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Prozeß-Reengineering im Einkauf

Basis für Verbesserungen
Prozeß-Reengineering im Einkauf

Bedingt durch immer höhere Beschaffungsvolumen in den Unternehmen rückt der Einkauf mehr und mehr ins Zentrum weiterer Optimierungsbestrebungen. Diese haben sich in der Vergangenheit im wesentlichen auf das Ergebnis der Einkaufstätigkeit bezogen und sich mit der Qualität der eingekauften Produkte, den erzielten Einkaufspreisen oder der Beschaffungslogistik beschäftigt. Neben diesen wesentlichen Zielen sind jetzt auch der Einkaufsprozeß und die gebotenen Beschaffungsoptionen Ausgangspunkt von Optimierungsbemühungen.

Manfred Strub

In vielen Unternehmen gibt es Beschaffungswege, die nebeneinander existieren und den gleichen Bereich abdecken. Diese Situation verursacht erhöhte Kosten. Im Besonderen trifft dies auf den Einkauf zu, der sehr flexibel gestaltet sein muß, um den anfallenden Bedarf effizient zu beschaffen.
Im folgenden werden Schritte vorgestellt, die bei der Festlegung des Einkaufsprozesses zu beachten und durchzuführen sind. Wichtig ist, daß für alle auftretenden Bedarfsfälle eine Lösung angeboten wird. Um einen Vorteil für das Unternehmen zu erreichen, ist von entscheidender Bedeutung, nur die festgelegten Abläufe zuzulassen und zu unterstützen. Alle anderen existierenden Wege müssen eingestellt werden. Erst dieser Schritt bringt die angestrebten Verbesserungen und die damit verbundenen Kosteneinsparungen.
Definition des Einkaufsprozesses
Abbildung 1 beschreibt vereinfacht auf der ersten und zweiten Stufe die Schritte innerhalb des Einkaufsprozesses. Mit dieser Darstellung kann den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Anforderern aufgezeigt werden, welche Schritte innerhalb des Prozesses durchlaufen werden müssen und welche Verbindungen mit anderen Prozessen existieren. Es kann hier zwischen dem vorbereitenden Marktanalyse- und Strategieteil sowie dem Transaktionsteil unterschieden werden. Wichtig ist die Verschiebung der Einkaufsressourcen weg vom Einsatz im sich ständig wiederholenden Transaktionsbereich hin zum überwiegenden Einsatz der Einkäufer in vorgeschalteten Prozessen, wie Projektdefinition oder Produktentwicklung sowie Strategie und Marktanalyse. Circa 2/3 der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einkauf sollen hier zukünftig eingesetzt werden.
Der Transaktionsteil soll weitestgehend automatisiert werden und ohne Mitarbeiterbeteiligung auskommen. Nur wenn es dem Einkauf gelingt, bereits in der Startphase von Beschaffungsvorgängen eingeschaltet und aktiv beteiligt zu sein, ist es möglich, frühzeitig Lieferantenvorschläge und -technologien einzubringen sowie Beschaffungsstrategien umzusetzen.
Beschaffungswege/Prozeßoptionen
Das Spektrum des allgemeinen Einkaufs deckt einen so weiten Bereich ab, daß verschiedene Prozeßoptionen angeboten werden müssen. Für alle Segmente muß eine für den Anforderer befriedigende Lösung gefunden werden, um Kundenzufriedenheit sicherzustellen. Die erste Frage, die deshalb gestellt werden muß, lautet: Welche Beschaffungswege werden den Anforderern zur Verfügung gestellt und wo liegt die Wertschöpfung in der Abwicklung durch den Einkauf und der Plazierung einer Bestellung?
Wichtig ist, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, daß es auch in der Verantwortung des Einkaufs liegt, die Bereiche zu definieren, bei denen eine Bestellung oder eine Einschaltung des Einkaufs nicht erforderlich oder sinnvoll ist.
Im ersten Teil werden die Prozesse dargestellt, bei denen vom Einkauf eine Wertschöpfung erbracht wird. Auf eine Beschreibung möglicher EDV-Systeme wird verzichtet, da wir uns zu häufig mit der Funktionalität der Systeme auseinandersetzen und die Prozeßdiskussionen in den Hintergrund drängen.
Automatische Bestellprozesse
Ziel eines effektiven und kostengünstigen Einkaufs muß es sein, die Bestellungen, wo immer möglich und sinnvoll, automatisch abzuwickeln, ohne daß eine Einkäuferin oder ein Einkäufer diese „in die Hand nehmen“ muß. Hier bieten sich folgende Möglichkeiten an, die eine ausreichende EDV-Verfügbarkeit bei den Anforderern sowie eine Vernetzung untereinander voraussetzen.
Katalogbestellungen
Die Auswahl der Anforderer erfolgt aus elektronisch zur Verfügung gestellten Katalogen. Diese Kataloge enthalten ausgewählte Produkte, die innerhalb des Unternehmens benötigt werden.
Von Seiten des Einkaufs werden die Preise verhandelt sowie der Auslieferungsprozeß gemeinsam mit dem Lieferanten festgelegt und optimiert. Im Team mit den internen Nutzern und den Lieferanten werden die Produkte definiert, die im Katalog enthalten sein sollen. Ziel ist es nicht, die gesamte Vielfalt der Produkte abzubilden, sondern den erforderlichen Kernbedarf des Unternehmens anzubieten. In vielen Unternehmen existiert ein solcher Katalog z. B. für Büromaterial – mit ca. 200 Artikeln kann der Bedarf für ein „normales“ Büro ausreichend abgedeckt werden.
Kataloge sind auch einsetzbar in Bereichen wie
–Standardsoftware,
–Büromaschinen, Computer, Mobiltelefone sowie Zubehör und Ersatzteile,
–Werbematerialien,
–Büromöbel etc.
Dieser Prozeß stellt ein Kernstück der Einkaufsstrategie dar, da hier folgende Vorteile zusammenkommen:
–Der Bestellprozeß läuft automatisch ohne Einkäufereinschaltung ab,
–der Umsatz kann problemlos auf einen Lieferanten konzentriert,
–das angebotene Programm kann reduziert und standardisiert,
–die Auslieferlogistik kann optimal gestaltet,
–es können günstige Preisvereinbarungen erreicht werden.
Dieser Ablauf erzeugt bei richtiger Auswahl der angebotenen Produkte eine hohe Kundenzufriedenheit, da innerhalb kürzester Zeit (z.B. 2 bis 3 Tage) eine Belieferung erfolgen kann.
Rahmenbestellung
Der Einkauf verhandelt und plaziert eine Rahmenbestellung für den vorhandenen Gesamtbedarf. Die internen Nachfrager rufen den jeweiligen Bedarf gegen diese Bestellung ab. Abrufe erfordern keine Einbeziehung des Einkaufs mehr. Die Verbuchung des Verbrauchs und der Kosten erfolgt gegen die Bestellung, bis diese ausgeschöpft ist. Um eine verursachungsgerechte Kostenverbuchung zu erhalten, sind solche Bestellungen nur für einen bestimmten Abruferkreis etabliert und nicht für alle Verbraucher nutzbar. Voraussetzung für diesen Prozeß ist ein Gesamtbedarf, der in mehrere gleichartige Einzelbedarfe aufgeteilt werden kann.
Purchase card
Die Etablierung der Vorgehensweise erfolgt durch den Einkauf. Die Einzelvorgänge erfordern keine Einbeziehung mehr. Eine Bestellung wird nicht erzeugt, die Kartenanbieter liefern jedoch ausreichende Informationen über die getätigten Ausgaben.
Wichtig ist die Entscheidung, ob die gesamte Lieferantenbasis des jeweiligen Kartenanbieters genutzt werden soll oder ob man den Prozeß auf eine definierte Lieferantenbasis beschränken will. Um Erfahrungen zu sammeln, bietet sich in der Anfangsphase eine kleinere, kontrollierbare Lieferantenanzahl an. Hierdurch ist es auch möglich, auszuschließen, daß Waren eingekauft werden, für die z.B. ein Katalog vorhanden ist.
Um Überschneidungen mit anderen Prozessen zu vermeiden, ist eine klare Definition der mit der Karte möglichen Transaktionen erforderlich. Aus Kontrollgesichtspunkten ist die Festlegung eines Transaktions- und/oder Ausgabenlimits empfehlenswert. Eine regelmäßige Prüfung der durchgeführten Nutzung ist Bestandteil dieser Vorgehensweise, um einerseits das Verbrauchsverhalten zu analysieren und auf Einsparungsmöglichkeiten zu untersuchen und andererseits Mißbrauch zu verhindern.
Individuelle Bestellung
Erst wenn alle anderen Prozeßoptionen, inklusive der im weiteren Verlauf beschriebenen Prozesse (ohne Einkaufseinschaltung) nicht angewendet werden können, kommt dieser Ablauf zur Anwendung. Es handelt sich um Einzelvorgänge oder spezielle, nicht standardisierbare Beschaffungssituationen, die individuell bearbeitet werden müssen.
Es muß versucht werden, diesen Prozeß nur dann einzusetzen, wenn dies aufgrund des Beschaffungswertes und der Wertschöpfung durch den Einkauf gerechtfertigt werden kann. In diesem Bereich muß der Einkauf eine optimale Plazierung des Bedarfs sicherstellen. Hauptaugenmerk liegt auf der frühzeitigen Einschaltung des Einkaufs, den vorhandenen Marktkenntnissen sowie einer gemeinsam mit den Anforderern klar festgelegten Beschaffungsstrategie. Von wachsender Bedeutung ist auch das Verstehen und Einbeziehen der Technologietrends, die einen steigenden Einfluß auf die Produkte und Projekte haben. Die immer kürzer werdenden Entwicklungszyklen erfordern eine vorausschauende Betrachtung, um Trends und Kostenvorteile nicht zu verpassen.
Delegation von Einkaufsverantwortung an bestimmte Nutzergruppen
Hier handelt es sich um Bereiche, bei denen Spezialkenntnisse bei der Beschaffung erforderlich sind, die nicht oder noch nicht innerhalb der Beschaffung vorhanden sind wie Werbung, Messen, Veranstaltungen, Architektenleistungen, Reisedienstleistungen etc.
Dieser Bereich unterliegt jedoch einer ständigen Überprüfung und wird permanent zu Gunsten einer Abwicklung über den Einkauf reduziert. Voraussetzung hierfür ist, daß
–die erforderlichen Experten im Einkauf vorhanden sind,
–der geforderte Service für die internen Kunden auf dem gleichen Niveau gehalten bzw. verbessert werden kann.
Um diese beiden Punkte zu erfüllen, wird als Lösung häufig eine Integration der vorhandenen Fachkräfte in den Einkauf durchgeführt.
Einkaufsprozesse im Internet
Auch für die neuen Technologien wie das Internet müssen die Prozesse festgelegt werden, die im Einkauf angewendet werden sollen. Die technischen Möglichkeiten erlauben es dem Anforderer, mit dem Vorhandensein einer Internet-ID im weltweiten Netzwerk Informationen zu sammeln. Immer häufiger können auch weitere Schritte durchgeführt werden wie
–die Ausarbeitung komplexer Konfigurationen,
–die Erstellung von Angeboten,
–die Plazierung von Bestellungen,
–die Verfolgung der Produktion, Auslieferung und Rechnung.
Im Prinzip kann der gesamte Beschaffungsprozeß im Internet durchgeführt werden, ohne überhaupt mit den internen Systemen in Berührung zu kommen. Dies ist ein Prozeß, der für eine Privatperson (Business to Consumer) durchgeführt werden kann. Wie sieht es aber mit der Nutzung für Unternehmen aus? Die erste Reaktion ist häufig, daß die Kontrollen, Freigaben und Sicherheitsaspekte für die Nutzung innerhalb eines Unternehmens nicht oder noch nicht ausreichen!
Die Technologieentwicklungen, wie z.B. immer bessere Verschlüsselungsprogramme sowie digitale Zertifikate, bieten genügend Sicherheiten, die den Einsatz in den Unternehmen rechtfertigen. Studien in den USA zeigen, daß der Schwerpunkt der Internet-Nutzung zukünftig in der Beziehung zwischen Unternehmen (Business to Business) liegen wird.
Einer der Gründe hierfür ist, daß in dieser Beziehung die Abwicklungs- und Logistikkosten besser optimiert werden können, da die Auslieferung standardisiert und kostengünstig gestaltet werden kann. Der Vorteil der geringeren Transaktionskosten im Netz kann außerdem voll genutzt werden.
Folgende Prozesse sind für den Einsatz in Unternehmen denkbar:
Abbildung 2 beschreibt einen Prozeß, der komplett im Internet durchgeführt wird, ohne daß eine Verbindung zu den internen Prozessen wie Anforderung, Freigaben, Bestellung besteht. Um hier die Kontrolle und das Risiko für das Unternehmen in einem vertretbaren Rahmen zu halten, kann dieser Ablauf auf definierte Lieferanten und bestimmte Wertgrenzen beschränkt werden. Er stellt deshalb einen Prozeß für die Beschaffung geringwertiger Wirtschaftsgüter über das Internet dar.
Die Bezahlung des Lieferanten erfolgt entweder unter Einbeziehung einer Purchase Card oder über Monatsrechnungen von den definierten Lieferanten. In beiden Fällen muß der Prozeß so abgestimmt sein, daß einerseits eine Zuordnung der Kosten auf die Kostenträger sowie eine nachträgliche Bestätigung des Leistungserhalts durch den Anforderer möglich ist.
Abbildung 3 stellt einen Prozeß dar, der das Internet nur für bestimmte Stufen des Prozesses oder als Transportmedium benutzt und in Verbindung mit den internen Systemen steht. Wichtige Schritte wie z.B. Freigabe der Anforderung, Auslösen einer Bestellung, Kontrolle des Wareneingangs oder der Leistungserbringung, Rechnungsbuchung, -kontrolle und Zahlungsanweisung werden in internen Systemen durchgeführt.
Diese Abläufe decken ähnliche Bereiche ab wie andere beschriebene Prozesse. Die Vorteile, die sich aus der Nutzung dieser neuen Technologien ergeben wie
–geringere Transaktionskosten,
–niedrigere Infrastrukturkosten (PC, Modem, Telefonleitung, Internet-ID),
–kurze Durchlaufzeiten,
–schnelle Erstellung von neuen Anwendungen
werden die Verbreitung dieser Vorgehensweisen sicher beschleunigen.
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