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Unberührtes Potenzial von über 50 Mrd. Euro pro Jahr?

Wirtschaftlichkeit von E-Procurement gegenüber E-Sourcing
Unberührtes Potenzial von über 50 Mrd. Euro pro Jahr?

In einer Vielzahl von Industrieunternehmen schlummern immer noch immense Kostensenkungspotenziale im Einkauf: Elektronische Marktplätze, von denen viele Schiffbruch erlitten haben, trugen selten zum erwünschten Ergebnis bei, da Technologie allein nur eine Zutat für die Vorbereitung eines exzellenten Menüs darstellt.

Jochen Grünbeck

E-Procurement wurde von vielen großen und mittelständischen Unternehmen eingeführt und trägt zur Realisierung von gewissen Einsparungspotenzialen bei. Die wirklichen Potenziale, die heute oftmals nur ansatzweise ausgeschöpft werden, liegen jedoch im E-Sourcing. Allein für die Top 500 Unternehmen in Deutschland wird dieses Potenzial auf über 50 Mrd. Euro pro Jahr geschätzt. Um Missverständnisse zu vermeiden, ist es wichtig, zunächst die Begriffe zu definieren:
–E-Sourcing beschäftigt sich mit dem Internet-basierten Verhandlungsprozess, von der Bedarfserfassung über die Lieferantenfindung hin zur Verhandlung, eventuell durch eine Auktion, und zur Auftragsvergabe.
–E-Procurement ist der nachfolgende webunterstützte Beschaffungsprozess, von der Bedarfsanfrage, dem Genehmigungsprozess, der Bestellung bis hin zur Bezahlung.
Fallbeispiel
Stellen wir uns ein größeres Industrieunternehmen vor, 5 Mrd. Euro Umsatz, 3 Mrd. Euro Einkaufsvolumen. In solch einem Unternehmen werden typischerweise 10% des Einkaufsvolumens über E-Procurement abgewickelt, d.h. 300 Mio. Euro und 50.000 Bestellungen werden pro Jahr über die E-Procurement-Software ausgestellt.
Um wie viel kann hier die Umsatzrendite durch die erfolgreiche Implementierung einer E-Procurement-Lösung gesteigert werden?
Drei Kostenreduzierungspotenziale lassen sich typischerweise durch E-Procurement realisieren:
–Prozesseffizienz, d.h. reduzierter administrativer Aufwand führt zu reduzierten Prozesskosten pro Bestellung (von 120 auf 45 Euro pro Bestellung), d.h. in unserem Beispiel 3,75 Mio. Euro.
–Der Anteil des vertraglich verhandelten Einkaufsvolumens wird durch E-Kataloge erhöht (Compliance): Typischerweise von 40% auf 80%, wobei hier Einstandskostenreduzierungen von 10% auf das Delta von 40% erzielt werden: insgesamt 12 Mio. Euro.
–Verbessertes Reporting steigert die Verhandlungsposition des Einkaufs (Leverage). Potenzielle Einsparungen von 6 Mio. Euro sind möglich (geschätzt auf 50% der Ersparnisse der Compliance).
Insgesamt lassen sich 21,75 Mio. Euro sparen, davon 3,75 Mio. Euro unmittelbar durch E-Procurement, vorausgesetzt, die freigestellten Ressourcen können auf wertschöpfenden Aktivitäten eingesetzt werden. Die verbleibenden 18 Mio. Euro lassen sich nur dann einsparen, wenn die neuen E-Kataloge auch verhandelt werden, z.B. durch E-Sourcing. Die Spanne der Umsatzrenditensteigerung erstreckt sich daher von 0,075% (nur durch erhöhte Prozesseffizienz), bis zu 0,435% (inkl. der zwei letzteren Potenziale).
Die Frage stellt sich, was dasselbe Industrieunternehmen durch erfolgreiches E-Sourcing einsparen kann
E-Sourcing kann typischerweise auf 30% des Einkaufsvolumens eines Unternehmens erfolgreich angewandt werden – einige Best Practise Firmen, wie z.B. General Electric, gehen sogar von 50% aus. Hierauf sind durchschnittliche Ersparnisse von mindestens 15% realisierbar. Bei unserem Beispielunternehmen heißt dies zusätzliche Ersparnisse von 135 Mio. Euro, eine Steigerung der Umsatzrendite von 2,7%. Dies bedeutet, dass E-Sourcing bis zu 36 mal effektiver ist als E-Procurement, und das im gleichen Unternehmen.
Berücksichtigt man weiterhin, dass eine erfolgreiche Implementierung einer E-Procurement-Software verglichen zum E-Sourcing kein triviales Unterfangen ist, so stellt sich die Frage, warum nichtsdestotrotz viele Unternehmen ihre Priorität beim E-Procurement gesetzt haben und nicht beim E-Sourcing, wie z.B. Firmen wie General Electric.
–Zunächst mag hier die Meinung vorherrschen, dass E-Sourcing nur für Gemeinkosteneinkauf erfolgreich eingesetzt werden kann. Praxiserfahrung hat jedoch an einer Vielzahl von Projektbeispielen gezeigt, dass gerade bei direkten Produktionsgütern und auch bei Investitionsgütern ein großes Kostenreduzierungspotenzial schlummert. 80% des in 2001 verhandelten Projektvolumens von 1 Mrd. Euro wurden in diesen Kategorien bei Unternehmen mit hohen Qualitätsanforderungen (Luftfahrtindustrie, Maschinenbau, Anlagenbau, Automobilbau) realisiert und dabei im Durchschnitt 19% umsetzbare Einstands-kostenreduzierungen mit qualifizierten Lieferanten erzielt! Das Spektrum erstreckt sich hier von Zeichnungsteilen über komplexe Kataloge mechanischer, elektromechanischer und elektronischer Komponenten bis hin zu kundenspezifischen Ausrüstungsgütern wie Ventilen, Pumpen, Motoren, Wärmetauschern usw.
–Auch im Allgemeinkosteneinkauf liegen die großen Einsparungspotenziale bei oft komplexen Dienstleistungen, für die E-Sourcing nur selten in Betracht gezogen wird: Telekommunikation, Energie, Transport usw.
–Oftmals ist es jedoch auch der Grund, dass E-Sourcing potenziell mehrere Prozesse, Traditionen und Lieferantenbeziehungen in Frage stellt als E-Procurement, und dass daher das Management die Priorität auf die beim ersten Hinsehen einfacher zu implementierende Lösung setzt, das E-Procurement.
Warum sind manche Unternehmen erfolgreicher bei der Umsetzung von E-Sourcing als andere?
Einer der kritischsten Erfolgsfaktoren ist die 100%ige Unterstützung des Top-Managements, sowie ein überdurchschnittlich starker Kostendruck, was von der Organisation voraussetzt, bestehende Prozesse und Praktiken ständig in Frage zu stellen. E-Sourcing ist ein Katalysator für Change Management.
Eine „E-Sourcing-Gedankenhaltung“ entsteht nicht über Nacht und schon gar nicht durch die Implementierung einer Technologie: Es ist ein Prozess, der geänderte Methodiken und Prioritäten im strategischen Einkauf voraussetzt. Dieser Prozess kann erfolgreich von einem E-Sourcing-Dienstleister, dessen Priorität nicht Technologieverkauf, sondern Wertschöpfung durch realisierbare Kostenreduzierungen ist, unterstützt werden. Wichtig ist es hier, in kurzer Zeit viele starke Pferde in der eigenen Organisation zu identifizieren, die den Wagen eines Tages selbst ziehen können.
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Erkenntnis, dass E-Sourcing Ersparnisse deutlich beschleunigen kann: Klassische Kostenreduzierungshebel im Einkauf wie Bedarfsbündelung und Rationalisierung, Lieferantenstammoptimierung, Standardisierung der Ausschreibungen, Redesign to Cost, Nachverhandlung usw. werden durch E-Sourcing verstärkt und effizienter angewandt.
Die angesprochenen Punkte erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sollen als Denkanstöße dienen, die noch immensen Potenziale im Einkauf besser auszuschöpfen. Selbst wenn nur ein Teil des Potenzials im nächsten Jahr realisiert wird, heißt dies eine Wertschöpfung von einem zweistelligen Milliardenbetrag. Kann sich unsere Wirtschaft erlauben, dies unberührt zu lassen?
Über SynerDeal
Das Anfang 2000 gegründete Unternehmen gehört mit seinen 45 Mitarbeitern an 4 Standorten in Frankreich, Deutschland, England zu den E-Sourcing-Dienstleistern in Europa. Man realisiert für Klienten wie Airbus, Alstom, Cablecom, Liebherr, Renault, Rolls-Royce Aerospace, TRW und andere messbare Einsparungen im Einkauf durch eine Kombination von Expertise, Methoden und Internet-Technologie. Das Leistungsspektrum beinhaltet Kostenreduzierungsprojekte, strategische und operationelle Einkaufsberatung und eine ganzheitliche Internet-Plattform. Seit der Gründung hat man Projektvolumen von deutlich über 1 Mrd. Euro verhandelt und dabei Kostenreduzierungen mit qualifizierten Lieferanten von durchschnittlich 19% erzielt.
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