Startseite » Allgemein »

Software für den Durchblick bei den Beständen

Bestandsmanagement
Software für den Durchblick bei den Beständen

SAP (ERP-Systeme) deckt die Grundfunktionalitäten ab – was fehlt und wer macht den Rest?

Andreas Hartwig ist Mitglied der Geschäftsleitung der Miebach Logistik Deutschland GmbH in Frankfurt/Main und betreut das Marktsegment Diskrete Fertigung; Thomas Schlichting ist Berater bei der Miebach Logistik Deutschland GmbH

Die Grundfunktionalitäten des Bestandsmanagements decken die meisten ERP-Systeme wie SAP heutzutage ab. Trotzdem nutzen viele Unternehmen zusätzliche Tools – so genannte Add-Ons – um ihre Bestände optimal zu steuern. Welche Aufgabenstellungen zusätzliche Tools erfordern und inwieweit diese am Markt angeboten werden, ist Inhalt des folgenden Artikels.
Zunächst werden die Aufgabenstellungen eines modernen integrierten Bestandsmanagements beschrieben und hieraus Best-Practise-Anforderungen an IT-Systeme zu deren Unterstützung abgeleitet. Darauf aufbauend findet ein Abgleich mit den Funktionalitäten am Markt erhältlicher Add-Ons speziell auch für SAP R/3 statt. Hierbei hat nur die reine Funktionalität interessiert. Aussagen über Ergonomie, Leistungsfähigkeit, Skalierbarkeit etc. der einzelnen Anwendungen werden nicht getroffen.
„State of the Art“-Bestandsmanagement
Als erstes wird jedem die Disposition der Fertigbestände einfallen, wenn es um Aufgaben des Bestandsmanagements geht. In der Tat ist die Disposition das operative Herzstück im Schnittpunkt diverser Bestandsprozesse. Die Disposition realisiert Bestände. Damit hier das realisiert wird, was im Sinne der Unternehmensziele ist, muss der Disposition eine Planung der Bestandsstrategie und deren Übersetzung in dispositionsrelevante Größen vorausgehen. Basis für die Planung wiederum ist eine detaillierte Analyse der Bestände. Nach Analyse, Planung und Realisierung muss der Erfolg aller Maßnahmen im Rahmen eines Controllings überwacht und gesteuert werden.
Das Bestandsmanagement umfasst die in der folgenden Abbildung dargestellten Bereiche Analyse, Planung, Realisierung und Controlling. Welche Anforderungen ergeben sich für die Systemunterstützung?
Die Bestandsanalyse muss die für Planungszwecke relevanten Bestandsinformationen sichtbar machen und flexibel sowie schnell bereit halten. Häufig benötigt werden nach verschiedenen Dimensionen gruppierte Bestandsinformationen: „Wie viel Bestand haben wir für Artikel mit hohem Umsatz, vielen Auftragspositionen und geringem Wert?” Solche und ähnliche Anfragen müssen kurzfristig und kostengünstig mit einem Klick erledigt sein. Wichtiger als die graphische Ausgabe ist für die Lösung der Planungsaufgaben häufig eine gute tabellarische Darstellung mit rund drei bis vier Gliederungsdimensionen (z.B. Umsatz, Positionen, Preis und Lebenszyklus).
Die Planung der Bestandsstrategie hat zum Ziel, das Bestandsmanagement mit der Unternehmensstrategie zu koordinieren. In den meisten Fällen ist dies ein iteratives Vorgehen, das nur in der Diskussion mit den relevanten Unternehmensbereichen möglich ist. Konkrete Aufgabenstellungen sind:
–Definition der relevanten Serviceziele (z.B. Piece-, Line-, Order-Verfügbarkeit),
–Abgleich Bestandskosten und Servicegrad,
–Vorgabe differenzierter Servicegradziele (z.B. 90% Line-Verfügbarkeit),
–Bestimmung der Auftrags- (make to order) und Bestandsartikel (make to stock),
–Strukturierung Prognose- bzw. Forecastingprozess,
–Übersetzung der Bestandsstrategie in dispositionsrelevante Parameter,
–Planung für Einzelstandorte und Logistiknetzwerke.
State of the Art ist eine Anforderung, die unterstützt durch ein Simulationstool die notwendige Abstimmung der Service- und Kostenziele zwischen Geschäftsleitung, Vertrieb und Logistik/Materialwirtschaft strukturiert und unterstützt. Im Anschluss muss ein direkter Transfer der gefundenen Zielsetzungen in die operativen Systeme erfolgen. Optimal ist die Erweiterung der Planung auf ein Standortnetz, wie es z.B. in der europäischen Distribution häufig vorkommt.
Die Umsetzung der Planungen erfolgt in der Disposition. Hier werden zwei Hauptaufgaben erfüllt: die Bedarfsprognose (Forecasting) und die Generierung von Bestellungen.
Voraussetzung für das Erzeugen von Bestellungen ist immer eine Prognose, welche im einfachsten Fall der Disponent im Kopf durchführt. In vielen Fällen ist eine solche Prognose nicht mehr zeitgemäß. Neben den Standardverfahren ist die Berücksichtigung von Saisonzyklen übers Jahr bzw. innerhalb der Woche, Lebenszyklen, Vertriebsaktionen, Produktneuanläufen und -ausläufen Best Practise. Da die Nutzer mit der Auswahl der vielfältigen Prognosemethoden und der Justierung der noch größeren Anzahl an Kalkulationsparametern häufig überfordert sind, sollte entweder eine kontinuierliche automatische Optimierung möglich sein oder im Rahmen einer Simulation die Vorteilhaftigkeit einer Standardstrategie bewiesen werden können.
Wenn der Forecast aus einer Vertriebsplanung abgeleitet wird, ist die Möglichkeit der flexiblen Aggregation unterschiedlicher Teilpläne entscheidend. Der Forecast muss über Regionen aggregiert (angepasst) und z.B. mit den Prognosen der Produkt-Manager (ohne Regionalbezug) abgeglichen werden.
Die Erzeugung von Bestellungen hat als Basis die Erfüllung der definierten Serviceziele je Artikel und erfolgt immer im Spannungsfeld diverser beeinflusster Kosten. State of the Art ist die direkte Ableitung der Sicherheitsbestände (Bestellzeitpunkte) aus den definierten Servicezielen. Hierzu gibt es klare mathematische Zusammenhänge, die allerdings häufig nicht korrekt implementiert oder angewendet werden. Für die Ermittlung der Bestellmenge sollten neben der klassischen Bestellmengenoptimierung auch die wichtigsten Nebenbedingungen korrekt mit berücksichtigt werden. Hierzu gehört vor allem auch die Frage des optimalen Behälterfüllgrades, die bisher selten gut gelöst wird. Insgesamt kann ein großer Teil der Bestelltätigkeiten automatisch erfolgen. Es sollte aber ein schlüssiger Prozess zur Erkennung und Behandlung von Ausnahmesituationen vorhanden sein, die den manuellen Eingriff des Disponenten erfordern.
Das Bestandscontrolling hat zur Aufgabe, die Zielerreichung zu messen, Abweichungen aufzuklären, um Maßnahmen einzuleiten und damit die Koordination zwischen Planung und Umsetzung zu übernehmen. Best Practise ist eine integrierte Nutzung der Ergebnisse der Planung, d.h. der strategischen und dispositionsrelevanten Ziele sowie deren kontinuierliche Überwachung. Das häufig relativ unabhängig aufgesetzte Controlling erfasst sonst diverse Kenngrößen, koordiniert aber nicht stringent zwischen der strategischen Planung und der operativen Umsetzung.
Notwendige Softwarefunktionalitäten
Abgeleitet aus den dargestellten Aufgabenbereichen wurden jeweils die Standardanforderungen und die Best-Practise-Anforderungen, gegliedert nach den System-Funktionen
– Inventory Visibility,
– Inventory Planning,
– Forecasting,
– Scheduling/Disposition,
– Inventory Controlling und
– Integration,
bewertet. Jeder Funktionsbereich steht in der Regel für die Unterstützung einer spezifischen Bestandsmanagementaufgabe. Der Punkt Integration bewertet einerseits, inwieweit die jeweils angebotenen Module schlüssig integriert arbeiten und ob eine Integration mit SAP bzw. anderen ERP-Systemen gut möglich ist.
Ergebnisse
Das Feld der Anbieter von Add-On-Softwarelösungen teilt sich in zwei Gruppen. Einerseits gibt es die Anbieter reiner Bestands-Management-Software und andererseits Anbieter von Supply-Chain-Management-Software, bei welchen das Bestandsmanagement ein Teil der gesamten Softwarelösung ist.
Während die Anbieter von SCM-Software (SAP-APO, Dynasis, Logility) meist dann geeignete Lösungen anbieten, wenn es sich um ein mehrere Stufen umfassendes zu steuerndes Netzwerk mit geringer Standortanzahl handelt, überzeugen die anderen Anbieter dann, wenn einzelne Standorte innerhalb komplexer Netze unabhängig voneinander geplant und disponiert werden. Dafür lässt sich dann das Serviceniveau je nach Anbieter auch explizit planen, und die Disposition kann für zehntausende Artikel und tausende Lieferanten durchgeführt werden, was die SCM-Software nicht praktikabel leistet.
Allen Produkten gemeinsam ist, dass der Bereich Forecasting auch im Sinne der fortgeschrittenen Anforderungen gut abgedeckt wird. Recht gut gelöst ist in den meisten Fällen auch die Integration der angebotenen Bausteine untereinander und die durchgängige Verbindung mit ERP-Systemen. Die Anforderungen an die Disposition und Inventory Visibility werden im Durchschnitt nur noch befriedigend abgedeckt, und die größten Defizite treten in den Bereichen Inventory Planning und -Controlling auf.
Hier mangelt es vorwiegend an der integrierten Planung des Services und der Umsetzung in dispositionsrelevante Parameter sowie die direkte Verknüpfung des Controllings mit der Planung und Realisierung. In diesem Sinne gibt es keine Lösung, die stringent und durchweg gut das komplette Bestandsmanagement von der Analyse über die strategische Planung bis zur Umsetzung und zum Controlling standardmäßig abdeckt. Gerade durch diese Integration lassen sich aber nach bisherigen Erfahrungen sehr hohe Potenziale im Sinne einer nachhaltigen Serviceverbesserung und Kostensenkung erschließen.
Zusammenfassung
Insgesamt zeigt sich ein positives Bild der angebotenen Add-Ons. Eine Vielzahl an Aufgaben, die im Standard der ERP-Systeme nicht mehr zu erfüllen sind, können abgedeckt werden. Die durchschnittliche Bewertung liegt deutlich über 3 (befriedigend). In die Bewertung ist der reine Funktionalitätenvergleich eingeflossen und nicht alle relevanten Kriterien für eine Investitionsentscheidung (Preise, Ergonomie, Skalierbarkeit, Wartung, etc).
Hilfreich für die konkrete Abwägung einer Ergänzung des eigenen Bestandsmanagementsystems ist zunächst die Vorauswahl zwischen den zwei großen Softwaregruppen. In zentral steuerbaren, überschaubaren Netzwerken ist Supply-Chain-Management-/Advanced-Planning-Software vorteilhaft. Für komplexe, nicht zentral steuerbare Netzwerke und ein großes Artikel- sowie Lieferanten-Sortiment ist spezialisierte Bestandsmanagementsoftware erste Wahl.
Im nächsten Schritt sollten im Rahmen einer Potenzialanalyse die Funktionsbereiche mit den größten Potenzialen und deren konkrete Höhe bestimmt werden. Hierauf aufbauend lassen sich die geeigneten Anbieter unter Berücksichtigung der teilweise stark ausgeprägten Funktions- und Branchenfokussierung bestimmen und nach Ermittlung der Systemkosten auch eine schlüssige Wirtschaftlichkeitsbetrachtung durchführen. In den meisten Fällen lassen sich im Bestandsmanagement noch immer sehr hohe Potenziale relativ kurzfristig realisieren.
Aktuelles Heft
Titelbild Beschaffung aktuell 4
Ausgabe
4.2024
PRINT
ABO

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de