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Rahmenstrategie: Einkauf und Beschaffung strategisch ausrichten

Die 15 M-Architektur der Supply-Strategie, Teil IV
Rahmenstrategie: Einkauf und Beschaffung strategisch ausrichten

Die 15 M-Architektur der Supply-Strategie bietet Ihnen einen „Bauplan“ zur Entwicklung von Strategien für Einkauf und Beschaffung. In diesem Artikel wird der Strategiebaustein „Supply-Rahmenstrategie“ beschrieben, mit dem die Versorgung des Unternehmens mit Materialien und Dienstleistungen strategisch ausgerichtet wird.

Gerhard Heß Manfred Laschinger Michael Frank

In den beiden vorausgehenden Artikeln dieser Serie wurde die Formulierung von Strategien für einzelne Supply-Märkte und für einzelne Lieferanten besprochen. In den Markt- und Lieferantenstrategien wird die Supply-Strategie ganz konkret. Jedoch sind diese Strategien nicht voneinander unabhängig, sondern müssen gemeinsam auf das Wertesystem, die Unternehmens- und Wettbewerbsstrategien sowie die Ziele des Unternehmens ausgerichtet und untereinander abgestimmt werden. Die ganzheitliche unternehmensstrategische Ausrichtung der Supply-Strategie ist die Aufgabe der Supply-Rahmenstrategie.
Bei der Formulierung der Rahmenstrategie sollte der Grundsatz angewendet werden, nur so wenig Rahmen vorzugeben, wie für eine ganzheitliche Ausrichtung des Supply Managements unbedingt erforderlich ist. Leider wird gegen diesen Grundsatz nicht selten verstoßen, so dass unsinnige zentrale Vorgaben Freiheitsgrade zur Optimierung der Markt- und Lieferantenstrategien vernichten. Man denke beispielsweise nur an zentrale (undifferenzierte) Vorgaben zur Reduzierung der Lieferantenzahl oder zur Erhöhung der Global-Sourcing-Quote. Die Supply-Rahmenstrategie wird in sechs Schritten formuliert:
Basisstrategie entwickeln (Modul 1)
In der Basisstrategie werden die Vorgaben des Wertesystems und der Strategie des Unternehmens für das Supply Management explizit gemacht und konkretisiert. Beispielsweise kann aus der Selbstverpflichtung des Unternehmens in bestimmte Sozial- und Ökostandards (z.B. UN Global Compact) für den Einkauf folgen, dass die zugrundeliegenden Standards von den Lieferanten ebenso einzuhalten sind, z. B. keine Kinderarbeit oder menschenwürdige Arbeitsbedingungen. Derartige Vorgaben sind in der Basisstrategie zu fixieren und dann in den Lieferantenstrategien sowie in den Supply-Marktstrategien (z. B. über die Wahl der möglichen Lieferregionen) zu beachten. Die Einhaltung der Standards ist in geeigneter Weise zu überwachen.
Analog müssen aus der Unternehmens- und Wettbewerbsstrategie die Rahmenvorgaben für die Supply-Strategie abgeleitet werden. Bei E-T-A startete im Jahr 2006 ein umfassender Prozess zur Neuausrichtung der Unternehmensstrategie. In diesem Rahmen wurden auch die Konsequenzen für die Supply-Strategie ermittelt. Beispielsweise sollte die Supply-Strategie folgende Leistungen zur Unternehmensstrategie beitragen:
  • Es sind Kompetenzen für bestimmte neue Supply-Märkte zu entwickeln.
  • Die Einkaufsprozesse sind analog zur Globalisierung des Unternehmens international auszurichten.
  • Partnerschaftsnetzwerke sind zu entwickeln, um sich so verstärkt auf ausgewählte Kernkompetenzen konzentrieren zu können.
Falls im Unternehmen keine explizite Unternehmensstrategie vorliegt, sollte trotzdem „etwas hemdsärmelig“ ein strategischer Rahmen für die Supply-Strategie rekonstruiert werden.
Supply-Ziele formulieren (Modul 2)
Die Ziele der Supply-Strategie sind festzulegen: In vielen Unternehmen stehen nur die Objektkosten mit der Planung und Erfassung der Materialkosten, Materialkostenveränderung oder der Einkaufserfolge im Fokus. Dies ist sicherlich zu wenig. Weitere Zielkategorien sind Prozesskosten, Qualität und Innovation der eingekauften Leistungen sowie der Prozesse und letztlich die Konsequenzen für das im Supply Management gebundene Kapital. Die Ziele müssen auf die einzelnen Supply-Märkte (vgl. Modul 6) und auf die Lieferanten (vgl. Modul 11) heruntergebrochen und dort realisiert werden. Bei E-T-A werden die Ziele darüber hinaus auf die strategischen Einkäufer hin personalisiert.
Strategy Map entwickeln (Modul 3)
Innerhalb des strategischen Rahmens (Modul 1) und der vorgegebenen Ziele (Modul 2) muss die Grundrichtung der Supply-Strategie festgelegt und konkretisiert werden. Unserer Erfahrung nach hat sich hierzu die Balanced-Scorecard-Methode mit der Formulierung von drei bis fünf strategischen Stoßrichtungen und der Konkretisierung in Form von Strategy Maps sehr bewährt. Die Vorgehensweise soll am Beispiel von E-T-A vorgestellt werden. Eine strategische Stoßrichtung markiert sloganhaft eine strategische Entwicklungslinie mit besonderer Priorität. Sie sollte allen Beteiligten stets präsent sein. E-T-A definierte drei strategische Stoßrichtungen der Supply-Strategie:
  • 1. Management von Materialgruppen und Lieferanten: Wir gewinnen eine exzellente Leistungs- und Kostenposition in den strategischen Materialgruppen durch Materialgruppen- und Lieferantenmanagement,
  • 2. Management von Wertschöpfungsnetzwerken,
  • 3. Unterstützung des Produktentstehungsprozesses durch den Einkauf.
Für jede strategische Stoßrichtung wird mit der Balanced-Scorecard-Methode eine Strategy Map entwickelt. Hierbei wird eine Ursache-Wirkungskette abgeleitet, in der die strategische Stoßrichtung in einzelne Teilziele heruntergebrochen wird.
Der Erfolg der ersten strategischen Stoßrichtung „Management von Materialgruppen und Lieferanten“ kann an der Kosten- und Bestandsentwicklung beobachtet werden (Finanzperspektive). Die Zufriedenheit der internen Kunden wird durch die Leistung der Lieferanten in Bezug auf Qualität, Mengentreue, Lieferzeit und Termintreue bestimmt. Sie kann einfach über die Ergebnisse der Lieferantenbewertung gemessen werden (Kundenperspektive). Damit diese Ziele erreicht werden, sind das Materialgruppen- sowie das Lieferantenmanagement aufzubauen und zu leben. Dabei spielt die Umsetzung der Lieferantenstrategien in Zusammenarbeit mit den Lieferanten eine wichtige Rolle. Voraussetzung für diese Prozesse ist eine solide Vertragsbasis (Prozessperspektive). Die Beschaffungsstrategie ist intensiv zu kommunizieren (Lernen und Entwickeln). Für jedes Ziel werden Kennzahlen zur Erfolgsmessung und Maßnahmen definiert. Die Steuerung der Ziele und der Maßnahmen erfolgt im Rahmen des Strategiebausteines „Supply-Controlling“ in Modul 14.
Supply-Märkte definieren und priorisieren (Modul 4)
Das Beschaffungsspektrum eines Unternehmens ist meist heterogen und weit gespannt. 100.000 Beschaffungsartikel – und das ist noch keine ungewöhnliche Zahl – sind auf einer Vielzahl von Beschaffungsmärkten zu beschaffen. Um die Versorgung zu sichern und strategische Wettbewerbsvorteile auf den Beschaffungsmärkten zu generieren, muss die Supply-Strategie auf die verschiedenen Supply-Märkte ausgerichtet werden. Dazu müssen zunächst die Supply-Märkte definiert und klar abgegrenzt werden. Zur Priorisierung und zu einer ersten Einordnung der Supply-Märkte hat sich das klassische Einkaufsportfolio sehr bewährt. Für die priorisierten Märkte wird eine Supply-Marktstrategie entwickelt, bei E-T-A beispielsweise für 17 Supply-Märkte (vgl. den Artikel zur Supply-Marktstrategie).
Supply-Marktstrategien und Lieferantenstrategien synchronisieren (Modul 12)
Während mit den ersten vier Schritten der Rahmen für die Markt- und Lieferantenstrategien abgesteckt werden, zielt der 5. und 6. Schritt auf die Koordination der Strategien. Aus diesem Grund sind die beiden Module (M 12 und M 13) in der 15 M-Architektur auch erst nach den Markt- und Lieferantenstrategien eingeordnet. Die einzelnen Markt- und Lieferantenstrategien sind zu synchronisieren, beispielsweise um Synergien zu erzielen. So kann es für ein mittelständisches Unternehmen sinnvoll sein, nicht in allen Regionen dieser Erde gleichermaßen einzukaufen. Eine abgestimmte Global-Sourcing-Strategie erlaubt Synergien der Marktbearbeitung zu realisieren, beispielsweise bei der Einrichtung von IPOs. Derartige übergreifende Themen werden in der Regel mit strategischen Projekten vorangetrieben. Bei E-T-A wurden beispielsweise strategische Projekte zur Modellierung der neuen Prozesse im Lieferantenmanagement, zur Konzeptentwicklung für die Zusammenarbeit in Wertschöpfungspartnerschaften bzw. zur Entwicklung der Internationalisierung definiert.
Supply-Managementsystem entwickeln (Modul 13)
Das Managementsystem trägt erheblich zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen in den Supply-Märkten bei. Deshalb sollte die Fortentwicklung des Managementsystems selbst Gegenstand der Supply-Strategie sein. Typische Fragestellungen beziehen sich auf die Gestaltung der Aufbauorganisation im Einkauf und die Zusammenarbeit über Organisationseinheiten hinweg, auf die Führungssysteme zur Motivation, auf das Personalmanagement mit Fragen zur Mitarbeiterentwicklung oder zur Dimensionierung der Personalkapazität.
Nutzen und Dokumentation
Mit der Rahmenstrategie wird das gesamte Supply Management strategisch ausgerichtet und somit die strategischen Kräfte gebündelt. Alle Beteiligten, z. B. strategischer Einkauf, Logistik, Qualität, haben damit eine klare Orientierung für ihre strategischen Entscheidungen und operativen Aktivitäten.
Die Rahmenstrategie sollte einmal im Jahr überprüft und fortentwickelt werden. Die Dokumentation erfolgt in einem Strategiepapier. Bei E-T-A hat es sich bewährt das Strategiepapier in Form eines Präsentationsfoliensatzes zu erstellen, in dem auch methodische Folien zur 15 M-Architektur enthalten sind. Damit konnte das Papier auch zur Kommunikation innerhalb des Unternehmens und in Ausschnitten gegenüber ausgewählten Lieferanten verwendet werden.
Quelle:
Heß, Gerhard: Supply-Strategien in Einkauf und Beschaffung, Gabler-Verlag, Wiesbaden 2008

Serie Supply-Strategie

Teil I: Der Bauplan (BA 10/2008)
Teil II: Supply-Marktstrategien (BA 11/2008)
Teil II: Lieferantenstrategien (BA 12/2008)
Teil IV: Supply-Rahmenstrategie (BA 2/2009)
Teil V: Strategie-Controlling

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