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Strategie-Check mit Tarifrechner

Transportkosten optimieren
Strategie-Check mit Tarifrechner

Verladende Unternehmen sehen Transportkosten häufig als notwendiges Übel an. Dabei wird oft verkannt, dass Transportkosten signifikante Kostensenkungspotenziale aufweisen. Bei der Erschließung dieser Rationalisierungspotenziale handelt es sich allerdings um eine strategische Managementaufgabe. Dies gilt insbesondere für Unternehmen mit diversifizierten Sparten und sehr heterogenem Produktportfolio.

Die Senkung von Transportkosten als eine strategische Logistikaufgabe zu begreifen und damit aus der reinen Theorie in konkrete Projekte zu überführen, ist vor allem für Unternehmen mit komplexen Logistikstrukturen ein ständig wiederkehrendes Desiderat. Das gilt auch für den BayWa Konzern, der seine Schwerpunkte in den Bereichen Groß- und Einzelhandel sowie Logistik hat. Aus ihren Wurzeln im genossenschaftlichen Landhandel hat sich die BayWa AG zu einem der führenden Handels- und Logistikkonzerne in Europa weiterentwickelt, der im Geschäftsjahr 2013 knapp 16 Mrd. Euro Umsatz und ein Ergebnis vor Steuern und Zinsen von fast 222 Mio. Euro erreichte. Derzeit beschäftigt der Konzern rund 17 000 Mitarbeiter.

Das Geschäftsmodell der BayWa verbindet Handel, Vertrieb, Logistik und Service in den drei Hauptgeschäftsfeldern Agrarwirtschaft, Bauwirtschaft und Energieversorgung. Die Unternehmensaktivitäten gliedern sich dementsprechend in die drei operativen Segmente Agrar, Bau und Energie. Einschließlich Franchise- und Partnerfirmen verfügt der Konzern über rund 3000 Vertriebsstandorte in 16 Ländern. Deutschland, Österreich und Osteuropa sind dabei die Hauptvertriebsgebiete. Mit Akquisitionen hat die BayWa als Europas größter Agrarhändler das Eintrittstor zu den weltweiten Getreidemärkten geöffnet. Dabei gilt die Logistik als eine absolut erfolgskritische Größe. Allein im traditionell dominierenden Agrargeschäft hat der Konzern im Jahr 2014 rund 26,8 Mio. Tonnen Getreide, Ölsaaten und Ölschrote umgeschlagen. Darin steckt viel Potenzial zur nachhaltigen Verbesserung von Strukturen und Rahmenbedingungen. Denn um im Agrarsektor erfolgreich zu sein, sind nicht nur Rohstoffe zu kaufen, sondern auch so schnell wie möglich weiter zu transportieren, auf dem Wasserweg, per Lkw oder auf der Schiene.
Dabei sind die Wasserwege für das Erreichen der Weltmärkte unerlässlich. Zusammen mit Beteiligungsunternehmen verfügt der Konzern heute über direkten Zugang zu 17 Binnenhäfen und zu 18 Tiefseehäfen bzw. Häfen mit Tiefseezugang.
Doch nicht allein die stark steigenden Volumina, sondern vor allem das heterogene Portfolio mit Schütt- und Stückgut, empfindlicher Frischware und sperriger Technik machen das Transportmanagement zu einer komplexen Herausforderung für die Logistikstrategen.
Dr. Carsten Prenzler, Head of Corporate Logistics, BayWa AG, stellte im Rahmen der Fachmesse Transport Logistic in München strategische Potenziale zur Senkung von Transportkosten vor, die den Anforderungen der einzelnen Konzernsparten entsprechen. Dabei werden strategische Felder definiert, die bereits vor einer Ausschreibung immer wieder überprüft werden. „Wir sind damit näher an einer Umsetzung dran, als im Elfenbeinturm“, ist der Logistikmanager überzeugt. Dabei steckt die BayWa mit ihren diversifizierten Geschäftsfeldern nicht nur verschiedene Modelle, sondern auch Lieferketten ab. Daher lässt sich keine „One fits all“-Lösung für die Transportkosten über alles stülpen. „Wir müssen eigentlich jede Supply Chain extra anschauen, von der Ersatzteillogistik, über die Schmierstofflogistik, eine Apfellogistik bis zu einer Projektlogistik bei erneuerbaren Energien“, so Prenzler. Gleichwohl sollen auch über diese sehr unterschiedlichen Geschäftsfelder hinweg Synergien identifiziert und erschlossen werden.
Hinzu kommt, dass einzelne Geschäftsfelder sehr sensible Produkte handeln, für die es noch keine logistischen Patentrezepte gibt, etwa, wenn es um die Auslieferung von giftigen oder explosiven Stoffen, aber auch um Frischeprodukte geht. Hier ist demnach vorab zu klären, welche Strukturen eigentlich für diese Bereiche die richtigen sind. „Wir sind hier noch nicht perfekt, sondern befinden uns auf dem Weg“, erklärt Prenzler.
Vor grossen Ausschreibungen wird in einer Art Strategie-Check untersucht, welche Felder beachtet werden müssen und ob die Ausschreibung überhaupt strategiekonform ist. Außerdem ist vorab zu prüfen, ob durch schnelle strategische Analysen Verbesserungspotenziale aufgezeigt werden können. Die Kernfrage lautet also: Ist das Unternehmen eigentlich in der richtigen Ausschreibung unterwegs? „Das ist der entscheidende Punkt, um hinterher auch wirklich deutliche Transportkostensenkungen zu erreichen“, betont Prenzler. Wichtig sei aber auch die Rückkoppelung aus dem operativen Geschäft, vor allem dann, wenn etwas strukturell nicht passt.
Darüber hinaus werden Felder standardmäßig definiert, die vor einer Ausschreibung näher betrachtet werden. Hier geht es zum Beispiel darum, welcher Verkehrsträger überhaupt genutzt wird. Und: Passt der Verkehrsträger-Mix zwischen Lkw, Binnenschiff und Bahn? Stimmt die Balance zwischen Stückgut- und Paketdienst? Hier ist natürlich auch zu prüfen, welche Lösung die kostengünstigste ist.
BayWa war in der Situation, im Getreidehandel viele Lkw ohne Rückladungen zu fahren. Daher wurde ein Ganzzugkonzept mit mehreren Belade- und Abladestellen aufgesetzt, um die Handelsflexibilität nicht völlig zu verlieren. Investiert wurde auch in Bahnanlagen und Vorplanungen: „Die Investition in die Bahn war eine bewusste Entscheidung, auch wenn viele es totgesagt haben“, so Prenzler. Das Ziel: stetige Verkehre und flexible und schnelle Be- und Entlademöglichkeiten vor allem für Container. „Dadurch ist es tatsächlich gelungen, ein höheres Volumen auf dieses Konzept zu bringen und so natürlich einen deutlichen Preiseffekt zu haben“, sagt der BayWa-Logistiker. Und: Mit einem selbstverstärkenden Effekt ist BayWa jetzt in der Lage, sich auf Bahnlängen zu verständigen und so auch wesentliche Sicherheiten auch für die Logistikdienstleister zu bieten.
Die Optimierung der Paketdienste ist aus der Sicht des Logistikstrategen eine Aufgabe, die sich gerade für Unternehmen in reifen Industrien stellt: „Wir müssen weg davon, dass wir alles auf die Palette stellen und unser Außendienst alles ausfährt“, so das Credo Prenzlers. Und: „Wie können wir den Paketdienst nicht nur anbieten, sondern deutlich vergünstigen?“ BayWa setzt daher auf eine Strategie der Zentralisierung und macht Vorgaben, wie viel in die Pakete gepackt werden und was tatsächlich auf eine Palette soll. Durch den Paketdienst wurden die Kommissionier- und Packprozesse deutlich standardisiert und verbessert. Außerdem werden die Services der Dienste im Stückgut und in anderen Logistikfeldern genutzt. Aber: „Wir nutzen viele Angebote der Paketdienste noch gar nicht, die uns deutliche Schritte in Richtung Kunde weiterbringen“, ist Prenzler überzeugt.
Weiteres Kostensenkungspotenzial verspricht der Vertrieb von sehr sensiblen Produkten per Paket: „Das ist sicherlich ein Zukunftsthema, bei dem wir noch Marktlücken sehen. Wir erwarten deutliche Kosteneinsparungen, weil wir bei sensiblen Produkten, die bisher noch auf Palette gelegt werden, eine standardisierte Qualität hinbekommen.“
Eine zweiter Punkt: Nutzt das Unternehmen die richtige Infrastruktur für seine Transporte? Ist es an den richtigen Häfen untergebracht? Existieren überhaupt die Pufferläger, um Ganzzugverkehre oder Binnenschiffverkehre sauber umzusetzen?
Ein dritter Punkt: Mit welchem Logistik-Pricing werden günstige Transportkostenlösungen eigentlich gefördert bzw. verteuert? Welche Services sollen in der Logistik angeboten werden? Ein Beispiel: Sollen Abholungen gefördert werden, um Transportkosten zu vermeiden? Diese wichtige Diskussion ist vorab mit dem Vertrieb und vor einer Ausschreibung zu führen.
In der Netzwerkplanung wurde eine Abteilung aufgebaut, die in der Lage ist, den Ist-Stand im Unternehmen mit allen Verkehren zu visualisieren. Die BayWa ist jetzt mit einem sehr flexiblen Tool in der Lage, sehr schnelle Analysen durchzuführen und noch in der Verhandlung mit Logistikdienstleistern zu schauen, welche Gesamtkosten sich aus der Ausschreibung ergeben. In einem Frachtkostenmodell sollen anhand von Annahmen optimale benchmarkfähige Frachtkostenmatrizen errechnet werden, um diese dann später mit den Dienstleistern abzugleichen. Damit verfügt das Unternehmen praktisch über einen eigenen Tarifrechner.
Genauer betrachtet werden auch die Servicelevel, in denen BayWa unterwegs ist. End-to-End-Kalkulationen zeigen, dass es sich bei der Netzwerkplanung nicht allein um eine reine Transportkostenoptimierung handelt. Vielmehr wird transparent, welche Kapazitäten über die Läger gehen und welche Kosten damit verbunden sind. Allerdings, räumt Prenzler ein, stehen noch nicht alle Prozesskosten im Lager „auf Knopfdruck“ zur Verfügung. Daher sei es sehr wichtig, in diesen Projekten zu schauen, „wie viele Umschläge können wir uns eigentlich leisten und wie können wir distribuieren. Dafür ist die Lagerkostenberechnung ein ganz wesentlicher Teil“.
Die optimale Standortlage ist dabei die erste Optimierungsfunktion. In einzelnen Projekten werden durchaus Läger versetzt. So wurden in einem Schmierstofflager über 1,5 Millionen Tonnenkilometer – und CO2 – eingespart. Hier schlummern also Einsparpotenziale, bevor eine Ausschreibung überhaupt begonnen hat.
Die Frage, wie viele Läger eigentlich benötigt werden und in welchen Stufen zugestellt werden soll, ist damit direkt verknüpft. Die optimale Kundenzuordnung zu den Lägern und der angepeilte Servicelevel stehen hier im Mittelpunkt. Bei einem 120 Kilometer-Servicelevel ergibt sich zum Beispiel ein Regionallager-Ansatz. Die Alternative, ob fünf Regionallager oder ein Zentrallager die bessere Option sind, wird in der Ausschreibung mittels Target-Preis entschieden, der für den festgelegten Servicelevel erzielt werden soll. Wird dieser erreicht, wird ein Zentrallager-Ansatz implementiert. „Wir treffen also keine ideologischen Entscheidungen, weil wir etwa der Zentrallager-Fan wären und nur noch alles einstufig zustellen wollen“, betont Prenzler. Gegenwärtig ist BayWa dabei, eine so gestaltete Netzwerkplanung über alle Bereiche auszurollen.
Die Ausgestaltung der Transportpartnerschaften ist eine weitere Stellschraube. Mit welchen Logistikdienstleistern soll überhaupt strategisch kooperiert werden und in welcher Struktur soll dies geschehen? Die Kriterien für die Auswahl der Dienstleister sind ein wesentlicher Treiber für die langfristige Entwicklung der Transportkosten. Daher wählt BayWa in den Regionen sehr gezielt ihre Dienstleister aus. Last not least zählt auch das partnerschaftliche Verhalten: „Ich möchte nicht das Callcenter anrufen müssen. Wir suchen in den meisten Fällen die Partner, die zu uns passen und das sind mittelständische Unternehmen auf Augenhöhe“, erklärt Prenzler. Wichtig ist aber auch die operative Exzellenz: Im besten Fall hat der Service Provider bereits Lagermöglichkeiten in einer Region und deckt als flexibler Dienstleister, möglichst mit eigenem Fuhrpark, viele der Anforderungen ab.
In Verbindung mit der Auswahl leistungsstarker Dienstleister in der Region ist ein übergreifendes Qualitätsmanagement aufzubauen, da nicht alles standardisierte Qualität ist. Vor allem die Verkehre sind nicht standardisiert. Ziel ist, in einer Region mehrere Sparten, beispielsweise Agrar und Baustoffe, parallel zu bedienen.
Eine Art prophylaktisches Eventmanagement ist für BayWa ein wichtiger Aspekt für die nachhaltig positive Gestaltung der Transportkosten. Hier wird vorausschauend geprüft, welche außerplanmäßigen Ereignisse wie beispielsweise hohe Fehleranlieferungen oder größere Schäden zu Störungen in der Transportkette führen und entsprechend negative Folgen auf der Kostenseite zeitigen können.
Auch die fast schon klassische „Make or Buy“-Frage nach dem optimalen eigenen Fuhrparkanteil steht auf der Agenda der BayWa-Logistiker. „Wir wollen einen eigenen Fuhrpark und haben dort eine Grundlast. Die Frage ist nur, was der richtige Mix ist und welche Verbesserungen in Kooperation mit Logistikdienstleistern möglich sind“, erklärt Prenzler.
Die Umsetzung der Projekte erfolgt immer gemeinsam mit den Sparten. „Kein Projekt kommt also aus dem stillen Kämmerlein“, resümiert der Logistikstratege. „Dann wird es nämlich nicht umgesetzt.“
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