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Reifeprüfung für Einkauf und Supply Management: Worauf es ankommt

Buchrezension
Reifeprüfung für Einkauf und Supply Management: Worauf es ankommt

Reifeprüfung für Einkauf und Supply Management: Worauf es ankommt
Jörg Schweiger: Purchasing and Supply Management Maturity. Maturity Models and Purchasing & Supply Management (PSM) Assessment and Transformation. Leykam Buchverlag, Graz 2017, 262 Seiten, 39 Euro
Es ist heute unbestritten, dass ein reifes, professionelles Einkaufs- und Supply Management nicht nur die Bottom Line, sondern auch die Top Line eines industriellen Unternehmens wesentlich beeinflussen kann. Aber was ist in concreto ein ausgereiftes professionelles Einkaufs- und Supply Management? Gibt es den Königsweg zum World-Class-Einkaufs- und Supply Management? Jörg Schweiger leuchtet das Feld der Gestaltungsvarianten systematisch aus.

Die vorliegende in Englisch verfasste Schrift, die auf einer in Udine vorgelegten Dissertation mit Praxisorientierung beruht, geht zwei Fragen nach: (1) Was zeichnet einen reifen, professionellen Bereich Einkaufs- und Supply Management in der industriellen Praxis aus? (2) Welche Faktoren bestimmen eine erfolgreiche Transformation hin zu einer Organisation mit hohem Reifegrad? Der Autor fokussiert sich dabei in seinen empirischen Recherchen auf Fallstudien in mittelständischen Industrieunternehmen vorwiegend aus Österreich.

Die beiden aufgeworfenen Fragen hängen eng zusammen und haben in Zeiten des digitalen Wandels unserer Wirtschaft eine hohe Relevanz. Insofern nimmt man das Buch mit hohen Erwartungen zur Hand und erhofft sich konkrete Gestaltungsvorschläge für den Lackmustest des im eigenen Unternehmen praktizierten Einkaufs- und Supply Management. Die großen Erwartungen werden zum Teil erfüllt.

Der Autor hat sich sehr viel Mühe gemacht bei der Literaturverarbeitung und der akribischen konzeptionellen Fundierung seiner Untersuchung. Die Erarbeitung der Konzeption hat schon ein gewisses Übergewicht, was zu länglichen theoretischen Diskussionen und Absicherungen führt, die die substanziellen Erkenntnisse überlagern. Dies ist jedoch bei wissenschaftlichen Arbeiten nicht gerade selten, und der Leser muss sich dessen bewusst sein.

Jörg Schweiger gelangt berechtigterweise zu der Erkenntnis, dass es eine uniforme beste Lösung für die Organisation des Bereiches Einkauf und Supply Management nicht geben kann. Es komme stets auf die Rahmenbedingungen – im wissenschaftlichen Jargon den Kontext – an, unter denen sich das Einkaufs- und Supply Management in den Unternehmen vollziehe. Es gebe daher auch unterschiedliche Reifegrade der für das Einkaufs- und Supply Management verantwortlichen Bereiche. Dies ist richtig.

Um die Vielfalt der in der industriellen Praxis anzutreffenden Lösungen einfangen zu können, konzentriert sich der Verfasser auf die Ausarbeitung eines umfangreichen Bezugsrahmens zur Abbildung und Messung des Reifegrades von Einkauf und Supply Management. Dieser Bezugsrahmen soll sich dann auch als strategisches Management-Instrument etwa für CPOs heranziehen lassen. Mit etwas Phantasie kann dies auch gelingen.

Der Autor identifiziert nicht weniger als 104 Key Evaluation Points (KEPs) – man könnte auch sagen Erfolgsfaktoren – zur Erfassung des Reifegrades. Hinzu kommen dann noch weitere Erfolgsfaktoren, die dazu dienen, die Fähigkeit des Fachbereiches, notwendige Veränderungsprozesse zu realisieren, einzuschätzen. Dies ist alles sehr verdienstvoll, und die vorliegende Arbeit kann die wissenschaftliche Durchdringung des Einkaufs- und Supply Managements befruchten. Indessen wird sich ein gestresster CPO nach der Lektüre die Augen reiben und die Frage aufwerfen: Where is the beef? Er wird feststellen, dass die substanziellen Aussagen recht allgemein gehalten sind. Dies gilt insbesondere für die herausgearbeiteten Reifegradsdimensionen, die nur bedingt zum Ausdruck bringen, was denn nun in concreto empfehlenswert ist. Hier werden viele Aspekte gewissermaßen als Merkposten genannt wie etwa „will and culture of early involvement, clear interfaces and communication structures, strategic supplier (relationship) management defined as an important asset in the company, powerful ICT support for routine tasks etc.“. Auf diese kommt man sicherlich auch mit etwas Nachdenken. In der Praxis könnte man aus den vorgelegten KEPs eine Checkliste erstellen, um die richtigen Fragen bei einer Evaluierung des Bereiches Einkauf und Supply Management zu stellen und Verbesserungsansätze herauszufiltern. Die eigentliche Arbeit der Transformation beginnt dann jedoch erst; dazu wird allerdings nur wenig gesagt.

Insgesamt handelt es sich um eine verdienstvolle Arbeit, die insbesondere theoretisch versierten Lesern Anregungen und Anstöße zum Hinterfragen gewachsener Strukturen und Prozesse zu geben vermag. Ein Handbuch für die Entwicklung einer reifen, professionellen Einkaufs- und Supply-Management-Organisation kann sie dagegen nicht sein.


Prof. Dr. Robert Fieten,
fachlicher Berater der
Beschaffung aktuell,
Köln

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