Startseite » Allgemein »

UN-Kaufrecht und Streitschlichtung in Asien

Einkaufsrecht
UN-Kaufrecht und Streitschlichtung in Asien

UN-Kaufrecht und Streitschlichtung in Asien
Der sachliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechtes beschränkt sich auf den grenzüberschreitenden Warenkauf
Das UN-Kaufrecht ist ein völkerrechtlicher Staatsvertrag, mit dem die nationalen Regelungen der Mitgliedsstaaten im Bereich des grenzüberschreitenden Warenkaufs vereinheitlicht werden. Ausgangspunkt ist die Überlegung, daß im grenzüberschreitenden Handel das Recht des Warenkaufs besonders bedeutsam ist und gerade in diesem Bereich unterschiedliche rechtliche Regelungen und unterschiedliche Auffassungen ein Hindernis für den Aufbau kontinuierlicher Handelsbeziehungen darstellen.

Das UN-Kaufrecht wurde inzwischen von 85 Staaten übernommen (Stand: 2017). Unter den 20 größten Handelspartnern Deutschlands fehlt dabei nur das Vereinigte Königreich.

Anwendungsbereich des Übereinkommens in Asien
In Asien sind u.a. Syrien, der Irak, Singapur und die Volksrepublik China Vertragsstaaten des UN-Kaufrechtes. Dies bedeutet, dass jedenfalls die Einkaufsbeziehungen zwischen einem deutschen Importeur und Exporteuren, die in einem der vorgenannten Länder ihren Sitz haben, dem UN-Kaufrecht unterfallen. Besonders bedeutsam ist dies für die Volksrepublik China und für Singapur, weil es sich insoweit um wichtige Beschaffungsmärkte handelt.
Die Anwendung des UN-Kaufrechtes kann aber über Rechtsbeziehungen zu diesen Ländern hinausgehen. So findet es etwa auch dann Anwendung, wenn bei einem grenzüberschreitenden Geschäft die anwendbaren Regeln des internationalen Privatrechtes zur Anwendung der Rechtsordnung eines Vertragsstaates führen (Art. 1 Abs. 1 b UN-Kaufrecht).
Solange also die Rechtsbeziehungen aus einem Einkaufsvertrag mit einem Verkäufer in Malaysia, Indonesien oder Thailand deutschem Recht unterworfen sind (oder der Rechtsordnung eines anderen Vertragsstaates) kommt UN-Kaufrecht zur Anwendung, obwohl der Verkäuferstaat kein Mitgliedsstaat des Übereinkommens ist.
Der sachliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechtes beschränkt sich auf den grenzüberschreitenden Warenkauf, wobei der Werklieferungsvertrag ausdrücklich einbezogen ist (Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 UN-Kaufrecht). Werkverträge hingegen (bei denen der Besteller einen wesentlichen Teil der für die Herstellung oder Erzeugung notwendiger Stoffe zur Verfügung stellt), Dienstverträge und andere Vertragsarten werden vom UN-Kaufrecht nicht geregelt.
Bei typengemischten Verträgen kommt es darauf an, ob der Schwerpunkt des Vertrages kaufrechtlicher Natur ist (Art. 3 Abs. 2 UN-Kaufrecht). Kompensationsgeschäfte unterfallen nur dann dem UN-Kaufrecht, wenn eine Preisabsprache erkennbar ist. Rahmenvereinbarungen und Sukzessivlieferungsverträge sind erfasst.
Der Sache nach geregelt werden der Abschluss des Kaufvertrages und die aus ihm erwachsenden Rechte und Pflichten des Verkäufers und des Käufers (Art. 4 UN-Kaufrecht). Nicht geregelt dagegen wird die Frage der Gültigkeit eines Vertrages oder einzelner Vertragsbestimmungen sowie die Wirkung des Vertrages auf das Eigentum an der verkauften Ware.
Die Volksrepublik China hat zwei nach dem Übereinkommen zugelassene Vorbehalte gemacht. Beide Vorbehalte betreffen unterschiedliche Aspekte der Anwendbarkeit des Übereinkommens: So ist aus chinesischer Sicht das UN-Kaufrecht nur anwendbar, wenn sowohl Verkäufer wie auch Käufer ihren Sitz in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten des Übereinkommens haben.
Ferner unterliegt aus chinesischer Sicht die Frage der Form von Kaufverträgen (Art. 11 UN-Kaufrecht) nicht dem Übereinkommen, sondern dem von dem anwendbaren internationalen Privatrecht berufenen nationalen Recht. Chinesische Formvorschriften setzen sich damit durch, soweit chinesisches Recht zur Anwendung kommt.
Bedeutung des UN-Kaufrechts für die Praxis
Auch wenn im asiatischen Raum das UN-Kaufrecht noch nicht sehr weit verbreitet ist, so hat es doch für die Praxis des Einkaufs in Asien eine nicht unerhebliche Bedeutung. Zum einen sind China und Singapur wichtige Beschaffungsmärkte. Zum anderen kommt das UN-Kaufrecht auch dann zur Anwendung, wenn in dem Einkaufsvertrag z.B. deutsches Recht vereinbart ist. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn die Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts in dem Vertrag ausdrücklich ausgeschlossen ist.
Schließlich bietet sich das UN-Kaufrecht als Kompromißlösung an, wenn zwischen Verkäufer und Käufer Streit darüber entsteht, welche Rechtswahlklausel in den Einkaufsvertrag aufgenommen werden soll. Der deutsche Importeur wird in der Regel das Recht des ausländischen Verkäufers nicht akzeptieren wollen, während umgekehrt der Verkäufer – häufig aus Prestigegründen – deutsches Recht nicht hinnimmt.
Hier bietet sich an, ausdrücklich die Geltung des UN-Kaufrechtes zu vereinbaren, welches beiden Vertragsparteien wegen seines Charakters als völkerrechtlichem Vertrag weniger einseitig erscheint. In der Tat enthält das UN-Kaufrecht in einer Vielzahl von Fragen Kompromißlösungen, die aus den Rechtsordnungen verschiedener Mitgliedsstaaten – insbesondere des kontinentaleuropäischen Rechtskreises einerseits und des angloamerikanischen Rechtskreises andererseits – gewonnen worden sind.
Regelungen zum Vertragsabschluss
Die Regelungen des UN-Kaufrechtes zum Abschluss des Vertrages unterscheiden sich nicht grundlegend vom deutschen Recht. Erforderlich sind ein Vertragsangebot, das die essentialia negotii enthält und dem Adressaten zugeht, sowie eine hiermit korrespondierende Annahmeerklärung. Die Annahme kann auch in schlüssigem Verhalten bestehen, wobei reines Schweigen oder eine Untätigkeit allein niemals eine Annahme darstellen können (Art. 18 Abs. 1 UN-Kaufrecht).
Unterschiede ergeben sich bei „modifizierten Annahmeerklärungen“ (Art. 19 UN-Kaufrecht). Das UN-Kaufrecht unterscheidet zwischen sogenannten wesentlichen und unwesentlichen Modifikationen.
Weicht die Annahmeerklärung von dem Angebot wesentlich ab – hierzu gehören nach Art. 19 Abs. 3 UN-Kaufrecht Änderungen bezüglich des Preises, der Zahlungsmodalitäten, der Qualität und Menge der Ware, des Ortes und der Zeit der Lieferung und des Umfangs der Haftung – so ist die Erklärung als Ablehnung des Angebotes verbunden mit einem Gegenangebot zu verstehen.
Dies entspricht dem deutschen Recht. Liegt dagegen eine nur unwesentliche Modifikation vor, so kommt der Vertrag mit den Änderungen zustande, wenn nicht der ursprünglich Anbietende ausdrücklich widerspricht.
Für die Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen enthält das UN-Kaufrecht keine Sonderregelungen. Zur Anwendung kommen vielmehr die allgemeinen Vertragsabschlussbestimmungen. Danach ist erforderlich, daß die allgemeinen Geschäftsbedingungen dem Angebotsempfänger im Wortlaut zur Kenntnis gebracht werden und dieser in Kenntnis der AGB das Vertragsangebot annimmt.
Der Hinweis auf AGB oder die Verkehrsüblichkeit der Verwendung von AGB genügen nicht. Wichtig ist auch, daß die AGB in einer Sprache abgefaßt sind, die der Angebotsempfänger versteht. Dies kann einmal die Verhandlungssprache sein oder aber eine Sprache, die der Angebotsempfänger jedenfalls beherrscht.
Beziehen sich beide Parteien auf allgemeine Geschäftsbedingungen, so gilt nach UN-Kaufrecht der Grundsatz des letzten Wortes. Die AGB, auf die sich eine der beiden Vertragsparteien zuletzt bezogen hat und die Gegenstand des Vertragsabschlusses geworden sind, setzen sich durch.
Aus der Sicht des deutschen Rechtes wären in einem solchen Fall sämtliche Klauseln unwirksam, die sich widersprechen, während der Vertrag im übrigen als wirksam zustandegekommen behandelt würde. Für die Frage der Inhaltskontrolle der AGB (etwa nach dem deutschen AGB-Gesetz) ist nicht das UN-Kaufrecht, sondern die nationale Rechtsordnung maßgeblich, die nach den anwendbaren international-privatrechtlichen Vorschriften berufen ist.
Im übrigen ist bei sämtlichen Erklärungen, die mit dem Vertragsabschluß zusammenhängen, auf die verwendete Sprache Bedacht zu nehmen. Derartige Erklärungen gelten nur dann als wirksam oder zugegangen, wenn sie in einer Sprache abgefasst sind, die der jeweilige Empfänger versteht.
Hiervon ist auszugehen, wenn es sich um die im Empfängerland allgemein gesprochene Sprache oder die bei den Vertragsverhandlungen benutzte Sprache handelt. Die Verwendung anderer Sprachen ist dagegen gefährlich, weil hier der Erklärende den Einwand des Erklärungsempfängers, er habe die Erklärung nicht verstanden, ausräumen muss.
Verkäuferpflichten – Käuferpflichten
Im UN-Kaufrecht eingehend geregelt sind die Pflichten von Verkäufer und Käufer. Die Grundpflicht des Verkäufers geht dahin, die gekaufte Ware zu liefern, die sie betreffenden Dokumente zu übergeben und das Eigentum an der Ware zu übertragen (Art. 30 UN-Kaufrecht). Von wesentlicher Bedeutung ist der Leistungsort, weil dieser über die Abgrenzung der Risikosphären von Käufer und Verkäufer entscheidet (Gefahrübergang).
Wichtig sind insoweit auch die von der Internationalen Handelskammer in Paris erarbeiteten Incoterms, die die erforderlichen Lieferhandlungen sowie den Lieferort mit bestimmten Klauseln konkretisieren. Im übrigen hat der Verkäufer die Pflicht, Ware zu liefern, die in Menge, Qualität und Art sowie hinsichtlich der Verpackung den Anforderungen des Vertrages entspricht (Art. 35 Abs. 1 UN-Kaufrecht). Die Pflicht des Käufers gegenüber dem Verkäufer geht insbesondere dahin, den Kaufpreis zu zahlen und die Ware abzunehmen (Art. 53 UN-Kaufrecht).
Rechte des Käufers
Beim Einkaufsvertrag ist für den Importeur naturgemäß von entscheidender Bedeutung, welche Rechte ihm im Falle einer der worst cases, d.h. insbesondere bei verspäteter oder mangelhafter Lieferung oder sonstigen Pflichtverletzungen des Verkäufers zustehen. Im Grundsatz hat er nach der rechtlichen Regelung des UN-Kaufrechts folgende Rechte:
  • Der Käufer kann weiterhin vom Verkäufer die Erfüllung seiner Pflichten verlangen. Bei Lieferung nicht vertragsgemäßer Ware kann der Käufer Ersatzlieferung allerdings nur verlangen, wenn die Vertragswidrigkeit eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt und die Ersatzlieferung sofort verlangt wird (Art. 46 Abs. 2 UN-Kaufrecht);
  • der Käufer kann die Aufhebung des Vertrages erklären, wenn die Pflichtverletzung des Verkäufers von wesentlicher Bedeutung ist oder der Verkäufer trotz einer von dem Käufer gesetzten Nachfrist nicht liefert (Art. 49 UN-Kaufrecht);
  • bei Lieferung vertragswidriger Ware kann der Käufer Herabsetzung des Kaufpreises geltend machen (Art. 50 UN-Kaufrecht);
  • anstelle oder zusätzlich zu den sonstigen Rechtsbehelfen kann der Käufer Schadensersatz verlangen (Art. 45 Abs. 2 UN-Kaufrecht);
  • schließlich kann der Käufer unter bestimmten Umständen ein Zurückbehaltungsrecht bezüglich seiner eigenen (Gegen-)Leistungen geltend machen (Art. 71 UN-Kaufrecht).
Bei der Lieferung vertragswidriger oder rechtsmangelhafter Ware ist allerdings zu beachten, daß der Käufer seine Rechte verliert, wenn er nicht die gelieferte Ware innerhalb kurzer Frist auf Vertragswidrigkeiten untersucht (Art. 38 UN-Kaufrecht) und etwaige Vertragswidrigkeiten bzw. Rechtsmängel innerhalb angemessener Frist an den Verkäufer angezeigt hat (Art. 39, 43 UN-Kaufrecht).
Aus Sicht des Importeurs von Bedeutung ist das Recht, bei einer wesentlichen Vertragsverletzung die Aufhebung des Vertrages zu erklären, sich anderweitig einzudecken und etwaige Preisdifferenzen im Wege des Schadensersatzanspruches geltend zu machen. Die Aufhebungserklärung muss jedoch innerhalb angemessener Frist nach Feststellung der wesentlichen Vertragsverletzung geltend gemacht werden (Art. 49 Abs. 2 UN-Kaufrecht).
Eine wesentliche Vertragsverletzung liegt auch dann vor, wenn der Verkäufer noch nicht geliefert hat und eine von dem Käufer gesetzte Nachfrist fruchtlos verstrichen ist (Art. 47 Abs. 1, 49 Abs. 1 UN-Kaufrecht).
Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit im deutsch-asiatischen Rechtsverkehr
Die Entscheidung von rechtlichen Konflikten durch Schiedsgerichte ist eine Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit. Bedeutung hat sie vor allem im internationalen Handelsverkehr. Schiedsgerichte sind private Gerichte. Dies bedeutet, daß ein Schiedsgericht niemals automatisch zuständig wird, sondern immer nur aufgrund entsprechender Vereinbarung zwischen den streitenden Parteien. Typischerweise handelt es sich insoweit um Vertragsparteien, die die Zuständigkeit des Schiedsgerichts für etwaige Streitigkeiten aus dem zwischen ihnen bestehenden Vertragsverhältnis vereinbart haben.
Die Vereinbarung eines Schiedsgerichtes hat zur Folge, dass staatliche Gerichte für die Entscheidung des betroffenen Rechtsstreits nicht mehr zuständig sind. Eine etwa dennoch dort anhängig gemachte Klage haben sie als unzulässig abzuweisen, wenn der Gegner Schiedseinrede erhebt.
Im Rahmen des Schiedsverfahrens bleibt staatlichen Gerichten nur noch ein sehr begrenzter Zuständigkeitsbereich: So bedarf etwa die Vollstreckung eines Schiedsspruches der Mithilfe staatlicher Gerichte, die den Schiedsspruch für vollstreckbar erklären müssen.
Ferner haben staatliche Gerichte Hilfestellung zu leisten, wenn es bei der Bildung des Schiedsgerichtes zu Schwierigkeiten kommt oder das Schiedsgericht bestimmte Maßnahmen ergreifen möchte, die nur durch staatliche Instanzen vorgenommen werden können (z.B. die eidliche Vernehmung von Zeugen). Schließlich kann die im Schiedsverfahren unterlegene Partei das staatliche Gericht auch mit dem Ersuchen anrufen, den Schiedsspruch aufzuheben, etwa, wenn die Schiedsvereinbarung nicht wirksam war oder das Verfahren an Mängeln litt.
Im grenzüberschreitenden Handel hat die Schiedsgerichtsbarkeit einen festen Platz. Dies gilt auch für die Beschaffung im Ausland. Gerade bei Vertragsparteien mit Sitz in asiatischen Ländern bietet sich wegen der erheblichen Unterschiedlichkeit (und Verläßlichkeit) der staatlichen Justizsysteme die Vereinbarung eines Schiedsgerichtes an. Speziell für den asiatischen Raum stehen mit dem Singapore International Arbitration Center (SIAC) und dem Regional Centre for Arbitration in Kuala Lumpur auch lokale Schiedsgerichtsinstitutionen mit großer Erfahrung zur Verfügung.
Vor- und Nachteile der Schiedsgerichtsbarkeit
Bevor die Vertragsparteien sich auf die Vereinbarung eines Schiedsgerichtes einlassen, sollten sie in ihrem konkreten Fall die Vor- und Nachteile sorgfältig gegeneinander abwägen.
Als besondere Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit häufig genannt werden die weitaus höhere Flexibilität des Schiedsgerichtes bei der Behandlung des Konfliktstoffes, die möglicherweise höhere Sachkunde der Schiedsrichter und die geringere Zeitdauer des Verfahrens. Diese Gesichtspunkte sind richtig, vor allem, wenn ein geeigneter Auswahlmechanismus für die Schiedsrichter gefunden wird.
Der entscheidende Vorteil der Schiedsgerichtsbarkeit im grenzüberschreitenden Handel liegt aber darin, dass Schiedssprüche nach dem New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche in weiten Teilen der Welt vollstreckt werden. Das UN-Übereinkommen hat über 100 Mitgliedsstaaten, in denen die Vollstreckung von Schiedssprüchen gesichert ist, solange die Schiedsvereinbarung und das Verfahren den Vorgaben des Übereinkommens entsprechen.
Damit ist die Vollstreckung von Schiedssprüchen weit eher gesichert als diejenige von Urteilen nationaler Gerichte. Außerhalb Europas etwa sind deutsche Urteile staatlicher Gerichte nur schwer zur Vollstreckung zu bringen. Der Schiedsspruch eines in Deutschland tagenden Schiedsgerichtes dagegen wird auch in vielen sogenannten Exotenstaaten anerkannt und vollstreckt.
Die Nachteile der Schiedsgerichtsbarkeit liegen zum einen in möglicherweise gegenüber dem staatlichen Verfahren erhöhten Kosten, zum anderen in der Abhängigkeit der Parteien von der Neutralität und Unabhängigkeit der eingesetzten Schiedsrichter. In der Tat ist es so, daß die Parteien – wenn das Schiedsgericht sich konstituiert und das Verfahren in Gang gebracht hat – kaum noch Möglichkeiten haben, einen ihnen negativen Verfahrensausgang zu korrigieren.
Die Möglichkeit einer Berufung besteht in der Regel nicht, der Schiedsspruch ist vielmehr endgültig. Eine Aufhebung bei staatlichen Gerichten läßt sich nur erreichen, wenn entweder die Schiedsvereinbarung nicht in Ordnung war oder das Verfahren erhebliche Mängel aufgewiesen hatte. Eine Nachprüfung der Rechtsanwendung des Schiedsgerichtes durch ein staatliches Gericht findet nicht statt. Es ist daher im Einzelfall sorgfältig auf die Besetzung des Schiedsgerichtes zu achten.
Die Kosten des Schiedsverfahrens sind in der Regel höher als die Kosten einer Instanz vor staatlichen Gerichten. Nimmt man allerdings die Möglichkeit von Rechtsmittelverfahren hinzu, so egalisiert sich dieser Nachteil häufig. Sicher wird man auch beachten müssen, welche Bedeutung der in Streit stehende Vertrag hat. Bei Verträgen geringerer Wichtigkeit (und/oder geringeren Volumens) wird man die höheren Kosten des Schiedsverfahrens eher scheuen.
Institutionelle und ad-hoc-Schiedsgerichte
Schiedsgerichte werden dahingehend unterschieden, ob es sich um für den einzelnen Streitfall gebildete Gremien (ad-hoc-Schiedsgerichte) oder Schiedsgerichtsinstitutionen handelt. Bedeutsam ist der Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer in Paris. Daneben gibt es auch andere wichtige Institutionen, etwa das Singapore International Arbitration Centre für den asiatischen Raum.
Der Vorteil institutioneller Schiedsgerichte liegt darin, dass sich die Parteien wenig Gedanken über die Besetzung des Schiedsgerichtes und den Ablauf des Verfahrens machen müssen. Beides ist in entsprechenden Verfahrensordnungen der Schiedsgerichtsinstitution geregelt.
Es genügt, auf die Institution und die Anwendbarkeit der entsprechenden Verfahrensregeln zu verweisen (etwa auf Schiedsgerichtsordnung der Internationalen Handelskammer – ICC Rules). Auch wird durch ein institutionelles Schiedsgericht dem Gedanken der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter eher Rechnung getragen als durch ein rein auf den Einzelfall zugeschnittenes Schiedsgericht. Außerdem stellt die Institution auch einen organisatorischen Rahmen für den Ablauf des Verfahrens zur Verfügung.
Bevorzugen die Parteien ein ad-hoc-Schiedsgericht, müssen sie für den administrativen Rahmen wie auch für die Auswahl der Schiedsrichter selbst Sorge tragen. Dies erfordert einen verhältnismäßig hohen Aufwand an Überlegung und Regelung im Vertrag. Vor allem besteht hier Risiko, unvollständige Regelungen zu schaffen, womit das Schiedsverfahren insgesamt gefährdet ist.
Hilfe gibt insoweit allerdings das nationale Schiedsverfahrensrecht, das in Deutschland gegenwärtig reformiert wird. Das gegenwärtig im Bundestag beratene Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz enthält eine ganze Reihe von Regeln für den Ablauf des Verfahrens, die auch bei unvollständigen Schiedsvereinbarungen zu funktionsfähigen Schiedsgerichten führen. Das bisherige deutsche Recht (§ 1025 ff. ZPO) ist dagegen recht lückenhaft.
Inhalt und Bedeutung der Schiedsvereinbarung
Unabdingbare Voraussetzung für das Tätigwerden eines Schiedsgerichtes ist eine wirksame Schiedsvereinbarung. Diese muss zum Ausdruck bringen, dass die Parteien der Vereinbarung für eine bestimmte Streitigkeit (oder Streitigkeiten aus einem bestimmten Vertragsverhältnis) statt staatlicher Gerichte ein Schiedsgericht zur Entscheidung berufen wollen. Die Schiedsvereinbarung kann Teil eines Vertragswerkes – etwa auch in AGB – sein oder in Form einer eigenständigen Vereinbarung abgeschlossen werden. Letzteres ist nach deutschem Recht (§ 1027 Abs. 1 ZPO) im nichtkaufmännischen Geschäftsverkehr zwingend.
Die Schiedsklausel muss auch zum Ausdruck bringen, welches Schiedsgericht berufen sein soll. Bei einem institutionellen Schiedsgericht ist auf eine möglichst korrekte Bezeichnung Wert zu legen, damit es nicht zu Streitigkeiten über das zuständige Schiedsgericht kommt. Bei ad-hoc-Schiedsgerichten muss in jedem Fall geregelt werden, wie viele Schiedsrichter tätig werden sollen, wie sie berufen werden, wo das Schiedsgericht seinen Sitz haben soll, in welcher Sprache es tagen soll, welche Schiedsgerichtsordnung zur Anwendung kommen soll und welches Schiedsprozeßrecht gelten soll.
Im übrigen ist bei der Abfassung der Schiedsvereinbarung darauf zu achten, dass keine Widersprüche entstehen. Gelegentlich befinden sich in ein und demselben Vertrag eine Schiedsvereinbarung und eine Gerichtsstandsklausel. Die Gerichtsstandsklausel regelt die Zuständigkeit staatlicher Gerichte und passt mit einer Schiedsvereinbarung nicht zusammen. In einem solchen Fall ist dann fraglich, ob die Parteien nun staatliche Gerichte oder aber das Schiedsgericht für zuständig gehalten haben.
Verfahren vor dem Schiedsgericht, Schiedsordnungen
Das Verfahren vor dem Schiedsgericht richtet sich mangels abweichender Bestimmungen grundsätzlich nach den nationalen prozeßrechtlichen Regelungen, die am Schiedsort gelten. In Deutschland sind dies die §§ 1025 ff. ZPO (in Zukunft in der reformierten Fassung des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes).
Meist vereinbaren die Parteien zusätzlich die Anwendbarkeit bestimmter Schiedsordnungen, die von verschiedenen Schiedsgerichtsinstitutionen zur Verfügung gestellt werden. Diese Schiedsordnungen haben keine Gesetzeskraft, sondern wirken nur aufgrund Vereinbarung. Ihr Vorteil liegt darin, dass sie zum Verfahrensablauf detaillierte Regeln enthalten und die Parteien weniger in der Gefahr stehen, Fehler zu machen oder Lücken zu lassen. Eine sehr wichtige Schiedsordnung sind die schon genannten ICC Rules.
Das Verfahren im Schiedsgericht entspricht im übrigen weiten Teilen des Verfahrens vor staatlichen Gerichten. Der Schiedskläger hat seine Ansprüche in Form eines Schriftsatzes zu begründen, der Schiedsbeklagte macht in der gleichen Form seine Einwendungen geltend. Das Schiedsgericht kann Beweise erheben, etwa Zeugen vernehmen (allerdings nicht eidlich). Am Ende des Verfahrens steht entweder eine Einigung zwischen den Parteien, worauf das Schiedsgericht hinwirken wird (und was auch der häufigste Abschluß eines Schiedsverfahrens darstellt) oder aber eine Entscheidung, nämlich der Schiedsspruch.
Erlass und Inhalt des Schiedsspruches
Der Schiedsspruch entspricht dem Urteil beim staatlichen Gericht. In ihm wird über den Anspruch des Klägers entschieden. Der Schiedsspruch ist schriftlich abzufassen und muß begründet werden, außer wenn die Parteien hierauf verzichten. Er soll schließlich von allen Schiedsrichtern unterzeichnet werden, wobei die Unterschrift einer Mehrheit der Schiedsrichter ausreichend ist. Schließlich ist der Schiedsspruch den Parteien zuzustellen.
Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen
Ein Schiedsspruch bewährt sich erst dann, wenn im Ernstfalle auch gegen die unterlegene Partei vollstreckt werden kann. Die Vollstreckung ist, unabhängig davon, in welcher Form sie vollzogen wird, ein Hoheitsakt. Sie führt zu einer zwangsweisen Durchsetzung von Rechten und muss daher staatlichen Institutionen vorbehalten bleiben.
Hieraus folgt, dass der Schiedsspruch als solcher in der Vollstreckung nicht zugänglich ist. Er ist zunächst nicht mehr als die Meinungsäußerung der Schiedsrichter zu einer rechtlichen Fragestellung.
Um vollstrecken zu können, bedarf es einer staatlichen Legitimation. Diese wird durch die sogenannte Vollstreckbarerklärung geschaffen. Der Erlass der Vollstreckbarerklärung ist bei dem zuständigen staatlichen Gericht unter Vorlage des Schiedsspruches zu beantragen. Zuständig sind all diejenigen staatlichen Gerichte, in deren Bezirk sich die unterlegene Partei aufhält oder sich Vermögen von ihr befindet.
Die Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen ist im internationalen Verkehr durch das schon genannte New Yorker UN-Übereinkommen erheblich erleichtert. In diesem Übereinkommen haben sich die Mitgliedsstaaten (mehr als 100) verpflichtet, wechselseitig Schiedssprüche für vollstreckbar zu erklären, wenn die Schiedsvereinbarung wirksam war und bestimmten formalen Anforderungen entsprach und das Verfahren ordnungsgemäß abgelaufen ist.
Eine inhaltliche Prüfung des Schiedsspruches (d.h. der Rechtsanwendung durch das Schiedsgericht) findet dabei nicht statt. Das staatliche Gericht begnügt sich vielmehr mit der Prüfung formaler Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung. Das Verfahren endet mit einem Urteil des staatlichen Gerichtes, das die Zulassung des Schiedsspruches zur Zwangsvollstreckung zum Inhalt hat. Dieses Urteil ist dann die Basis für weitere Vollstreckungsmaßnahmen (etwa Pfändung von Forderungen oder Beschlagnahme von Gegenständen durch den Gerichtsvollzieher).
Im asiatischen Raum gibt es ebenfalls sehr viele Mitgliedsstaaten des New Yorker UN-Übereinkommens. Hierzu gehören Länder wie Indien, Japan, Kamputschea, Syrien, Thailand, Sri Lanka, Philippinen, Korea, Indonesien, Malaysia, Singapur, China und die Mongolei. In all diesen Ländern ist die Vollstreckung eines Schiedsspruches, welche den Anforderungen des New Yorker UN-Übereinkommens entspricht, gesichert.
Der Autor: Dr. Roderich C. Thümmel, Rechtsanwalt und Partner der international tätigen Anwaltssozietät Thümmel, Schütze & Partner in Stuttgart; Thümmel ist als Anwalt auch im US-Bundesstaat New York zugelassen. Seine Beratungsschwerpunkte liegen im grenzüberschreitenden Geschäft, einschließlich schiedsgerichtlicher Streitbeilegung sowie im Gesellschafts- und Handelsrecht.
Überarbeitet: Mai 2017
Aktuelles Heft
Titelbild Beschaffung aktuell 4
Ausgabe
4.2024
PRINT
ABO

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de