird festgelegt, was zu messen ist. Hierbei sind die Geschäfte und Kundenkontakte so zu segmentieren, daß konsistente und in sich homogene Gruppierungen enstehen. Für diese Segmente sind anschließend die kaufentscheidenden Faktoren (KEF) zu bestimmen, die der Kunde bei seiner Entscheidung als maßgeblich ansieht.

Kaufentscheidende Faktoren können einerseits quantitative Faktoren sein, wie etwa Preise, finanzielle Strukturen, Kapazitäten, oder andererseits qualitative Faktoren, wie Entwicklungs-Know-how oder logistische Kompetenzen. Die identifizierten kaufentscheidenden Faktoren sind sodann hinsichtlich ihrer Ausprägungen zu spezifizieren. So kann sich der KEF „gute Qualität“ auf die Qualität der gelieferten Produkte, die Produktzuverlässigkeit, die eingesetzten QS-Systeme oder die QS-Dokumentation beziehen.

Die identifizierten Ausprägungen können in drei Kategorien klassifiziert werden, die mit jeweils unterschiedlichen Zufriedenheitswerten verbunden sind:

Erstens Schwellenattribute, welche die Grundanforderungen umfassen. Sie müssen vom Lieferanten in jedem Fall erbracht werden, um aus Kundensicht überhaupt in Betracht für eine Lieferung zu kommen.

Zweitens Leistungsattribute, deren Erfüllung längerfristig unter Beweis gestellt werden muß, um zur Zufriedenheit des Kunden beitragen zu können.

Zur dritten Kategorie gehören Begeisterungsattribute; diese werden nur von wenigen Unternehmen erfüllt und üben somit den stärksten Einfluß auf die Differenzierung in Richtung auf Zufriedenheit des Kunden aus (Abb 2).

Die Kategorien sind jedoch nicht stabil und unterliegen einer kontinuierlichen Veränderung: Begeisterungsattribute können im Zeitablauf schnell zu Leistungs- oder Schwellenattributen werden. Diese Dynamik ist darauf zurückzuführen, daß die Kundenanforderungen ständig steigen, und heute außergewöhnliche Leistungen morgen bereits zum anerkannten Standardrepertoire in der Industrie gehören können.

Nachdem festgelegt ist, warum und was gemessen werden soll, werden im dritten Schritt die zu verwendenden Meßtechniken bestimmt. Differenziert werden können kennzahlengestützte und subjektive Verfahren: Kennzahlengestützte Verfahren messen die Zufriedenheit auf Grundlage von Indikatoren, die eine hohe Korrelation mit der Kundenzufriedenheit aufweisen, z.B. Umsätze oder Abwanderungsraten.

Subjektive Verfahren dagegen erfassen die individuell unterschiedlich ausgeprägten psychischen Sachverhalte, die vom Kunden subjektiv wahrgenommen werden. Dabei kann einerseits das Beschwerdeverhalten analysiert werden (allerdings beschwert sich ein nur geringer Teil der tatsächlich unzufriedenen Kunden), andererseits kann der Erfüllungsgrad der Kundenerwartungen anhand einer Zufriedenheitsbewertung im Rahmen einer Befragung gemessen werden; letzteres ist für die Ableitung von konkreten Verbesserungsmaßnahmen die sicherlich beste Lösung.

Darüber hinaus ist zu bestimmen, wer die eigentliche Messung operativ durchführt und welche Abteilungen auf Kundenseite zu kontaktieren sind. Die am häufigsten gewählten Ansprechpartner dürften sicherlich der Einkauf oder die Entwicklung sein, da sie im direkten Kontakt mit dem Lieferanten stehen. Die Befragungen sollten allerdings im Rahmen der üblichen Termine ablaufen, um auf Kundenseite keinen signifikanten Zusatzaufwand entstehen zu lassen.

Intern und extern kommunizieren

Im vierten Schritt erfolgt die Durchführung der Kundenzufriedenheitsmessung, d.h., die Fragebögen bzw. Gesprächsleitfäden sind zu konzipieren, und die Meßniveaus sowie die Datenauswertungsmethoden (uni-, bi-, multivariate Analyseverfahren) sind festzulegen. Konkrete Ansätze für Verbesserungsmaßnahmen werden bei der Auswertung der Ergebnisse dann transparent, wenn sowohl die Bedeutung als auch die Leistung eines Attributes gemessen wird. Verbesserungsmaßnahmen bieten sich insbesondere bei Attributen mit hoher Bedeutung und niedrig bewerteter Zufriedenheit bzw. Leistung an. Bei niedriger Bedeutung des Attributes und niedriger Zufriedenheit einerseits sind die Nachteile für den Lieferanten tragbar, bei hoher Zufriedenheit andererseits die Vorteile irrelevant.

Die Kommunikation an unternehmensinterne Stellen sowie befragte externe Kunden erfolgt im fünften Schritt. Intern ermöglicht diese Vorgehensweise die Entschlossenheit des Top-Managements zu demonstrieren und die Kundenzufriedenheit als zentrales Thema im Unternehmen zu positionieren. Extern können herausragende Leistungen, etwa das positive Abschneiden bei Begeisterungsattributen, sowie erfolgreich umgesetzte Verbesserungsmaßnahmen an Kunden als Rückkopplung kommuniziert werden.

Im abschließenden sechsten Schritt werden die organisatorischen Voraussetzungen und Maßnahmen festgelegt, welche die Realisierung der Verbesserungsmaßnahmen unterstützen sollen. Hierbei ist ein konkreter Aktionsplan zu definieren, in dem die Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Zeitablauf bestimmt sind.

Herausforderung

QS 9000/ VDA 6.1 bieten somit die Chance, das eigene Unternehmen weiter zu entwickeln, kundennaher zu gestalten und somit die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Wenngleich Unternehmen der Nicht-Automobilindustrie davon zunächst noch nicht betroffen sind, wird sich der Anforderungskatalog in Zukunft auch auf andere Industriebereiche ausdehnen.

Quellen:

Arthur D. Little (1996): Customer Management. Cambridge, Ma.

Chrysler Corp., Ford Motor Corp., General Motors Corp. (1995): Quality Systems Requirements QS 9000. Detroit, Mi.

Plötner, O./ Jacob, F. (1996): DIN ISO 9000-9004 und die Auswirkungen für das Marketing im Business-to-Business-Sektor. io Management, 9, S. 59-64

VDA (1996): QM-Systemaudit: Materielle Produkte. Qualitätsmanagement in der Automobilindustrie, Band 6, Teil 1. Frankfurt am Main

 

Dr. Heiko Wolters

 

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