Startseite » Allgemein »

Ohne Gewähr – Einige Anmerkungen zur Haftung und Gewährleistung des Lieferanten

Gewährleistung
Ohne Gewähr – Einige Anmerkungen zur Haftung und Gewährleistung des Lieferanten

Ohne Gewähr - Einige Anmerkungen zur Haftung und Gewährleistung des Lieferanten
Robert Löhr ist Rechtsanwalt im Frankfurter Büro der Sozietät Pünder, Volhard, Weber & Axster. Seit 1996 ist er vor allem auf dem Gebiet des Vertriebs- und Produkthaftungsrecht beratend und prozessual tätig. Hierbei ist er regelmäßig auch mit der Gestaltung von Kooperations- und Lizenzverträgen befaßt.
Nie zuvor war die Zuverlässigkeit der Lieferanten so wichtig wie heute. Sowohl auf die Qualität der von einem Lieferanten gelieferten Teile als auch auf die Einhaltung terminlicher Vorgaben muß Verlaß sein. Fehler in Zulieferprodukten können immense Schäden verursachen. Gleiches gilt für Lieferverzögerungen.

Robert Löhr

Rechtliche Auseinandersetzungen mit Lieferanten bilden in der Praxis – zum Glück – die Ausnahme. Abgesehen davon, daß Konflikte zwischen Hersteller und Lieferant manchmal mit Rücksicht auf eine bestehende Geschäftsbeziehung nicht ausgetragen werden, trägt hierzu sicherlich der Umstand bei, daß Risiken heute stärker als früher präventiv begegnet wird. Durch eine sorgfältige Auswahl und fortlaufende Überprüfung der Lieferanten und nicht zuletzt auch durch geeignete Qualitätssicherungsmaßnahmen werden Risiken vielfach frühzeitig aufgespürt und der Eintritt von Schäden somit verhindert.
Stellt sich aber einmal die Frage der Haftung des Lieferanten, geht es zumeist um erhebliche Beträge. Der geringste Fehler in einem zugelieferten Teil kann schnell Schäden in zweistelliger Millionenhöhe verursachen, so beispielsweise wenn der Fehler eines Produktes zum öffentlichen Rückruf zwingt. Auch die Nichteinhaltung terminlicher Zusagen kann, beispielsweise bei einer Just-in-Time-Fertigung, empfindliche wirtschaftliche Konsequenzen bis hin zum Stillstand von Produktionsbändern haben.
Haftung für Produktfehler
Haftungsansprüche gegen den Lieferanten können sich aus Vertrag und aus Gesetz, insbesondere auf Grundlage der zu § 823 BGB entwickelten Rechtsprechung zur Produzentenhaftung, ergeben. Da vertragliche Ansprüche, die sogenannten Gewährleistungsansprüche, regelmäßig innerhalb von sechs Monaten ab Lieferung verjähren, Ansprüche aus § 823 BGB dagegen erst in drei Jahren ab Kenntnis vom Schaden, liegt die praktische Bedeutung der Rechtsprechung zur Produzentenhaftung auf der Hand. Sowohl bei der Vertragsgestaltung als auch in der rechtlichen Auseinandersetzung sind beide Anspruchsgrundlagen zu bedenken. Vertragliche und gesetzliche Ansprüche schließen sich nicht gegenseitig aus, so können z. B. produkthaftungsrechtliche Ansprüche durchaus auch gegenüber Vertragspartnern geltend gemacht werden.
1. Gewährleistung bei nationalen Verträgen
Zunächst zu den vertraglichen Ansprüchen. Lieferverträge sind regelmäßig Kauf-, oder wenn Produkte nach bestimmten Vorgaben des Käufers hergestellt werden, Werklieferungsverträge. In beiden Fällen findet, von hier nicht näher behandelten Ausnahmen abgesehen, Kaufrecht Anwendung.
Gemäß § 459 BGB haftet der Verkäufer für die vertragsgemäße Qualität der von ihm gelieferten Produkte. Ein Fehler liegt offenkundig vor, wenn ein Produkt nicht der vereinbarten Spezifikation entspricht. Der Umkehrschluß, daß ein der Spezifikation entsprechendes Produkt fehlerfrei ist, kann dagegen nicht gezogen werden. Nach dem Fehlerbegriff des BGB ist ein Produkt nur dann fehlerfrei, wenn es für den „gewöhnlichen oder den nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch“ tauglich ist. So müssen beispielsweise für einen Einsatz im Straßenverkehr bestimmte Bremsschläuche den hohen Qualitätserwartungen des Verbrauchers genügen, auch ohne daß diese Anforderungen im einzelnen spezifiziert sind. Auch müssen, um ein anderes Beispiel zu nennen, Rohstoffe, die für die Herstellung von Lebensmitteln verwendet werden, besonders rein sein, ohne daß für alle denkbaren Kontaminationen Grenzwerte vorgegeben werden.
§ 377 HGB verpflichtet den Käufer zur Durchführung einer Wareneingangskontrolle. Werden Fehler, die im Rahmen einer Wareneingangskontrolle festgestellt werden können („offene Mängel“) nicht unverzüglich gerügt, gilt „die Ware als genehmigt“, als vertragsgemäß. „Versteckte Mängel“ müssen unverzüglich nach ihrer Entdeckung gerügt werden, „andernfalls gilt die Ware auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt“ (§ 377 Abs. 3 HGB).
Welche Eingangskontrollen im Einzelfall erforderlich sind, läßt sich abstrakt nicht bestimmen. § 377 Abs. 1 HGB verlangt eine „nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang tunliche“ Untersuchung. Entscheidender Maßstab ist das Branchenübliche. Keinesfalls verzichtet werden sollte auf eine Sichtprüfung. Bei Lieferung größerer Warenmengen sind Stichproben zu nehmen, unter Umständen sind auch aufwendige Analysen, Belastungstest etc. geboten.
Auch bei Abschluß einer Qualitätssicherungsvereinbarung sollte zumindest eine visuelle Eingangskontrolle beibehalten werden. Soweit bestimmte Qualitätsprüfungen durch den Lieferanten durchgeführt und nachgewiesen werden, ist der Käufer allerdings von seiner Pflicht zur Untersuchung befreit. Doppelprüfungen verlangt das Gesetz nicht.
Ist eine Lieferung von minderer Qualität und werden Fehler unverzüglich gerügt, stehen dem Käufer Gewährleistungsansprüche zu. Ohne daß es auf ein Verschulden des Lieferanten ankommt, kann der Käufer nach seiner Wahl die Lieferung einer fehlerfreien Sache („Nachlieferung“), Erstattung der gezahlten Vergütung gegen Rückgabe des Produktes („Wandlung“) oder eine Herabsetzung des Kaufpreises („Minderung“) verlangen.
Daneben steht dem Käufer ein Recht auf Nachbesserung nur zu, wenn ein solches vertraglich vereinbart ist. Zumindest in Standardverträgen kann ein Nachbesserungsrecht aber nur „an Stelle des Rechts auf Wandlung oder Minderung“ vereinbart werden. Die in der Praxis durchaus übliche Regelung, daß der Käufer nach seiner Wahl Nachbesserung oder Wandlung verlangen kann, ist unwirksam, soweit nicht individuell zwischen den Parteien ausgehandelt.
Schadensersatz kann der Käufer gemäß § 463 BGB verlangen, wenn dem Produkt eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder der Verkäufer sich arglistig verhalten hat.
Eine Zusicherung im Sinne des § 463 BGB ist hierbei mehr als die Vereinbarung, daß ein Produkt bestimmte Eigenschaften aufweisen soll. Erforderlich ist, daß mit der Erklärung über bestimmte Eigenschaften der Wille des Lieferanten zum Ausdruck kommt, für das Fehlen solcher Eigenschaften unbedingt einstehen zu wollen. Abzugrenzen ist eine Zusicherung insbesondere von der bloßen Beschaffenheitsangabe und von einer reklamemäßigen Anpreisung. Nur selten qualifiziert die Rechtsprechung Angaben über bestimmte Eigenschaften eines Produktes als Zusicherung. So ist beispielsweise anerkannt, daß ein Verweis auf DIN-Normen oder die Vereinbarung einer Spezifikation grundsätzlich nur der Beschreibung eines Produktes dient. Auch kann in Standardverträgen nicht wirksam vereinbart werden, daß sämtliche spezifizierte Eigenschaften zugesicherte Eigenschaften sind. Eine solche Regelung ist nach dem Gesetz über Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam. Eine Haftung des Lieferanten auf Schadensersatz läßt sich deshalb regelmäßig nicht allein mit Abweichungen von DIN-Normen oder der Spezifikation begründen.
Noch seltener ist der zweite in § 463 BGB angesprochene Fall des arglistigen Verhaltens des Lieferanten. Arglist wird einem Lieferanten nur bei Vorliegen ganz besonderer Voraussetzungen nachgewiesen werden können. Hierbei ist aber zu beachten, daß die Rechtsprechung bereits sogenannte Angaben ins Blaue, also Angaben, die blindlings ohne genaue Sachkenntnis gemacht werden, als Arglist wertet. Wird beispielsweise vor Aufnahme einer Geschäftsbeziehung ausdrücklich die Frage nach der Eignung eines Produktes für einen bestimmten Verwendungszweck gestellt und wird diese Frage durch den Lieferanten bejaht, ohne daß sich dieser zuvor der Eignung des Zulieferproduktes für diesen Verwendungszweck ausdrücklich versichert hat, ist der Tatbestand der Arglist gegeben. Eine eigenständige Bedeutung kommt dem Tatbestand der Arglist insbesondere vor dem Hintergrund zu, daß Ansprüche aus arglistigem Verhalten einer Verjährungsfrist von 30 Jahren unterliegen.
Die nach dem Wortlaut des Gesetzes vorgesehene Beschränkung der Schadensersatzpflicht des Lieferanten auf Fälle des Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft oder der Arglist läßt sich insbesondere dann, wenn dem Lieferanten Fahrlässigkeit zur Last fällt, schwerlich rechtfertigen. Deshalb wendet die Rechtsprechung den §463 BGB bereits seit langem ausschließlich auf sogenannte Mangelschäden, d.h. Schäden an der Kaufsache selbst, an. Für sonstige Schäden, die sogenannten Mangelfolgeschäden, haftet der Lieferant nach den Grundsätzen der sogenannten positiven Vertragsverletzung („pVV“) bereits im Falle leichter Fahrlässigkeit auf Schadensersatz.
Besonders bedeutsam ist in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des BGH, nach der „der Käufer, der in langjähriger Geschäftsbeziehung vom Verkäufer regelmäßig gleichartige, mangelfreie Ware bezieht, darauf vertrauen darf, daß der Verkäufer ihn auf Änderungen der Beschaffenheit hinweist“ (BGH NJW 1996, 1537). Werden Materialänderungen oder wesentliche Änderungen im Produktionsprozeß nicht angezeigt, haftet der Verkäufer auf Schadensersatz.
Gemäß § 278 BGB muß sich ein Lieferant hierbei das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen, also aller Personen, die von ihm zur Erfüllung der gegenüber dem Hersteller übernommenen Verpflichtung eingeschaltet werden, zurechnen lassen.
Verjährung: Gewährleistungsansprüche verjähren gemäß § 477 BGB in sechs Monaten ab Lieferung, und zwar auch dann, wenn sich ein (versteckter) Mangel erst nach Ablauf dieser kurzen Frist zeigt. Abweichend hiervon gilt eine Verjährungsfrist von 30 Jahren im Falle des arglistigen Verhaltens des Verkäufers. Längere Verjährungsfristen können vereinbart werden. In Standardverträgen dürfte jedoch nur eine Verlängerung auf bis zu 24 Monaten ab Lieferung wirksam sein (vgl. BGH NJW 1990, 2065).
Die Anzeige eines Mangels unterbricht die Verjährung nicht. Um den Eintritt der Verjährung zu vermeiden, ist dringend zu empfehlen, Ansprüche innerhalb der Frist des § 477 BGB gerichtlich geltend zu machen, wenn der Verkäufer nicht ausdrücklich auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Für die Unterbrechung der Verjährung genügt die Beantragung eines Mahnbescheids.
2. Gewährleistung bei internationalen Verträgen
Auf Verträge mit ausländischen Vertragspartnern findet das von den Parteien gewählte Recht Anwendung. Wenn keine Rechtswahl getroffen ist, beurteilen deutsche Gerichte einen Vertrag nach dem Recht des Staates, mit dem der „Vertrag die engsten Verbindungen“ aufweist (Art. 28 des Einführungsgesetzes zum BGB – EGBGB). Bei einem Kaufvertrag ist regelmäßig die Leistung des Verkäufers als charakteristische Leistung anzusehen, so daß mangels Rechtswahl das Recht des Staates des Verkäufers gilt.
Besondere Bedeutung kommt im internationalen Geschäftsverkehr dem „Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf“ vom 11. April 1980 („CISG“) zu. Dieses Übereinkommen ist von einer Vielzahl der großen Industrienationen ratifiziert worden und findet somit auf fast alle international geschlossenen Kaufverträge Anwendung. Das CISG gilt als im Vergleich zum deutschen Recht käuferfreundlich, vor allem weil der Verkäufer nach dem CISG stets auf Schadensersatz haftet, wenn er nicht vertragsgemäße Waren liefert. Im übrigen sind die Unterschiede zu den Bestimmungen des BGB eher gering.
Soweit das CISG Regelungen nicht enthält, ist ergänzend auf das auf einen Vertrag anwendbare nationale Recht zurückzugreifen. So sind beispielsweise im CISG keine Verjährungsfristen bestimmt. Soweit ergänzend zum CISG deutsches Recht gilt, richtet sich die Verjährung nach dem weithin unbekannten Vertragsgesetz vom 5. Juli 1989. Gemäß Art. 3 Vertragsgesetz verjähren Ansprüche innerhalb von sechs Monaten ab Absendung der Mängelrüge – also nicht wie bei nationalen Verträgen ab Lieferung. Die Gewährleistungsfrist ist somit bei versteckten Mängeln, die nicht bei Lieferung sondern erst unverzüglich nach Entdeckung zu rügen sind, wesentlich länger bei nationalen Verträgen.
3. § 823 BGB – Rechtsprechung zur Produzentenhaftung
Führt der Fehler in einem zugelieferten Teil zu Sach- oder Personenschäden, kann sich eine Haftung des Lieferanten aus § 823 BGB ergeben. Auf der Grundlage des § 823 BGB hat sich eine besondere Rechtsprechung zur Produzentenhaftung entwickelt, welche die Haftung des Lieferanten für Produktfehler deutlich verschärft hat (vgl. Heil in BA Heft 5/99 Seite 44). Insbesondere relevant wird diese Rechtsprechung in Fällen, in denen Gewährleistungsansprüche bereits nach § 477 BGB verjährt sind, da Ansprüche aus § 823 einer dreijährigen, mit Kenntnis vom Schaden beginnenden Verjährung unterliegen.
Nach § 823 BGB haftet auf Schadensersatz, wer schuldhaft „das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt“. Bloße Vermögensschäden, wie zum Beispiel Betriebsunterbrechungsschäden, sind kein „sonstiges Recht“ im Sinne des § 823 BGB. Erforderlich ist also stets, daß es infolge eines Fehlers in einem zugelieferten Teil zu einem Sach- oder Personenschaden kommt.
Nach der Rechtsprechung ist es bereits als Eigentumsverletzung anzusehen, wenn bei der Herstellung eines Produktes einwandfreie Komponenten mit fehlerhaften Zulieferteilen so verbunden werden, daß die einwandfreien Komponenten unbrauchbar werden. Die praktische Bedeutung dieser Rechtsprechung zeigt sich in der „Transistoren-Entscheidung“ des BGH vom 31.3.1998 (NJW 1998, 1942), der folgender Fall zugrunde lag:
Die Klägerin fertigte Zentralverriegelungen für Personenkraftwagen. In die Steuergeräte dieser Verriegelungen baute sie je vier zum Stückpreis von 3,9 Pf von der Beklagten bezogene Transistoren ein. Nachdem es zu zahlreichen Ausfällen bei den Steuergeräten gekommen war (Ausfallquote 75 %), gab der Pkw-Hersteller die Zentralverriegelungen zurück und verlangte von der Klägerin Ersatz der durch den Austausch entstandenen Kosten. Die Klägerin verklagte nunmehr ihren Lieferanten, die Beklagte, auf Schadensersatz in Höhe von 2,3 Mio. DM. Gewährleistungsansprüche waren verjährt.
Der BGH hat den Lieferanten nach § 823 BGB unter dem Gesichtspunkt der Eigentumsverletzung zum Ersatz des Schadens verurteilt und hierbei ausgeführt:
„Die Verletzung des Eigentums an einer Sache … kann auch durch eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Verwendung der Sache erfolgen. Eine solche Beeinträchtigung der Klägerin in der Verwendbarkeit ihrer vor dem Zusammenbau mit den Transistoren funktionstüchtigen anderen Einzelteile der Steuergeräte ist hier durch die Zusammenführung eingetreten. Denn diese Teile können …. nicht mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand aus den funktionsuntüchtigen Steuergeräten wieder ausgebaut und deshalb von der Klägerin nicht mehr in anderer Weise genutzt werden“.
Mit dieser weiten Auslegung des Begriffs der Eigentumsverletzung werden die kaufvertraglichen Gewährleistungsbestimmungen unterlaufen. Im vorliegend geschilderten Fall – der in dieser oder ähnlichen Konstellationen in der Praxis durchaus häufig auftritt – hätte es nach den Regeln der kaufrechtlichen Gewährleistung keinen Anspruch auf Schadensersatz gegeben, da der Fehler der Transistoren erst lange nach Lieferung festgestellt wurde und Gewährleistungsansprüche somit verjährt waren. Auch wenn die dargestellte Rechtsprechung starker Kritik ausgesetzt ist, ist mit einer Änderung nicht zu rechnen.
Die Rechtsprechung zur Produzentenhaftung hilft allerdings in den Fällen nicht, in denen reine Vermögensschäden eintreten, beispielsweise ein Produktfehler nur zu Produktionsunterbrechungen, nicht aber zu Sachschäden führt.
Ob die Rechtsprechung zur Produzentenhaftung auch bei internationalen Verträgen gilt, ist fraglich. Eine höchstrichterliche Entscheidung liegt nicht vor. Insbesondere von den Kritikern dieser Rechtsprechung wird argumentiert, die Bestimmungen der CISG (siehe unter Ziffer I.2.) seien abschließend, so daß Schadensersatz ausschließlich auf der Grundlage der CISG zugesprochen werden könne. Mit diesem Einwand wird man sich in Rechtsstreitigkeiten zu internationalen Verträgen auseinandersetzen müssen, zumindest solange die Gerichte sich noch nicht zu dieser Frage geäußert haben.
Haftung für Terminüberschreitung
Nach der Haftung des Lieferanten für Produktfehler nun zur Haftung des Lieferanten für Terminüberschreitung.
Für die Überschreitung vereinbarter Termine haftet der Lieferant nur bei „Verzug“. Die Fälligkeit der Leistung ist nur eine Voraussetzung des Verzuges. Sofern Liefertermine nicht vereinbart sind, ist eine Leistung nach § 271 BGB im Zweifel sofort fällig. Grundsätzlich tritt Verzug nur durch eine Mahnung, die nach Fälligkeit erfolgt, ein. Jede eindeutige Aufforderung zur Leistung, ob mündlich oder schriftlich, ist eine Mahnung. Nicht erforderlich ist eine Fristsetzung, die Ankündigung bestimmter Folgen oder die Bezeichnung der Mahnung als Mahnung. Auch eine freundlich formulierte „Erinnerung“ ist eine Mahnung.
Entbehrlich ist eine Mahnung ausnahmsweise dann, wenn „für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist“ (§ 284 BGB), also dann, wenn sich der Liefertermin unmittelbar aus dem Kalender bestimmen läßt. So tritt Verzug ohne Mahnung ein bei Vereinbarungen wie „spätestens 1. April“, „Ende Februar“, „noch im Laufe des August“ (dann am 31.08.), „55 KW“ (dann am Ende der KW 55). Eine bloße Bestimmbarkeit nach dem Kalender reicht nicht. Ist als Liefertermin bestimmt „14 Tage nach Auftragsbestätigung“ kann der Liefertermin mittels Informationen (Datum der Auftragsbestätigung) bestimmt werden, die sich nicht aus dem Kalender ergeben. Verzug tritt in diesem Fall nach der zugegeben etwas antiquierten, aber gleichwohl gültigen Regelung des § 284 BGB nur durch Mahnung ein.
Entbehrlich ist eine Mahnung ferner, wenn der Lieferant eindeutig zu erkennen gegeben hat, daß er zur Leistung nicht bereit ist. Ein Verzicht auf Mahnung kann wirksam nur mit einer individuellen Vereinbarung, nicht aber in einem Standardvertrag vorgesehen werden.
Schließlich setzt Verzug Verschulden des Lieferanten voraus. Im Streitfall muß allerdings der Lieferant beweisen, daß ihn kein Verschulden trifft.
Trotz Verzug bleibt der Lieferant – selbstverständlich – zur Leistung und der Käufer zur Abnahme und Bezahlung verpflichtet. Der Käufer kann jedoch gemäß § 286 BGB Ersatz des sogenannten Verzögerungsschadens verlangen. Das ist der Schaden, der dadurch entsteht, daß nicht rechtzeitig geliefert wird. Gerät beispielsweise die Produktion wegen der verspäteten Lieferung von Zulieferteilen ins Stocken, haftet der Lieferant für die damit verbundenen Schäden. Soweit Produktionskapazitäten anderweitig genutzt werden können, ist dies bei der Schadensbemessung zu berücksichtigen; verzögerungsbedingte Vorteile sind auf den Schaden anzurechnen.
Grundsätzlich keinen Verzögerungsschaden stellen Kosten dar, die in Zusammenhang mit der Tätigung eines Ersatzkaufes entstehen. Trotz Verzug bleibt der Käufer, wie dargestellt, aus dem mit dem Lieferanten geschlossenen Vertrag zur Abnahme verpflichtet. Sich von dem Vertrag lösen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann der Käufer grundsätzlich nur, wenn er dem Lieferanten zusätzlich zur Mahnung eine Nachfrist setzt und hierbei klar zum Ausdruck bringt, daß er Leistungen des Lieferanten nach Fristablauf nicht akzeptieren wird. Erst nach Ablauf haftet der Lieferant auch für Schäden, die auf der Nichterfüllung des Vertrages beruhen, beispielsweise für Kosten eines Ersatzkaufes.
Das Erfordernis, eine Nachfrist mit Ablehnungsandrohung – wie der juristische Fachbegriff lautet – zu setzen, entfällt nur, wenn der Lieferant die Erfüllung des Vertrages ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn das Interesse des Käufers an der Vertragserfüllung infolge des Verzuges nicht mehr besteht. In der Praxis wird nicht selten bereits ein Ersatzkauf getätigt, ohne daß zuvor eine Nachfrist gesetzt wird. Zwar entfällt das Interesse des Käufers an der Erfüllung des Vertrages durch den Lieferanten auch durch einen solchen Ersatzkauf, der Wegfall des Interesses beruht aber nicht auf dem Verzug des Lieferanten, sondern auf der autonomen Entscheidung des Käufers, Dritte mit der Lieferung zu betrauen. Ein Anspruch auf Schadensersatz besteht in diesen Fällen, von seltenen Ausnahmen abgesehen, nicht.
Auch wenn der Verzug des Lieferanten nicht zu Schäden führt, gleichwohl die Vertragsbeziehung wegen des Verzuges beendet werden soll, empfiehlt es sich, dadurch Rechtsklarheit zu schaffen, daß der Lieferant zunächst gemahnt und ihm zusätzlich zur Mahnung ausdrücklich eine Nachfrist mit Ablehnungsandrohung gesetzt wird. Nur bei diesem Vorgehen ist sichergestellt, daß der Lieferant nicht zu einer späteren Zeit Abnahme und vor allem Bezahlung der dann nicht mehr benötigten Produkte verlangt.
Für die Vertragsgestaltung ist zu empfehlen, die Einhaltung vereinbarter Termine durch Vertragsstrafen abzusichern. Dies ist auch in Standardverträgen möglich. Allerdings sollte in Standardverträgen durch eine geeignete Formulierung deutlich werden, daß eine Vertragsstrafe nur bei Verzug, also bei einer verschuldeten Überschreitung von Terminen, fällig wird. Ferner muß die Vertragsstrafe der Höhe nach angemessen sein, ansonsten ist eine Vertragsstrafe in Standardverträgen insgesamt unwirksam.
Unsere Webinar-Empfehlung
Aktuelles Heft
Titelbild Beschaffung aktuell 4
Ausgabe
4.2024
PRINT
ABO

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de