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Steuern eines global verteilten Beschaffungsnetzwerks

Weltweit einheitliche Kodierungen, Werkzeuge und Prozesse
Steuern eines global verteilten Beschaffungsnetzwerks

Die Bayer AG, Leverkusen, ist im Rahmen des 37. BME Symposiums Einkauf und Logistik in Berlin im November mit dem BME Innovationspreis 2002 ausgezeichnet worden. Der BME belohnt seit 1986 zukunftsfähige Konzepte im Bereich Einkauf und Logistik, die von Industrie-, Handels- oder Dienstleistungsunternehmen in Deutschland verwirklicht wurden.

Das Konzept muss sich ertragreich für das Unternehmen und nützlich für die Marktpartner ausgewirkt haben. Es soll zeigen, dass die sinnvolle Anwendung des materialwirtschaftlichen Instrumentariums entscheidend zum Erfolg des Unternehmens beigetragen hat.

Bayer betritt mit der Ausrichtung der Beschaffungsfunktion auf eine strategische Holding Neuland. Ziel ist ein flexibles organisationsresistentes Beschaffungsnetzwerk. Dabei werden die operativ selbstständigen Teilkonzerne und Servicegesellschaften von der Holding dort zusammen- gehalten, wo es wirtschaftlich sinnvoll ist. Die Bayer Business Services haben die Aufgabe, das Fundament für den gemeinsamen Einkauf auszubauen.
Mit der übertragenen Federführungs-Funktion wird sichergestellt, dass der Konzern weltweit einheitliche Kodierungen benutzt, dass Prozesse harmonisiert bleiben und DV-Systeme weiter zusammen- passen. So ist z.B. die Nutzung der Verträge für alle möglich. Die Einkäufer sind nah an Produktion und Technik; sie können die Spezifikationen der Einkaufsgüter bis hin zu Industriestandards vereinfachen.
„Der Preis wird der Bayer AG zuerkannt, weil es gelungen ist, den Bewertungskriterien Innovation, Übertragbarkeit und Effizienzsteigerung im Unternehmen in besonderer Weise Rechnung zu tragen“, so der BME-Vorstandsvorsitzende Ulrich Fricke. Dr. Gerhard Römer, Leiter Beschaffung und Logistik bei den Bayer Business Services, nahm die Urkunde während der Symposiums-Abendgala aus den Händen von Ulrich Fricke und Prof. Dr. Hans-Jörg Bullinger, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, München, entgegen.
Konzernbeschaffung global gesteuert
Global gesteuerte Beschaffung im Jahr 2002: Beim Werksleiter einer pharmazeutischen Produktionsanlage im mexikanischen Lerma ruft der regionale Vertriebsleiter an. Die Verpackung einiger Produkte soll innerhalb von vier Wochen auf eine Glasverpackung umgestellt werden. Der Werksleiter kann die Lösung dieser Aufgabe rasch auf den Weg bringen. Über das Tool „ProView“, ein Informationssystem für Beschaffung, findet er den zuständigen Sourcing-Spezialisten in den USA, der als Einkäufer Zugang zu allen aktuellen Verträgen des Konzerns hat.
Im Handumdrehen sucht der Sourcing-Spezialist die benötigten Artikel über den internationalen Produktklassifizierungsschüssel eCl@ss, lokalisiert den Zulieferer, in diesem Fall ein Lieferant in Europa, und schließlich den entsprechenden Liefervertrag. In Koordination mit einer Teamkollegin in der Leverkusener Konzernzentrale wird der Lieferant beauftragt, der daraufhin die gewünschten Glasverpackungen zeitgerecht nach Mexiko liefert.
Gedauert hat der gesamte Beschaffungsvorgang über Landesgrenzen und Zeitzonen hinweg lediglich eine Stunde, und innerhalb von 24 Stunden ist die Bestellung abgewickelt. An diesem Beispiel zeigt sich, wie schnell und effizient Beschaffungsprozesse über Kontinente hinweg gestaltet werden können.
Flexible Netzwerkstrukturen – Konzept der Zukunft
Gerade jetzt, in Zeiten sich vehement verändernder Unternehmen und Märkte muss die Beschaffung unter Beweis stellen, dass sie durch ihre flexible Organisation die übergeordnete Geschäftsstrategie unterstützt. Damit ist die Beschaffung permanent herausgefordert, sich schnell weiterzuentwickeln.
Angesichts der Wettbewerbsvorteile, die Corporate Buying schafft, rückt Beschaffungsmanagement auf der strategischen Agenda vieler Unternehmen immer weiter nach oben. Dabei macht die Beschaffung derzeit einen strukturellen Wandel durch. Der klassische Gegensatz zwischen zentraler und dezentraler Beschaffung löst sich auf. Vor allem große Konzerne stehen vor der Herausforderung, ihre über Jahre aufgebaute Zentralorganisation in bewegliche Netzwerkstrukturen zu überführen. Es gilt, mehrere Ziele zugleich zu erreichen:
– niedrige Prozesskosten,
– niedrige Materialpreise,
– niedrige Vorräte und
– ein reibungslos funktionierendes Management der Verbindlichkeiten.
Die Bayer AG hat die strategische Bedeutung der Beschaffung frühzeitig erkannt. Pro Jahr wickelt das Unternehmen über 1 Million Bestellpositionen ab und kauft für mehr als 13 Mrd. Euro Material und Dienstleistungen ein. Nach einer weltweiten Aufstellung des Konzerneinkaufs in den Jahren 1996 bis 1999 hat das Unternehmen seine Beschaffung in ein länderübergreifendes, so genanntes „geführtes Netzwerk“ umgewandelt. Dieses beinhaltet global operativ selbstständige Teilbereiche und Servicegesellschaften, die von der AG dort zusammengehalten werden, wo es sich wirtschaftlich lohnt.
Transparenz rund um den Globus
Eine dieser Servicegesellschaften wird die Bayer Business Services sein. 250 Mitarbeiter befassen sich dort mit Procurement & Logistics für den Konzern weltweit. Die Servicegesellschaft wirkt auf zwei verschiedene Arten an der Beschaffung mit. Beim Governance-Modell überträgt der Konzernvorstand Beschaffungsaufgaben an die Servicegesellschaft. Es bildet das Fundament, den gemeinsamen Einkauf zu sichern und auszubauen. Dies geschieht mittels einheitlicher Kodierungen, harmonisierter Prozesse und standardisierter Datenverarbeitungssysteme.
Das Tragwerk der Konzern-Beschaffungsorganisation bildet das Community Management. Es arbeitet als geführte Selbstorganisation der Fachleute. Hier werden Betroffene zu Beteiligten. Beim Corporate Council Procurement organisieren die Chefeinkäufer der Konzerngesellschaften eine Community mit Hilfe der Servicegesellschaft. Dabei stellt der Einkäufer mit dem größten Einkaufsvolumen, der Lead Buyer, die Lieferantenverträge für alle Beteiligten sichtbar in den zentralen Global Contract Server ein. In den Sourcing-Teams sind Einkäufer aus verschiedenen Ländern zusammengeschlossen. Sie veranstalten regelmäßige Net-Meetings über Landes- und Sprachgrenzen hinweg, in denen Versorgungsstrategien beschlossen werden, so z.B. ob der Vertrag mit dem eingangs beschriebenen Hersteller von Glasverpackungen über diesen individuellen Fall hinaus ausgeweitet werden soll.
Know-how ist übertragbar
Auch auf der IT-Ebene müssen alle Zahnräder reibungslos ineinander greifen. Das global vernetzte Online-Informationssystem Konzernbeschaffung, das Data Warehouse, das mit konzernweit standardisierten Stammdaten auf Basis des weltweit einheitlichen SAP R/3-Systems des Konzerns gefüttert wird, enthält alle aktuellen Verträge und Verbrauchsdaten. Das System baut auf einem zentralen Informations- und Controllingsystem auf, das in die Datenwelt des Konzerns integriert ist. Transparenz ist bei der Beschaffung ein zentrales Anliegen, auch bei der Qualitätskontrolle. Sie wird konzernweit ausgeübt, indem die Leistungen von Lieferanten genau erfasst und so von den Sourcing-Teams als Grundlage für künftige Entscheidungen herangezogen werden.
Die Entwicklung der Beschaffung wird angetrieben von den Daten- und Netzwerktechnologien der Zukunft, die Einkäufer und Lieferanten immer enger miteinander verknüpfen. Die Zukunft der Beschaffung liegt im Intra- und Inter-Company-Management. Unternehmensleitungen sind gefordert, die Beschaffung genau wie andere strategische Bereiche auch kritisch zu evaluieren und wirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Es hat sich gezeigt, dass globale Beschaffung im geführten Netzwerk entscheidenden Einfluss auf den Unternehmenserfolg hat. Die für die Chemie- und Pharmaindustrie entwickelten Konzepte der BBS sind dabei keine Insellösungen, sondern branchenübergreifend anwendbar. Geführte Beschaffung kann z.B. auch für Automobilproduzenten, Banken und Versicherungen bei der Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit wertvolle Dienste leisten.
Von Profis für Profis
Prof. Dr. Gottfried Plumpe, Vorsitzender der Geschäftsführung, Bayer Business Services: „Eine Auszeichnung hat stets zwei Elemente: Anerkennung und Motivation, sie reflektiert Vergangenheit und Zukunft. Dass der BME-Innovationspreis der Bayer AG verliehen wird, bedeutet uns daher in zweierlei Hinsicht außerordentlich viel. Der Preis ist Anerkennung für geleistete Arbeit. Damit hat das Konzept der geführten Beschaffung ein neutrales Gütesiegel eines respektierten Verbandes bekommen.
Der BME-Innovationspreis zeigt ebenso in die Zukunft wie in die Vergangenheit. Die Auszeichnung ist ein wichtiger Motivationsfaktor. Der Preis zeigt allen Mitarbeitern, die an dem Projekt beteiligt waren, dass ihre Arbeit anerkannt wird, und zwar nicht nur intern, sondern auch außerhalb des Unternehmens. Der Preis signalisiert ihnen, dass es sich lohnt, auf dem eingeschlagenen Weg weiterzugehen.
Die geführte Beschaffung von Bayer ist ein smartes Konzept. Es bricht mit dem klassischen Gegensatz zwischen zentralem und dezentralem Einkauf. Es ist eine hybride Organisation, die die Vorteile von zentraler und dezentraler Beschaffung miteinander verbindet. Der Konzern ist nach diesem Konzept ein Agglomerat von Communities. Die Einkaufsleiter der jeweiligen Konzern-Teilgesellschaften organisieren ihre Community nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten.
Die Voraussetzung für diese geführte Selbstorganisation der Einkaufsfachleute ist eine effiziente Systemstruktur. Ein ganz wesentliches Kennzeichen der geführten Beschaffung ist komplette Transparenz der Beschaffung nach allen Seiten. Die Einkaufsverträge werden in einen zentralen Global Contract Server eingestellt und sind von allen Betroffenen einsehbar. Gesellschaftsübergreifende Sourcing-Teams arbeiten nach einheitlichen Regeln. Es ist sichergestellt, dass weltweit einheitliche Kodierungen benutzt werden, dass die Prozesse harmonisiert bleiben und die IT-Systeme zusammenpassen.
Ein paar Zahlen belegen den wirtschaftlichen Erfolg der geführten Beschaffung. Bayer tätigt pro Jahr weltweit über 1 Million Bestellungen und kauft für mehr als 13 Mrd. Euro Material und Dienstleistungen ein. Mit einem seit 1996 laufenden Siebenjahresprogramm hat man bisher mehr als 1 Mrd. Euro bei der Beschaffung eingespart. Die Kosten für die Entwicklung und Implementierung des Konzepts sind dagegen gering. Der Aufwand wurde durch Projektcontrolling verfolgt und gesteuert. Dabei zeigte sich: Der Gesamtaufwand liegt bei nur 3% verglichen mit den realisierten Ersparnissen.
Das Konzept der geführten Beschaffung ist übertragbar auf andere Branchen. Das Gütesiegel des BME ist ein Signal an andere Unternehmen: Hier ist eine Lösung, hier sind erprobte Tools, die auch andere nutzen können. Der Bereich Procurement & Logistics der Bayer Business Services gibt das Know-how weiter – innerhalb des Konzerns und an andere Unternehmen, von professionellen Einkäufern für professionelle Einkäufer.“ n
Procurement & Logistics
ist ein Bereich der im Juli 2002 gegründeten Bayer Business Services (BBS). Dieser ging aus dem zentralen Servicebereich Beschaffung & Logistik des Konzerns hervor und vermittelt Best Practices weltweit für interne und externe Nachfrager. Das Dienstleistungsangebot von Procurement & Logistics umfasst die Bereiche Beschaffung, Logistik und Zoll im Rahmen des Außenhandels.
Basis des Community Managements sind global vernetzte Informationssysteme:
–Konzernweit einheitliche Stammdaten sorgen für effizientes Synergiemanagement;
–die Systeme ProView (Procurement) und LogView (Logistic) bilden die konzernweite Teamarbeit der Beschaffungsmitarbeiter ab;
–über den Kontrakt-Server erfolgt weltweit der Zugriff auf die Konzern-Kontrakte;
–das Supplier Relationship Management System SUPREME macht die Performance der Lieferanten transparent;
–Steuerung und Kontrolle beim Management der Zahlungsziele läuft konzernweit über das System PayMate;
–Mit B2B Procurement als Desktop Purchasing System wird die Beschaffungsabwicklung dem Bedarfsträger direkt abgebildet;
–Mit dem Procurement Information Network Savings Reporting PIN-SR werden kontinuierlich Aufwand und Nutzen revisionsfest dokumentiert.
Zukunft der dezentralen weltweiten Beschaffung:
–Für industrieübergreifende Sortimente wird ein spezialisierter interner oder externer Dienstleister zunehmend attraktiv;
–Unternehmen wickeln den Einkauf auch federführend füreinander ab;
–alles zusammen beschleunigt in den kommenden Jahren die industrieweite Standardisierung der Beschaffungsprozesse und Güter;
–die Führung der Beschaffung wird zum Intra-Company- und Inter-Company-Management; so bleibt die Beschaffung für die Unternehmensleitung ein strategischer Erfolgsfaktor;
–die Weiterentwicklung der Beschaffung war schon immer ein Geschäft, bei dem die Schnelligkeit entschieden hat;
–deshalb müssen sich je nach wechselndem Bedarf flexibel und schnell die richtigen Partner zum Inter-Company-Management zusammenfinden;
–die neuen Chancen der Beschaffung liegen in branchen- und industrieübergreifenden Lösungen.
Innerhalb der BME-Community lässt sich dies am besten fördern. Dazu werden im Verlauf 2003 mit der BME-Akademie vier Workshops in München, Frankfurt, Köln und Hamburg unter dem Motto „Inter-Company-Management der Beschaffung“ durchgeführt.
Kontakt über Dr. Gerhard Römer, Leiter Procurement & Logistics BBS,
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