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Update zur allgemeinen Stahlpreissituation

Stahlpreisentwicklung aktuell – eine Analyse
Update zur allgemeinen Stahlpreissituation

Die Stahlpreise bewegen sich in Europa weiterhin seitwärts. Die Talsohle dürfte erreicht sein, sodass jedenfalls nicht von weiteren nennenswerten Abschlägen auszugehen ist. Die Entwicklungen in Übersee geben keinen Anlass, mit erheblich steigenden Stahlpreisen zu rechnen, und auch die ersten leichten positiven Anzeichen in Europa spiegeln sich aufgrund des immer noch deutlichen Überangebotes nicht in nachhaltigen Preissteigerungen wieder.

Grundlegendes hat sich im dritten Quartal im Vergleich zur Marktsituation, wie in der August-Ausgabe der „Beschaffung aktuell“ dargestellt, nicht geändert. Wir erwarten, dass die Preise mittelfristig etwa auf dem Niveau der letzten fünf Monate bleiben, mit nur leichten kurzfristigen Schwankungen. In den nächsten Ausgaben werden wir uns neben den aktuellen Stahlpreisentwicklungen verstärkt der Frage widmen, ob Stahl aus Osteuropa nicht eine günstige Alternative für Einkäufer deutscher Betriebe darstellen könnte. Wir beginnen mit Russland als größtem osteuropäischem Stahlproduzenten.

Die Problematiken einer Beschaffung in Russland sind bereits vielfach beschrieben worden und gelten natürlich weitestgehend auch für Stahl. Hier einige Beispiele, mit denen man sich bei Importen aus Russland zwingend auseinandersetzen muss:
  • Abgleich zwischen DIN- und GOST/OST-Normen
  • Sicherstellung der geforderten Qualität
  • Transportkosten und -zeiten
  • Bürokratie, Zollprozesse, Vertragsgestaltung
  • kulturelle Unterschiede
Günstige Artikelpreise werden daher häufig durch hohe „Nebenkosten“, wie Logistik-, Anbahnungs-, Kapitalbindungs- und Risikokosten kompensiert. Für den erfolgreichen Einkauf in Russland ist also eine sehr genaue Gesamtkostenbetrachtung bereits im Vorfeld absolut unerlässlich.
Stahlmarkt in Russland Die Stahlproduktion in Russland lag 2011 bei ca. 68 Mio. Tonnen, wovon ca. 27 Mio. exportiert wurden. Damit liegt Russland bezüglich Produktion und Export im globalen Vergleich unter den Top Fünf. Evraz, Severstal und Magnitogorsk gehören zu den zwanzig größten Stahlunternehmen weltweit. Durch den WTO-Beitritt Russlands 2012 wurden zudem Handelshemmnisse/Quotierungen gelockert, wodurch russischer Stahl tendenziell auch am deutschen Markt eine zunehmend wichtigere Rolle einnehmen könnte.
Russland verfügt durch eigene Rohstoffzugänge sowie einem guten Standard bezüglich Mitarbeiterqualifikation und Know-how grundsätzlich über gute Voraussetzungen als Stahllieferant. Seit einigen Jahren investieren die russischen Stahlunternehmen zudem verstärkt in hochmoderne Produktionsanlagen. Allerdings betrifft dies bis jetzt erst einen kleinen Teil der Gesamtkapazität. Es bestehen aktuell auch noch keine verfestigten Vertriebsstrukturen in Deutschland, Handelsbüros sind zumeist in der Schweiz angesiedelt.
Die Produktionsstandorte selbst konzentrieren sich auf die westlichen Regionen Russlands und den Bereich südlich von Ekaterinburg. Im Angebot haben die Stahlproduzenten kalt- und warmgewalzte Produkte sowie Langprodukte und Rohre unterschiedlicher Stahlgüten.
Grundsätzlich haben russische Stahlhersteller deutliche Kostenvorteile. Diese resultieren aus den wesentlich geringeren Energiekosten, weniger Umweltauflagen, niedrigeren Lohnkosten und den im Land vorhandenen Rohstoffen. In der Regel verfügen russische Stahlhersteller sogar über eigene Rohstoff-(Eisenerz)Produktionen, die Hersteller anderer Länder teuer einkaufen bzw. importieren müssen. Die direkten Materialpreise sind daher in Russland insgesamt günstiger (Beispiel MEPS Juni 2013: hot rolled coil 573$ in BRIC-Staaten zu 470 Euro in der EU).
Stahlpreise in Russland Die Produktionsanlagen dagegen sind häufig noch veraltet und daher ineffizient, wodurch die Kostenvorteile zu einem großen Teil wieder aufgehoben werden. Allerdings haben, wie oben angedeutet, gerade die großen Stahlerzeuger einige Investitionen bereits realisiert, sodass es durchaus schon leistungsfähige und effiziente Werke gibt, bei denen die o. g. Kostenvorteile nicht wieder durch Ineffizienz kompensiert werden.
Wie eingangs gesagt, müssen die Gesamtkosten hier aber sehr genau betrachtet werden. Aktuell bewegen wir uns auf einem derart niedrigen Preisniveau, dass die Nebenkosten deutlich stärker ins Gewicht fallen würden. Durch dieses weltweit geringe Preisniveau sind die Unterschiede zwischen westeuropäischen und russischen Herstellern in absoluten Werten geringer geworden, damit auch die möglichen Einsparungen.
Zu berücksichtigen ist zusätzlich noch das Wechselkursrisiko, da die Lieferverträge mit russischen Lieferanten regelmäßig keine Vergütung in Euro vorsehen. Sobald der Euro mal wieder „schwächelt“, reduzieren sich somit auch etwaige Einsparungen.
Zusammenfassung und Fazit Überwiegend bei einfachen Stahlgüten, sehr punktuell auch für höherwertigen Stahl, könnten russische Hersteller preislich und qualitativ als Alternative in Betracht kommen. Diese Entwicklung wird sich mittelfristig verstärken, da die Investitionen in die Produktionsanlagen dort noch verstärkt werden.
Der hiesige Absatzmarkt steht jedoch unzweifelhaft noch nicht so im Fokus der russischen Stahlhersteller.
Das lässt darauf schließen, dass schon die Anbahnung eines Geschäfts größere Anstrengungen kostet als bei Anbietern mit etablierten Strukturen in Deutschland. Die von deutschen Stahlherstellern teilweise befürchtete deutliche Zunahme russischer Stahlimporte aufgrund des WTO-Beitritts hat sich jedenfalls bislang nicht realisiert. Solange die hiesigen Unternehmen über ein Schweizer Büro mit der russischen Mutter Verhandlungen führen, Reklamationen abwickeln, Transporte organisieren müssen etc., überwiegen hier noch die Risiken.
Da sich die Stahltransporte noch in Grenzen halten, sind auch die logistischen Verbindungen offensichtlich noch nicht so etabliert. Gerade in diesem Bereich sollte man sich auf eingespielte und etablierte Abläufe aber verlassen können. Auch in den Transportkosten schlägt sich dieser Umstand selbstverständlich negativ nieder.
Hinzu kommen die zu Beginn genannten „Nebenkosten“, die man grundsätzlich bei Importen aus Russland kalkulieren muss.
Unsere Meinung: Die Beschaffung in Russland als günstige Alternative zu westeuropäischem Stahl muss im Vorwege stets sehr genau geprüft werden. In den meisten Fällen dürfte die Entscheidung aus den vorgenannten Gründen im Moment noch gegen den russischen Stahlhersteller fallen.
Mehr zum Thema „Stahl und Stahlbeschaffung“, insbesondere auch zu den aktuellen Stahlpreisentwicklungen, finden Sie auf stahl-kompakt.de
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