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Spot-Markt-Konzepte erfolgreich umsetzen

Best-Practice-Beispiel
Spot-Markt-Konzepte erfolgreich umsetzen

Spot-Markt-Konzepte erfolgreich umsetzen
Einkauf elektronischer Bauelemente nach dem Spot-Markt-Konzept
Eine Vielzahl von Einkaufsorganisationen der unterschiedlichsten Branchen setzen sich täglich mit Beschaffungsmärkten auseinander, die in Angebot und Nachfrage sehr starken Schwankungen unterliegen. Preiskurven und Verfügbarkeit von Produkten sind in ihrer Entwicklung nur schwer berechenbar oder vorhersehbar. Um Versorgungssicherheit und Preisstabilität zu erzielen, werden häufig langfristige, einfach handhabbare Lieferkontrakte geschlossen, aus denen im Bedarfsfall nur noch die Bedarfsmenge abgerufen wird.

Martin Eger ist Principal, Frank Bröker ist Manager bei Droege & Comp. Internationale Unternehmer-Beratung, Düsseldorf

Wer jedoch auf solchen dynamischen Beschaffungsmärkten Produkte zu Best-Preisen einkaufen will, muß diese Märkte wie Rohstoff- oder Devisenmärkte betrachten. Wie für diese spezifischen Märkte eine wesentliche Verbesserung der Einkaufsposition entwickelt und umgesetzt wird, zeigt das nachfolgende Best- Practice-Beispiel aus der Elektronikindustrie. Für das Einkaufsfeld „elektronische Bauteile“ wurde in einem Multiple-Sourcing-Ansatz ein modifiziertes Spot-Markt-Modell entworfen, das in seiner Anwendung in der operativen Beschaffung zu erheblichen Einsparungen führte.
Die Frage nach den geeignetsten Lieferantenstrategien wird in den Einkaufsabteilungen täglich aufs neue gestellt. Ausgehend von gezielten Analysen in den jeweiligen Einkaufsfeldern und ihrer möglichen Beschaffungsquellen lassen sich spezifische Strategien ableiten. Die Festlegung der richtigen Lieferantenanzahl je Beschaffungsfeld ist hierbei einer der am meisten diskutierten Aspekte. Steht beim Single Sourcing eher die intensive Lieferantenbeziehung oder eine Wertschöpfungspartnerschaft im Vordergrund, so werden beim Multiple Sourcing mehrere Lieferanten (für ein Produkt) im klassischen Wettbewerb gegeneinander herangezogen, um die besten Einkaufskonditionen zu erzielen und die Versorgungsrisiken zu minimieren.
Einzukaufende Produkte oder Leistungen, die einen hohen Standardisierungsgrad besitzen, untereinander technisch vergleichbar (Low-tech-Produkt, Commodity) sind oder über eine geringe Transaktionskomplexität verfügen, können in der Regel bei mehreren Lieferanten national oder auch international bezogen werden. Durch diese breite Lieferantenbasis kann die Versorgungssicherheit für diese Produkte deutlich erhöht werden, insbesondere zum Beispiel bei Lieferausfällen oder bei der Abdeckung von Bedarfsspitzen. Im Gegensatz zum Single Sourcing verhindert der Abnehmer beim Multiple Sourcing durch die Austauschbarkeit der Beschaffungsquellen, in die Abhängigkeit seiner Lieferanten zu geraten und baut damit seine Nachfragemacht aus. Multiple Sourcing kann jedoch nur dann eingesetzt werden, wenn ausreichend viele Lieferanten am Beschaffungsmarkt vorhanden sind, diese den stärkeren Wettbewerb akzeptieren und sich dem Wettbewerb in einer fairen Abnehmer-Lieferanten-Beziehung (ohne Preisabsprache, verdeckte Kartelle etc.) aussetzen.
Ausgangslage
Im nachfolgend beschriebenen Beispiel geht es um einen Geschäftsbereich eines internationalen Konzerns. Der Umsatz dieses Bereiches beträgt etwa 500 Mio. DM und der Materialaufwand rund 200 Mio. DM. Mit einem Einkaufsvolumen von ca. 20 Mio. DM ist die Materialgruppe Elektronische Bauteile ein erheblicher Beschaffungsblock.
Im Unternehmen wurden bisher alle elektronischen Bauteile wie Halbleiter, integrierte Schaltkreise, Kondensatoren, Leiterplatten, Widerstände etc. über automatische Bestellungen beschafft; für jedes Teil war in der Bestelldatei genau ein Lieferant mit festgesetztem Preis gespeichert. Die Datei wurde routinemäßig etwa einmal pro Jahr auf Basis jährlicher Ausschreibungen sowie der Jahres- und Konditionengespräche mit den laufenden Lieferanten aktualisiert. Ziel war eine möglichst schnelle und einfache Bestellabwicklung zur Reduktion der Kosten und Arbeitszeit im Einkauf. An Einzelbeispielen konnte jedoch gezeigt werden, daß die gespeicherten Preise deutlich über Marktniveau lagen.
Der Markt für elektronische Bauelemente, vor allem derjenige für Halbleiter und integrierte Schaltkreise, ist äußerst dynamisch in Angebot und Nachfrage: Man findet im Jahresverlauf stark schwankende Preise mit insgesamt fallender Tendenz aufgrund ständiger Neu- oder Weiterentwicklungen. Damit ähnelt dieser Markt den „klassischen” Spot-Märkten wie Devisen- oder Rohstoffmärkten (Öl, Metalle etc.), jedoch werden die Preise nicht direkt an Börsen gehandelt. Andererseits hat man es bei elektronischen Bauelementen mit einer großen Produktvielfalt zu tun, die eine Marktbearbeitung wie bei „Rohstoffen” unmöglich macht. Die Frage nach der Übertragbarkeit der Beschaffungsstrategie in klassischen Spot-Märkten auf den Markt elektronischer Bauelemente lag demnach nahe:
–Wie ist ein Einkauf zu marktgerechten Preisen beziehungsweise die Realisierung von Tagesbestpreisen auch bei elektronischen Bauelementen umzusetzen?
–Wie kann der Beschaffer Preisschwankungen einschließlich des in der Summe erheblichen Preisverfalls optimal nutzen?
Konzeption
Zunächst ging es um die Differenzierung der Märkte der zu beschaffenden Produktgruppen: Welche Märkte gleichen klassischen Spot-Märkten und welche nicht? Generelle Voraussetzung für einen Spot-Markt, der sich nicht um Rohstoffe oder Devisen dreht, ist ein hoher Standardisierungsgrad der gehandelten Produkte. Um einen Markt als Spot-Markt zu identifizieren, sind folgende Preis- und Mengenaspekte geeignete Indikatoren:
  • 1.Starke Preisschwankungen bei Verfolgen des Preisniveaus einzelner Bauteile über einen längeren Zeitraum,
  • 2.im Jahresverlauf stark variierende Verfügbarkeit der Bauteile am Markt,
  • 3.erhebliche Preisunterschiede zwischen verschiedenen Anbietern,
  • 4.deutliche Differenzen beim „Liefergrad” verschiedener Anbieter (Verhältnis lieferbarer Bauteilarten zu angefragten Bauteilarten).
Die Aspekte 1. und 2. sind notwendige Bedingungen, die Aspekte 3. und 4. eher Folge- oder Nebenerscheinungen.
Im vorliegenden Fallbeispiel wurde entschieden, den Markt für Halbleiter und integrierte Schaltkreise als Spot-Markt zu behandeln. Welche Forderungen ergeben sich nun für den Einkauf von Halbleiter und integrierten Schaltkreisen in einem Spot-Markt?
Der Einkauf zu marktgerechten Preisen, das heißt zu Bestpreisen, ist nur möglich mit höchster Flexibilität bei der Bearbeitung jedes einzelnen Beschaffungsfalls. Hierfür sind die organisatorischen (Aufbau- und Ablauforganisation) und fachlichen Voraussetzungen (Qualifikation des Einkäufers) zu schaffen. Im einzelnen zählen dazu:
–Stop der automatischen Abwicklung von Bestellungen,
–Aufbau detaillierter und umfassender Kenntnis des Marktes hinsichtlich Anbietern und Preisen,
–Klärung technischer Spezifikationen/Anforderungen schon im Vorfeld in interdisziplinären Teams (Einkauf, Technik, Qualitätssicherung),
–keine langfristigen Lieferantenverträge mit Preisbindung (möglich sind jedoch Rahmenverträge ohne Abnahmegarantie und ohne Preisfestlegung),
–freie Hand für den einzelnen Einkäufer im Beschaffungsfall.
Umsetzung
Der erste Schritt bestand in einer Datenanalyse im beschaffenden Unternehmen, das heißt eine Bedarfsanalyse und die Definition eines Referenzspektrums. Der zweite Schritt war eine umfassende Marktanalyse. Dabei wurde im Rahmen einer weltweiten Ausschreibung ein detaillierter Angebotsvergleich bezüglich Preisen, Qualität, Liefergrad pro Anbieter/Kapazität und Lieferzeiten/Logistik durchgeführt sowie technische Fragen wie Substitutionsmöglichkeiten geklärt. Ergebnis war die Identifikation eines Pools aus günstigen Lieferanten/Preisführern mit breitem Lieferspektrum, weil im vorliegenden Fallbeispiel keine Anbieter mit einem Liefergrad von 100% zu finden waren.
Im dritten Schritt erfolgte im Bedarfsfall eine erneute Angebotseinholung und Nachverhandlung bei mehreren Lieferanten aus dem Pool. Dafür wurden Einzelanfragen, entsprechend jeweils einer zweiten Anfrage, telefonisch oder per Fax durchgeführt. Nach dem Eingang des zweiten Angebotes folgte ein erneuter Preisvergleich durch die Einkäufer und schließlich die Mitteilung der Bestpreise an die Lieferanten mit der Aufforderung zur Abgabe eines dritten Angebots (last call).
Der vierte Schritt war schließlich die Ausführung der Bestellung. Nach der Entscheidung über Liefermengen pro Anbieter erfolgte die Auslösung der Bestellung im Einkaufssystem. Den direkten Nutzen dieser Vorgehensweise bei der Beschaffung von insgesamt etwa 33.000 Stück von 14 verschiedenen Intel-Bausteinen verdeutlichen folgende Zahlen:
Einkaufsvolumen bei alten Preisen des gespeicherten Lieferanten: 475.000 DM; beim neuen Angebot des gespeicherten Lieferanten: 432.000 DM; beim ersten Angebot eines Konkurrenten: 456.000 DM; beim zweiten Angebot des gespeicherten Lieferanten: 274.000 DM; beim zweiten Angebot des Konkurrenten: 289.000 DM; beim letzten Angebot des gespeicherten Lieferanten: 266.000 DM und beim letzten Angebot des Konkurrenten: 260.000 DM.
Die Verhandlungen mit mehreren Lieferanten und die gezielte Nachverhandlung erbrachten in dem hier dargestellten Fallbeispiel eine ausgabenwirksame Einsparung von 215.000 DM oder 45%. Projekterfahrungen zeigen, daß auch in anderen Branchen durch die Anwendung eines Spot-Markt-Ansatzes erhebliche Einsparungen und Best-Konditionen zu erzielen sind.
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