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Total Quality Management (TQM)

Teil 10: Aushängeschild oder Lernprozess?
Total Quality Management (TQM)

Wer aufhört besser zu werden, hat aufgehört gut zu sein.

TQM wird verstanden als eine umfassende, ganzheitliche Qualitätssicherung der innerbetrieblichen Abläufe und der marktbezogenen Leistungen über alle Wertschöpfungsstufen, als ein systematischer und kontinuierlicher Lernprozess.
Qualität ist das, was der Kunde braucht, was er kauft und was ihn auf Dauer zufrieden macht.
Qualität ist nicht nur die technische Qualität des Produkts, der Hardware, sondern auch die Güte der nicht-technischen Parameter, der mental ansprechenden Software. Neben den Ausstattungs- und Leistungsmerkmalen und dem erwarteten Nutzen sind das:
• Aussehen und Ästhetik,
• Zuverlässigkeit und Haltbarkeit,
• Sicherheit und Servicebereitschaft des Herstellers,
• Imagewert.
Erfolgreiche Qualität hat nicht nur messbare technische Parameter, sondern eine vom Käufer bevorzugte subjektive Attraktivität.
Das gilt sinngemäß auch für die Arbeit des professionellen Einkäufers, der seinen Betrieb mit Produktionsmaterial, Betriebsmitteln und Investitionsgütern versorgen soll. Wenn es sich um dauerhafte Vertragsbeziehungen handelt, kommen die immateriellen Leistungskriterien des Lieferanten dazu: Verlässlichkeit, Kooperationsverhalten, Flexibilität und andere.
Nichts ist erfolgloser als mangelhafte Qualität.
Konzept und Beschreibung
TQM ist in erster Linie ein Konzept der ganzheitlichen qualitätsorientierten Betriebsführung durch stetige Anpassung und Verbesserung. Es unterstützt eine besonders kundenorientierte Qualitätsphilosophie, bezogen auf die Produkte und Dienstleistungen.
Kundenzufriedenheit entscheidet den Erfolg des Unternehmens.
TQM und andere Systeme beziehen aber auch die internen Kunden des Betriebes mit ein; das sind alle, die im Prozess der Wertschöpfungskette Abnehmer sind von Gütern und Leistungen, die vorgeschaltete Arbeitsstellen oder Funktionen zuliefern.
Total Quality Management bezieht die Konzeptions- sowie die Ausführungsqualität ein und integriert die Funktionsbereiche
• Forschung und Entwicklung,
• Konstruktion und Gestaltung,
• Einkauf, Materialwirtschaft und Logistik,
• Fertigung und Kundendienst,
und besonders auch die externen Lieferanten und Dienstleister des Betriebes.
Inhalte
Elemente und Prinzipien des TQM sind:
• Kundenorientierung, d.h. der Betrieb, die Strategien und die Wertschöpfungsprozesse sind auf den definierten Bedarf des Kunden ausgerichtet.
• Null-Fehler-Zielsetzung, d.h. Fehler sind nicht hauptsächlich Fehlverhalten, sondern Lernansätze und können als solche behandelt werden.
• Ungeteilte Qualitäts-Verantwortung, d.h. jeder Mitarbeiter muss seine Leistung, orientiert am Gesamtziel der Produktqualität, seinem internen Abnehmer gegenüber vertreten.
• Vernetzung aller Prozesse über ein ganzheitliches Qualitätsmanagement.
• Stetige Verbesserung, d.h. die Abweichungen ergeben Ansätze für kontinuierliche Verbesserungen und Anpassungen.
• Führung, d.h. Unternehmensführung und Management sind für Initiative und Antrieb zuständig.
Die Vorteile dieser Konzeption sind, dass die Kompetenz aller beteiligten Mitarbeiter genutzt wird, weil jeder für seine Arbeit selbst verantwortlich ist. Konventionell zergliederte Arbeitsprozesse und Endkontrollen, die die Zusammenhänge für den einzelnen Mitarbeiter nicht mehr erkennen und noch weniger verstehen lassen, werden abgelöst durch ein kontinuierliches Gestalten von Qualität im Prozess.
Als Nachteil wird die enge Fokussierung auf die Abläufe und auf deren Kontinuität gesehen, weil Änderungen der Verfahren und Strukturen nicht erfasst und soweit auch nicht angepasst werden. Wie alle Verfahren, bietet auch TQM kein Universalrezept, sondern muss mit anderen Konzepten ergänzt und optimiert werden.
Sie werden regelmäßig als Systembeschreibung in einem firmenspezifischen QM-Handbuch verbindlich festgelegt. Es ist regelmäßig so aufgebaut:
• Selbstdarstellung des Unternehmens und seiner Geschäftspolitik,
• Beschreibung der Unternehmensorganisation,
• Qualitätspolitik und Verpflichtung des Managements und der Mitarbeiter,
• Verpflichtungen zur Sicherheit, Hygiene und zum Umweltschutz,
• Regeln für Festlegungen, Handhabe und Anpassungen der Inhalte,
• Richtlinien und Dokumente zu den organisatorischen Strukturen und Arbeitsverfahren der Qualitätssicherung,
• Ergänzungen zu den spezifischen Gegebenheiten des Unternehmens.
Interessant ist die Feststellung, dass in Deutschland eher die Zertifizierung und in anderen Ländern eher die Awards (Qualitätspreise) bevorzugt werden.
Mit Technik und Automatisierung, mit Weisung und Kontrolle alleine kann man Erfolgspotenziale heute wohl nicht mehr erschließen. TQM ist eine Herausforderung hauptsächlich an das Management. Die Mitarbeiter haben im Allgemeinen das Wissen, das Können und das Wollen. Sie müssen nur noch dürfen, das heißt informiert und geführt, statt angewiesen und dirigiert zu werden.
Formalismus und Bürokratismus sind keine Merkmale des TQM.
Qualität geht vor Gewinn. Wäre es anders, könnte man bis zum Null-Kosten-Punkt sparen. Unternehmen sollen Gewinne machen, und die realisieren sich hauptsächlich über Erlöse.
TQM hat nicht überall ein positives Image. Gelegentlich kann man Parolen wie „Qualitätschaos total” oder „der Weg in den Qualitätssumpf” hören. Bei einer Befragung im Jahre 1992 haben viele Firmen berichtet, dass ihre TQM-Investitionen nicht nur keinerlei Leistungssteigerungen zur Folge hatten, sondern sie in einigen Fällen sogar verhinderten.1
Als Hauptursachen für weniger erfolgreiche Ansätze werden genannt:
• die Meinung, dass man TQM nur einmal einführen müsse, um dauerhafte Erfolge zu haben,
• die Erwartung, dass sich die besseren Ergebnisse selbst einstellen werden,
• ein Ansatz, der das Verfahren vorrangiger als die Ziele behandelt,
• wenn TQM von den Qualitätsmanagern wie ein höheres Geheimnis bewahrt und für die anderen nur einzelne Vorschriften formuliert wurden,
• wenn die Arbeit der Mitarbeiter nach der Erledigung ihrer Aufgaben und nicht nach den erzielten Ergebnissen beurteilt wurde.
Die Aufzählung ließe sich noch weiter fortschreiben. Was hier gefehlt hat, ist das ganzheitliche Denken in Wertschöpfungsprozessen und der Mut, überholte Strukturen tatsächlich neu zu gestalten.
Qualität im Materialmanagement
Für den Einkauf bedeutet TQM strategische und operative Versorgungs- und Ausführungsqualität:
• Die Qualität der Beschaffungs- und Bereitstellungsverfahren: Marktrecherche, Lieferantenauswahl, Vertragsgestaltung, Beziehungsmanagement,
• die Qualität des Informationsmanagements und der Beratung,
• die Qualität der beschafften Produktkomponenten, Dienstleistungen und Investitionsgüter: Vorgaben, Bemusterungsverfahren, Qualitätssicherung, Lieferantenmanagement,
• die Qualität des Kostenmanagements: Preise, Konditionen, Nebenkosten, Leistungsverbesserungen,
• die Qualität der Versorgung und der logistischen Prozesse: Verfügbarkeit, Anpassungsflexibilität, Lieferzuverlässigkeit.
Qualitätssicherung kann alleine durch Qualitätsvorschriften und Wareneingangsprüfung nicht mehr zuverlässig erreicht werden. Das verlangt nach einem lieferantenbezogenen Qualitätsmanagement.
Laufende Prüfungen verlangen einen hohen Aufwand an Geld, Zeit und Raum. Sie können ersetzt werden durch:
• Prüfungen beim Lieferanten bzw. durch
• Qualitätssicherungsvereinbarungen.
Warenprüfungen beim Lieferanten
Mit den neuen logistischen Konzepten der Bereitstellung wie Ship to Stock oder Ship to Line verschieben sich die operativen Qualitätsprüfungen zwangsläufig vom Abnehmer auf den Hersteller.
Dabei müssen allerdings neben anderen Aspekten beachtet werden:
• die Pflicht des Abnehmers zur unverzüglichen Untersuchung und Mängelrüge nach § 377 HGB,
• die aus der Produkthaftung erforderliche Sorgfaltspflicht des Herstellers bei der Auswahl und Prüfung der Vormaterialien.
Prüfung der Qualitätssicherung beim Lieferanten
Der Einkauf sollte von seinen Lieferanten eine den beschafften Komponenten und der verlangten Qualität angemessene Beschreibung seiner Maßnahmen zur Qualitätssicherung einfordern: Vor der Auftragsvergabe und in Abständen auch während der Vertragsabwicklung. Instrumente dazu sind:
• Übernahme und Bestätigung der Qualitätsvorschriften des Abnehmers,
• festzulegende Prüfungen des Lieferanten,
• Prüfungen durch Dritte,
• Prüfungen durch den Abnehmer, z.B. Abnahmeprüfungen, Besuche, Audits usw.,
• Zertifizierung des Lieferanten-QS-Managements.
Allerdings sollten die Pflicht und die Verantwortlichkeit des Lieferanten, einwandfrei zu leisten, keinesfalls eingeschränkt oder delegiert werden.
Qualitätssicherungsvereinbarungen
Mit der arbeitsteiligen Wertschöpfung und den modernen versorgungslogistischen Systemen werden die Prozesse der Herstellung und die Qualitätssicherung eines Produktes auf mehrere einzelne und unabhängige Unternehmen verteilt.
Gewährleistungsvereinbarungen behandeln die Produkthaftung und Gewährleistung, wenn gesetzliche Vorschriften ergänzt oder geändert werden sollen.
QS-Vereinbarungen enthalten verbindliche Vereinbarungen zu den Fragen der Produkthaftpflicht und Gewährleistung.
Die Praxis, dass QS-Vereinbarungen in manchen Unternehmen nicht vom Einkauf, sondern von einem QS-Beauftragten vereinbart werden, ist bedenklich, weil damit die ganzheitliche Verantwortung des Einkaufs geteilt wird und der QS-Beauftragte nicht die anderen Aufgaben der kaufmännischen Beschaffung wahrnehmen wird. Die unternehmensinterne Koordination zwischen den einzelnen betrieblichen Funktionen ist ein Problem, das in der Praxis häufig reklamiert wird.
Qualitätssicherungsvereinbarungen müssen mit der Kompetenz des qualifizierten Einkaufs ausgehandelt werden.
Inhalte von QS-Vereinbarungen:
• Vereinbarung von besonderen Gewährleistungsfristen,
• Zusicherung von Eigenschaften,
• Regelung der Gewährleistungsansprüche,
• Bestimmung von Leistungsmerkmalen Qualitätsstandards,
• Festlegung von Qualitätssicherungsmaßnahmen,
• Beschreibung der Prüfmittel und -methoden,
• Anweisungen für Prüfungen und deren Dokumentation,
• Vereinbarung von Verfahren und Bedingungen der Lieferleistungen,
• Vereinbarung von Abstimmungen, Kontrollen oder Audits.
Wenn QS-Vereinbarungen in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen einbezogen werden, fallen sie in deren Regelungen und können so teilweise ungültig sein. QS-Vereinbarungen müssen deshalb individuell ausgehandelt und besonders vereinbart werden.
Die vertragliche Erweiterung der Verantwortung des Lieferanten erhöht auch seine Haftungsrisiken, je nach den Gegebenheiten. Sie können von ihm mit einer Haftpflichtversicherung gedeckt werden, die allerdings nur die Mangelfolgeschäden und nicht den Mangelschaden selbst übernimmt.
Ein ganz simpler Satz soll diese Serie am Ende abschließen: Nicht die eingängigen Etiketten und nicht die spektakulären Muster der neuen Managementkonzepte bringen den Erfolg, sondern das, was man aus ihren Inhalten macht.
Günter Hirschsteiner
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