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Sind Frauen die besseren Einkäufer?

Kompetenzanforderungen im Einkauf – eine genderspezifische Analyse
Sind Frauen die besseren Einkäufer?

Gute Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen können den Unternehmenserfolg positiv beeinflussen. Die Frage ist, welche Eigenschaften sollten erfolgreiche Einkaufsspezialisten und Einkaufsspezialistinnen aufweisen? Ziel einer am Institut für Transportwirtschaft und Logistik der WU Wien durchgeführten Studie ist es, einen Zusammenhang zwischen Gender und Beschaffungskompetenzen herzustellen.

In der Beschaffung wurden Positionen lange Zeit ohne Rücksicht auf spezifische Kompetenzen und Fähigkeiten der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen besetzt. Aber durch die Fokussierung der Beschaffung auf den strategischen Aspekt hat sich nicht nur das Betätigungsfeld einer Beschaffungs- bzw. Einkaufsabteilung verändert, im selben Maße werden auch damit einhergehende zusätzliche Fähigkeiten der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gefordert. Dieser Wandel in der Bedeutung einer Beschaffungsabteilung spiegelt sich im Zeitablauf auch in den wissenschaftlichen Beiträgen, die sich mit der Identifikation von Kompetenzen und Fähigkeiten eines „world-class purchasing professionals“ beschäftigen, wider. Nichtsdestotrotz fehlt ein genderspezifischer Blickwinkel auf Kompetenzanforderungen in der Beschaffung. Ziel einer am Institut für Transportwirtschaft und Logistik der WU Wien durchgeführten Studie ist es, einen Zusammenhang zwischen Gender und Beschaffungskompetenzen herzustellen. Folgende Fragen werden dabei behandelt:

  • Welche Fähigkeiten sollten gute Einkaufsspezialisten und Einkaufsspezialistinnen mitbringen?
  • Werden einzelne Eigenschaften, die gute Einkaufsspezialisten und Einkaufsspezialistinnen ausmachen, mehrheitlich einem bestimmten Geschlecht zugeschrieben?
  • Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede in den Antworten der Befragten?
Die Befragten bekleiden unterschiedliche Positionen in der Einkaufsabteilung. Betrachtet man deren Beschäftigungsfeld allerdings unter Gender-Gesichtspunkten, wird die sogenannte vertikale Segregation deutlich. Dies bedeutet, dass, unabhängig vom Anstieg der beruflichen Qualifikation von Frauen und auch deren wachsender Beteiligung am Arbeitsmarkt, Führungspositionen und damit auch Entscheidungskompetenzen noch immer vorrangig bei Männern liegen. Von allen befragten Einkaufsleitern und Einkaufsleiterinnen sind rund 70 Prozent Männer, nur 30 Prozent sind Frauen. Hingegen sind rund 86 Prozent aller sonstigen in einer Einkaufsabteilung Beschäftigen weiblich, nur 14 Prozent sind männlich. Dies zeigt: Je einflussreicher die Position in der Einkaufsabteilung, desto geringer ist der Anteil an Frauen in dieser Beschäftigungsgruppe.
Verhandlungsgeschick, Belastungsfähigkeit und Durchsetzungsvermögen sind die meistgenannten Eigenschaften, die erfolgreiche Einkaufsspezialisten und Einkaufsspezialistinnen aufweisen sollten. Für vier von fünf Befragten sind Verhandlungsgeschick, Belastungsfähigkeit, Durchsetzungsvermögen, soziale Kompetenz sowie Teamfähigkeit für den Erfolg notwendige Eigenschaften. Dagegen erachten nur maximal zwei von fünf Befragten Intuition, IT-Kenntnisse sowie Multi-Tasking-Fähigkeit als wichtig. Bemerkenswert ist, dass nur für jeden Zweiten der Befragten die Reisebereitschaft, welche oft als Ursache genannt wird, warum Frauen in Einkaufsabteilungen unterrepräsentiert sind, zum Anforderungsprofil erfolgreicher Einkaufsmitarbeiter und Einkaufsmitarbeiterinnen gehört.
Grundlegende Fähigkeiten erfolgreicher Einkaufsspezialisten und Einkaufsspezialistinnen wie Verhandlungsgeschick, soziale Kompetenz sowie Entscheidungsfähigkeit wurden bereits vor einigen Jahren in verschiedenen Studien identifiziert und gelten auch noch immer als sehr wichtig. Teamfähigkeit und analytische Fähigkeiten wurden erst in jüngerer Zeit immer wichtiger und wurden auch in der vorliegenden Studie als wichtige Eigenschaften genannt.
Abgesehen von der Fähigkeit „überdurchschnittliche Kommunikationsfähigkeiten” gibt es keine signifikanten geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Antworten der Befragten. Männliche und weibliche Befragte haben also dieselben Vorstellungen, woraus sich das Kompetenzanforderungsprofil für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Einkaufsabteilungen zusammensetzt, das heißt, es besteht grundsätzlich Übereinstimmung zwischen den Geschlechtern, welche Eigenschaften Einkaufsspezialisten und Einkaufsspezialistinnen mitbringen müssen, um erfolgreich zu sein.
Auf die Frage, ob einzelne Eigenschaften, die gute Einkaufsspezialisten und Einkaufsspezialistinnen ausmachen, mehrheitlich einem bestimmten Geschlecht zugeschrieben werden, gibt es allerdings deutliche Unterschiede. Nebenstehende Abbildung gibt in der Reihenfolge der Häufigkeit der Nennungen eine Übersicht über jene Fähigkeiten, die Einkaufsspezialisten und Einkaufsspezialistinnen besitzen sollten und zeigt, welchem Geschlecht diese Eigenschaften vorrangig zugeschrieben werden.
Klassische Attribute wie die Reisebereitschaft und das technische Verständnis werden nahezu ausschließlich Männern zugeschrieben, während sogenannte Soft Skills wie soziale Kompetenz, Einfühlungsvermögen, Intuition und Kommunikationsfähigkeit von jeweils über 90 Prozent der gültigen Antworten vorrangig Frauen zugeschrieben werden. Gleichermaßen werden auch Fremdsprachenkenntnisse und Multi-Tasking-Fähigkeit in hohem Maße Frauen zugeschrieben. Weitere Fähigkeiten, welche vorrangig Frauen zugerechnet werden, sind: Verhandlungskompetenz, Belastbarkeit, Teamfähigkeit und Genauigkeit. Männern werden des Weiteren vorrangig Durchsetzungsvermögen, souveränes Auftreten, analytische Fähigkeiten, Entscheidungsfreudigkeit sowie Computerkenntnisse zugeschrieben.
Betrachtet man das Ausmaß, in dem eine Fähigkeit einem bestimmten Geschlecht zugeordnet wird, zeigen sich abgesehen von der Belastbarkeit eindeutige Zuschreibungen zu einem bestimmten Geschlecht. Die stärkste Zuordnung zu Männern zeigt sich beim technischen Verständnis und der Reisebereitschaft, bei Frauen bei der überdurchschnittlichen Kommunikationsfähigkeit, dem Einfühlungsvermögen, den Fremdsprachenkenntnissen, der sozialen Kompetenz, der Intuition und den Multi-Tasking-Fähigkeiten.
Betrachtet man jene fünf Eigenschaften, bei denen jeweils über 80 Prozent der Befragten angaben, dass diese erfolgreiche Einkaufsspezialisten und Einkaufsspezialistinnen ausmachen, so werden vier dieser fünf Attribute vorrangig Frauen zugeschrieben. Dies sind die Verhandlungsfähigkeit, Belastbarkeit, soziale Kompetenz und Teamfähigkeit. Nur das Durchsetzungsvermögen wird vorrangig Männern zugerechnet.
Stellt man nun diese Ergebnisse der reellen Unterrepräsentanz von Frauen in Einkaufsabteilungen und vor allem dem signifikant geringeren Anteil von Frauen unter Einkaufsleitern und Einkaufsleiterinnen gegenüber, wirft dies die Frage nach den Ursachen des geringen Anteils von Frauen in Einkaufsabteilungen auf. Die vorliegende Studie identifiziert zwar Ursachen wie die mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie und fehlendes technisches Wissen, wobei Letzteres angesichts der Untersuchungsergebnisse aber keine grundlegende Kompetenzanforderung an erfolgreiche Einkäufer oder Einkäuferinnen darstellt. Nichtsdestotrotz sollten sich künftige Untersuchungen eingehender damit auseinandersetzen, ob und wie Frauen, aber auch die Unternehmen selbst von der vorrangig weiblichen Zuschreibung einiger wichtiger Kompetenzen und Fähigkeiten profitieren können.
Die vorliegende Untersuchung geht des Weiteren der Frage nach, ob es signifikante Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Befragten in der Eigenschaftszuschreibung gibt.
Keine signifikanten Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt es bei den Eigenschaftszuschreibungen betreffend sozialer Kompetenz, Fremdsprachenkenntnisse, technisches Wissen, überdurchschnittliche Kommunikationskompetenz, Genauigkeit, Reisebereitschaft sowie Computerkenntnisse.
Signifikante Unterschiede zeigen sich aber gerade bei jenen Eigenschaften, die von den Befragten am häufigsten genannt werden, wenn Eigenschaften, die erfolgreiche Einkaufsspezialisten und Einkaufsspezialistinnen ausmachen, identifiziert werden sollen. So gibt es bei der Verhandlungskompetenz, der Belastbarkeit, dem Durchsetzungsvermögen, der Teamfähigkeit, dem souveränen Auftreten, den analytischen Fähigkeiten sowie der Entscheidungsfreudigkeit signifikante Unterschiede zwischen der männlichen und weiblichen Einschätzung, welchem Geschlecht diese Eigenschaft vorrangig zugeschrieben wird. Insofern mag eine Ursache für die weibliche Unterrepräsentanz von Frauen in Einkaufsabteilungen auch darin begründet liegen, dass männliche Entscheidungsträger wichtige Eigenschaften vorrangig Männern und nicht Frauen zuschreiben. Auch diese Hypothese sollte Ansatzpunkt weiterführender Untersuchungen sein.
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