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Probleme bei Werkzeugverträgen

Eigentum, Besitz, Übergabe und Verbleib sind unter anderem zu klären
Probleme bei Werkzeugverträgen

Probleme bei Werkzeugverträgen
(Foto: Kaiser Werkzeugbau)
Obwohl Werkzeuge zur Fertigung von Serienteilen erhebliche wirtschaftliche Werte darstellen, wird ihnen häufig rechtlich nicht die Aufmerksamkeit zu Teil, die ihnen gebührt. Wie gut ein Werkzeugvertrag ist, stellt sich häufig erst dann heraus, wenn das Werkzeug herausverlangt werden soll oder ein Wirtschaftsprüfer die Eigentumsverhältnisse feststellen möchte. Der nachfolgende Aufsatz beschäftigt sich deshalb mit einigen rechtlichen Problemen, die bei Werkzeugverträgen immer wieder auftreten.

 
Das Wesen von Werkzeugverträgen:
Ein Automobilhersteller verlangt von einem Lieferanten die Herausgabe eines Werkzeugs mit dem der Lieferant für den Automobilhersteller Serienteile produziert, da er die Produktion des Teils ins Ausland verlegen möchte.
Die Frage, ob der Automobilhersteller seine unternehmerische Entscheidung, die Produktion eines Zulieferteils in ein anderes Land zu verlagern, in die Tat wird umsetzen können, hängt in der Regel wesentlich von seiner Rechtsposition hinsichtlich der Werkzeuge ab, denn eine solche Entscheidung lässt sich häufig wirtschaftlich sinnvoll nur umsetzen, wenn auch das Werkzeug verlagert werden kann und dieses nicht neu hergestellt werden muss. In der Automobilindustrie, wo die Kosten für ein Werkzeug zum Teil bis in den 7-stelligen Bereich gehen, besteht das Wesen eines Werkzeugvertrages somit in der Zuordnung der grundsätzlichen Möglichkeit darüber zu entscheiden, wer ein bestimmtes Teil produziert. Selbst wenn ein Auftraggeber z.B. aufgrund eines völlig offen gehaltenen Liefervertrages rechtlich jederzeit frei wäre, ein bestimmtes Teil von jedem beliebigen Produzenten herstellen zu lassen, besteht faktisch eine Bindung an den Lieferanten, der das Werkzeug in seinem Besitz hält, wenn dieser nicht zur Herausgabe des Werkzeuges verpflichtet ist. Entgegen eines weit verbreiteten Irrglaubens, hängt die Verpflichtung zur Herausgabe eines Werkzeuges aber nicht allein von den Eigentumsverhältnissen ab. Vielmehr kann auch der Nichteigentümer aufgrund vertraglicher Vereinbarungen ein Recht zum Besitz haben. Beispiel:
In einem Liefervertrag verpflichtet sich der Lieferant, den Auftraggeber noch bis zu fünf Jahre nach Beendigung des Vertrags mit Ersatzteilen zu beliefern. In dem Werkzeugvertrag steht unter anderem folgende Klausel: „Dieser Vertrag endet mit dem Abschluss des letzten Auftrages zur Herstellung von Teilen, zu dessen Durchführung der Vertragspartner das Werkzeug benötigt.“
In diesem Beispielsfall mag der Auftrag-geber unbestritten Eigentümer sein. Einem Herausgabeverlangen könnte der Lieferant aber immer sein Recht zum Besitz entgegenhalten, denn ohne das Werkzeug kann er seine Verpflichtung auf Lieferung von Ersatzteilen nicht erfüllen. Selbst wenn der Auftraggeber im Hinblick auf diese Konsequenz erwägen sollten, auf sein vertragliches Recht für die Dauer von fünf Jahren die Belieferung mit Ersatzteilen zu verzichten und der Lieferant diesen Verzicht akzeptiert, so bliebe zumindest hinsichtlich der bereits gelieferten Produkte für die Zeit der gesetzlichen Verjährungszeit bzw. ggf. für die vertraglich vereinbarte Gewährleistungszeit ein Recht zum Besitz. Sollte an einem gelieferten Teil nämlich während der gesetzlichen Verjährungszeit bzw. während der vertraglich vereinbarten Gewährleistungszeit ein verdeckter Mangel zu Tage treten, so müsste der Lieferant in der Lage sein, ein entsprechendes Ersatzteil herzustellen. Auch diesbezüglich könnte der Auftraggeber nur nach einem Verzicht auf die entsprechenden Sachmängelhaftungsrechte die Herausgabe des Werkzeugs verlangen. Seine Eigentümerstellung allein berechtigt ihn somit nicht, die Herausgabe des Werkzeugs zu verlangen.
Funktion von Werkzeugverträgen
Werkzeuge sind die Grundvoraussetzung für eine wirtschaftliche Serienproduktion. Der Besitz der Werkzeuge und die Mög-lichkeit diese einzusetzen, entscheidet darü-ber, wer das Produkt produziert. Aus der Sicht des Lieferanten besteht somit ein wesentliches Interesse daran, die Werkzeuge so lange in Besitz halten zu dürfen, wie er produzieren möchte. Das einkaufende Unternehmen hingegen möchte bei der Auswahl der Lieferanten eine größtmögliche Flexibilität und deshalb das Recht, die Werkzeuge jederzeit herauszuverlangen, um einen anderen Lieferanten mit der Produktion beauftragen zu können. Eine Funktion von Werkzeugverträgen besteht deshalb darin, das Spannungsfeld der Besitzverhältnisse am Werkzeug zwischen den Parteien zu regeln.
Eine weitere Funktion besteht in der eindeutigen Zuweisung des Eigentums an den Werkzeugen. Da es sich bei den Werkzeugen in der Regel um hochwertige Produktionsmittel handelt, besteht bereits aus steuerrechtlicher Sicht ein erhebliches Interesse an einer zweifelsfreien Zuordnung des Eigentums an den Werkzeugen. Auch die Möglichkeit, die Herausgabe des Werkzeugs verlangen zu können, hängt in der Regel an der Eigentümerstellung, wobei diesem Anspruch möglicherweise ein vertraglich vereinbartes Recht zum Besitz entgegenstehen kann.
Da Werkzeuge in der Regel einem Verschleiß unterliegen, besteht eine weitere Funktion von Werkzeugverträgen darin, festzulegen, wie lange ein Werkzeug zur Produktion von mangelfreien Serienteilen tauglich sein muss und wer für den Erhalt des Werkzeugs und damit insbesondere für Wartung und Reparaturen verantwortlich ist. Beispiel: Bei Spritzgusswerkzeugen wird in der Regel vereinbart, wie viel Schuss mit dem Werkzeug gefertigt werden können.
Die Rechtsnatur
In der Praxis kommen insbesondere folgende Sachverhalte vor:
  • a) Der Kunde erteilt dem Lieferanten den Auftrag, ein Werkzeug herzustellen und dieses für die Produktion von Serienteilen einzusetzen. Dieses Werkzeug wird zu 100 Prozent oder zu einem Teil vom Kunden bezahlt und der Kunde soll Eigentümer des Werkzeuges werden.
  • b) Der Kunde erteilt dem Lieferanten den Auftrag, ein Werkzeug herzustellen und dieses für die Produktion von Serienteilen einzusetzen. Dieses Werkzeug wird zu 100 Prozent oder zu einem Teil vom Kunden bezahlt. Der Lieferant soll Eigentümer des Werkzeuges bleiben.
  • c) Der Kunde erteilt dem Lieferanten den Auftrag, ein Werkzeug herzustellen und dieses für die Produktion von Serienteilen einzusetzen. Der Kunde bezahlt keine Werkzeugkosten. Diese werden über den Teilepreis amortisiert. Der Lieferant soll Eigentümer des Werkzeuges bleiben.
  • d) Dem Lieferanten wird vom Kunden ein im Eigentum des Kunden stehendes Werkzeug beigestellt.
Am häufigsten dürfte in der Praxis die erste Fallkonstellation vorkommen. Solche Verträge sind in erster Linie Werklieferungsverträge im Sinne von § 651 BGB. Dies bedeutet, der Lieferant ist verpflichtet, das Werkzeug herzustellen und gegen Zahlung des vereinbarten Preises das Eigentum an dem Werkzeug zu übertragen. Probleme treten bei diesen Sachverhalten häufig dadurch auf, dass die Parteien rechtsirrtümlich davon ausgehen, das Eigentum an den Werkzeugen gehe mit Zahlung des vereinbarten Preises automatisch auf den Kunden über. Für den Eigentumsübergang ist es aufgrund von § 929 Satz 1 BGB jedoch notwendig, dass die Sache übergeben wird. § 929 Satz 1 BGB lautet: „Zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache ist erforderlich, dass der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll.“
Die Einigung hinsichtlich des Eigentumsübergangs findet sich in der Regel in dem Auftrag bzw. dem Vertrag. Das Problem ergibt sich jedoch aus der gesetzlichen Notwendigkeit, die Sache dem Erwerber zu übergeben, denn der Lieferant als Hersteller des Werkzeugs soll ja im Besitz des Werkzeugs bleiben, um damit Serienteile zu fertigen. Demnach würde es aber an der von § 929 Satz 1 BGB notwendigen Übergabe fehlen und somit ein Eigentumsübergang nicht eintreten. Deshalb erfolgt die Eigentumsübertragung in der Praxis in der Regel nach § 930 BGB. § 930 BGB lautet: „Ist der Eigentümer im Besitz der Sache, so kann die Übergabe dadurch ersetzt werden, dass zwischen ihm und dem Erwerber ein Rechtsverhältnis vereinbart wird, vermöge dessen der Erwerber den mittelbaren Besitz erlangt.“
Eine Definition des „mittelbaren Besitzes“ im Sinne von § 930 BGB findet sich in § 868 BGB. Dieser lautet: „Besitzt jemand eine Sache als Nießbraucher, Pfandgläubiger, Pächter, Mieter, Verwalter oder in einem ähnlichen Verhältnis, vermöge dessen er einem anderen gegenüber auf Zeit zum Besitz berechtigt oder verpflichtet ist, so ist auch der andere Besitzer (mittelbarer Besitzer).“
Soll der Lieferant im Besitz des Werkzeugs bleiben, ist es für eine Eigentumsübertragung nach § 930 BGB somit erforderlich, dass zusätzlich zu dem Auftrag, das Werkzeug herzustellen, zwischen den Parteien ein Rechtsverhältnis vereinbart wird „vermöge dessen“ der Lieferant dem Kunden gegenüber „auf Zeit zum Besitz berechtigt oder verpflichtet ist.“ Dies geschieht in der Regel durch die Vereinbarung eines so genannten „Werkzeugleihvertrags“.
Fehlt die Vereinbarung eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 868 BGB, geht das Eigentum trotz Einigung und trotz Zahlung des vollen Preises nicht auf den Kunden über. Dies hat zunächst steuerrechtlich zur Folge, dass beide Parteien möglicherweise das Werkzeug falsch bilanzieren, zum anderen kann es in der Insolvenz des Lieferanten zur Folge haben, dass der Kunde das Werkzeug nicht herausverlangen kann. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Parteien durchaus auch eine Werkzeugkostenanteilzahlung vereinba-ren können und trotzdem nach Zahlung des Werkzeugkostenanteils das Eigentum auf den Kunden übergehen soll. Denkbar wäre sogar die Vereinbarung, dass das Eigentum an dem Werkzeug ohne Zahlung auf den Kunden übergehen soll. Für den Eigentumsübergang ist lediglich die Einigung hinsichtlich des Eigentumsübergangs und die Übergabe bzw. eine Vereinbarung im Sinne von § 939 BGB entscheidend.
Die zuvor dargestellte Problematik stellt sich bei den oben genannten Sachverhalten b), c) und d) nicht. In den Fällen b) und c) soll der Lieferant ohnehin Eigentümer bleiben, im Fall d) war der Kunde bereits Eigentümer.
Da es in den Fällen b), c) und d) aber an einer Eigentumsübertragung fehlt, handelt es sich bei diesen Fällen nicht um einen Werklieferungsvertrag im Sinne von § 651 BGB. Vielmehr wird man die Fälle b) und c) als Nebenpflichten aus dem Serienliefervertrag einzuordnen haben. Bei Fall d) handelt es sich um einen Werkzeugleihvertrag. Zum Teil findet man bei Fall d) auch die Vereinbarung, dass das Werkzeug für den Kunden „verwahrt“ wird. Dies erscheint nicht sachgerecht, denn bei einem Verwahrvertrag im Sinne von § 688 BGB besteht die Hauptpflicht des Vertrages in der Obhutspflicht. Etwas in seine „Obhut“ zu nehmen, bedeutet in erster Linie darauf zu achten, dass es keinen Schaden nimmt und sich nicht abnutzt, was in der Regel eine eigene Nutzung der Sache ausschließt.
Die Kenntnis der Rechtsnatur des Vertrages ist für das Verständnis der einander geschuldeten Leistung von grundlegender Bedeutung. Die Einordnung als Werklieferungsvertrag z.B. bewirkt, dass der Kunde bei Mängeln am Werkzeug vom Lieferanten die Reparatur des Werkzeugs verlangen kann. Handelt es sich jedoch lediglich um eine Nebenpflicht aus dem Serienliefervertrag, so kann der Kunde nicht die Reparatur des Werkzeugs verlangen. Ihm bleibt dann lediglich ein Schadensersatzan-spruch, wenn aufgrund des mangelhaften Werkzeugs ein Schaden entsteht, es sei denn, der Kunde hat, abweichend zum Gesetz, eine entsprechende vertragliche Vereinbarung getroffen.
Werkzeugverträge als AGB
Wie bei Qualitätssicherungsvereinbarungen stellt sich auch bei Werkzeugverträgen häufig das Problem, dass der Verwender nicht beachtet, dass auch Werkzeugverträge in der Regel Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 BGB sind. Da auch Werkzeugverträge in der Regel mehr als dreimal und damit für eine Vielzahl von Fällen verwendet werden, erfüllen sie die Definition von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 BGB. Demnach gilt es, die Wirksamkeit so verwendeter Werkzeugverträge ebenfalls im Hinblick auf deren Vereinbarkeit mit dem AGB -Recht zu beleuchten.
Im Lichte des AGB-Rechts können neben anderen Klauseln insbesondere die Eigentumsübertragungsklauseln und die Wartungs- und Instandhaltungsklauseln problematisch sein.
Beispiel: Bei vom Lieferanten oder von durch den Lieferanten beauftragten Dritten hergestellten Werkzeugen wird der Auftraggeber spätestens mit Lieferung des ersten mit dem Werkzeug produzierten Musters Eigentümer des Werkzeugs.
Der Lieferant ist verpflichtet, sämtliche Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten auf eigene Kosten durchzuführen.
„Zu den dunklen Kapiteln der Einkaufsbedingungen zählen auch die Werkzeugklauseln und ebenso die Know-how-Klauseln.“ Dieses Zitat belegt, wie kritisch Werkzeug- und Know-how-Vereinbarungen z.T. in der Literatur gesehen werden. Dies betrifft insbesondere die Regelung, wonach das Eigentum unabhängig von der Zahlung des Kaufpreises übergehen soll sowie die Regelung, dass der Lieferant sämtliche Wartungs- und Instandsetzungskosten zu tragen hat.
Werkzeugverträge als Individualvereinbarung
Im Hinblick auf die AGB-rechtliche Problematik ist bei Werkzeugverträgen dringend anzuraten, den Versuch zu unternehmen, diese individuell zu vereinbaren, denn Allgemeine Geschäftsbedingungen fallen dann nicht unter die AGB-rechtlichen Regelungen des BGB, wenn sie im Einzelnen ausgehandelt worden sind (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB). Von der Rechtsprechung werden an das Merkmal „Aushandeln“ jedoch sehr hohe Anforderungen gestellt. So reicht das Erörtern der Klauseln mit dem Vertragspartner alleine nicht aus, und zwar selbst dann nicht, wenn die Klauseln den Vorstellungen des Vertragspartners entsprechen.
Vielmehr erfordert ein „Aushandeln“ im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB, dass der Verwender der AGB dem Vertragspartner tatsächlich die Möglichkeit der Einflussnahme auf die inhaltliche Ausgestaltung der AGB gegeben hat, d.h. die jeweiligen Klauseln inhaltlich zur Disposition gestellt hat. Nach der Rechtsprechung ist eine solche Abänderungsbereitschaft von Seiten des Verwenders der AGB in der Regel nur dann anzunehmen, wenn an dem vorformulierten Text Änderungen vorgenommen worden sind.
Die Beweislast dafür, dass eine Klausel individuell ausgehandelt wurde, trägt der Verwender der AGB.
Werkzeugverträge und kreuzende AGB
Ein weiteres Problem, welches sich im Zusammenhang mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Werkzeugverträgen ergeben kann ist, liegt in der Verwendung von kreuzenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Beispiel: Ein Automobilhersteller lässt von einem Zulieferanten nach gemeinsam entwickelter Zeichnung die Mittelkonsole eines Fahrzeugs herstellen. Die für die Produktion notwendigen Werkzeuge bestellt der Automobilhersteller bei dem Zulieferanten, wobei er auf seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Einkauf von Werkzeugen verweist. Der Lieferant bestätigt die Bestellung unter Hinweis auf seine Allgemeinen Liefer- und Zahlungsbedingungen. In den AEB des Kunden findet sich die Klausel, wonach das Eigentum nach vollständiger Zahlung des Kaufpreises auf den Automobilhersteller übergehen soll und der Lieferant ab diesem Zeitpunkt das Werkzeug vom Automobilhersteller entleiht. In den Allgemeinen Liefer- und Zahlungsbedingungen des Lieferanten findet sich weder eine Regelung hinsichtlich der Übertragung von Eigentum an Werkzeugen noch eine Regelung hinsichtlich eines Werkzeugleihvertrags.
In diesem Fall greifen weder die Allgemeinen Einkaufsbedingungen des Automobilherstellers noch die Allgemeinen Liefer- und Zahlungsbedingungen des Lieferanten. Vielmehr gilt das Gesetz. Da das Gesetz aber keinen Werkzeugleihvertrag ohne entsprechende Einigung kennt, kommt ein entsprechender Leihvertrag nicht zustande und damit scheitert eine Eigentumsübertragung. Dies wiederum hat z.T. zur Folge, dass möglicherweise sowohl der Automobilhersteller als auch der Lieferant das Werkzeug falsch bilanzieren und dass der Automobilhersteller eine Forderung auf Herausgabe der Werkzeuge möglicherweise nicht auf seine Eigentümerposition stützen könnte.
Rechtliche Situation ohne Werkzeugvertrag aus Einkäufersicht
Ohne Werkzeugvertrag wird aufgrund von § 1006 Absatz 1 Satz 1 BGB vermutet, dass der Besitzer des Werkzeugs (der Lieferant) Eigentümer des Werkzeugs ist. Bereits dieser Umstand verdeutlicht, dass der Kunde, der die gesamten Werkzeugkosten bezahlt hat, ein erhebliches Interesse daran hat, seine Eigentümerstellung nachweisen zu können. An dieser Stelle sei nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Nachweis der Zahlung der Werkzeugkosten allein die Vermutung des § 1006 BGB nicht entkräftet. Vielmehr muss der Kunde in der Lage sein, nachzuweisen, dass er mit dem Lieferanten eine Vereinbarung bezüglich der Einräumung des mittelbaren Besitzes getroffen hat.
Kann der Kunde seine Eigentümerstellung z.B. durch den Nachweis des Abschlusses eines Werkzeugleihvertrags belegen, stellt sich die Frage, wie die Rechtslage hinsichtlich der Instandhaltungs- und Wartungskosten sowie hinsichtlich der Berechtigung, jederzeit die Herausgabe der Werkzeuge verlangen zu können, aussieht.
Käme ein Gericht zu dem Ergebnis, dass die Parteien einen Werkzeugleihvertrag geschlossen haben, so wäre der Lieferant aufgrund von § 601 BGB verpflichtet, die „gewöhnlichen Kosten der Erhaltung der geliehenen Sache“ zu tragen. Dies sind insbesondere Betriebskosten wie Schmiermittel und Reinigung. Aufgrund von § 602 BGB hat der Lieferant aber „Veränderungen oder Verschlechterungen der geliehenen Sache, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch herbeigeführt werden, (…) nicht zu vertreten.“
Dies bedeutet, dass die Wartungs- und Instandhaltungskosten die als Folge der Nutzung des Werkzeugs zur Serienfertigung entstehen, dann vom Eigentümer des Werkzeugs (also vom Kunden) zu tragen sind.
Bezüglich möglicher Herausgabewünsche des Kunden sind § 604 BGB (Rückgabepflicht) und § 605 BGB (Kündigungsrecht) zu beachten. Aufgrund von § 604 Absatz 2 BGB ist, sofern die Parteien keinen konkreten Zeitpunkt für eine Rückgabe des Werkzeugs vereinbart haben, das Werkzeug zurückzugeben, „nachdem der Entleiher den sich aus dem Zweck der Leihe ergebenden Gebrauch gemacht hat. Der Verleiher kann die Sache schon vorher zurückfordern, wenn so viel Zeit verstrichen ist, dass der Entleiher den Gebrauch hätte machen können.“
Dies bedeutet, dass der Lieferant zumindest für die Laufzeit des Serienliefervertrags und mit dessen Beendigung darüber hinaus für die Zeit der Verpflichtung zur Ersatzteilbelieferung bzw. zumindest für den Ablauf der Verjährungsfrist hinsichtlich Sachmängelhaftungsansprüche das Werkzeug in seinem Besitz behalten darf. Folglich kann der Lieferant dem Kunden, der als Eigentümer aufgrund von § 985 BGB die Herausgabe des Werkzeugs verlangt, gemäß § 986 BGB ein Recht zum Besitz aus dem Leihvertrag entgegenhalten.
Diese Einwendung wäre aber nicht möglich, wenn der Kunde den Leihvertrag kündigen könnte, denn mit der Kündigung entfiele ab dem durch die Kündigung bestimmten Beendigungszeitpunkt das Recht zum Besitz. Sofern vertraglich kein anderweitiges Kündigungsrecht vereinbart ist, kann der Kunde aufgrund von § 605 BGB den Werkzeugleihvertrag kündigen,
„1. wenn er infolge eines nicht vorhersehbaren Umstandes der verliehenen Sache bedarf,
  • 2. wenn der Entleiher einen vertragswidrigen Gebrauch von der Sache macht, insbesondere unbefugt den Gebrauch einem Dritten überlässt, oder, die Sache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet,
  • 3. wenn der Entleiher stirbt.“
Damit ist der Kunde, sofern vertraglich nichts anderes vereinbart ist, nur in einem sehr beschränkten Umfang berechtigt, den Werkzeugleihvertrag zu kündigen.
Rechtliche Situation mit Werkzeugvertrag aus Einkäufersicht
Aufgrund des zuvor Gesagten ist aus der Sicht eines einkaufenden Unternehmens das primäre Ziel eines Werkzeugvertrags somit, dem einkaufenden Unternehmen die Eigentümerstellung zu sichern und Möglichkeiten zu geben, vom Lieferanten auf dessen Kosten Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten zu verlangen sowie seine Herausgabewünsche vertraglich abzusichern.
Auch für den Vertrieb besteht das primäre Interesse an einem Werkzeugvertrag in der eindeutigen Zuordnung des Eigentums an dem Werkzeug. Ebenso wie beim Einkauf steht diesbezüglich die Verfügungsmacht über das Werkzeug sowie die steuerrechtliche Zuordnung zu Aktiva bzw. Passiva im Vordergrund. Im Gegensatz zum einkaufenden Unternehmen, welches das Werkzeug möglichst jederzeit herausverlangen können möchte, besteht auf Seiten des Lieferanten ein erhebliches Interesse daran, das Werkzeug möglichst ungehindert und ohne Beschränkungen im Besitz behalten zu dürfen.
Rechtliche Situation ohne Werkzeugvertrag aus Sicht des Vertriebs
Wie oben bereits dargestellt, wird aufgrund von § 1006 Absatz 1 Satz 1 BGB vermutet, dass das Eigentum an dem Werkzeug dem Lieferanten zusteht, wenn dieser es im Besitz hat. Auch die oben dargestellte Rechtslage hinsichtlich der Instandhaltungs- und Wartungskosten sowie hinsichtlich der Möglichkeiten des Kunden, die Herausgabe des Werkzeuges zu verlangen, lassen die gesetzliche Situation des Lieferanten eher zu seinen Gunsten erscheinen. Da der Lieferant als Eigentümer aufgrund von § 903 BGB grundsätzlich mit dem Werkzeug nach Belieben verfahren kann, könnte er, soweit dem nicht anderweitige Vereinbarungen (z.B. Geheimhaltungsvereinbarungen oder der Serienliefervertrag) entgegenstünden, mit dem Werkzeug auch Aufträge für Dritte erledigen.

 

Der Autor

Sven Regula, Rechtsanwalt, info@regula-rechtsanwaelte.de

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