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Sehen, was der Kunde sieht

Lieferantenmanagement: Mercedes schafft mehr Transparenz
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Transparenz ist das wichtigste Ziel im neuen Mercedes-Einkauf (Procurement Mercedes-Benz Cars and Vans, PMC) – unser Bild zeigt die Produktion des Sprinter in Ludwigsfelde (Foto: Daimler)
Der Einkauf bei Mercedes hat in einem groß angelegten Strategieprojekt das Lieferantenmanagement überarbeitet. Jetzt gibt es eine einheitliche Definition für die Bewertung der Leistung von Lieferanten, welche diesen auch offen gelegt wird. Die höhere Transparenz hilft den Lieferanten zu sehen, was der Kunde sieht, und sich ständig zu verbessern.

In einem komplexen Umfeld wie dem Automobilbau ist Lieferantenmanagement nicht allein Sache des Einkaufs. Verschiedene Fachbereiche wie Qualität, Entwicklung und Logistik haben im Tagesgeschäft originär andere Interessen und Ansprüche an Lieferanten als der Einkauf. So liegt der Fokus in den Lieferantenmanagement-Prozessen der Qualitätsbereiche selbstverständlich auf der Produktqualität der Zulieferumfänge, während die Entwicklungsbereiche vor allem Wert auf die Einhaltung vorgegebener technischer Lastenheftvorgaben und Innovationsleistungen legen.

So berechtigt die Interessen der jeweiligen Fachbereiche sind – häufig sind sie konfliktgeladen und führen bei unabgestimmtem Vorgehen dazu, dass ein fachbereichsübergreifendes, also ganzheitliches Lieferantenmanagement, verfehlt wird. Bei einem Anteil der Zulieferer von über 60 Prozent an den Produkten der Daimler AG wird deutlich, dass Lieferantenmanagement einer der wichtigen Hebel zur Steigerung des Unternehmenserfolgs ist.
Klar definierte Anforderungen
In einem groß angelegten Strategieprojekt wurde 2006 das Lieferantenmanagement bei PMC überarbeitet. Für ein erfolgreiches Lieferantenmanagement wurden dabei folgende Anforderungen definiert:
  • Klare Ziele. An Lieferanten müssen klare Ziele adressiert werden, die alle Dimensionen ihres Beitrags zum Erfolg unserer Produkte abdecken.
  • Transparenz. Lieferanten sollten jederzeit den Stand ihrer Zielerreichung kennen, um daraus Ansatzpunkte für Verbesserungen ableiten zu können.
  • Konsequenz. Gute Leistungen, das heißt Zielerreichung oder Übererfüllung sollen belohnt, schwache Leistungen sanktioniert werden.
  • Verantwortlichkeit. Lieferanten sollen einen Ansprechpartner im Unternehmen haben, der für ihre Leistung verantwortlich ist, um ihre Bewertung, Konsequenzen und Verbesserungsmöglichkeiten zu diskutieren.
Die größte Herausforderung liegt in der Umsetzung dieses Anspruchs. Um ein ganzheitliches Lieferantenmanagement zu schaffen, musste zunächst eine gemeinsame Definition von „Leistung“ geschaffen werden, um auf dieser Basis Ziele mit Lieferanten vereinbaren zu können. Nach der Einkaufsphilosophie von Daimler, auch als „Extended Enterprise“ bezeichnet, haben die Interessen der oben genannten Funktionalbereiche gleiches Gewicht. Anhand dieser Definition wurde die External Balanced Scorecard (EBSC), das Instrument um die Leistung von Lieferanten einheitlich über alle beteiligten Funktionsbereiche hinweg zu messen, gestaltet. In die EBSC fließen die Bewertungen für Qualität, Kosten, Technologie und Logistik gleichwertig ein. Zur Bewertung der vier EBSC-Dimensionen wurden die bisher genutzten Kennzahlen der einzelnen Fachbereiche herangezogen. Aktuell fließen zwölf Kennzahlen in die EBSC ein – zum Beispiel 0-km-PPM für Qualität, Materialkosteneinsparung für Einkauf, CAx/PDM-Kompetenz für Entwicklung und Liefertreue für Logistik.
Mit der Festlegung auf die EBSC existiert erstmals eine einheitliche Definition für die Bewertung der Leistung von Lieferanten. Erst durch die klare Artikulation der Erwartungen an Lieferanten, ist es diesen auch möglich, aktiv auf die Erfüllung hinzuarbeiten und an den richtigen Stellen zu investieren – sie ist die Grundlage, den beiderseitigen Nutzen aus der Geschäftsbeziehung zu maximieren.
Das Daimler Supplier Portal
Auf Basis der EBSC werden sowohl strategische Diskussionen innerhalb PMCs (z.B. bei der Erstellung von Materialgruppenstrategien und Vergabeentscheidungen) als auch leistungsbezogene Diskussionen mit Lieferanten geführt. Aktuell werden bereits über 95 Prozent des Beschaffungsvolumens mit Hilfe der EBSC abgebildet.
Lieferanten wird die aktuelle Leistungsbewertung mit der EBSC über das Daimler Supplier Portal zugänglich gemacht. Die Bewertung in einer Materialgruppe wird dort sowohl im Wettbewerbsvergleich grafisch-aggregiert als auch als detaillierte Scorecard aller erhobenen Kennzahlen dargestellt. Lieferanten können so selbständig Verbesserungspotenziale und Handlungsbedarfe ableiten.
Die hohe Akzeptanz des Supplier Portals zeigt sich in den Nutzungsdaten – aktuell sind über 60 000 Nutzer registriert, die durchschnittlich 16 000 mal pro Monat auf das Portal zugreifen. Auch in einer kürzlich durchgeführten Umfrage unter Nutzern des Daimler Supplier Portal, nannte eine klare Mehrheit der 8700 Befragten das Daimler Supplier Portal, als das in Leistung und Funktionalität führende Lieferantenportal.
Das Erreichen von Zielen muss mit Konsequenzen verbunden sein. Entsprechende Anreize können im Einkauf vor allem über zusätzliche Vergaben gesetzt werden. PMC hat daher ein leistungsabhängiges Lieferantenset für verschiedene Vergabesituationen, das „Performance Based Sourcing Set“ definiert. Das Performance Based Sourcing Set unterteilt den graphischen Wettbewerbsvergleich der EBSC in drei Performance-Niveaus. Lieferanten, deren aggregierte Leistung klar überdurchschnittlich ist, bilden das „Top Performing Supplier Set“. Vergaben für Neu-Produkt-Projekte stehen exklusiv diesen Lieferanten offen. Lieferanten mittlerer Leistung bilden das „Moving Supplier Set“. Diese Lieferanten können an Serien- und Resourcing-Vergaben teilnehmen. Lieferanten mit eher unterdurchschnittlicher Leistung, die das „Watch & Resourcing Supplier Set“ bilden, dürfen nur für Markt-Tests angefragt werden.
Ziele und Zahlen vermitteln
Über das Performance Based Sourcing Set wird die anhand der EBSC gemessene Leistung eines Lieferanten direkt mit dem wichtigsten Leistungsanreiz, nämlich dem Zugang zu Vergabeentscheidungen, verbunden. Die Einführung des Performance Based Sourcing Sets war ein entscheidender Schritt zu einer konsequenteren Leistungsorientierung im Lieferantenmangement, da die automatische Konsequenz für zukünftige Vergabeentscheidungen einen höheren Grad der Verbindlichkeit gegenüber vereinbarten Zielen erzeugt.
Ziele und Zahlen lassen sich über gemeinsame Informationssysteme vermitteln. Um auch in der täglichen Zusammenarbeit mit Lieferanten den unmittelbaren Austausch zu pflegen, muss es einen Ansprechpartner geben, der dem Lieferanten Rede und Antwort steht.
In PMC wurde mit „Supplier Lead“ eine Organisation geschaffen, die diesem Anspruch gerecht wird. Supplier Leads sind dafür verantwortlich, dass Leistungsorientierung und Feedback-Kultur in der Zusammenarbeit mit Lieferanten „gelebt“ werden. Die Supplier Lead Organisation besteht für große Lieferanten aus einem Team mit je einem Vertreter aus Qualität, Entwicklung, Logistik und Einkauf, das vom Einkauf koordiniert wird. Für mittlere und kleine Lieferanten übernimmt ein Vertreter des Einkaufs die Gesamtverantwortung. Die Supplier Leads sind Abteilungsleiter aus der operativen Organisation der Fachbereiche, die auch bisher schon viele Berührungspunkte mit den ihnen zugeordneten Lieferanten hatten.
Als Hauptansprechpartner der Lieferanten adressieren die Supplier Leads Ziele an Lieferanten, geben detailliertes Feedback zur aktuellen Beurteilung und initiieren aktiv Verbesserungsmaßnahmen. Nach einer erfolgreichen Pilotphase im Jahr 2006 wird diese Organisationsform bei Mercedes im laufenden Jahr sukzessive ausgerollt.
Aus der Sicht der Lieferanten sieht das nun so aus: Matthias Berg, Vice President & General Manager Daimler Business Unit bei dem Systemzulieferer Johnson Controls empfindet es „als großen Vorteil, schnell auf aktuelle Qualitäts-, Logistik-, Kosten- und Entwicklungsprobleme reagieren zu können. Basis für die einzuleitenden Verbesserungsmaßnahmen ist konstruktives Feedback“. Die Ziele seien „sportlich“ gesetzt, so Berg weiter. „Und wir setzen darauf, dass durch die erreichten Verbesserungen bzw. Zielerfüllung die Geschäftsbeziehung zwischen Daimler und Johnson Controls gefestigt und ausgebaut wird.“
Die Supplier Lead Organisation sorgt dafür, dass nicht nur systemseitig, sondern auch in der täglichen Zusammenarbeit eine ganzheitliche Optimierung der Lieferantenleistung für Mercedes-Benz erreicht wird, indem sie Informationen für und über die Lieferanten bündelt und ihre Leistung aktiv steuert.
Die Erfahrungen, die bisher mit dem optimierten Lieferantenmanagementsystem gemacht wurden sind durchweg positiv. So konnte die durchschnittliche Leistung der Lieferanten bereits im Jahr der Einführung des Supplier Lead Konzepts (2006) um acht Prozent gegenüber dem Vorjahr verbessert werden. „Das Pilotprojekt Supplier Lead und auch die EBSC haben uns geholfen, eine höhere Transparenz über unsere Leistungsmerkmale zu gewinnen. Wir sehen nun, wie uns der Kunde wirklich sieht“, so Berg.
Die Herausforderungen kommen erst noch
Feedback zum Lieferantenmanagement wird über die Supplier Lead Organisation regelmäßig von Lieferanten abgefragt, um Verbesserungspotenziale noch konsequenter zu nutzen. Erste, große Schritte sind getan. Die Herausforderung liegt nun darin, Supplier Lead nachhaltig in der Organisation zu etablieren.
Nachdem die ersten Ergebnisse eine deutliche Leistungsverbesserung zeigen, ist die Einkaufsorganisation Mercedes-Benz Cars und Vans überzeugt davon, mit dem ganzheitlichen Performance-Management eine Erfolgsgeschichte im Einkauf begonnen zu haben, deren Weiterentwicklung mit Nachdruck vorangetrieben wird.

Das ist PMC

Daimler inside

Procurement Mercedes-Benz Cars and Vans (PMC) ist eine Direktion innerhalb der globalen Einkaufsorganisation der Daimler AG und verantwortet den Einkauf von Produktionsmaterial für die Mercedes-Benz-Autos und Lieferwagen mit den Marken Mercedes-Benz, Maybach und Smart.
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