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Umsetzung in der Praxis

Umweltgerechter Einkauf
Umsetzung in der Praxis

Umsetzung in der Praxis
Einkaufsprozess im Umweltmanagementhandbuch der T-Mobil. (E: Entscheiden, D: Durchführen, M: Mitwirken, I: Informieren)
Das Unternehmen T-Mobil wurde 1993 als 100%ige Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom AG gegründet. Als einer der europaweit führenden Mobilfunkanbieter erwirtschaftete man 1998 ca. 1,2 Mrd. DM Gewinn bei rund 7,5 Mrd. DM Umsatz und beschäftigte mehr als 7.000 Mitarbeiter. Neben Mobiltelefonie ist man in der Verkehrstelematik und Satellitentelefonie engagiert.

Gerhard Kasulke

Zur hohen ökonomischen Verantwortung, die T-Mobil als Global Player im Mobilfunkgeschäft trägt, tritt die ökologische Dimension der Investitionsentscheidungen. Seit Anfang der neunziger Jahre werden die Umweltaktivitäten konzernweit koordiniert. Eine eigenständige Abteilung Umweltmanagement bei T-Mobil wurde 1997 im Bereich Einkauf/Logistik verankert.
Das Mobiltelefon im T-D1-Systemgeschäft erfordert ein hohes Maß an Technik und Logistik. Allein in das D1-GSM-Netz – mit demnächst über 20.000 Funkstationen nur eines von mehreren unabhängig arbeitenden Funknetzen – werden jährlich Hunderte Millionen DM in Infrastruktur investiert. Das Netz besteht aus Tausenden von klimatisierten Computern, Vermittlungsrechnern, Spannungsversorgungsanlagen und hunderttausenden Kilometern Kabel.
Als Folge sich verkürzender Technologiesprünge ist in immer kleiner werdenden Intervallen veraltete Technik zu entsorgen und neue Hard- und Software einzubringen. Energie- und Ressourcenverbrauch, Wartungsfreundlichkeit und Ersatzteillogistik, aber auch der Betrieb der Call-Center, Rechenzentren und Bürostandorte stellen hohe Anforderungen an die Umweltverträglichkeit der gesamten unternehmerischen Tätigkeit. Beleg für die Selbstverpflichtung im Umweltschutz ist die Zertifizierung der Bonner Zentrale mit 2.700 Beschäftigten nach den Umweltnormen ISO 14001 und EG-Öko-Audit. Alle anderen Standorte werden bis zum Frühjahr 2000 zertifiziert.
Kristallisationspunkt Einkauf
Früh hat sich herausgestellt, dass Umweltmanagement in einem technologie-dominierten Unternehmen hervorragend im Einkauf angesiedelt ist: Der Bedarf an Entsorgungsleistungen, die Nachfragen nach Umbau- und Rückbaumaßnahmen, Wiedereinsatzplanungen und der Wunsch nach optimierter Ersatzteilversorgung induzierten seit der Unternehmensgründung eine vorausschauende Vertragsgestaltung. Der Einkauf muss es verstehen, sich proaktiv um seine internen Kunden, technischen Bedarfsträger und Produktmanager zu kümmern, auf sie zuzugehen und unaufgefordert Hilfestellung zu geben.
Versteht sich ein Einkäufer demgegenüber nur als Erfüllungsgehilfe in der Wertschöpfungskette, der getroffene Entscheidungen nur vollzieht und damit die Produktion sichert, so gelangen im Entwurfsstadium befindliche Produktideen oder Ansätze nicht zum Einkauf. Schnell werden dann Chancen zur Kostensenkung und Ressourcenschonung verspielt, da unter diesen Umständen häufig nicht eingehend genug über Folgekosten von Investitionen nachgedacht wird. Die Erfahrungen des umweltgerechten Einkaufes aber sollten als integraler Bestandteil jeder Planungs- oder Investitionsentscheidung zugrunde liegen.
Die Abbildung gibt hierzu die Prozessbeschreibung des Einkaufes im Umweltmanagementhandbuch der T-Mobil wieder. Die Teilschritte, bei denen aus Umweltsicht in den Beschaffungsprozess eingegriffen wird, treten hervor. Beim Beschaffungsvorgang ist die Wirtschaftlichkeit des Produktes nicht nur im Betrieb, sondern über sein ganzes Leben hinweg prioritär. Sobald die Umweltaspekte zu Produktion und Entsorgung in Verträgen hinzutreten, ist es wichtig, dass Kunde und Lieferant mit den resultierenden kommerziellen Vereinbarungen auch leben können.
In der Mobilfunkbranche existieren etwa ein Dutzend Anbieter von für den Netzbetrieb erforderlicher Systemtechnologie. Somit ist das Verkaufen von Mobilfunkprodukten am Markt immer auch ein Stück weit Schicksalsgemeinschaft mit dem Auftragnehmer: Langfristige Partnerschaften zwischen Technik-Anbietern und -betreibern, die in der Telekommunikation systembedingt üblich sind, erziehen und disziplinieren Lieferanten und Kunden gleichermaßen. Dies gilt auch für die Anforderungen und Leistungen im Umweltschutz.
Bodenhaftung behalten
Man hat es sich im Einkauf zu eigen gemacht, einfache, durchsetzungsfähige und plausible Präventivmaßnahmen in die Vertragswerke zu implementieren, um vorhersehbare Risiken und Kosten von Morgen konsequent zu minimieren: Entsorgungs-, Verwertungs- und Rücknahmeoptionen, die mit weltweit operierenden Lieferanten verabredet werden, sind ebenso Bestandteil des Tagesgeschäftes geworden wie das Vermarkten und Wiederverwerten noch gebrauchsfähiger Komponenten. Produktmanager werden beim Präsentieren neuer Produktideen im Rahmen des Produkteinführungsprozesses vom Einkauf auf etwaige ökologische und ökonomische Risiken, aber auch Chancen bei den Betriebskosten bzw. der Beseitigung am Ende des Produktlebens aufmerksam gemacht.
Hierzu macht man sich zum Beispiel konzernweit gültige Negativlisten für verbotene und zu vermeidende Stoffe und Konstruktionsarten zu Nutze. Gemeinsam mit den Geschäftspartnern werden kommerzielle Regelungen zur Werkstoffauswahl, zur Material- und Produktkennzeichnung, Demontagegerechtheit, aber auch zu Softwarefunktionen wie Stand-by- und Sleep-Modi erarbeitet. Wenn dabei zum Teil auch weiche Formulierungen im Vertragstext eingesetzt werden, ist die disziplinarische Wirkung von Umweltpassagen in den Verträgen und Anlagen nicht zu unterschätzen:
Eine jährlich konzernweit vorgenommene Lieferantenbeurteilung nach Umweltkriterien, die bei über 3.000 Geschäftspartnern nach einem objektiven Maßstab vorgenommen wird, steht allen Telekom-Einkaufsabteilungen per Intranet zur Verfügung. Jeder Einkäufer kann sich bequem per Mausklick über einzelne Lieferanten informieren und sie bei der Beschaffungsentscheidung gegebenenfalls aus der Bieterliste streichen, sofern beim Lieferant keine Umweltschutzbestrebungen erkennbar sind oder eine negative Bewertung vermerkt wurde. Das erkennbar steigende Bemühen der Lieferanten um Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit ihrer Produkte und Prozesse gibt dem Aufwand hierfür Recht.
Es ist zugleich auch fair, weniger gut bewerteten Lieferanten Missfallen und Erwartungen in bezug auf den Umweltschutz mitzuteilen. Auf diesem Wege eröffnet man den Lieferanten in einem Präqualifikationsverfahren erneut die Chance, deutlichere Umweltanstrengungen zu unternehmen, um die Wiederaufnahme in die Bieterlisten zu erreichen. Ein Problem jedoch geht mit dem Präventivmaßnahmen im Einkauf einher: Die Ernte aller Mühen wird häufig nicht vom Urheber eingefahren, da die positiven Auswirkungen vorsorgender Verträge erst nach Jahren eintreten. Stellenwechsel im Einkauf vollziehen sich schneller als die Erfolge nachhaltiger kommerzieller Vereinbarungen.
Know-how multiplizieren
Um das Umweltwissen im Unternehmen zu transportieren, werden alle Beschaffungsstellen möglichst bedarfsgerecht geschult. Dateien und Textbausteine mit Vertragspassagen zum Umweltschutz helfen, die tägliche Arbeit hin zu einem umweltgerechten Einkauf zu erleichtern. Zusätzlich informieren breit angelegte Kommunikationsmaßnahmen in der Unternehmenszentrale und den fünfzehn großen Außenstandorten die Mitarbeiter über Erreichtes und Geplantes im Umweltschutz. Vom allgemeinen Büroeinkauf über das Gebäudemanagement bis hin zur großvolumigen Systemtechnikbeschaffung für Netze und Call-Center wurden die Lieferverträge inzwischen um Umweltaspekte erweitert. Das unternehmenseigene Schulungszentrum hat bei technisch orientierten Schulungen ein Umweltlernmodul eingearbeitet. Im Vertrieb stehen weitergehende Schulungen auf dem Programm.
Die Konzernmutter betreibt ein eigenes Logistikzentrum für die Entsorgung, Vermarktung und Verwertung alter Vermittlungstechniken, Endgeräte und Rohstoffe. Außerdem ist man an einer Elektroschrott-Recyclinggesellschaft beteiligt. Das gesamte Umweltengagement im Konzern wurde 1998 mit dem Umweltpreis des Bundesarbeitskreises für umweltbewusstes Management honoriert. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden mit regionalen Umwelttagen und eigenem Ideenmanagement zur weiteren Mitarbeit motiviert.
Man ist fest davon überzeugt, dass der Umweltschutz bei T-Mobil zusätzlich zur Erschließung von Kostensenkungspotenzialen die Produktivität durch verbesserte Ressourcenzuordnung und eine motiviertere Mitarbeiterschaft erhöht hat. Das Engagement lohnt sich – heute und in Zukunft.
Dokumentenbeschreibung zur Abbildung
D 7: Die End-of-Life-Auskunft enthält Angaben über die Verwendungsoptionen der beschafften Investitionsgüter nach Beendigung des Betriebs bzw. Produktlebens und führt damit eine partielle Lebenszyklusbetrachtung ein. Das gemeinsam von Umweltmanagement und Einkauf erstellte Dokument ist vom Bedarfsmelder auszufüllen.
D 10: Der Fragebogen Lieferantenauskunft wird vom Umweltmanagement erstellt. Im Vordergrund steht die Frage, ob der Lieferant einen systematischen Umweltschutz betreibt und hierzu ein Umweltmanagementsystem mit festgelegten Zuständigkeiten, Zielen, Verantwortlichkeiten und Ablaufregelungen eingerichtet hat.
D 11: Das Bewertungssystem beinhaltet einen Punktekatalog, mit dessen Hilfe die eingehenden Antworten der Lieferanten gewichtet und bewertet werden. Das Lieferantenbewertungssystem baut auf den vorhandenen Strukturen der Deutschen Telekom AG auf.
D 12.1: Die Anforderungen an die umweltgerechte Produktgestaltung, an Betriebs- und Entsorgungseigenschaften sind Bestandteile der Kommerziellen Vertragsvereinbarungen. Vom Umweltmanagement formulierte Textbausteine sind im Dokument „Umweltgerechter Einkauf bei T-Mobil“ enthalten. Dieses steht allen Einkäufern auch als Datei und im Intranet zur Verfügung.
D 12.2: Die Negativliste führt alle verbotenen oder zu vermeidenden Stoffe auf, deren Inverkehrbringen (Einsatz und Anwendung in Produkten, Stoffen etc.) gesetzlich untersagt ist. Sie gibt in Auszügen die Vorschriften der Chemikalienverbotsverordnung, der FCKW-Halon-Verbotsverordnung sowie der Gefahrstoffverordnung wieder und enthält weitergehende Erläuterungen. Diese Vorgaben sind vom Hersteller strikt zu beachten. Sollten aufgrund einer geringeren Konzentration der Stoffe diese Vorschriften nicht gelten und aus technischen Notwendigkeiten diese Stoffe zum Einsatz gelangen, haben die Hersteller/Lieferanten der Produkte zu begründen, warum der Stoffeinsatz unvermeidlich und eine Substitution nicht möglich ist.
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