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Strategiekompetenz im Einkauf aufbauen

Einkaufsorganisation
Strategiekompetenz im Einkauf aufbauen

Insbesondere im Bereich der Strategieorientierung haben Entscheidungsträger im Einkauf häufig Entwicklungsbedarf. Die meisten Führungskräfte verfügen über weitreichende Fachkompetenz, es fehlt aber an Strategen, die die Unternehmensentwicklung unterstützen. Eine Reihe von Instrumenten helfen diese Defizite systematisch abzubauen.

Die Erfahrung der Personalberatung Kienbaum aus vielen Suchprojekten für Führungskräfte im Einkauf bestätigt, dass Strategiekompetenz in immer stärkerem Maße vom Einkauf gefordert wird, dort aber bei vielen Führungskräften noch nicht ausreichend ausgeprägt ist. Gemeinsam mit Kunden aus der Automobil-, Maschinen- und Anlagenbauindustrie hat Kienbaum deshalb eine Reihe von Instrumenten entwickelt und umgesetzt, die helfen sollen, die Strategiekompetenz im Einkauf systematisch auszubauen.

Zwei große angelegte Auditprogramme in Einkaufsorganisationen, in denen über 100 Entscheidungsträger im Einkauf auditiert wurden, haben offengelegt, dass die Strategiekompetenz der meisten Führungskräfte und Category Manager im Einkauf deutlich schwächer ausgeprägt ist als relevante überfachliche Kompetenzen, wie z. B. Führung oder Zusammenarbeit in der Matrixorganisation. Auch die grundsätzliche Fachkompetenz ist im Einkauf häufig bereits gut ausgeprägt. Eine strategische Perspektive darauf, wie der Einkauf die Unternehmensentwicklung optimal unterstützen und bereichern kann, ist hingegen bei vielen Einkaufsexperten deutlich schwächer entwickelt.
Was bedeutet Strategiekompetenz im Einkauf? Moderne Einkaufsorganisationen haben sich in den letzten 20 Jahren deutlich entwickelt. Neben der operativen Abwicklung von Beschaffungsvorgängen und der Sicherung der Versorgung des Unternehmens mit Rohstoffen, Vorprodukten und Dienstleistungen spielt die strategische Rolle des Einkaufs eine immer größere Rolle.
Strategischer Einkauf verlangt vom Mitarbeiter eine Fokussierung der eigenen Arbeit auf die langfristige Positionierung des Unternehmens im Wettbewerb. Dazu gehört zuerst einmal die Absicherung einer wettbewerbsfähigen Kostenstruktur durch die systematische und dauerhafte Optimierung der Materialkosten.
Strategische Einkäufer müssen ein genaues Verständnis der Kostenstrukturen haben. In immer stärkerem Maße müssen sie aber auch das Qualitäts- und vor allem das Innovationspotential der Lieferanten kennen. Nur dann können sie mittels gezielter Lieferantenentwicklung helfen, neue und innovative Konzepte in das eigene Unternehmen hineinzutragen, um die Differenzierung der eigenen Produkte und Leistungen zu unterstützen.
All das erfordert von den strategischen Einkäufern, Category Managern und ihren Führungskräften in immer stärkerem Maße eine übergreifende Top-Management-Perspektive, die mittelfristige Chancen und Risiken frühzeitig erkennt und entsprechende Strategien entwickelt und zur Umsetzung bringt.
Häufig sind Einkäufer zu stark im operativen Tagesgeschäft eingebunden und durch entsprechend kurzfristige Herausforderungen überlastet. Dringende operative Themen dominieren den Tagesablauf und wichtigere mittelfristige Aufgaben bleiben liegen. Wenn Versorgungsengpässe oder Qualitätsprobleme drohen, dann bleibt die Entwicklung neuer Lieferanten oder die Analyse von Kostenstrukturen auf der Strecke. Der Einkauf ist schwerpunktmäßig reaktiv tätig und kommt nicht dazu, strategisch wichtige Ansätze aktiv weiterzuentwickeln. Entsprechend eingeschränkt ist die Wahrnehmung des Einkaufs im restlichen Unternehmen: Fokus des Einkaufs ist die Prozessabwicklung und nicht langfristig orientiertes Management der Materialkosten und die Weiterentwicklung der Produkt- und Produktionsstrategien. In Folge wird die strategische Kompetenz der Mitarbeiter im Einkauf nicht abgerufen und verkümmert im schlimmsten Fall.
Was ist zu tun?
1. Freiräume für die Entwicklung und Umsetzung von Strategien schaffen
Um Freiräume für die Entwicklung und Umsetzung von Strategien schaffen zu können, ist es essenziell wichtig klare Rollenprofile zu definieren, die eindeutig festlegen, welche Aufgaben von welchen Einkaufsbereichen (operativ, strategisch, funktional, technisch) erledigt werden müssen und wo welche Verantwortlichkeiten liegen. In vielen Unternehmen gibt es gänzlich unterschiedliche Einkäuferrollen in den verschiedenen Geschäftsbereichen. Eine effektive Zusammenarbeit an der strategischen Lieferantenentwicklung und der Identifikation von Bündelungspotentialen im Einkauf scheitert aber schnell, wenn der eine Einkäufer zu 80 Prozent mit dispositiven Tätigkeiten beschäftigt ist und sein Kollege zu 80 Prozent mit Marktanalysen.
Daher müssen Einkaufsleiter erstens eine klare, geschäftsfeldübergreifende Job Landscape im Einkauf etablieren und zweitens sicherstellen, dass der strategische Einkauf hinreichend Freiräume zur Entwicklung und Umsetzung von Strategien hat.
2. Klares Leitbild und Erwartungshaltung an die Kompetenzentwicklung
Zusätzlich sollte als zweites mit Hilfe eines Kompetenzmodells und eindeutigen Verhaltensankern ein klares Leitbild erstellt werden, welches die Erwartungen an die Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter aufzeigt. Selbstverständlich ist, dass Einkäufer über Verhandlungs-Know-how verfügen müssen und ebenso über detaillierte Markt-, Lieferanten- und Produktkenntnisse. Zusätzlich wird es aber immer wichtiger, dass Einkäufer auch eine übergreifende strategische Perspektive entwickeln. Durch eine entsprechende Detaillierung muss der spezifische Anspruch klar definiert werden, z. B. dass die Einkäufer im Gesamtzusammenhang der Wertschöpfungskette von den Rohstofflieferanten bis zum Endkunden denken und dabei mittelfristige strategische Optionen wie signifikante Änderungen in der Eigenfertigungstiefe in jegliche Richtung mit berücksichtigen. In der Automobilindustrie werden neben klaren Kompetenzmodellen im Einkauf spezifische Einkaufsakademien aufgebaut, die mit speziellen Trainingsangeboten die Entwicklung gezielt unterstützen.
3. Einbettung in und Verzahnung mit Crossfunktionen
Das zentrale dritte Element beim Ausbau der Strategiekompetenz ist eine enge Einbettung der Warengruppen oder Category Strategieentwicklung in die breitere Organisation – und vor allem die relevanten Crossfunktionen. Eine Einkaufsstrategie kann in den seltensten Fällen allein aus dem Einkauf heraus die volle Wirksamkeit erzielen. Viel wichtiger ist es, die Strategie eng mit der gesamten Geschäftsstrategie sowie den wichtigsten betroffenen Funktionalstrategien zu verweben. Eine gute Einkaufsstrategie ist zu 100 Prozent deckungsgleich mit der Materialgruppenstrategie der Technologie- und Entwicklungsbereiche. Wenn die Technik den Schwerpunkt auf Differenzierung und höherwertige Rohstoffe setzt, kann der Einkauf nicht eine Strategie der Standardisierung und materialtechnischen Entfeinerung verfolgen.
Daher muss der Einkauf seine Strategieentwicklung eng mit der Entwicklung, aber auch anderen Bereichen wie Qualitätsmanagement, Produktion und ggf. dem Vertrieb oder dem Produktmanagement abstimmen. Idealerweise wird gemeinsam eine mittelfristige Materialfeld- oder Category-Strategie entwickelt, die nicht nur auf eine einzelne Vergabe oder kurzfristige Einsparungen fokussiert ist, sondern klare Leitplanken für die Lieferantenentwicklung und das Supply Chain Management festlegt. Ein entsprechender Entwicklungsprozess wird durch gezielte fachliche Coachings unterstützt und durch einen Schulterschluss der relevanten Führungsebene abgesichert, z. B. durch einen gemeinsamen Steuerkreis in dem Entwicklungs-, Qualitäts- und Einkaufsleitung Strategien und Umsetzungsmaßnahmen gemeinsam bestätigen.
Die Erfahrung vieler Einkaufsexperten und auch verschiedene Studien belegen, dass ein gut aufgestellter strategischer Einkauf im Schnitt zwei bis drei Prozent Einsparungen auf das aktiv verantwortete Einkaufsvolumen realisiert. Voraussetzung dafür ist aber immer ein qualifiziertes Team mit genügend Freiräumen, das eng und konstruktiv mit seinen Crossfunktionen zusammenarbeitet. Die Kompetenzentwicklung darf dabei nicht mit der Gießkanne und Standardkonzepten arbeiten, sondern muss sinnvoll mit den Erfordernissen der Geschäfts- und Bereichsstrategie verzahnt werden.
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