Startseite » Allgemein »

Über Messebesuche und Lieferantentage

Lieferantengewinnung im Mittelstand – ein Instrumentenvergleich
Über Messebesuche und Lieferantentage

Während Großunternehmen oft eine große Auswahl an interessierten Lieferanten haben, sind kleinere Firmen darauf angewiesen, selbst aktiv zu werden. Insbesondere mittelständische Unternehmen benötigen Hilfestellung, „Messen“ und „Lieferantentage“ zielorientiert bei der Lieferantensuche im „Local Scouting“ einzusetzen.

Dass Beziehungen zu guten Lieferanten enorm wichtig sind, ist in Wissenschaft und Praxis als wichtiger Grundsatz etabliert. Oft jedoch wird dabei implizit oder explizit davon ausgegangen, dass stets eine Vielzahl von potentiellen Lieferanten „Schlange steht“, um mit dem beschaffenden Unternehmen ins Geschäft zu kommen. Das jedoch dürfte nicht durchgängig der Fall sein, und wenn dann bei großen Unternehmen mit hohem Bekanntheitsgrad und attraktivem Umsatzpotential. Kleinere und mittlere Unternehmen dagegen müssen hier eine deutliche aktivere Rolle einnehmen. Nur so können sie passende Lieferanten finden und binden, insbesondere außerhalb ihrer Heimatmärkte. Da hier gleichzeitig ggf. spürbare Einschränkungen bei finanziellen und personellen Ressourcen vorliegen, sind die zum „Scouting“ der Lieferanten genutzten Instrumente umso gezielter auszuwählen.

Um dies zu unterstützen, werden in diesem Beitrag die Ergebnisse einer Potentialanalyse zum Einsatz von „Messen“ und „Lieferantentagen“ als Maßnahmen zur Lieferantenidentifikation präsentiert. Die Untersuchung wurde hierbei im Kontext der neu ausgerichteten Global Sourcing-Strategie eines mittelständischen Automobilzulieferers durchgeführt. Hier hatte die Internationalisierung der Produktionsstandorte erfordert, das kosten-/ nutzenoptimale Verhältnis zwischen globalen Partnern und neuen, lokalen Lieferanten umzusetzen.
Dabei hatte die in Ostfildern bei Stuttgart ansässige BOS GmbH & Co. KG aus der Vielzahl möglicher „Scouting-Instrumente“ wie z. B. Online-Datenbanken, Anzeigen oder firmenübergreifenden Workshops aufgrund gesammelter Erfahrungen bereits eine Vorauswahl durchgeführt. Demnach haben sich der Besuch öffentlicher Fachmessen sowie die Durchführung hausinterner Messen („Lieferantentage“) als besonders effektiv bei der Identifikation und Gewinnung neuer Zulieferer erwiesen.
Der mittelständische Automobilzulieferer fertigt Komponenten und Systeme für den Fahrzeuginnenraum an einer Vielzahl von Standorten weltweit. Aus Kostengründen, zur Risikominimierung und zur langfristigen Marktöffnung werden dabei neue Lieferanten vor allem nahe der Produktionswerke in Osteuropa, Mexiko und China gesucht. Dazu Reiner Hillemacher, Einkaufsdirektor der BOS-Gruppe: „Für eine Local-for-Local-Strategie brauchen wir einen Lieferantenstamm im Umfeld unserer internationalen Produktionsstandorte.“ Da hierbei im Gegensatz zu Großunternehmen nicht die Bekanntheit und Machtposition gegenüber Zulieferern besteht, wurden die für die lokale Lieferantenidentifikation („Local Scouting“) passendsten Instrumente bewertet.
Betrachtet wurden insbesondere die Scouting-Instrumente des „Lieferantentages“ sowie die des „Messebesuches“. Beide hatten sich bereits in der Vergangenheit als am erfolgversprechendsten herausgestellt. „Wir wollten den Einsatz der Scouting-Instrumente aber besser strukturieren und noch zielgerichteter durchführen“, erklärt Hillemacher. So soll den begrenzten Ressourcen des Mittelständlers Rechnung getragen werden.
Die Potenzialanalyse wurde anhand verschiedener Kriterien durchgeführt. Zu diesen zählen unter anderem der finanzielle Aufwand, die Gesprächsqualität und die Nachhaltigkeit der Ergebnisse. Dabei zeigt sich, dass der Besuch von Messen in vielerlei Hinsicht erfolgsversprechend ist. Er überzeugt durch die hohe Internationalität der Aussteller, den eher geringen finanziellen Aufwand für den Besuch, die hohe Dichte potenzieller neuer Lieferanten oder dem vergleichsweise niedrigen Personalaufwand. Dies ist besonders für mittelständische Unternehmen ein Vorteil, wo spezialisierte Einkaufsmitarbeiter nur bedingt verfügbar sind. Allerdings sind auf Messen eher größere Lieferanten vertreten. Kleinere scheuen die hohen Ausstellerkosten, womit dann eine ungewollte Lieferantenvorauswahl erfolgt, da eine breite Gruppe potentieller Kandidaten aus dem Fokus fällt. Auch die Beziehungstiefe bleibt auf Messen eher an der Oberfläche, da es keine Zeit für intensive Gespräche und einen umfassenderen Austausch gibt.
Für Lieferantentage hingegen sprechen vor allem die hohe Gesprächsqualität und das große Potential zur vergleichsweise schnellen Vertiefung der Beziehungen. Durch den fokussierten Rahmen kommt es zu einem Informationsaustausch „auf Augenhöhe“, weshalb man bereits hier den Grundstein einer erfolgreichen Zusammenarbeit legen kann. Unternehmen, die dieses Instrument einsetzen wollen, sollten allerdings den hohen Organisationsaufwand berücksichtigen. Ebenso sollte es Einkäufern bewusst sein, dass Lieferantentage immer nur eine sehr begrenzte Anzahl an potenziellen Lieferanten ansprechen können.
Wird also eine hohe Anzahl von Neukontakten zu Lieferanten angestrebt, spricht dies eher für einen Fachmessenbesuch; sollen dagegen Beziehungen zügig vertieft werden, bietet sich vielmehr der hausinterne Lieferantentag an. In der neben stehenden Grafik werden die beiden untersuchten Instrumente in die Dimensionen „Beziehungstiefe“ und „Anzahl der Lieferantenkontakte“ eingeordnet.
Mittelständische Einkäufer sollten also die Instrumente eher selektiv, außerdem warengruppenbezogen, einsetzen. Je komplexer eine Warengruppe, desto eher eignet sich der Besuch von Fachmessen zur Akquise neuer Lieferanten. Auf Messen stellen eher finanzstarke (Groß-) Lieferanten aus, welche durch spezielle Fertigungstechniken auch besonders komplexe Anforderungen erfüllen können. Zudem ist es für die großen Lieferanten nicht attraktiv genug, die eher begrenzten, individuellen Lieferantentage von KMUs zu besuchen. Wer nach Lieferanten sucht, die hoch innovative Produkte fertigen und über anspruchsvolle Fertigungstechniken verfügen, ist also auf einer Messe richtig. Bei weniger komplexen Warengruppen sind Lieferantentage zur Gewinnung neuer Lieferanten besser geeignet. Kleine, unbekanntere – und ggf. technologisch weiterzuentwickelnde – Lieferanten nutzen eher ihre Chance, um potentielle Kunden in einem so exklusiven Umfeld kennenzulernen.
Es geht also weniger um das „entweder-oder“ der Instrumente, sondern um einen Einsatz im richtigen Kontext: „Gerade diese Unterscheidung sowie die klare Kosten-Nutzen-Abwägung ermöglicht uns in Zukunft eine noch gezieltere Nutzung der Scouting-Instrumente“, so BOS-Einkaufsdirektor Hillemacher. Mittelständische Unternehmen müssen demnach Beschaffungsmarketing als aktive Aufgabe begreifen und die zur Verfügung stehenden, für KMU und ihre Besonderheiten passenden Lieferantenscouting-Instrumente differenziert einsetzen.
Unsere Webinar-Empfehlung
Aktuelles Heft
Titelbild Beschaffung aktuell 4
Ausgabe
4.2024
PRINT
ABO

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de