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Skalen- oder Komplementäreffekte?

Strategische Allianzen
Skalen- oder Komplementäreffekte?

Strategische Allianzen entwickeln sich zu einer entscheidenden Antriebskraft im globalen Wettbewerb. Europäische Unternehmen hatten den Nutzen von Allianzen zwar schon früh erkannt, europäische Allianzen hatten bislang aber nur überwiegend defensiven Charakter.

Dagegen glauben Prof. Bernard Garette und Prof. Pierre Dussauge von der französischen HEC School of Management, daß europäische Unternehmen dynamischere Kooperationsstrategien einschlagen müssen, wenn sie im globalen Wettbewerb mithalten wollen.

In den frühen 80er Jahren entdeckten amerikanische Unternehmen und Wirtschaftstheoretiker gleichermaßen die Geschäftsallianz als neue strategische Waffe. In der Folge wurden Bundesgesetze angepaßt, um diese neue Geschäftspraxis auch vor der geltenden Anti-Trust-Gesetzgebung rechtlich abzusichern. In einer großen Bandbreite von Industriesektoren sind europäische Unternehmen seit mehr als 20 Jahren industrielle Kooperationen eingegangen.
Schon 1962 taten sich die British Aircraft Corporation und die französische Sud Aviation zusammen zur Entwicklung des Überschallverkehrsflugzeugs Concorde. 1967 folgte das paneuropäische Airbus-Konsortium, in dem sich Unternehmen aus Großbritannien, Frankreich, Spanien und Deutschland zusammenfanden.
In einer globalisierenden Wirtschaft sind Allianzen darauf ausgerichtet, international schneller zu expandieren und neue Märkte mit dem Know-how lokaler Partner zügig zu erschließen. Darüber hinaus erlauben es Allianzen einzelnen Partnern, sich auf ihre Ressourcen und Kernkompetenzen zu konzentrieren sowie komplementäre Fähigkeiten der Partner in Feldern zu nutzen, die als nicht kritisch eingestuft werden. Globale Allianzen basieren heute überwiegend auf der Zusammenfügung sich ergänzender Ressourcen und Kompetenzen zwischen den beteiligten Partnern und der Möglichkeit, gemeinsamen Nutzen daraus zu erwirtschaften. Dabei lassen sich Geschäftsfelder gemeinsam erschließen, die der Einzelne allein nicht bewältigen könnte.
Europäische Größen-Addition
Durch die Vermarktung eines gleichen Produkts unter verschiedenen Markennamen (hier z.B. Ford Galaxy, VW Sharan und Seat Alhambra) über parallele Händler-Netzwerke erwarten die beteiligten Unternehmen, ungefähr zweimal soviel Fahrzeuge dieses Typs abzusetzen, wie es die Beteiligten allein schaffen würden. Das Ziel dieser Allianz war überwiegend die Nutzung größerer Skalenvorteile in Entwicklung, Produktion und Distribution und weniger die Nutzung komplementärer Ressourcen oder die Erschließung neuer Märkte.
Durchgeführte Untersuchungen über 256 internationale Allianzen belegen, daß die große Mehrheit, nämlich 84% der innereuropäischen Allianzen überwiegend mit dem Ziel entstanden sind, von erhöhten Skalenvorteilen zu profitieren. Nur 16% hatten die komplementäre Zusammenführung von Ressourcen und Kernkompetenzen sowie die Erschließung neuer Märkte zum Gegenstand. Interkontinentale Allianzen, z.B. zwischen amerikanischen und europäischen, japanischen und amerikanischen oder japanischen und europäischen Unternehmen sind dagegen vorzugsweise komplementär angelegt.
Europäische Unternehmen sind Allianzen u.a. eingegangen, um strategische Nachteile wie fehlende Unternehmensgröße auszugleichen. Viele führende Unternehmen sind Marktführer auf ihren Heimatmärkten, aber im globalen Maßstab dennoch zu klein und wirtschaftlich zu wenig schlagkräftig. Zur Nutzung erhöhter Skaleneffekte haben sich innereuropäische Allianzen zumeist auf gemeinsame Investitionsprogramme, gemeinsam gestreckte Fixkosten und die durchgängige Rationalisierung ihrer Produktionsanlagen konzentriert. Partnerunternehmen steuern gemeinsam Ressourcen und Kompetenzen zur Allianz bei. So gesehen sind solche Allianzen eine Alternative zu Industriekonzentrationen.
In vielen Industriesektoren verbieten es die politischen Rahmenbedinungen einem ausländischen Investor, einen nationalen Marktführer einfach zu übernehmen. Als Folge davon ist Europa übersät mit einer großen Zahl mittelgroßer Unternehmen, die nur wenige Alternativen haben, als sich zu Skalen-Allianzen zusammenzutun, um den Größennachteil gegenüber globalen Wettbewerbern einigermaßen auszugleichen.
Allianzen als globaler Faktor
Allianzen können mit grundsätzlich verschiedener strategischer Zielsetzung formiert werden:
–Komplementäre Allianzen verfolgen marktstrategisch offensive Ziele, während
–Skalen-Allianzen lediglich defensive Strategien und Kostenkonsolidierung zum Gegenstand haben.
Skalenallianzen sollen u.a. Größennachteile der Partner kompensieren. Steht die Allianz, sind Fragen der globalen Wettbewerbsfähigkeit, Erschließung neuer Märkte, Erringung von Technologie- oder Innovationsführerschaft dennoch neu anzupacken.
Komplementäre Allianzen haben schon mit ihrer Formierung die Lösung dieser Fragen zum Gegenstand. Denn zusätzlich zur Größenaddition bringen die Partner komplementäre Ressourcen und Kompetenzen ein. Komplementäre Allianzen sind von Natur aus lernfähiger und auf Kapazitäts- anpassung und -ergänzung ausgelegt. Mit der Zeit wird die Allianz für alle Beteiligten zum permanenten Lernmechanismus, durch welchen jedes Unternehmen seine Kow-how- und Kompetenz-Basis wesentlich erweitern kann.
Derweil kommt in fast 80% aller Skalenallianzen Wissenstransfer gar nicht zustande. Von Anfang an haben die Partner nur gleiche Know-how-Ressourcen und damit wenig voneinander zu lernen. Dagegen führen Komplementärallianzen in mehr als 50% aller Fälle zu Know-how- und Kompetenz-Transfer zwischen den beteiligten Partnern. In 25% aller Fälle überdauern Allianzen sogar veränderte Ergänzungspotentiale der Partner. In 28% der Fälle hätte der Zugewinn an Know-how und Kompetenz einzelne Partner sogar in die Lage versetzt, neue Allianzen selbst anzuführen.
Notwendige Konsequenzen
Mittelfristig ist es sicher als strategischer Nachteil einzustufen, daß nur ganz wenige der europäischen Unternehmens-Kooperationen als komplementäre Allianzen ausgelegt sind. Den meisten europäischen Unternehmen fehlt es noch immer an hinreichend aggressiven Marktstrategien zur Globalisierung ihrer Aktivitäten. Sie können daher auch wenig oder gar nicht von ergänzenden Kompetenzen ihrer Partner zur Erweiterung ihrer eigenen Kernkompetenzen profitieren.
Zwei entscheidende Kriterien sind es, mit denen sich zukünftige von herkömmlichen Allianzen in ihren Organisationsformen unterscheiden:
  • 1.Sie stehen unter der gleichberechtigten Autorität der beteiligten Partnerunternehmen. Komplementäre Allianzen durchleben einen nimmerendenden Anpassungsprozeß. Einzelentscheidungen müssen nicht allseits akzeptiert werden, im Streitfall hilft das Senioritätsprinzip.
  • 2.Die beteiligten Partner verfügen zumeist über mehr Konfliktfähigkeit; hat man sich auf globale Ziele verständigt, können diese mit der Zeit durchaus mit fundamentalen Zielen einzelner Unternehmen kollidieren.
Um daher den größten Nutzen für alle Beteiligten zu erzielen, müssen die Partner nicht nur in der Lage und bereit sein, zur effizienten Steuerung der Allianz beizutragen und eine harmonische Relationship zu pflegen, sondern ebenso seine eigenen Kernkompetenzen durch die Allianz zu erweitern.
Die zahlreichen bestehenden europäischen Allianzen haben den beteiligten Top-Managern hinreichend Erfahrung in der Konfliktbewältigung bei unterschiedlichen nationalen Zielauffassungen vermittelt und sie in die Lage versetzt, Dinge auch ohne formale Autorität auf den Weg zu bekommen. Diese Erfahrungen könnten sich durchaus als Vorteil erweisen, wenn es um die Bildung zukünftiger Allianzen mit globalem Anspruch geht. (ks)
Literatur:
Financial Times: Sonderbeilagen-Serie „Mastering Global Business“, 10 Folgen, 30.01.98 – 03.04.98
Europäische und globale Allianzen
Skalen- Komplementäre
Allianzen Allianzen
Innereuropäische
Allianzen 84% 16%
Interkontinentale
Allianzen 25% 75%
Quelle: HEC-Studie
Nutzen von Skalen-und Komplementär-Allianzen
Skalen- Komplementäre
Allianzen Allianzen
Fortbestand ohne
Know-how-Transfer 57% 31%
Beendet ohne
Know-how-Transfer 22% 16%
Fortbestand mit
Know-how-Transfer 10% 25%
Übernahme und
Fortführung durch
einen Partner 11% 28%
Quelle: HEC-Studie
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