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Tipps zur nachhaltigen und erfolgreichen Reorganisation des Einkaufs

Über die Einkaufsorganisation
Tipps zur nachhaltigen und erfolgreichen Reorganisation des Einkaufs

Viele Reorganisationen bringen nicht den erwünschten Erfolg, weil sie nicht konsequent geplant und umgesetzt werden. Wirkliche Veränderung ist oft nicht gewünscht, denn sie kostet Zeit, Geld und Nerven. Halbherzig klappt es allerdings nicht. Der Autor liefert Denkanstöße und ein als Checkliste zu verstehendes Fünf-Phasenmodell zur konsequenten und zielgerichteten Reorganisation des Einkaufs.

Anlässe für Reorganisation gibt es genug, Auslöser für Reorganisation von Einkaufsbereichen können Interne Veränderungen oder Veränderungen im Umfeld des Einkaufs oder des Unternehmens sein. Interne Auslöser sind Zentralisierungen oder Dezentralisierungen zur Stärkung einzelner Unternehmensbereiche, Unternehmenskäufe, neue Mitarbeiter, ausscheidende Mitarbeiter, neue Ziele und Anforderungen für den Einkauf, Trends im Management oder einfach nur Machtpolitik. Externe Auslöser sind Veränderungen der Märkte, der Gesetze oder veränderte Kundenforderungen. An Anlässen mangelt es nicht.

Die Ziele von Reorganisationen im Einkauf sind üblicherweise die Erhöhung des Service Levels der Einkaufsorganisation, die Reduzierung der Prozesskosten des Einkaufs und die Senkung der Produktkosten. Diese Ziele sind nicht immer kompatibel. Eine Erhöhung der Bearbeitungsgeschwindigkeit von Beschaffungsvorgängen oder eine erhöhte Verfügbarkeit von Einkäufern in Projekten kann oft nur mit zusätzlichen Ressourcen und einer Dezentralisierung realisiert werden. Manchmal stellt sich der Einkaufsleitung und der Unternehmensleitung die simple, aber unangenehme Frage, ob sie eine „billige“ oder eine schnelle Organisation wünschen.
Abgestimmte Einstellung aller Stellschrauben ist Erfolgsvoraussetzung
Beim Mittelständler mit einer kleinen, funktionierenden zentralen Einkaufsabteilung kann Dezentralisierung manchmal nur mit Ressourcenaufbau realisiert werden, damit die dezentralen Abteilungen über ausreichende Redundanzen verfügen, die den Einkaufsbetrieb auch bei Spitzenlast und bei Krankheitsfällen sicherstellen. Andererseits lassen sich durch Zusammenlegung von Einkaufsgruppen kurzfristig kaum Prozesskosteneinsparungen erreichen, wenn die Anforderungen an die Einkäufer in den Gruppen und deren Kompetenzprofile völlige unterschiedlich sind.
Zur Nutzung von Synergien und Skaleneffekten empfiehlt die Lehre eine materialgruppenorientierte Struktur der Einkaufsorganisation. Das ist speziell für kleine und mittlere Unternehmen allerdings nicht schulbuchartig umsetzbar, wenn die Beschaffungsvolumina der wesentlichen Materialgruppen die Zuordnung von Vollzeitäquivalenten nicht rechtfertigen oder die Zufriedenheit einzelner interner Kunden im Vordergrund steht. Insofern müssen Einkaufsleitung und Unternehmensleitung wissen, was sie wollen. Eine klare Mission für den Einkauf hilft. Aber nur, wenn sie konsequent verfolgt wird.
Veränderungen kosten Geld, Zeit und Nerven. Das gilt für die Umsetzung einer Bereichsstrategie des Einkaufs gleichermaßen wie für eine Reorganisation. Wenn wir Veränderungen suchen, dann müssen wir mit Hinblick auf Konzept und Umsetzung konsequent sein: In der Regel müssen wir an mehreren Stellschrauben gleichzeitig drehen, damit die veränderte Maschinerie „Einkauf“ rund und performant läuft. Diese Stellschrauben sind in diesem Kontext die Faktoren Werte, Vision, Strategie, Struktur (Aufbauorganisation), Prozesse (Ablauforganisation), Systeme, Mitarbeiter und Kompetenzen im Einkauf und im Unternehmen.
Auch wenn es in der Praxis oftmals umgekehrt abläuft, so sollte doch die Struktur der Strategie folgen. Die Strategie leitet sich aus der Unternehmensstrategie und einer hoffentlich gemeinsamen Vision für den Einkauf ab. Was aber, wenn die Führungskräfte im Einkauf, bzw. die in einen bereichsübergreifenden Beschaffungsprozess eingebundenen Führungskräfte völlig unterschiedliche Wertesysteme haben und deshalb eine gemeinsame Vision unmöglich ist? In diesem Fall ist der lockere Spruch „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“ besonders pikant.
Wenn Bereichsleiter Müller und seine Mannschaft die Planung und Steuerung der Projektbeschaffungen und die Marktsichtungen lieber den technischen Projektleitern überlassen, während Bereichsleiter Meier darauf drängt, dass diese Arbeiten von entsprechend qualifizierten Einkäufern zu erledigen sind, werden „top down“-Entscheidungen durch das Management nötig. Das Gleiche gilt, wenn unterschiedliche Meinungen über das nötige Know-how über Produkte oder Rechtsgrundlagen und die damit verbundenen Einkaufsaufgaben herrschen. Damit das Management gute Entscheidungen treffen kann, muss die Einkaufsleitung ein rundes Konzept hinsichtlich aller genannten Faktoren, eine Kosten-/Nutzen-Betrachtung und eine realistischen Implementierungsplan vorlegen. Soweit die Theorie. In der Praxis ist die erste Herausforderung vor Veränderungen oftmals die Beantwortung der Frage, ob die Ressourcen nach der Strategie (Ist nach Soll) oder die Strategie nach den Ressourcen (Soll nach Ist) ausgerichtet werden sollen. Die Wahrheit liegt meist in der Mitte und hat viel mit der Risikoaversion der Einkaufsleitung zu tun. Oftmals ist die erfolgreiche Reorganisation auch mit einer kulturellen Veränderung – entweder als Folge oder Voraussetzung – verbunden. Dann wird es schwierig und es wird klar, dass Einiges in Mitarbeiter, Training und Change Management zu investieren und dass ein Jahr für eine erfolgreiche Reorganisation wenig Zeit ist.
Organisatorische Alternativen: Die richtige Einkaufsorganisation existiert, wenn überhaupt, dann nur in einem Moment. Zu viel ändert sich intern und extern und die heute optimale Lösung ist vielleicht morgen schon ein schlechter Kompromiss. Der Mittelständler muss sich überlegen, ob er seinen Einkauf primär „divisional“ nach internen Kunden, nach Materialgruppen oder „funktional“ nach Aufgabentypen organisieren will. Eine Ausrichtung nach internen Kunden kann durch Dezentralisierung oder durch Einteilung der Einkäufer im Zentraleinkauf auf Kundengruppen passieren. Eine an Aufgabentypen orientierte Organisation kann Ressourcen den operativen, strategischen und administrativen Aufgaben im Einkauf zuordnen. Hier kann den für Aufgaben wie Vertragsverhandlung, Projektplanung, Kostenanalysen, Bestelladministration und Einkaufscontrolling nötigen, zum Teil sehr unterschiedlichen Kompetenzen am besten Rechnung getragen werden. Die funktionale Organisation eignet sich gut für kleine und mittlere Organisationen. Für große Organisationen bieten sich auch für den Einkauf – der Unternehmensorganisation angepasst – die divisionale Organisation, die Matrixorganisation oder eine Hybridorganisation im Einkauf an. In großen, international oder global operierenden Unternehmen ist fast immer eine Hybridorganisation notwendig.
Auch das Einkaufsmanagement muss sich anpassen oder angepasst werden
Dort werden gewisse Materialgruppen mit hohem Transportkostenanteil am wirtschaftlichsten durch lokale Beschaffungseinheiten auf lokalen Märkten eingekauft. Andere Materialgruppen mit komplexen Spezifikationen, hohen Entwicklungskostenanteilen oder lokal nicht zu befriedigendem Bedarf werden durch zentrale Beschaffungseinheiten eingekauft. Ein zentrales, globales Beschaffungscontrolling monitort die lokalen und internationalen Einkaufserfolge und Kennzahlen und ermöglicht der Unternehmenszentrale eine effektive Anpassung von Beschaffungsstrategie und –organisation. Jede Organisationsform hat ihre Vor- und Nachteile in bestimmten Situationen.
Grundsätzlich kann nur gesagt werden, dass sich die Komplexität der Einkaufsorganisation der Komplexität und der Veränderungsgeschwindigkeit von Kundenforderungen, Spezifikationen, Märkten, sowie politischem und regulativem Umfeld anpassen muss.
Mit dem Wachstum eines Unternehmens verändern sich die Anforderungen an das Einkaufsmanagement ähnlich wie die an das Top Management über den Unternehmenslebenszyklus: In der Findungsphase am Anfang ist eine unternehmerisch denkende, kreative und risikofreudige Einkaufsleitung gefragt. Wenn die kleine Organisation dann funktioniert und wächst, liegt der Schwerpunkt der Managementaktivitäten auf Output und Effektivität in den Einkaufsprozessen. Wächst die Organisation weiter und mit ihr der Einkauf, dann verschiebt sich der Fokus auf die Steigerung der Effizienz und die Administration. Dementsprechend braucht der Einkauf dann auch Manager mit Interesse und Fähigkeiten in Verwaltungsaufgaben. In sehr großen und internationalen Unternehmen geht es dann auch im Einkauf noch mehr darum, den „Flickenteppich“ zusammenzuhalten, bzw. darum, die geografisch verstreuten und oftmals mehr oder weniger selbstständigen lokalen Einkaufsorganisationen mit Hinblick auf Synergien, Skaleneffekte und Politik zu integrieren und zu optimieren. Der Integrator im Management ist gefragt. Wenn das Unternehmen an seine Grenzen stößt und stagniert, braucht es wieder Unternehmertum im Management um weiter wachsen zu können oder auch, um einfach nur eine Talfahrt zu verhindern. In solchen Zyklen muss die Einkaufsleitung entsprechend aufgestellt sein, um mitziehen zu können.
Fünf Schritte der Reorganisation
Reorganisation ist mindestens ein kleines Projekt, das sorgfältig geplant sein will. Es bedarf einer strukturierten Vorgehensweise mit einer Analysephase, einer Konzeptphase und Phasen für Implementierungsplanung, Entscheidung und Implementierung.
Schritt 1: Baselining – Analyse von Einkaufskennzahlen und Ressourcen.
In der Analysephase findet eine Erhebung und Analyse der Einkaufskennzahlen und eine kritische Revision der Ressourcen und Kapazitäten im Einkauf statt. Dazu gehören die üblichen Bestellstatistiken und Auswertungen bezogen auf Warengruppen, Einkaufsgruppen/-organisationen und Lieferanten. Personenbezogene Auswertungen sind zwar für die Optimierung des Personaleinsatzes nötig, aber in der Regel illegal. Die Beurteilung der Warengruppen hinsichtlich Einkaufsvolumen, ihrer strategischen Bedeutung für das Unternehmen und der Lieferantenverfügbarkeit bzw. des Marktangebotes für diese Warengruppen erlauben die Klassifizierung in der sogenannten Einkaufsmatrix nach Unkritischen Gütern, Leverage Gütern, Engpassgütern und Strategischen Gütern. Die Einkaufsmatrix bildet eine wesentliche Basis für Materialgruppenstrategien und die Überlegungen zur Reorganisation im Rahmen der Konzeptphase. Parallel dazu ist eine kritische Betrachtung der vorhandenen Ressourcen nötig. Welche Kompetenz- und Persönlichkeitsprofile liegen derzeit bei den Mitarbeitern im Einkauf vor? Was sind die Stärken und Schwächen der Mitarbeiter und der Einkaufsgruppen als Ganzes?
Schritt 2: Konzeptphase zur Revision der Einkaufsstrategie – Quo vadis Einkauf?
Struktur ist kein Selbstzweck, sondern nur ein Mittel zur Umsetzung der Einkaufsstrategie und der Erreichung der damit verbundenen Ziele. Darum muss vor der Planung von organisatorischen und sonstigen Anpassungen zuerst geklärt werden, wohin die Reise gehen soll. Aufsetzend auf den Ergebnissen der Analysephase muss eine Überprüfung und eventuell eine Anpassung der „Einkaufsstrategie“ passieren. Das beinhaltet die Mission des Einkaufs, die Positionierung innerhalb des Unternehmens im internen Wettbewerb um Aufgaben, Mitarbeiter und Budgets, übergreifende Grundsätze der Beschaffung sowie konkrete Materialgruppenstrategien für die wichtigsten Güter und Dienstleistungen. Für diese Materialgruppen sind jeweils die Strategieoptionen Bedarfsmanagement, Integrationstiefenmanagement, Lieferantenmanagement und Kooperationen zu adjustieren, sowie entsprechende Ziele und Maßnahmen zu definieren. Wo wollen wir hin und … wie kommen wir dahin?
Schritt 3: Implementierungsplanung – Anpassungen umfassend planen.
Nach der Klärung der strategischen Stoßrichtung und Ziele können die dafür nötigen Anpassungen in den Bereichen Personal, Kompetenzen, Training, Systeme, Prozesse und letztlich auch Struktur, das heißt Aufbauorganisation geplant werden. Veränderung kostet zunächst regelmäßig Geld, Zeit und Energie. Sofern das Ziel der Reorganisation die Einsparung von Materialkosten oder Prozesskosten im Einkauf ist, kann die Amortisationszeit für diese „Investition“ Monate bis Jahre dauern. Insofern müssen die Veränderungen zeitlich und budgetmäßig aufgeplant werden. Bei größeren Veränderungen der Organisation sind Kosten für Beratung und Change Management nicht zu vernachlässigen. Idealerweise wird das Projekt Businessplan ähnlich aufgeplant und beinhaltet mindestens die Durchführung einer Kosten-/Nutzenanalyse zur Reorganisation.
Schritt 4: Entscheidungsphase – Verhandlung mit Geschäftsführung und internen Kunden.
Eine positive Kosten-/Nutzenanalyse, die auf einer alle relevanten Aspekte berücksichtigenden Planung beruht, erleichtert der Geschäftsführung die Genehmigung der Mittel und Ressourcen für das Organisationsprojekt beim Einkauf. Aber auch ein gut durchdachter und detaillierter Implementierungsplan und eine noch so hübsche Präsentation ersparen der Einkaufsleitung nicht, das Vorhaben bei der Geschäftsleitung „verkaufen“ und verhandeln zu müssen. Je besser es die Unternehmensstrategie unterstützt und zur Befriedigung der jeweils aktuellen Ziele und Wünsche und der Top Manager beiträgt, umso wahrscheinlicher ist die Genehmigung der geplanten Reorganisation. Zunächst ist der eigene Geschäftsführer zu überzeugen, danach die anderen Top Manager. Und spätestens die werden danach fragen, ob die Ziele und die Planung mit ihren jeweiligen Führungskräften, das heißt, den internen Kunden des Einkaufs abgestimmt sind. Insofern sind in der Regel mindestens die Änderungen an den Prozessen und dem Service Level mit den internen Kunden vor und nach Vorlage bei der Geschäftsführung zu verhandeln. Dies gilt umso mehr in Organisationen, in denen der Einkauf nicht im Top Management vertreten ist, direkt an einen Geschäftsführer berichtet oder dort, wo Organisation gerne im „basisdemokratischen Verfahren“ gemacht wird.
Schritt 5: Implementierungsphase – Projektmanagement und Change Management
Nach dem „Go“ durch die Geschäftsführung kann die Implementierung des strategischen Konzepts und die Reorganisation begonnen und die Anpassung aller Stellschrauben im Einkauf begonnen werden. Bei größeren Reorganisationen sollten die Veränderungen durch erfahrene Psychologen aus dem eigenen Haus oder externe Berater begleitet werden. Jede Veränderung in einer Einkaufsgruppe oder bei den internen Kunden triggert einen gruppendynamischen Prozess mit den auf Neudeutsch Forming, Storming, Norming, Performing genannten Phasen. Verlustängste, Wünsche und Begierden sind zu moderieren. In der Implementierungsphase zeigt sich, wie SMART, das heißt wie spezifisch, messbar, abgestimmt, realistisch und terminiert die Planung von Maßnahmen und Zielen war.
Erfolg durch ganzheitliche und mutige Planung und Umsetzung. Viele Reorganisationen im Einkauf bringen weder den gewünschten Erfolg, noch sind sie von Dauer. Der Grund liegt häufig darin, dass die Veränderungen entweder nicht wirklich gewollt oder nicht konsequent geplant und umgesetzt wurden. Veränderungen kosten Zeit und Geld und bringen Konflikte mit sich. Nach dem Motto: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!“ funktioniert es nicht. Eine konsequente Veränderung betrifft alle Aspekte, nämlich Strategie, Systeme, Prozesse, Mitarbeiter und ihre Kompetenzen, die Kultur und die organisatorische Struktur. Nur eine ganzheitliche und mutige Planung und synchronisierte Einstellung aller Stellschrauben führen nachhaltig zum Erfolg. Die in diesem Artikel beschriebenen Ansätze unterstützen bei der Definition der Ziele und Maßnahmen zu Ihrer nächsten Reorganisation im Einkauf. Sie kommt bestimmt, denn … nach der Reorganisation ist vor der Reorganisation.
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