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Plädoyer für die „Sourcing Culture“

Andreas R. Voegele, Con Moto Consulting Group GmbH, Stuttgart
Plädoyer für die „Sourcing Culture“

Der Einkauf ist oft selber schuld, wenn man „oben“ nichts von ihm hört. Con-Moto-Chef Prof. Dr. Andreas R. Voegele plädiert für eine „Sourcing Culture“ mit durchgängigem Kommunikationskonzept.

Beschaffung aktuell: Herr Prof. Voegele, Ihr Unternehmen hat in einer Studie untersucht, wie wertorientiert der Einkauf verschiedener Branchen arbeitet. Gab es Überraschungen?

PROF. DR. ANDREAS VOEGELE: Wirkliche Überraschungen vielleicht nicht, aber doch einige sehr bemerkenswerte Erkenntnisse: So gibt es zum Beispiel kein Branchencluster, welches in allen 12 Kernthesen die Top-Position einnimmt. Ebenso wird die rote Laterne mit schöner Regelmäßigkeit von These zu These unter den Branchen weitergereicht. Ebenfalls durchaus auffallend ist die Tatsache, dass das Lieferantenmanagement mit allen seinen Facetten an letzter Stelle des Zufriedenheits-Rankings liegt. Außerdem zeigt die Gesamtnote „befriedigend“ über alle Branchen und Unternehmen hinweg, dass noch viel Innovationspotential und Wertschöpfungsreserven existieren. Und das, obwohl in den letzten Jahren in zahlreichen Unternehmen bereits beachtliche Erfolge erzielt wurden.
Beschaffung aktuell: Die Automobilindustrie ist an der Spitze, die rote Laterne gebührt nicht der Bahn-, sondern der Bauindustrie. Woran liegt das?
PROF. VOEGELE: In der Automobilindustrie wurde der Einkauf als geleichberechtigter Wertschöpfungspartner schon sehr früh erkannt. Der Kostendruck im internationalen Wettbewerb war und ist immer noch außerordentlich hoch. Dem wurde durch innovative Methoden, Prozesse und organisatorische Ausgestaltungen früh begegnet. Die Bauindustrie hinkt dem in vielen Fällen um ca. 10 bis 15 Jahre hinterher, wobei auch hier die Spreizung der Unternehmen enorm ist. Begründet wird der Nachholbedarf zumeist mit Argumenten wie „extreme Dezentralität“, „Besonderheiten in jedem Projekt“, „Komplexität“ etc. Die Erfolge in unseren Projekten zeigen jedoch eindeutig, dass auch im Projektgeschäft signifikante Verbesserungen möglich sind, wenn man die Besonderheiten dieser Branchen versteht.
Beschaffung aktuell: Auch bei dem von Ihnen untersuchten Gegenstand Themenfeld gibt es eine Fremd- bzw. Eigensicht. Hier heißt das, Vorstände oder Geschäftsführer urteilen über den Wertbeitrag des Einkaufs weniger gut als der Einkauf selbst. Warum unterstützen die Chefs den Einkauf dann nicht stärker, heben ihn in der Hierarchie an und statten ihn mit besseren Ressourcen aus?
PROF. VOEGELE: Unterschiede zwischen Eigen- und Fremdsicht gibt es doch im gesamten beruflichen und privaten Umfeld. Allerdings ist bezeichnend, dass die „anderen“ den Wertbeitrag des Einkaufs in allen Bewertungsbögen schlechter sehen. Das ist m. E. jedoch keine Frage der Hierarchie oder der Ressourcen. Hier ist der Einkauf gefordert: „Tue Gutes und rede darüber!“. Bei vielen unserer Projektpartner fällt auf, dass die tatsächlichen Wertbeiträge nicht oder nur rudimentär im Top-Management bekannt sind. Sie sind ja auch nicht eins zu eins in der GuV oder der Bilanz ablesbar. Daher müssen „Sourcing Culture“ und durchgängige Kommunikationskonzepte etabliert und aktiv gelebt werden.
Beschaffung aktuell: Am wenigsten zufrieden mit dem Wertbeitrag des Einkaufs ist der CFO. Woran liegt das?
PROF. VOEGELE: Die CFOs, die in unserer Studie geantwortet haben, sind jeweils für den Einkauf disziplinarisch verantwortlich. Daher verwundert es mich in keinster Weise, dass ihr Urteil am wenigsten euphorisch ausfällt.
Beschaffung aktuell: Eine Mehrzahl der Manager traut den Lieferanten wenig zu. Folglich nutzen sie deren Innovationspotenzial wenig. Schimmert da vielleicht etwas Überheblichkeit großer OEMs durch?
PROF. VOEGELE: Die Tatsache, dass das Lieferantenmanagement auf dem letzten Platz gelandet ist, ist für mich kein Indiz dafür, dass die Manager den Lieferanten zu wenig zutrauen, sondern eine Art „Hilfeschrei“, dass die Zusammenarbeit im gesamten Wertschöpfungsnetz neuer Wege und Methoden bedarf. Best-in-Class-Einkaufen bedeutet doch, dass gerade das Know-how der Lieferanten frühzeitig abgerufen werden muss. Das funktioniert jedoch nur in den Fällen reibungsfrei, in denen auch der Einkauf in sogenannten cross-funktionalen Teams von Anfang an als gleichberechtigter Partner eingebunden wird und somit auch die Spezifika der Beschaffungsmärkte schon in der Design- bzw. Projektierungsphase Berücksichtigung finden können. Die Frage der Marktseitenverhältnisse – großer Abnehmer vs. kleiner Lieferant oder umgekehrt – darf sich nicht stellen.
Beschaffung aktuell: Generell gefragt: Wo sehen Sie die künftigen Herausforderungen des Einkaufs?
PROF. VOEGELE: Aus den Erkenntnissen unserer Topmanagement-Umfrage sowie den Erfahrungen aus hunderten von Projekten haben wir einerseits die Möglichkeiten des Einkaufs zur nachhaltigen Steigerung des Unternehmenswertes und somit seinen Beitrag nicht nur zur Kostensenkung, sondern auch zur Profitabilität und Nachhaltigkeit beschrieben. Andererseits haben wir die „DNA“ eines wertorientierten Einkaufs mit ihren zwölf zentralen Bausteinen für operative Exzellenz in der Beschaffung entwickelt: Diese Bausteine reichen von GRC-(Corporate Governance, Risk Management, Compliance)Management über Innovationsleistung und Entscheidungseffizienz bis hin zu den klassischen Themen wie Lieferanten- und Vertragsmanagement sowie Strategie- und Umsetzungskompetenz. Um diese zukünftigen Herausforderungen meistern zu können, bedarf es top-qualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem guten Mix aus strategischem Verständnis und Pragmatismus. Es muss daher zur Selbstverständlichkeit werden, dass die Einkäuferinnen und Einkäufer ebenso an Qualifizierungsoffensiven teilnehmen können, wie ihre Kolleginnen und Kollegen im Vertrieb.
Beschaffung aktuell: Prof. Voegele, danke für das Gespräch. dz
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