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Spielregeln für Partnerschaften

Kostenoptimierung in der Transportkette
Spielregeln für Partnerschaften

Um den heutigen und zukünftigen Anforderungen in der Automotive-Lieferkette gerecht zu werden, arbeiten die Konzerne an weiteren Optimierungen in der Zusammenarbeit mit ihren Prozesspartnern. Dabei reicht der Instrumentenkasten von der klassischen Qualifizierung bis zur Einführung neuer globaler EDI-Nachrichten.

Als wesentlichen Erfolgsfaktor für die Zukunft hat Europas größter Autobauer ein hocheffizientes globales Lieferantennetzwerk ausgemacht: „Es wird in Zukunft stärker auf das Netzwerk der gesamten automobilen Wertschöpfungskette ankommen“, so Dr. Francisco Javier Garcia Sanz, Mitglied des Vorstands der Volkswagen AG für den Geschäftsbereich Beschaffung, im Rahmen der diesjährigen Auftaktveranstaltung der Initiative „Volkswagen FAST“, in deren Rahmen die Zusammenarbeit mit Lieferanten neu definiert und die Produktionsnetzwerke zwischen Volkswagen und seinen Partnern noch enger aufeinander abgestimmt werden sollen, um weitere Synergien zu schaffen und optimal zu nutzen.

In diesem Zusammenhang steht bei Volkswagen fast selbstverständlich auch der Inbound-Prozess auf dem Prüfstand, der die Abholung der Teile bei den Lieferanten durch Spediteure und deren Transport in die einzelnen Werke umfasst. Der Konzern ist in diesem Bereich bereits seit vielen Jahren aktiv und pflegt klassische Instrumente der Prozess- und Transportkostenoptimierung. In der Netzwerkoptimierung kommen verschiedene Lösungen zum Einsatz. Vor und während der Ausschreibungen finden Simulationen von Netzwerken statt. Ein Gebietsspeditionsnetzwerk wird durch über 20 Logistikdienstleister gebildet. Volumen werden über verschiedene Konsolidierungspunkte gebündelt. Hinzu kommen kontinuierliche Verbesserungsprozesse (KVP) und Zeitfenstersteuerung sowohl in den Werken als auch bei den Konsolidierungspunkten. Im Rahmen einer starken Transportladungssegmentierung sind Komplettladungen und Milkruns neben Teilladungsverkehren im Einsatz. Weitere Aktivitäten finden im Bereich Standardisierung und Benchmarking statt.
Allerdings haben die Akteure im Status quo zunächst ihre eigenen Prozesse im Blick. Volkswagen operiert in der eigenen Netzwerkoptimierung, die Vertragsspediteure optimieren ihre Prozesse und im Fokus der Lieferanten stehen vor allem deren Versandprozesse. Doch aus der Summe der Einzelaktivitäten und -optimierungen ergibt sich nicht zwangsläufig ein Gesamtoptimum. Es besteht weiteres Verbesserungspotenzial an den Schnittstellen. So gibt es, wenn Lieferanten mit Spediteuren im Netzwerk zusammenarbeiten, die Tendenz bei den Lieferanten, Öffnungszeiten zu reduzieren, oder bei Spediteuren, in Netzwerkverkehren das Thema „Flexibilität bei Abholung“ zu spielen und eher vage Termine zu kommunizieren. „Wir sehen hier in der Zusammenarbeit eindeutig weiteres Potenzial für Prozessoptimierungen“, erklärt folgerichtig Dr. Ansgar Hermes, Leiter Logistisches Prozesspartner Management, Volkswagen Logistics GmbH & Co. OHG, Wolfsburg. Dieses Team fungiert als Schnittstelle und ist dafür zuständig, gemeinsam mit Dienstleistern und Lieferanten den gemeinsamen Inbound-Prozess zu optimieren. Dabei gehört die Übermittlung von Prozessregeln und Versandvorschriften an die Prozesspartner zu den Basisaufgaben. „Wir merken allerdings auch, dass in der Beziehung zwischen Spediteuren und Lieferanten ein gewisses Eigenleben existiert, so dass wir die Partner entsprechend qualifizieren und dazu anhalten, diese Regeln auch einzuhalten“, so Hermes. Mit den Dienstleistern werden Kennzahlen-Bewertungen durchgeführt, in welcher Qualität die Lieferanten eigentlich Ware bereitstellen und avisieren, wie alles tatsächlich funktioniert. Im nächsten Schritt geht der OEM dann auf die Lieferanten zu, um mehr Transparenz in deren Zusammenarbeit mit dem Spediteur zu bekommen, über den Volkswagen Ware abholt.
Dieser Ansatz wurde gewählt, weil in den vergangenen Jahren die Anforderungen an den Inbound-Prozess sowohl intern als auch kosten- und prozessseitig stetig gestiegen sind: „Wir haben immer höhere Anforderungen an die Informations- und Materialflüsse“, bestätigt Hermes. „Wir würden uns natürlich einheitliche Abrufe an unsere Partner wünschen, die sowohl im Format einheitlich sind, als auch in gewissen Kapazitätskorridoren der Lieferanten passieren.“ Vordringlich ist sicher auch, dass die Lieferanten korrekt die Spediteure am Vortag des Transports beauftragen, vor allem das Volumen stimmt und eine pünktliche Abholung erfolgt. Das Ziel ist natürlich eine zeitgerechte Anlieferung in den VW-Werken.
Was im logistischen Tagesgeschäft eigentlich zu den Selbstverständlichkeiten gehören sollte, erweist sich in der Praxis immer wieder als anspruchsvolles Aufgabenspektrum, das regelmäßig analysiert und mit passenden Lösungen einem Optimum zumindest nahe gebracht werden muss. So sind immer wieder Abweichungen bei den Avisierungen festzustellen, zudem stimmen die Volumina nicht mit dem wirklich bereitgestellten Material überein. Hinzu kommen ungeplante Standzeiten bei der Abholung, aber auch Verspätungen. Außerdem verursachen begrenzte Öffnungszeiten bei den Lieferanten, teilweise nicht stapelfähige Verpackungen oder Probleme bei Lieferscheinen, DFÜ oder Behälterlabeln Unregelmäßigkeiten in den Prozessabläufen. „Wir haben festgestellt, dass es für die meisten Probleme immer einen guten Grund gibt. Bösen Willen haben wir in den meisten Fällen jedenfalls nicht bemerkt“, so die Bewertung des VW-Logistikers Hermes.
Eine ganz zentrale Bedeutung für die Planungssicherheit hat dabei die Kommunikation des Abholzeitpunktes. Daher will der OEM auf diesen Punkt sein verstärktes Augenmerk richten. Konkret kann im Gebietsspeditionsbereich zwischen sechs und 20 Uhr abgeholt und von einer Abwicklungszeit von 60 Minuten beim Lieferanten ausgegangen werden. Da es eine gewisse Herausforderung im Gebietsspeditionswesen darstellt, drei oder fünf Stationen im Nahbereich anzufahren, wurden in Absprache mit den Logistikdienstleistern Korridore bzw. Zeitfenster von drei Stunden entwickelt, die dann eine einstündige Abwicklungszeit beim Lieferanten sicherstellen sollen. Eskalationsmaßnahmen sollen dann greifen, wenn dieses Konzept im einen oder anderen Fall doch nicht funktioniert.
Als einen der eigenen Beiträge zur Optimierung der Inbound-Prozesse führt der Konzern im Bereich EDI neue Abrufformate für die Lieferanten ein. Diese gehen auf die Ergebnisse des VDA-Arbeitskreises „Kommunikations- und Informationstechnologie“ (KIT) zurück. Die alten VDA- und ODETTE-Edifact-Formate werden im Verlauf der Umstellung sukzessive ersetzt. Den Auftakt bildet die Migration der Abrufformate, wie z.B. Lieferabruf (VDA 4905) und Feinabruf (VDA 4915). Diese Nachrichten werden ersetzt durch die Global-DELFOR-Nachricht (VDA 4984). Die alten Nachrichten werden Ende 2016 abgeschaltet. Mit dem Einsatz der VDA 4984 wird die Lieferantennummer nur noch 10-stellig für VW und Audi gesendet. Ziel ist es, von acht verschiedenen Abrufformaten auf ein Format zu kommen. Damit soll eine transparente und flexible Prozessunterstützung erfolgen, da die Prozesskennzeichen eine eindeutige Verarbeitung der Nachricht erleichtern. Mehr Sicherheit erwächst aus der zusätzlichen Übermittlung von nicht codierten Informationen wie beispielsweise Abladestelle oder Disponentendaten.
Mit dem immer globaleren Netzwerk eines OEM wie VW steigen auch für die großen und mittleren Zulieferer die Anforderungen in ihrer eigenen Netzwerkplanung. Marktführende Konzerne wie der Reifenhersteller Continental sind bereits in den vergangenen Jahren quasi „mitgewachsen“ und verzeichnen vor allem in Richtung Asien sowie Nord- und Südamerika ein stark wachsendes Geschäft. Während dieses Geschäft in erster Linie über Seefrachten abgewickelt wird und den Hersteller vor allem vor organisatorische Aufgaben im Zuge des Market Entry stellt, haben auch die innereuropäischen Transporte von den insgesamt acht Werken (inkl. Russland) zum Kunden einen hohen Anteil an den anfallenden Transportkosten. In diesem eigentlich gesättigten Markt geht es für den Zulieferer vor allem um weitere Optimierungen der Distributionskosten. Hier operiert Conti Reifen in drei Bereichen, um Strukturen und Kosten zu optimieren.
Im ersten Bereich Supplier Management erfolgt dies unter den Stichworten „Messen“, „Treffen“ und „Partnerschaft“. Im ersten Fall geht es vor allem um Kundenzufriedenheits-KPI’s und zahlreiche Sub-KPI’s. So wird die komplette Seefrachtkette hinsichtlich ihrer Performance an bestimmten Punkten gemessen. Des Weiteren steht die EDI-Anbindung zum Partner, die nahe bei 100 Prozent liegt, im Fokus. Im zweiten Fall gehören Review Meetings und Supplier Rating zu den Aktivitäten. Bei regelmäßigen Treffen mit den Dienstleistern werden aktuelle Fragen besprochen, aber auch neue Entwicklungen diskutiert. Im europäischen Landverkehr hatte Conti vor rund acht Jahren noch über 200 Dienstleister im Einsatz, diese hohe Zahl aber zwischenzeitlich auf lediglich fünf reduziert. Inzwischen ist diese Zahl angesichts einiger Spezialisierungen und erhöhter Kapazitätsanforderungen wieder auf 40 angestiegen. Mit den Dienstleistern entsteht naturgemäß ein erheblicher Koordinierungs- und Kommunikationsbedarf, auch wenn ein Großteil des Umsatzes auf relativ wenige Partner entfällt. Jeder größere Dienstleister wird jährlich bewertet und erhält ein detailliertes Rating in vier Kategorien. Das Ziel: Die Logistikpartner sollen auf weiteres Verbesserungspotenzial sensibilisiert werden.
Im zweiten großen Bereich stehen die Einkaufsstrategien im Mittelpunkt. Hier reicht das Spektrum vom Set-up über die Vertragsgestaltung bis zu Strukturüberlegungen. Beim Set-up hat sich das Unternehmen in der Seefracht mit großen Partnern wie CMA auf direkte Carrier-Verträge mit verschiedenen Laufzeiten fokussiert. Weitere 40 Prozent des Volumens werden jährlich ausgeschrieben. Hier sind weitere zehn Carrier im Boot. Als dritter Baustein sollen per Transport Management System (TMS) im Live-Tendering Preise angefragt werden.
Vor Einführung des TMS waren Frachtkosten nicht wirklich transparent. Abweichungen und Schwankungen konnten nicht wirklich dezidierten Ursachen wie Währungseffekten oder Ölpreisvolatilitäten zugeordnet werden. „Wir hatten vorher eine Art Bunker-Effekt, es war viel raten, viel glauben und viel Bauchgefühl“, blickt Matthias Pfingstmann, zuständig für den Bereich Qualität und Transporte weltweit bei Tire Logistics, Warehousing & Distribution, Continental Reifen Deutschland GmbH, Hannover, auf diese Zeit zurück. Mit dem 2013 live gegangenen TMS wurde hier die nötige Transparenz geschaffen. Aus der Einführung von TMS sind auch Single Price Items geboren, um anstelle von Flatrates mehr Transparenz in der Preisgestaltung zu schaffen sowie Zusatzkosten zu vermeiden.
Im dritten Bereich aktives Controlling wurde ein Standard Monitoring mit dem Ziel implementiert, Preisabweichungen zu identifizieren und zu durchleuchten. Ein Standard Pricing ist an die Stelle manueller Preiseingaben getreten. Über definierte Standard Reports hat jeder Beteiligte die Möglichkeit, verschiedenste Analysen zu fahren. Das reicht bei der Kostenanalyse von der Werk-Land-Kombination bis zum Endkunden. „Wir haben jetzt die volle Transparenz über die gesamte Kette“, freut sich Conti-Logistiker Pfingstmann. Um alle Potenziale zu heben, Transportkosten zu vermeiden oder zu optimieren, seien alle drei Handlungsbereiche erforderlich. Am Ende winken dann zählbare Einsparungen, bei Continental Reifen schlugen, neben den weiter vorhandenen individuellen Vereinbarungen, immerhin Savings in der Größenordnung von monatlich 65 000 Euro zu Buche.
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