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Prozeß- und zielorientierte Lieferantenauswahl

Das Umfeld des Einkaufs
Prozeß- und zielorientierte Lieferantenauswahl

Der internationale Wettbewerbsdruck führt zu neuen Verhaltensweisen. So ist eine Erkenntnis, daß beim Aufbau einer Vertrauensorganisation ein beträchtliches Ratio-Potential, allein durch den Fortfall von Aufgaben und Tätigkeiten, die heute teilweise noch doppelt durchgeführt werden, vorhanden ist. Die Realisierung solcher Möglichkeiten macht neue Vorgehensweisen notwendig. Damit einher gehen neue Unternehmensstrategien.

Dipl.-Betriebsw. Klaus Peter Nachtweh

Die Konzentration auf die Kernkompetenzen bedeutet eine Reduzierung der Fertigungstiefe und damit Erhöhung des Einkaufsanteils. Dieses Outsourcing führt zu neuen Abhängigkeiten, dessen Risiken es zu vermeiden gilt. Single sourcing macht es zusätzlich erforderlich, sich über die Fähigkeiten und das Entwicklungspotential eines Lieferers mittel- und langfristig Klarheit zu verschaffen. Bei Global Sourcing gilt es insbesondere, alle Möglichkeiten der Informationsbeschaffung zu nutzen und sich zusätzlich über die landesspezifischen Besonderheiten zu informieren.
Die dazu entwickelten neuen Konzeptionen in Logistik und Beschaffung haben gravierende Auswirkungen auf die Beschaffungsstrategien und deren Ablauf-prozesse. Der Einkauf hat deshalb mehr als je zuvor ein intensives Beschaffungsmarketing zu betreiben und fallorientiert entsprechende Methoden zu entwickeln und anzuwenden.
Aufgabe ist dabei stets auch, die internen Regelkreise von Kunden und Lieferanten aufeinander abzustimmen, die Schnittstellen neu zu definieren und jede Art der Verschwendung von Ressourcen in der logistischen Kette zu vermeiden. Unter diesen Aspekten spielt die Wahl des richtigen Partners für die eigene Leistungsfähigkeit eine absolute Schlüsselrolle. Denn so gestaltete Zuliefernetzwerke führen zur Optimierung von Entwicklung, Technik und Organisation und vermeiden Verschwendung, Risiken und Probleme. Es gilt also, sich Präferenzen durch die Auswahl von Lieferanten mit herausragenden Fähigkeiten zu schaffen.
Lieferantenauswahl ist deshalb immer ein Benchmarkingprozeß und gleichzeitig eine strategische Managementaufgabe. Bei immer größer werdender Komplexität moderner Zuliefernetzwerke und in Anbetracht der Bedeutsamkeit der Lieferer für die Entwicklung des Unternehmens, ist dies zudem eine Aufgabe, die als Projekt im Team zusammen mit anderen Funktionen des Unternehmens zu lösen ist.
Ziel und Zweck des Auswahlverfahrens
Die Aufgabenstellung dieses Projektteams ist es, durch eine planvolle Vorgehensweise für das jeweilige Objekt den „Klassenbesten“ zu finden und gemeinsam die Grundlagen für eine langfristig orientierte Partnerschaft auf Basis des eigenen Anforderungsprofils zu schaffen. Das dafür zusammengestellte Expertenteam prüft die Leistungsfähigkeit der angewandten Systeme des Anbieters, erstellt ein Stärken-/ Schwächen-Dia-gramm und bewertet auf der Grundlage des Anforderungsprofils die Fähigkeiten.
Es geht darum, sich bereits im Vorfeld einer Zusammenarbeit einen Überblick über die Leistungsfähigkeit und damit die Möglichkeiten und Grenzen auf allen Feldern der Zusammenarbeit zu machen. Bei dieser Vorgehensweise sind schon in einem sehr frühen Stadium umfangreiche Aussagen über das Unternehmen und die Unternehmenskultur vorhanden. Ziel wird dabei immer sein, die Auswahl eines Vorzugslieferanten zu erreichen.
Dazu ist aber auch Voraussetzung, daß das eigene Unternehmen transparent gemacht wird, sich entsprechend präsentiert und die Lieferantenauswahl bewußt als Eingehen einer Partnerschaft mit dem Ziel einer vertrauensorientierten Interessengemeinschaft dargestellt wird. Information und Kommunikation haben also Schlüsselfunktion, um so eine hohe „Trefferquote“ zu erreichen. Entsprechend den Zielvorgaben wird man das Anforderungsprofil gestalten und die Auswahlkriterien jeweils unterschiedlich anwenden und gewichten.
Leistungsprofil der Lieferer
Neben dem schon immer üblichen Angebotsvergleich geht es insbesondere darum, im Team Gegebenheiten, Fähigkeiten und Prozeßabläufe aufzunehmen, um so den Leistungsstand beurteilen zu können. Umgekehrt ist es für den Anbieter für seine eigene Entscheidung aber genauso erforderlich, neben den Vertragsbedingungen die Ziele des Partners und die Unternehmenskultur zu kennen. Um dieses zu vermitteln, bietet sich die Erstellung einer Checkliste an, die Kriterien und geforderten Leistungsmerkmale bezogen auf
–Geschäftsführung, –Preise/Kostenentwicklung,
–Lieferbedingungen, –Qualität, –Vertrieb, Logistik, Service
–Kommunikation, EDV –Entwicklung und Konstruktion,
–Technologie, –Produktion
aufzeigt, Schwerpunkte setzt, so eine Bewertung möglich macht und entsprechende Entscheidungskennzahlen liefert. Der darauf aufbauende Soll-Ist-Vergleich zeigt das Leistungsniveau, den Erfüllungsgrad und die noch vorhandenen Leistungslücken. Bei den Leistungslücken wird man nach Abstimmung mit den Anbietern einen Aktionsplan erstellen und Maßnahmen zur Erfüllung zeitlich und qualitativ vereinbaren.
Kultur der Zusammenarbeit
Neben den objektiven, jederzeit nachvollziehbaren Daten, spielen aber auch die weichen, nicht faß- und bewertbaren Faktoren eine ganz wesentliche Rolle für den Erfolg einer Partnerschaft, denn diese haben genauso Auswirkungen auf die Tagesarbeit. Hier geht es um die Frage, ob die Partner bereit sind, sich als „gläsernes Unternehmen“ darzustellen, eine Erfolgsgemeinschaft zu bilden und so vertrauensorientiert, schnittstellenreduziert und verschwendungsfrei
–Hand-in-Hand zu arbeiten,
–just in time zu reagieren,
–Entwicklungen, Entscheidungen und Abläufe transparent zu machen,
–Abstimmungen über Ziele und Maßnahmen zu treffen,
–offen und umfassend zu informieren und zu kommunizieren
und so gemeinsam und ganzheitlich zu agieren.
Das Einkaufsmanagement muß zu diesen Faktoren klare Vorstellungen haben, Visionen entwickeln und so die Partner auf die eigenen Strategien und Ideen einzustimmen, zumal diese Faktoren zukunftsorientiert im Zweifelsfall den Ausschlag geben werden. All diese Fragen gehen weit über das hinaus, was einer Firmenbroschüre oder einer Kreditauskunft zu entnehmen ist, sind aber notwendig, um sich ein Bild über Stand und Zukunftssicherheit des Anbieters zu machen.
Prozeßschritte zur Einführung
Entscheidend für den Erfolg ist die gut strukturierte und prozeßorientierte Vorgehensweise eines qualifizierten, motivierten, cross-funktionalen Teams. Um zu einer objektiven Bewertung zu kommen, bedarf es einer intensiven Kommunikation aller Beteiligten und einer ganzheitlichen Betrachtung der logistischen Kette, was heißt, daß u.U. auch der Endkunde und die Know-how-Träger bei Unterlieferanten mit einzubeziehen sind.
Je nach Machtverhältnissen, Markt- und Interessenlage, wird man im Detail immer wieder Kompromisse schließen müssen. Wichtig ist jedoch, daß die einzelnen Prozeßschritte festgelegt sind, abgefragt werden und die vertraglichen Regelungen erfolgen. Aufgrund der Wertig- und Wichtigkeit sind dazu Daten zu erfassen, die weit über das übliche Maß einer Kreditauskunft hinausgehen und ein möglichst vollständiges Bild von dem neuen Partner liefern. Hierzu eignet sich eine Lieferantenselbstauskunft, die alle wichtigen Faktoren und Daten umfaßt, das Unternehmen transparent macht und die Entscheidungsfindung erleichtert. Zur Gegenprüfung bietet sich eine Kreditauskunft an.
Generelle Vertragsprozeduren sind dann unternehmensspezifisch:
–Anerkennung der Einkaufsbedingungen,
–Unterzeichnung einer QS-Vereinbarung,
–Bestätigung der Anwendung des Lieferantenhandbuchs,
–Bestätigung der Schadstoffreiheit der Produkte.
Um die technische Leistungsfähigkeit zu prüfen, wird man entweder Zertifizierungs- und Auditierungsnachweise abfordern, oder, je nach Sachlage, ein Prozeß- oder Produktaudit durchführen. Von kaufmännischer Seite sind dann Verfahrensvereinbarungen über Planungshorizont, Abrufverhalten, Schnittstellen, Informations- und Kommunikationsroutinen zu treffen. Bei Abschluß des Verfahrens sind intern die Entscheidungsgrundlagen zu dokumentieren und die betrieblich normierte Form eines Lieferantenfreigabeverfahrens durchzuführen.
Dabei können Informationen keine Einbahnstraße sein, sondern es muß den Außenstehenden auch möglich sein, sich ein umfassendes Bild über den möglichen Abnehmer zu machen, um so selbst Chancen und Risiken einschätzen zu können. Es empfiehlt sich, dafür eine Informationsmappe zusammenzustellen.
Ein sicherlich aufwendiger und auch schwieriger Teil des Projektes ist dann die Zusammenstellung der erhaltenen Daten und deren Auswertung in einer Bewertungsmatrix. Dieses Benchmarking zeigt dann jedoch eindeutig die vorhandenen Leistungspotentiale und die Verbesserungsmöglichkeiten auf.
Erstellung eines Aktionskataloges
Nicht immer wird der Erfüllungsgrad 100% und damit die Konformität der Systeme von Anbieter und Abnehmer vom Start her gegeben sein. Dieses Ziel sollte man jedoch nicht aus den Augen verlieren und entsprechende Aktivitäten zur Zielerreichung initiieren. Auf Basis der ermittelten Leistungsdefizite sind so qualitativ und zeitlich definierte Ziele und Maßnahmen festzulegen, um so von Anfang an einen kontinuierlichen Verbesserungsprozeß in Gang zu setzen. Darüber hinaus ist der Informationsaustausch zu institutionalisieren, ein Programm zur Intensivierung der Zusammenarbeit aufzustellen und weitere Aktivitäten gemein festzulegen.
Produktspezifische Festlegung
An diese grundsätzlichen strategischen Vereinbarungen schließt sich nunmehr die konkrete Bestellerteilung an. Aufgabe des Projektteams ist es hier, mit dem neuen Lieferanten die unternehmensspezifischen Organisationsroutinen, angefangen bei einer gemeinsamen FMEA und Qualitätsplanung über Anlieferverfahren bis hin zum zukünftigen Kostensenkungsprogramm, abzuklären.
Vor Abschluß eines Liefervertrages sind dazu noch die produktspezifischen Zusatzverträge wie
–Abschluß eines Geheimhaltungsvertrages bei Projektstart,
–Abschluß einer Rahmenvertragsvereinbarung,
–Abschluß eines Werkzeugvertrages,
–Festlegungen von Verpackungen und Logistik,
–Regelung des Datenaustausches,
–Sicherungsplan bei technischen oder kaufmännischen Problemen abzuhandeln.
Der Nutzen des Verfahrens
Wie beim Projektmanagement geht es darum, durch eine strukturierte Vorgehensweise schon vor dem Beginn einer neuen Zusammenarbeit durch umfassende Abklärungen, den jeweiligen World Class Supplier herauszufinden und so spätere Probleme und die damit verbundenen Kosten zu vermeiden. Ein besonderer Aspekt ist dazu, auf den heutigen Grundlagen den Partner für eine gemeinsame Zukunft bei integrierter Arbeitsweise zu finden. Das setzt Visionen voraus.
Mit der neuen Philosophie einer „Shop-in the-Shop-Konzeption“ und einer Vielzahl von Ansprüchen aus fast allen betrieblichen Bereichen, von der Entwicklung bis zur EDV und Logistik, empfiehlt es sich, ein Lieferantenhandbuch (zu beziehen über den BME in Frankfurt/Main) zu erstellen. Damit hat der Lieferer schon von Anfang an eine umfassende Übersicht über die Erwartungen, Verfahren, Bedingungen und verwendeten Dokumente. Diese eindeutigen schriftlichen Regelungen schaffen Klarheit über die Leistungsansprüche und vermeiden später das Auftreten von Problemen, falschen Erwartungen und Mißverständnissen.
Aufgrund des Umfangs empfiehlt sich die Anwendung einer derartigen Vorgehensweise insbesondere bei A- und B-Projekten. Auch hier wird man zielorientiert nicht immer alle aufgezeigten Module zur Anwendung bringen. Die im Rahmen der Auswahl erhaltenen Informationen sollten im Unternehmen allen interessierten Gruppen zugänglich gemacht werden. Dies ist besonders wichtig bei dezentraler Beschaffung oder dem Materialgruppeneinkauf, um so nicht ein Herrschaftswissen aufzubauen.
Dazu sind die Daten strukturiert im Rahmen eines Lieferanteninformationssystems zu erfassen, den Mitarbeitern allgemeingültig verfügbar zu machen und bei Besprechungen und Besuchen zu verwenden. Vorhandene Leistungslücken können so immer wieder diskutiert werden und als Basis für Zielvereinbarungen dienen. Entsprechend ist ein periodisches Updating zu organisieren, denn nichts ändert sich so schnell, wie die betrieblichen Gegebenheiten.
Der Nutzen dieser Vorgehensweise liegt besonders darin, daß beide Partner sich von vornherein eine umfassende Übersicht über die neue Verbindung schaffen und bewußt eine Leistungsgemeinschaft eingehen, die von den jeweiligen Mitarbeitern in den einzelnen Bereichen mit getragen wird und so schnell eine gemeinsame Verständnis- und Vertrauensbasis schafft. Die Risiken werden dadurch minimiert, und der Erfolg der neuen Partnerschaft ist vorprogrammiert. So kann der Einkäufer seine ganzen Fähigkeiten als Teamplayer und Coach zur Wirkung bringen und einen wesentlichen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten.
Interessenten erhalten auf schriftliche Anfragen per Post oder Fax weiterführende Vorlagen (als Fotokopien) zu den Themen: Leistungsprofil Zulieferer, Kultur der Zusammenarbeit, Lieferantenselbstauskunft, Lieferanten-Informationssystem, Freigabeverfahren, Zielvereinbarung mit Lieferanten, Lebenslaufakte von der Redaktion über Fax 07 11-75 94-3 90
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