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Umsatzsteuer verkehrt herum

Umkehr der Steuerschuld beim Stahlkauf ab Juli 2015
Umsatzsteuer verkehrt herum

Beim Einkauf von bestimmten Rohmetallen gibt es seit Oktober eine wichtige umsatzsteuerrechtliche Änderung, die ab Juli 2015 verbindlich wird. Durch die Einführung des sogenannten Reverse-Charge-Verfahrens dreht sich die Umsatzsteuerschuld um: Zukünftig muss der Empfänger die Umsatzsteuer leisten, kann sie aber zugleich als Vorsteuer abziehen.

Das Unheil kam über den Stahlhandel in Gestalt des Kroatien-Anpassungsgesetzes. Eigentlich enthält das im Sommer verabschiedete Gesetz Anpassungen des deutschen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union. Der Gesetzgeber hat jedoch bei der Gelegenheit auch eine andere steuerrechtliche Neuregelung in das Gesetz gepackt, die mit Kroatien rein gar nichts zu tun hat. Durch eine schlichte Ergänzung von § 13b Absatz 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) um eine Nummer 11 samt einer Anlage 4 hat er im Ergebnis bestimmt, dass bei der Lieferung der dort aufgeführten Metalle der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schuldet. „Das Reverse-Charge-Verfahren gilt bei Lieferungen von bestimmten Cermets, unedlen und edlen Metallen ab einem Wert von 5000 Euro an einen anderen Unternehmer“, sagt Dr. Mario Wagner, Steuerberater bei Schomerus & Partner in Hamburg. „Bei der Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens stellt der Lieferant eine Nettorechnung; die Umsatzsteuer wird dann vom Abnehmer ermittelt, geschuldet, entrichtet und – soweit möglich – zeitgleich als Vorsteuer abgezogen.“

Metalle und Metallerzeugnisse. Welche Metalle und Metallerzeugnisse davon betroffen sein würden, war lange unklar. Denn erst in der letzten Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2014 wurde durch ein weiteres Gesetz, das Zollkodexanpassungsgesetz, die ursprüngliche Regelung aus dem Kroatien-Anpassungsgesetz nochmals geändert und der Anwendungsbereich stark eingeschränkt. Nunmehr sind fast nur noch Rohmetalle betroffen. Viele der größtenteils mittelständisch geprägten Stahlhändler können aufatmen. „Bei Stahl fallen mittlerweile nur noch Roheisen, Körner und Pulver sowie Halbzeug in Form von Knüppeln und Brammen unter die Neuregelung“, erläutert Jörg Feger, Bereichsleiter Research beim Bund Deutscher Stahlhandel (BDS). „Walzstahlfertigerzeugnisse wie Profile, Bleche, Betonstabstähle und Walzdraht sind dagegen ausgenommen.“ Der Gesetzgeber listet die betroffenen Metalle und Produkte nebst Zolltarifnummern detailliert auf (s. Kasten). Gibt es trotz dieser Klarstellung noch Zweifel bei einzelnen Posten, ist für eine eindeutige Zuordnung entweder eine Einzelfallprüfung durch die unternehmensinternen technischen Fachabteilungen oder eine unverbindliche Zolltarifauskunft für Umsatzsteuerzwecke (Vordruckmuster 0310) zu empfehlen; geht es um die verbindliche Einordnung, kann eine Auskunft beim Hauptzollamt Hannover beantragt werden.
Es kann in Zukunft zumindest theoretisch dazu kommen, dass auf der Rechnung für eine Materiallieferung sowohl Posten mit Umsatzsteuer als auch solche ohne auftauchen. Der Empfänger muss die Eingangsrechnung detailliert überprüfen und gegebenenfalls beanstanden. Denn ist die Umkehr der Steuerschuld übersehen worden und hat der Lieferant fälschlicherweise eine Rechnung mit Umsatzsteuer gestellt, dann kann der Empfänger der Ware, der den Rechnungsbetrag samt Umsatzsteuer gezahlt hat, keinen Vorsteuerabzug mehr in Anspruch nehmen.
Zeitplan und Fristen. Nachdem die Finanzverwaltung die Regelung zunächst bereits ab 1. Oktober 2014 anwenden wollte, hat sie auf Protest der Branche für die ersten Monate ein Wahlrecht gewährt, ob Unternehmen das Reverse-Charge-Verfahren bereits einsetzen wollen oder nicht. Auch hat man der Branche eine Vereinfachung zugebilligt, wenn die Vertragspartner unsicher sind, ob die Neuregelung anzuwenden ist. Wenn sich Lieferant und Kunde einig sind, das neue Verfahren anzuwenden, wird die Finanzverwaltung dies bis auf Weiteres nicht beanstanden, auch wenn sich später herausstellt, dass die Voraussetzungen nicht vorlagen. Diese Nichtbeanstandungsregel wurde jüngst nochmals bis 30. Juni 2015 verlängert. Den betroffenen Unternehmen ist daher zu raten, im Zweifel Rechnungen ohne Umsatzsteuer auszustellen und ihre Kunden auf den Übergang der Steuerschuldnerschaft hinzuweisen. „Da es die Finanzverwaltung in ihrem erläuternden Erlass bisher nur bei beispielhaften Aufzählungen belässt, kommt der Kommunikation zwischen Lieferant und Kunde besondere Bedeutung zu“, sagt Steuerexperte Wagner. „Denn solange hier einvernehmlich gehandelt wird, kann man den „doppelten Boden“, den die Vereinfachungsregel bietet, nutzen.“
Was ist nun der Sinn dieser Gesetzesänderung, die den betroffenen Unternehmen einiges abverlangt? Denn in den Stahlwerken, Walzwerken und bei einigen Händlern sind Umstellungen sowohl der Buchhaltungssoftware als auch der elektronischen Fakturierungssysteme notwendig. Hintergrund der Neuregelung waren Umsatzsteuerbetrugsfälle bei Kupfer und Edelmetallen. Im Handel mit Industrieschrott gilt die Steuerschuldumkehr bereits seit 1. Januar 2011. „Unsere Branche hatte durch einige schwarze Schafe einen schlechten Ruf. Sie haben das Finanzamt mittels Karussellgeschäften um Umsatzsteuer betrogen“, so Alexander Maier, Leiter Finanzen beim Edelstahlschrotthändler Cronimet in Karlsruhe. „Wir haben bereits 2011 auf das Reverse-Charge-Verfahren umgestellt, unsere Lieferanten informiert und seitdem sehr positive Erfahrungen gemacht. Wir sind deshalb ganz klare Befürworter des Reverse Charge.“
Vergleichbare Umsatzsteuerregeln finden sich auch bei unseren europäischen Nachbarn in Polen und Österreich. Bei den deutschen Anwendungsregeln gibt es aber nach wie vor noch einige Unklarheiten. Ein Anwendungsschreiben des Bundesfinanzministeriums, das solche Fragen beantworten könnte, wird erst im ersten Quartal 2015 erwartet.
Mindestgrenze. Zunächst war für den Metallhandel keine Bagatellgrenze wie bei anderen Reverse-Charge-Fällen vorgesehen. Nun hat man in Berlin ebenfalls kurz vor Weihnachten noch beschlossen, dass das neue Steuerverfahren erst ab einem Geschäftsvolumen von 5000 Euro gelten soll. „Die meisten Unternehmen hatten zu diesem Zeitpunkt bereits die komplette Umstellung in einem großen Kraftakt bewältigt und müssen nun erneut alles ändern“, kritisiert Verbandsmann Feger. Zwar ist der Stahlhandel nochmal mit einem blauen Auge davongekommen, das gesetzgeberische Hin und Her hat aber zu einer starken Verunsicherung in der Branche geführt.
Eine Link mit einer Liste der Gegenstände, für deren Lieferung der Leistungsempfänger die Steuer schuldet, finden Sie auf der Homepage von Beschaffung aktuell.

Nora Schmidt-Kesseler von der Bundessteuerberaterkammer rät:

Tipp

„Ein Einkäufer von Metallen, die möglicherweise unter die Neuregelung fallen, sollte folgende Maßnahmen treffen:
  • Seine Lieferanten schriftlich über die neue Rechtslage und seine Unternehmereigenschaft (unter Angabe der Umsatzsteuer-ID, soweit vorhanden) informieren.
  • Die erforderlichen Konten und Buchungsschlüssel in der Buchhaltungssoftware einrichten.
  • Eine zolltarifliche Einstufung der fraglichen Metallerzeugnisse vornehmen, die er erwirbt, beziehungsweise dies bei seinen Lieferanten abfragen.
  • Prüfen, ob die Grenze von 5000 Euro netto überschritten wird (pro Liefer-/Bestellvorgang oder zusammenhängendem wirtschaftlichen Vorgang).
  • Auf Ausstellung einer Netto-Rechnung bestehen, wenn Produkte erworben werden, die von der Neuregelung betroffen sind und die Mindestgrenze überschritten ist. In diesem Fall die Umsatzsteuer in der Umsatzsteuer-Voranmeldung anmelden und gegebenenfalls die Vorsteuer abziehen.“
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