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Risiken des Outsourcing

Rückverlagerungen sind kostspielig
Risiken des Outsourcing

Risiken des Outsourcing
Dr. Max-Michael Bliesener blickt zurück auf 13 Jahre Industrie-Erfahrung in den Bereichen Einkauf, Materialwirtschaft und Logistik in Stabs-, Linien- und Führungsfunktionen; seit 1988 ist er Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Materialwirtschaft an der FH Nordostniedersachsen in Lüneburg.
Die meisten Veröffentlichungen zum Thema Outsourcing heben die positiven Aspekte der Kostensenkung oder der strategischen Wettbewerbsvorteile hervor. Auf die Darstellung von Nachteilen und Risiken wird kaum eingegangen.

Prof. Dr. Max-Michael Bliesener

Dennoch sind mit Outsourcing-Strategien erhebliche Probleme verbunden, die teilweise zu Rückverlagerungen von Produktionen nach Deutschland führten. Als Beispiele seien genannt (dpa, Stuttgart):
Varta hat die Produktion von Knopfzellen in Singapur gestoppt und ins schwäbische Ellwangen zurückverlagert. Excello in Eislingen trennte sich 1997 von seiner gesamten Maschinenproduktion in Tschechien und Ungarn. Motorsägen-Hersteller Stihl nahm einen Teil seiner Produktion aus Japan zurück nach Waiblingen. Zu den Unternehmen, die in den vergangenen Monaten Teile ihrer Auslandsproduktion zurückholten, gehören unter anderem die Schneider-Rundfunkwerke (Türkheim), der Heizungsbauer Vaillant (Remscheid) und Siemens Nixdorf (Paderborn).
Im Folgenden soll auf die mit Outsourcing verbundenen Risiken eingegangen werden. Dabei wird zwischen betriebswirtschaftlichen und allgemeinen Gesichtspunkten unterschieden.
Betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte
Die betriebswirtschaftlichen Risiken sind nachstehend zusammengefaßt.
–Enge Kernkompetenz-Definition,
–Fehlerhafte Kostenvergleiche,
–Nicht realisierbare Kosteneinsparungen,
–Schwieriges Schnittstellen-Management,
–Qualitätsmängel,
–Preissteigerungen.
Nachstehend werden die genannten Punkte genauer erläutert.
•Enge Kernkompetenz-Definition
Durch eine zu eng(stirnig)e Festlegung der Kernkompetenzen besteht die Gefahr eines Abflusses von oft unwiederbringlichem Know-how. Langfristig können Schlüsselpositionen in der Wertschöpfungskette verlorengehen. Die Abhängigkeit vom Outsourcing-Partner wird nach einer empirischen Untersuchung als größtes Risiko angesehen (Dillerup/Foschiani, 1996, S. 40).
•Fehlerhafte Kostenvergleiche
Die Kernkompetenzdefinition ist oft einseitig an Kosteneinsparpotentialen orientiert. Kostenvergleichsrechnungen werden – bewußt oder unbewußt – fehlerhaft durchgeführt. In traditionellen Vollkostenrechnungssystemen läßt die Verrechnung von Gemeinkosten in der Regel eine verursachungsgemäße Verteilung nicht zu. Kosten der Eigenfertigung können zu hoch oder zu niedrig ausfallen (Bliesener, 1994, S. 286-287). Um eine bessere Vergleichsbasis zu erhalten, sollte eine Prozeßkostenrechnung durchgeführt werden, durch die die Kostentransparenz erhöht wird. Aber auch die Kostenermittlung des Fremdbezugs, insbesondere beim Global Sourcing, ist von erheblicher Komplexität. Eine Vielzahl von Kostenelementen ist zu berücksichtigen: Einstandspreis, Kosten für Beschaffungshelfer, Export- und Importzölle, Transportkosten, Versicherungskosten, Akkreditivkosten, Hedgingkosten, Reisekosten, Kommunikationskosten, Kapitalkosten, Verwaltungskosten, Qualitätssicherungskosten, Kosten für Lieferantenförderung (Mair/Brumann, 1995, S. 34-35).
•Nicht realisierbare Kosteneinsparungen
Teilweise unvorhersehbare Mehrkosten können eine mögliche Kostensenkung überkompensieren. Als Beispiele seien eine schlechte logistische Anbindung der Lieferanten oder steigende Umweltschutzauflagen genannt, wodurch hohe Beschaffungs- oder Entsorgungskosten verursacht werden können (Baumgarten/Foerster, 1993, S. 11-12).
•Schwieriges Schnittstellen-Management
Eine erfolgreiche Kooperation setzt voraus, daß an den Verbindungsstellen der Partner wichtige Entscheidungen auch langfristig getroffen werden können. Aufgaben, Befugnisse und Verantwortlichkeiten müssen im Vorfeld definiert und abgegrenzt werden. Unnötige und lange Kommunikationswege können vermieden werden, wenn jede Partei nur einen Ansprechpartner benennt (Bruch, 1995, S. 26). Dennoch kann nach einiger Zeit das Risiko der mangelnden Einflußnahme auf den Outsourcing-Partner bestehen und die Koordination schwieriger werden (Koppelmann, 1996, S. 6-7).
•Qualitätsmängel
Qualitätsmängel bei zugekauften Produkten oder Leistungen können den Ablauf in nachgelagerten Fertigungsstufen erheblich beeinträchtigen: Terminverzögerungen durch Neulieferungen oder Nacharbeit führen zu einer schlechten Termintreue des Endproduktherstellers gegenüber seinen Kunden. Werden Qualitätsmängel, die auf fehlerhafte Kaufteile zurückgehen, erst beim Kunden entdeckt, können Image und Wettbewerbsposition schlechter werden.
Wichtigste Voraussetzung zur Vermeidung von Qualitätsmängeln ist eine sorgfältige Lieferantenauswahl; nach Festlegung der firmenspezifischen Qualitätsanforderungen müssen die Lieferantenpotentiale ermittelt bzw. beurteilt werden (Zeuch, 1998, S. 26-27). Daneben können Auditierung, Zertifizierung und Implementierung einer Ausgangskontrolle als Qualitätsmanagementinstrumente eingesetzt werden. Auch die schriftliche Festlegung von Qualitätsprofilen zur Zusicherung bestimmter Produkteigenschaften seitens des Lieferanten kann empfehlenswert sein (Schmid, 1994, S. 19). Problematisch bleibt jedoch immer die Weitergabe von Qualitäts-Know-how, da ansonsten die geforderte Qualität nie erreicht werden kann.
•Preissteigerungen
In Abhängigkeit von den Markt- und Machtverhältnissen kann langfristig die Gefahr kontinuierlicher Preissteigerungen bestehen, die bei einer Auslagerungsentscheidung nicht vorgesehen war (Zeuch, 1998, S. 26).
Die beschriebenen Risiken zeigen die Vielschichtigkeit des Outsourcing. Sie können minimiert werden durch (Bruhn-Braas, 1996, S. 78):
–partnerschaftliche Vertragsgestaltung,
–überschaubare Vertragslaufzeiten,
–Beobachtung des Preis-/Leistungsgefüges bei Wettbewerbern des Outsourcing-Partners,
–Kontrolle der Ergebnisse,
–Installation eines Konfliktmanagements.
Vieles kann durch die Ausgestaltung von Outsourcing-Verträgen geregelt werden, insbesondere Datenschutz und Geheimhaltung. Aber Verträge sind auch nur aus Papier.
Allgemeine Gesichtspunkte
Allgemeine Aspekte haben mittelbaren oder unmittelbaren Einfluß auf betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte und können deshalb nicht getrennt, sondern nur im Zusammenhang mit diesen gesehen werden. Die allgemeinen Risiken des Global Outsourcing, also der Verlagerung von Funktionen ins Ausland, sind ohne Anspruch auf Vollständigkeit wie folgt zusammengefaßt:
–Sprache,
–Mentalität,
–Personalqualifikation,
–Kostensteigerung am Standort,
–Eröffnung von Eintrittsmöglichkeiten in heimische Märkte,
–Problematischer Verkauf vor Ort.
Diese Aspekte wurden in einer Erfa-Gruppe des Gründungs- und Technologie-Services (GTS) Lüneburg, diskutiert. Wesentliche Aussagen werden im Folgenden wiedergegeben:
•Sprache
Sprachen sind lernbar und sollten kein Hindernis darstellen; aber es wurde mehrfach dargelegt, daß es immer wieder zu Übersetzungsproblemen bei Verträgen kommt, insbesondere in den osteuropäischen (Nachbar-) Ländern, wie z. B. Tschechien, Slowenien, Polen oder Ungarn. Selbst öffentlich zugelassene und staatlich geprüfte Dolmetscher beider Seiten „interpretierten“ Verträge anders.
•Mentalität
Der Umgang mit fremden Mentalitäten ist schwierig; oft werden Dinge lockerer gesehen, was zu einer nachlassenden Qualität mit notwendiger Nacharbeit führen kann. Dies trifft auch auf die Zahlungsmoral zu.
•Personalqualifikation
Jede Verlagerung in ein anderes Land ist mit erheblichen Transaktionskosten verbunden. Führungskräfte müssen gefunden werden, die bereit sind, sich mit der fremden Sprache und Mentalität auseinanderzusetzen. Sie müssen vorbereitet werden, was arbeits-, zeit- und kostenintensiv ist. Vor Ort arbeiten sie viel und lange; vor Wochenenden können Angstgefühle entstehen, da sie sich isoliert fühlen; es können kaum Kontakte zur einheimischen Bevölkerung aufgebaut werden, da die Sprachkenntnisse doch nicht ausreichen.
Quantität und Qualität des am (geplanten) Standort vorhandenen Personals müssen geprüft werden. So wählte ein Leiterplattenhersteller als Standort in der Slowakei einen Ort aus, an dem eine Fernseherfabrik 3.000 Mitarbeiter freigesetzt hatte.
•Kostensteigerung am Standort
Mit zunehmender Arbeit entsteht mehr Wohlstand am Standort. In Polen wurden z.B. im Verlauf von 8 Jahren 600% mehr Lohn gefordert, außerdem mußten Schmiergelder bezahlt werden, und der Geschäftsführer eines Werkes benötigte als Statussymbol jeden Monat ein neues Auto. Das Beispiel kann nicht verallgemeinert werden: in Slowenien konnten maßvolle Lohnerhöhungen unterhalb der Produktivitätssteigerung über Jahre vereinbart werden. Die Aussage, daß am Standort langfristig genauso viel verdient wird wie hier, stimmt nicht immer.
•Eröffnung von Eintrittsmöglichkeiten in heimische Märkte
Soll von einer ins Ausland verlagerten Produktion dieselbe Qualität erzeugt werden wie in Deutschland, ist Know-how-Transfer erforderlich. Dadurch wird ausländischen Outsourcing-Partnern der Markteintritt in Endverbrauchermärkte ermöglicht. Als Beispiel wurde die Verlagerung einer Textilproduktion in die Türkei genannt; nach einiger Zeit trat das türkische Unternehmen selbst als Anbieter am deutschen Markt auf. Der Verlust von Wettbewerbsvorteilen ist vorprogrammiert.
•Problematischer Verkauf vor Ort
Die in Niedriglohnländern erzeugten Waren sind in der Regel schwer vor Ort zu verkaufen; das Einkommen der Bevölkerung reicht oft nicht, um die relativ teuren Waren zu erwerben. Vielfach sind nur wenige Prozent der Menschen zu den „gut Situierten“ zu zählen.
•Weitere Gesichtspunkte
Folgende weitere Aspekte sind noch zu berücksichtigen:
–die Kapitalkraft der Partner ist schwer prüfbar,
–in Polen ändern sich z.B. die devisenrechtlichen Vorschriften laufend,
–Darlehensvereinbarungen können nur mit der Zentralbank in Polen getroffen werden,
–Rechtsform und Eigentumsverhältnisse müssen sich den Ländergegebenheiten anpassen,
–ein Abbau der Fertigungs- oder Leistungstiefe führt zu erhöhter Streikanfälligkeit.
•Trend zur Rückverlagerung
Wie bereits am Anfang ausgeführt, haben viele Unternehmen Funktionen oder ihre Produktion oder Teile davon nach Deutschland re-importiert. Die Ursachen für eine Rückverlagerung sind vielfältig. Die beiden wesentlichen sind:
–Deutliche Produktivitätssteigerungen,
–Erhöhte internationale Wettbewerbsfähigkeit.
Dazu einige kurze Erläuterungen. Deutliche Produktivitätssteigerungen mit modernster Technologie ermöglichen Personal(kosten)einsparungen. Deutschland hat seine internationale Wettbewerbsfähigkeit gesteigert durch
–maßvolle Lohn- und Gehaltserhöhungen,
–wachsende Unternehmensgewinne,
–flexiblere Arbeitszeiten,
–hohe Qualifikation deutscher Arbeitskräfte,
–Nähe qualifizierter Zulieferer,
–gute Verkehrsanbindungen.
Aufgrund der vorstehenden Ausführungen kann Unternehmen nur dringend empfohlen werden, Verlagerungsentscheidungen genau zu prüfen bzw. zu überdenken.
Literaturverzeichnis:
–Baumgarten, Helmut. / Foerster, H.: Aktionsinstrumente der Logistik-Globalisierung der Märkte, in: Jahrbuch der Logistik, 7. Jahrgang, 1993, S. 10-14
–Bliesener, Max-Michael: Outsourcing als mögliche Strategie zur Kostensenkung, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 4/1994, S. 277-290
–Bruch, Heike: Erfolgsfaktoren und Hindernisse für Outsourcing, in: IO Management, 7-8/1995, S. 25-27
–Bruhn-Braas, Helly: Optimale Ausnutzung von Kostensenkungspotentialen – Make-or-Buy-Entscheidungen in der Transportlogistik, in: Zeitschrift für Logistik, 2/1996, S. 76-79
–Dillerup, Ralf / Foschiani, Stefan: Outsourcing-Umfrage – Bloße Sparmaßnahme oder strategische Option? in: Beschaffung Aktuell, 1/1996, S. 39-41
–dpa-Stuttgart: Firmen reimportieren ausgelagerte Produktion, in: Landeszeitung, 17.3.1998, S. 9
–Koppelmann, Udo: Grundsätzliche Überlegungen zum Outsourcing, in: Koppelmann (Hrsg.): Outsourcing, Stuttgart, Schäffer-Poeschel, 1996, S. 2-9
–Mair, Frank V.K. / Brumann, Jürg: Diese Klippen muß Outsourcing umschiffen, IO Management, 7-8/1995, S. 33-35
–Schmid, Karlheinz: Die Rechte des Einkaufs – wenn Dienstleistungen nicht richtig erbracht werden, in: Beschaffung Aktuell, 6/1994, S. 18-21
–Zeuch, Michael: Voraussetzungen abklären – Global Sourcing – ein Muß für jedes Unternehmen?, in: Beschaffung Aktuell, 1/1998, S. 26-27
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