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Sparen, strecken, sichern

Seltene Erden: Das wäre gegen Lieferengpässe zu tun
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Experten raten zu einem sparsamen Umgang in Bezug auf die Rohstoffgruppe Seltene Erden und zum Abschluss langfristiger Lieferverträge. Sichern heißt: Bestände für den Notfall aufbauen, ebenso Kontakte zu Lieferanten in den Förderländern.

Seit Chinas Bekanntmachung der Exportreduzierung von Seltenen Erden um rund 35 Prozent gegenüber dem Jahr 2010 berichten die Medien in zunehmendem Maße über mögliche Versorgungsengpässe bei diesen Metallen.

Parallel dazu haben sich die Rohstoffpreise von Seltenen Erden deutlich erhöht. Der Preis von Samarium entwickelte sich beispielsweise von 3,40 USD/kg im 2. Quartal 2010 auf 14,40 USD/kg im 3. Quartal 2010. Chinas Lieferanten von Seltenen Erden deckten 2010 mit knapp 97 Prozent nahezu als Monopolisten die gesamte Weltnachfrage – die ständig steigt. Denn diese Metalle sind unverzichtbarer Bestandteil in der Herstellung von Flachbildschirmen, Lasern, Smartphones, leistungsstarken Akkus, Halbleitern und Windturbinen. Im Jahr 2009 wurden rund 124 000 t Seltene Erden gehandelt; im Jahr 2012, so die derzeitigen Prognosen, kann der Bedarf auf bis zu 190 000 t ansteigen. In den Medien wird der Eindruck vermittelt, dass sich die Unternehmen auf Versorgungsengpässe einstellen und mit hohen Materialkosten rechnen müssen. Aktuelle Veröffentlichungen zeigen hierfür keine einheitlichen Strategien und Vorgehensweisen zur Risikominimierung. Es findet sich bisher auch keine schlüssige Empfehlung für die Unternehmen, die die spezifische Versorgungssituation berücksichtigt.
Eine Expertenbefragung im Bereich Einkauf und Lieferantenmanagement soll die Frage beantworten, welche Auswirkungen die Exportbeschränkung auf betroffene Unternehmen hat. Drei Kernaussagen und Handlungsempfehlungen kamen dabei heraus.
1. Preisanstieg
Die größte Überraschung der Befragung ist, dass die überwiegende Mehrheit (ca. 60 %) der Experten vermutet, dass es zu keinen einschneidenden Lieferengpässen bei der Versorgung mit Seltenen Erden kommt.
Der maßgebliche Grund dafür ist, dass die benötigte Menge an Seltenen Erden pro Produkteinheit verhältnismäßig gering ist. Die Experten vermuten mehrheitlich, dass die beschlossene Exportbeschränkung Chinas zu einem deutlichen Preisanstieg der Rohstoffe führen wird. Dieser — so die weitere Vermutung — wird jedoch aufgrund des minimalen Mengenanteils keine folgenschweren Auswirkungen auf die Produktkosten haben.
2. Exploration weiterer Vorkommen
Seltene Erden sind keineswegs so selten wie ihr Name vermuten lässt. Sie kommen jedoch nur vereinzelt in hoher Konzentration vor, sodass bei den bisherigen Rohstoffpreisen der Abbau in vielen Regionen nicht ausreichend wirtschaftlich betrieben werden kann. Sollte gemäß der allgemeinen Vermutung der Rohstoffpreis in den kommenden Monaten weiter steigen, werden andere Förderländer den Abbau von Seltenen Erden wieder aufnehmen. Dennoch wird vermutet, dass die vollständige Kompensation des Angebotsrückgangs erst im Jahr 2015 erreicht wird.
3. Handlungsempfehlungen
Eine kleine Gruppe der Befragten (ca. 10 %) bereitet sich auf Lieferengpässe bei der Versorgung mit Seltenen Erden vor. Diese Expertengruppe hat diverse strategische Instrumente entwickelt, die sich zur Risikominimierung und Sicherung der Rohstoffversorgung eignen. Sie rät speziell zu einem sparsamen Umgang in Bezug auf die Rohstoffgruppe und zum Abschluss langfristiger Lieferverträge. Der sparsame Umgang mit diesen Metallen setzt die Vermeidung jedweder Verschwendung in der Prozesskette voraus. Zudem erwarten die Experten durch entsprechende Regierungsinitiativen eine Verbesserung der Liefersituation. Die Bundesregierung hat bereits reagiert und mit der Gründung der Rohstoffagentur im Oktober 2010 eine zentrale Einrichtung für Fragen der Verfügbarkeit und aktueller Marktentwicklungen, Studien und Initiativen, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen, geschaffen. Der Fokus liegt dabei auf einem Informationssystem zur Verfügbarkeit von Rohstoffen, insbesondere bei Hightech-Metallen. Als flankierende Maßnahmen raten die Experten, bei Seltenen Erden verstärkt auf Vorratshaltung zu setzen und sich entsprechende Sicherheitsbestände vorzuhalten. Dies kann makroökonomisch zur Folge haben, dass sich die Marktnachfrage sprunghaft nach oben bewegt und in der Konsequenz zu Liefer- und mit entsprechendem Versatz zu Versorgungsengpässen führt.
Ein weiteres Instrument zur Absicherung ist der Rohstoffeinkauf im jeweiligen Förderland. In diesem Fall rechnen sich die Experten höhere Chancen bei der Zuteilung von Kontingenten aus. In den sogenannten Industrienationen teilen sich viele Unternehmen die Vorräte und Kontingente von wenigen regional agierenden Händlern. Wenn die Einkäufer direkt auf die Lieferanten in den Förderregionen zugehen, erwarten sie sich daher höhere Chancen in Bezug auf die Rohstoffbelieferung.
Eine geringere Bedeutung in der Vermeidung von Lieferengpässen bei Seltenen Erden wird laut Aussage der Experten dem Instrument der Verbandsinitiativen beigemessen, da deren Einfluss vermutlich als zu gering eingeschätzt wird. Als langfristig erfolgversprechendstes Instrument der Rohstoffversorgung mit Seltenen Erden wird die Möglichkeit des Recyclings angesehen. Derzeit gibt es jedoch nur wenige Forschungsinstitute, die sich dieses Themas angenommen haben. Eines davon befindet sich in Japan, dem Land, das sich aufgrund der hohen Nachfrage ebenfalls sehr intensiv mit der Versorgungssicherung von Seltenen Erden befasst. Ein weiteres befindet sich in Deutschland, das sich mit dem Recycling von Seltenen Erden aus Energiesparlampen befasst. Es wird erwartet, dass aufgrund der steigenden Nachfrage nach Seltenen Erden der Bedarf an Recycling von Seltenen Erden rasant zunimmt. Derzeit werden aufgrund des hohen Aufwandes und des geringen Vorkommens in Abfallprodukten jedoch noch keine Seltenen Erden recycelt.
Fazit: mehr gelassenheit
Die befragten Experten sehen der Rohstoffversorgung mit Metallen der Erzeugnisgruppe der Seltenen Erden zumeist recht gelassen entgegen. Dennoch beschäftigt sich eine Gruppe intensiv mit den Risiken der Verknappung und plant eigene Maßnahmen zur Risikoreduzierung bzw. Risikovermeidung. Kurz- und mittelfristig setzen die befragten Experten dieser Gruppe hauptsächlich auf den Abschluss von Lieferverträgen mit verlängerten Laufzeiten und auf den Erfolg entsprechend eingeleiteter Regierungsinitiativen. Langfristig setzen die Unternehmen auf neue Förderregionen und das Recycling der Seltenen Erden. Die weitere Entwicklung hängt von einigen Unsicherheiten, wie beispielsweise Preis- und Nachfrageentwicklung, ab sowie der Möglichkeit der Schließung der Nachfragelücke durch eine Erhöhung der Rohstoffförderung aus alternativen Förderregionen.
Es scheint unstrittig, dass Hightech-Produkte vorerst weiterhin Seltene Erden bei der Produkterzeugung benötigen und dass die Auseinandersetzung mit den möglichen Supply-Chain-Risiken durchaus gerechtfertigt ist.
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