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ppa., i. V. und i. A.

Wer das Unternehmen verpflichten kann
ppa., i. V. und i. A.

Wer kann eigentlich mit seiner Unterschrift das Unternehmen verpflichten, das ihn beschäftigt? Muss die Unterschriftsberechtigung zuvor verliehen worden sein oder reicht es aus, wenn der Vorgesetzte die Unterschriften seines Mitarbeiters zuvor geduldet hat? Prof. Dr. Schmid bringt Licht in das eventuelle Dunkel des Themas Stellvertretung.

Prof. Dr. Karlheinz Schmid

Handlungsvollmacht und Prokura sind im Handelsgesetzbuch näher umschriebene, besondere Arten der rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht. Ein kurzer Blick auf Stellvertretung und Vollmacht ist daher für ihr Verständnis unerlässlich. Willenserklärungen können von einem Vertreter – innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht – im Namen des Vertretenen mit unmittelbarer Wirkung für und gegen den Vertretenen abgegeben werden (§164 Abs.1 BGB). Man spricht dann von einem aktiven Vertreter. Beispiel: Der Einkaufsleiter der X-AG (Leasingnehmer) kündigt den Leasingvertrag mit der Leasingfirma (Leasinggeber). Die Rechtswirkung tritt dann nur im Verhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer ein.
Willenserklärungen können aber auch von einem Vertreter im Namen des Vertretenen mit unmittelbarer Wirkung für und gegen den Vertretenen entgegengenommen werden (§164 Abs.3 BGB). Hier spricht man von einem passiven Vertreter. Beispiel: Die Leasingfirma kündigt den Leasingvertrag gegenüber dem Einkaufsleiter. Auch hier tritt die Rechtswirkung der Kündigung nur zwischen der X-AG und der Leasingfirma ein.
Die Voraussetzungen
Der Vertreter kann in einer Person sowohl aktiver als auch passiver Vertreter sein. Beispiel: Nimmt der Einkaufsleiter das Angebot der Leasingfirma entgegen, so ist er passiver Vertreter. Akzeptiert er dann dieses Angebot und teilt dies der Leasingfirma mit, so ist er aktiver Vertreter. Zwischen dem Vertreter und seinem Geschäftspartner entsteht dabei kein Rechtsverhältnis.
Der Vertreter gibt eine eigene Willenserklärung ab. Er besitzt deshalb Entscheidungsfreiheit bzw. einen Beurteilungsspielraum. Er muss deshalb mindestens beschränkt geschäftsfähig sein (§ 165 BGB). Vertreter ist nur, wer eine Willenserklärung in fremdem Namen abgibt, also damit zu erkennen gibt, dass er für einen anderen handeln möchte. Dieser Wille muss nicht ausdrücklich erklärt werden. Es genügt, wenn sich dies aus den äußeren Umständen ergibt. Da hier das so genannte Offenkundigkeitsprinzip gilt, soll der Vertreter gegenüber seinem Geschäftspartner klar zu erkennen geben, dass die Rechtsfolgen des Geschäfts nicht ihn, sondern den Vertretenen treffen sollen. Macht der Vertreter nicht deutlich, dass er für einen anderen handeln will, dann wird er selbst aus dem abgeschlossenen Geschäft verpflichtet.
Der Vertreter muss die Berechtigung (Vertretungsmacht) besitzen, um im Namen des Vertretenen handeln zu dürfen. Diese Vertretungsmacht kann sich aus dem Gesetz ergeben. So vertritt der Vorstand den Verein gerichtlich und außergerichtlich. Er hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters (§26 Abs.2 S. 1 BGB). Die Vertretungsmacht des Vertreters kann sich aber auch aus einem Rechtsgeschäft, nämlich aus einer Vollmacht, ableiten. Der Vertreter muss außerdem im Rahmen seiner Vertretungsmacht handeln. Der Umfang der Vertretungsmacht ist der Vollmacht bzw. dem Vollmachtschreiben zu entnehmen.
Die Organe juristischer Personen haben die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Ihre Willenserklärungen wirken für und gegen die juristische Person. Die Organschaft ist aber umfassender als die Stellvertretung. Da das Handeln der Organe, zum Beispiel des Vorstands einer Aktiengesellschaft oder des Geschäftsführers einer GmbH, als eigenes Handeln der juristischen Person gilt, werden den juristischen Personen nicht nur die Willenserklärungen ihrer Organe zugerechnet, sondern auch Vertragsverletzungen und Delikte (§31 BGB).
Recht bedeutend für die Praxis ist die so genannte Duldungsvollmacht. Sie ist dann anzunehmen, wenn der Vertretene, also der Geschäftsinhaber oder seine bevollmächtigten Vertreter es wissentlich zulassen, dass Mitarbeiter wie Vertreter für die Firma auftreten, ohne dass ihnen zuvor ausdrücklich Vollmacht erteilt wurde. Es muss noch hinzukommen, dass Dritte nach Treu und Glauben bei Anwendung der ihnen jeweils zuzumutenden Sorgfalt auf die Erteilung einer entsprechenden Vollmacht schließen durften. Dies ist der Fall, wenn ein Gesamtprokurist immer wieder als Einzelprokurist auftritt, aber insbesondere auch dann, wenn ein Mitarbeiter laufend mit „i. A.“ unterschreibt und dies von seinem bevollmächtigten Vorgesetzten geduldet wird. Bereits ein einziger Fall bewussten Duldens kann damit ausnahmsweise für die Annahme einer Duldungsvollmacht ausreichen. Im Regelfall wird jedoch ein längerer Duldungszeitraum gefordert. Liegt eine Duldungsvollmacht vor, so muss sich der Geschäftsinhaber die Erklärungen und Handlungen entgegenhalten lassen, die auf diese Weise aus seinem Unternehmen nach außen gerichtet wurden
Die Anscheinsvollmacht
Eine Anscheinsvollmacht liegt dann vor, wenn der Vertretene zwar vom Handeln seines angeblichen Vertreters nichts weiß, dies aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können. Auch hier muss hinzukommen, dass für Dritte der Anschein entstanden sein muss, der Vertretene dulde und billige das Verhalten des Scheinvertreters. Dies setzt eine gewisse Häufigkeit und Dauer des Vertreterverhaltens voraus. Das Unternehmen muss selbst dazu beigetragen haben, dass der Anschein entstehen konnte, der Mitarbeiter sei im Besitze einer entsprechenden Vollmacht. Die nachfolgenden Statussymbole können dabei u. a. entscheidend sein: großes Büro, Dienstwagen, umfangreiche Einladungsberechtigung zu Arbeitsessen oder ein wohlklingender Titel (General Purchasing Manager). Aber auch ein Baustellenleiter wäre mit einer solchen Anscheinsvollmacht berechtigt, in Eilfällen Kleinaufträge zu vergeben, um die Baustelle fristgerecht abschließen zu können.
Die Handlungsvollmacht ist eine besondere Art der rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht. Sie kann von jedem Kaufmann und auch von einem Prokuristen erteilt werden. Die Handlungsvollmacht wird nicht ins Handelsregister eingetragen. Der Handlungsbevollmächtigte hat bei der Ausübung der Vertretungsbefugnis seiner Unterschrift einen Zusatz voranzustellen, der das Vollmachtsverhältnis ausdrückt, nämlich „i. V.“.
Der Umfang der Handlungsvollmacht kann vom Vollmachtgeber beliebig bestimmt werden. Er kann, was sehr selten ist, auf einzelne Rechtsgeschäfte oder gar nur einzelne Rechtshandlungen begrenzt werden. Üblicherweise beschränkt sich jedoch die Handlungsvollmacht auf eine bestimmte Art von Geschäften, sei es auf einen genau beschriebenen Bereich des Handelsgewerbes, sei es auf Geschäfte bis zu einer bestimmten Größenordnung. Wenn die Handlungsvollmacht erteilt ist, wird zugunsten gutgläubiger Dritter vermutet, dass sich die Handlungsvollmacht auf alle solche Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen erstreckt, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte für gewöhnlich mit sich bringen (§54 Abs.1 HGB). Die Handlungsvollmacht wird jedoch im Innenverhältnis sehr häufig auf Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen einer bestimmten Abteilung, zum Beispiel der Einkaufs- oder Rechtsabteilung, beschränkt.
Beispiel: „Wir erteilen Ihnen hiermit Handlungsvollmacht für unsere Gesellschaft. Die Vollmacht gilt für alle in Ihrem Aufgabenbereich anfallenden Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen. Sie sind insoweit berechtigt, das Unternehmen zusammen mit einem Vorstandsmitglied oder einem Prokuristen zu vertreten. Sie zeichnen die Firma mit dem Zusatz „i. V.“
Die Prokura
Die Eigenschaft als Handlungsbevollmächtigter erwirbt man allein durch die Erteilung der Handlungsvollmacht ohne Rücksicht darauf, ob man ausdrücklich zum „Handlungsbevollmächtigten“ bestellt wird. Zur Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, zur Aufnahme von Darlehen und zur Prozessführung ist der Handlungsbevollmächtigte nur ermächtigt, wenn ihm eine solche Befugnis besonders erteilt ist (§ 54 Abs.2 HGB). Sonstige Beschränkungen braucht ein Dritter nur dann gegen sich gelten zu lassen, wenn er sie kannte oder kennen musste (§ 54 Abs.3 HGB). Die Handlungsvollmacht erlischt u. a. mit dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis, in der Regel mit dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis, sowie durch Widerruf bei fortbestehendem Grund- bzw. Arbeitsverhältnis.
Der Prokurist besitzt ebenfalls eine durch Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht. Willenserklärungen, die er innerhalb der Prokura abgibt oder entgegennimmt, wirken ausschließlich und unmittelbar für und gegen den Inhaber des Handelsgeschäfts bzw. das Unternehmen. Gemäß § 48 BGB kann die Prokura nur vom Inhaber des Handelsgeschäfts oder seinem gesetzlichen Vertreter und nur mittels ausdrücklicher Erklärung erteilt werden. Mit einer solchen Ernennung ist der Mitarbeiter Prokurist. Die Erteilung der Prokura ist zwar vom Inhaber des Handelsgeschäfts zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden; dieser Eintragung kommt dabei aber lediglich rechtsbezeugende bzw. deklaratorische Bedeutung zu. Der Prokurist hat in der Weise zu zeichnen, dass er der Firma seinen Namen mit einem die Prokura andeutenden Zusatz beifügt (§ 51 HGB). Dies geschieht üblicherweise dadurch, dass vor den Namen „ppa.“ gesetzt wird. Über dem Zusatz und Namen steht dann meist die Firma des Handelsgeschäfts. Die Prokura kann auch an mehrere Personen gemeinschaftlich erteilt werden. Die Gesamtprokuristen sind dann zusammen zur Vertretung befugt. Hiervon wird in der Wirtschaft sehr häufig Gebrauch gemacht, weil es eine wesentliche Sicherung gegen Unehrlichkeit und Leichtsinn ist.
Der Umfang der Prokura ist gesetzlich festgelegt. Die Prokura ermächtigt zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt (§ 49 HGB). Es ist also nicht erforderlich, dass sich die Geschäfte des Prokuristen im Rahmen des konkreten Betriebes halten. Der Prokurist in einer Stahlhandelsfirma dürfte zum Beispiel Textilien einkaufen. Bei diesem weiten Umfang der Prokura ist es daher nicht verwunderlich, dass der Prokurist früher als das „zweite Ich“ des Kaufmanns bezeichnet wurde. Trotzdem gibt es eine Reihe von Rechtshandlungen, die ein Prokurist nicht vollziehen darf. Grundstücke darf er nur veräußern oder belasten, wenn ihm diese Befugnis besonders erteilt ist (§ 49 Abs. 2 HGB). Zum Erwerb von Grundstücken, selbst mit Restkaufgeldhypothek und Vorkaufsrecht zugunsten des Verkäufers, ist der Prokurist dagegen befugt. Außerhalb der Vertretungsmacht des Prokuristen liegen auch die dem Inhaber persönlich zugewiesenen Geschäfte, zum Beispiel die Erteilung von Prokuren sowie die Unterzeichnung des Jahresabschlusses. Das Gleiche gilt für alle Willenserklärungen, die nicht zum Betrieb eines Handelsgewerbes gehören, so etwa familien- und erbrechtliche Geschäfte sowie die Einstellung des Betriebs und die Veräußerung des Unternehmens. Alle übrigen Rechtsgeschäfte werden von der Prokura gedeckt. Der Prokurist kann also zum Beispiel Wechsel zeichnen, Darlehen geben und nehmen, Prozesse führen sowie Handlungsvollmacht erteilen.
Eine Beschränkung des insoweit gesetzlich festgelegten Umfangs der Prokura ist jedem Dritten gegenüber unwirksam (§ 50 HGB). Die Beschränkung der Prokura auf den Betrieb einer oder mehrerer Niederlassungen, also auf die Erteilung einer so genannten Filialprokura, ist dagegen möglich, wenn die Niederlassungen verschieden firmieren.
Wenn auch der Umfang der Prokura nach außen hin nicht eingeschränkt werden kann, so kann doch das Unternehmen dem Prokuristen intern gewisse Beschränkungen auferlegen, wenn zum Beispiel von der Prokura nur im Rahmen des Aufgabenbereichs Gebrauch gemacht werden darf. Diese Beschränkungen ändern jedoch an der Wirksamkeit der entgegen der internen Anweisung vorgenommenen Geschäfte nichts. Sie sind rechtlich gültig. In diesem Fall „darf“ der Prokurist das Unternehmen zwar nicht verpflichten, er „kann“ es aber. Da der Prokurist jedoch gegen innerbetriebliche Anweisungen verstößt, macht er sich wegen Vollmachtsmissbrauchs schadensersatzpflichtig. Der Geschäftsinhaber hat gegen den ungetreuen Prokuristen u. a. einen Anspruch auf Befreiung von der weisungswidrig eingegangenen Verpflichtung sowie gegebenenfalls auf Ersatz des weiteren Schadens. Außerdem drohen dem Prokuristen personalrechtliche Konsequenzen, meist die fristlose Entlassung, denn Unternehmen kennen hier keinen Spaß.
Erlöschen durch Tod
Missbraucht der Prokurist die ihm eingeräumte Vertretungsmacht, dann braucht der Vertretene bzw. das vertretene Unternehmen das abgeschlossene Geschäft nur dann nicht anzuerkennen, wenn der Prokurist bewusst zum Nachteil des Vertretenen gehandelt hat und außerdem der Dritte den Missbrauch kannte oder doch fahrlässig nicht kannte.
Die Prokura erlischt durch den Tod des Prokuristen, jedoch nicht durch den Tod des Geschäftsinhabers. Sie entfällt außerdem mit dem Ende des zugrunde liegenden Dienstverhältnisses sowie u. a. durch Geschäftsveräußerung und Insolvenzeröffnung gegen den Geschäftsinhaber. Die Prokura kann jederzeit ohne Begründung und formlos widerrufen werden. Die Rechte aus dem Dienstvertrag, etwa auch die vertragsmäßige Vergütung, bleiben durch den Widerruf jedoch unberührt. Doch wenn von einem Unternehmen die Prokura eines leitenden Angestellten widerrufen wird, dann ist wohl seine Zeit dort abgelaufen.
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