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Verhandeln verhindert Verjährung

Mängel kurz vor Ende der Gewährleistungsfrist
Verhandeln verhindert Verjährung

Verhandeln verhindert Verjährung
Es ist für Einkäufer stets eine unangenehme Überraschung, wenn ein Mangel kurz vor Ablauf der Gewährleistungsfrist auftaucht. Da gilt es, schnell mit dem Lieferanten zu verhandeln, um die Verjährung zu hemmen. Unser Autor, Professor Dr. jur. Karlheinz Schmid, zeigt die Möglichkeiten.

Zeigt sich ein Mangel kurz vor Ablauf der Gewährleistungsfrist, hat man nicht mehr viel Zeit, um seine Rechte durchzusetzen. Denn es droht die Verjährung und damit der Verlust sämtlicher Gewährleistungsansprüche. Man muss dann den Ablauf der Gewährleistungsfrist hemmen oder unterbrechen, um in der erforderlichen Zeit das Problem mit dem Vertragspartner zu lösen. Folgende Möglichkeiten bieten sich an:

Am wenigsten werden die Geschäftsbeziehungen zum Lieferanten belastet, wenn eine Hemmung der Gewährleistungsfrist durch Verhandlungen erfolgt. In § 203 Satz 1 BGB heißt es hierzu: „Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert.“
Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet (§ 209 BGB). Die Uhr wird während der Hemmungszeit symbolisch angehalten und der Hemmungszeitraum am Ende der gesetzlichen oder vereinbarten Gewährleistungszeit angefügt, so dass sich auf diese Weise die ursprünglichen Gewährleistungszeit verlängert. Der Gesetzgeber hat davon abgesehen, Beginn und Ende der Verhandlungen besonders zu beschreiben oder Schriftform festzulegen. Die Art und Weise, wie über strittige oder zweifelhafte Ansprüche verhandelt werden kann, ist nämlich so vielgestaltig, dass sie sich einer gesetzlichen Regelung weitgehend entzieht. Umso wichtiger ist es für die Praxis, den Beginn und das Ende der Verhandlung im konkreten Einzelfall genau zu markieren und entsprechende Beweise zu sichern. Es empfiehlt sich, diese Art der Hemmung etwa wie folgt zu regeln:
Es müssen schon richtige Verhandlungen sein
„Solange über die Berechtigung unserer Reklamation verhandelt wird, ist die Gewährleistungszeit der betroffenen Teile von der Meldung der Betriebsstörung bis zum Abschluss der Verhandlungen bzw. bis zum Ende der Reparaturarbeiten und einer eventuellen Abnahme gehemmt.“
Der Beginn der Verhandlungen wird bei dieser Klausel auf den Zeitpunkt der Störungsmeldung vorverlegt und das Ende der Verhandlungen zurückverlegt auf eine möglicherweise durchgeführte Teilabnahme. Auf diese Weise verlängert sich der Hemmungszeitraum. Allein durch die Reklamation des Mangels gegenüber dem Lieferant, auch wenn dies schriftlich oder durch einen Rechtsanwalt erfolgt, wird die Hemmung nicht erreicht. Es müssen schon richtige Verhandlungen sein. Doch das für den Beginn der Verjährungshemmung maßgebliche „Verhandeln“ ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weit auszulegen. Der Käufer muss allerdings klarstellen, dass er einen Gewährleistungs- oder Schadensersatzanspruch geltend machen will und worauf er ihn im Kern stützt. Dann genügt jeder Meinungsaustausch über den Gewährleistungsfall, sofern nicht sofort und eindeutig jeder Ersatz abgelehnt wird (BGH, Urteil vom 26.10.2006, VII ZR 194/05). Verhandlungen schweben daher schon dann, wenn der in Anspruch genommene Lieferant Erklärungen abgibt, die dem Käufer die Annahme gestatten, der Verkäufer lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung von Gewährleistungsansprüchen ein. Nicht erforderlich ist, dass dabei eine Vergleichsbereitschaft oder eine Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird (BGH, Urteil vom 8.5.2001, Der Betrieb 2001 S. 2649). Eindeutig ist die Verjährung gehemmt, wenn sich der Verkäufer auf die Prüfung des Mangels einlässt. Besteht eine Verhandlungspflicht, zum Beispiel aufgrund einer Mediations – Klausel, dann genügt schon die Aufforderung zur Verhandlung, um die Hemmung eintreten zu lassen.
Die Verjährungshemmung endet, wenn sich der Verkäufer weigert, die Verhandlung fortzusetzen. Dies muss durch ein klares und eindeutiges Verhalten des Verkäufers zum Ausdruck kommen. Haben die Beteiligten eine Verhandlungspause vereinbart, um die Schadensentwicklung abzuwarten, ist es grundsätzlich Sache des Verkäufers, die Initiative zum Abschluss der Verhandlungen zu ergreifen, wenn er ein Ende der Hemmung erreichen will. Der Bundesgerichtshof hat mehrfach entschieden, dass es für eine Beendigung der Hemmung ausreicht, wenn der Ersatzberechtigte die Verhandlungen „einschlafen“ lässt (BGH, Urteil vom 6.11.2008, IX ZR 158/07).
Man sollte das in § 203 BGB verwendete Stichwort „Verhandlung“ bereits bei der Störungsmeldung benutzen. Etwa wie folgt: „Wir bitten Sie umgehend die Störung zu beseitigen und mit uns Verhandlungen über den Schadensfall aufzunehmen.“ Beweise müssen gesichert werden: An welchem Tag hat der Verkäufer den Mangel geprüft und in welcher Zeit hat er oder ein von ihm Beauftragter den Mangel beseitigt? Wann waren die Reparaturarbeiten abgeschlossen? Wann erfolgte eine eventuelle Teilabnahme?
Die einzelnen Prüf- und Nachbesserungsarbeiten und damit die Verhandlungszeiten, in denen die Verjährung gehemmt ist, können für die Gewährleistungszeit eine erhebliche Verlängerung ergeben. Wird eine Versicherung oder ein Gutachter eingeschaltet, kann sich dadurch die Gewährleistungszeit um viele Monate verlängern. Man sollte dabei immer beachten, dass eine solche Verlängerung der Gewährleistungszeit auch einen hohen materiellen Zugewinn bedeutet.
Der Gesetzgeber hat mit § 203 BGB eine für die Praxis sehr effektive und recht einfache Möglichkeit geschaffen, um die Gewährleistungszeit durch Verhandlungen zu hemmen. Auf diese Weise steht genügend Zeit zur Verfügung, um einen Streit über die Berechtigung einer Reklamation – eventuell unter Hinzuziehung eines Mediators oder über ein Schlichtungsverfahren – beizulegen.
Es ist aber auch möglich und zulässig, dass der Lieferant von sich aus auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Dies kann allein geschehen oder zusätzlich zu der Hemmungswirkung durch Verhandlung, um einen zusätzlichen schriftlichen Beweis zu schaffen. Eine solche Verzichtserklärung ist auch vor Eintritt der Verjährung wirksam. Sie sollte immer schriftlich erfolgen. Eine solche zusätzliche Absicherung empfiehlt sich besonders in Fällen, wenn
  • weiteres Beweismaterial erst herbeigeschafft werden muss;
  • sich die Befragung von Zeugen verzögert;
  • zur Erforschung von Qualitätsmängeln langfristig angelegte Testreihen erforderlich sind und deren Ergebnis abgewartet werden soll;
  • Sachverständige bzw. Mediatoren erst gefunden werden müssen oder wenn diese für ihre Gutachten längere Zeit benötigen.
Gelegentlich wird diese Vorgehensweise auch als „Stillhalteabkommen“ bezeichnet. Hierunter versteht man die Absprache zwischen zwei Vertragspartnern, dass ein Anspruch einstweilen bzw. für einen gewissen Zeitraum nicht geltend gemacht werden soll. Ziel eines solchen Stillhalteabkommens ist es im vorliegenden Fall, dass die Verjährung der Gewährleistungsansprüche während der Verhandlungszeit über die Berechtigung der Reklamation gehemmt sein soll.
Rechtsverfolgung belastet die Geschäftsbeziehung
Eine Hemmung der Verjährung kann auch durch „Rechtsverfolgung“ gemäß § 204 BGB erreicht werden. Dies ist möglich mit einer gerichtlichen Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, durch Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren usw. Erfahrungsgemäß belastet jedoch eine solche „Rechtsverfolgung“ die Geschäftsbeziehung ganz erheblich. Dies gilt auch dann, wenn dem Gericht mitgeteilt wird, dass die Klage nur zur Hemmung der Verjährung erhoben wurde und deshalb von einer Festsetzung eines Verhandlungstermins abgesehen werden soll.
Nach § 212 Abs.1 Nr.1 BGB beginnt die Verjährung erneut, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt. Umfangreiche Nachbesserungsarbeiten stellen im Regelfall ein solches „Anerkenntnis in anderer Weise“ dar und führen damit zum Neubeginn einer bereits laufenden Gewährleistungszeit.
Der Bundesgerichtshof hat schon in seinem Grundsatzurteil vom 8. Juli 1987 (Der Betrieb 1987 Seite 2192) entschieden, dass bei umfangreichen Nachbesserungsarbeiten – entscheidend sind Dauer, Kosten und Umfang der Nachbesserungsarbeiten – davon auszugehen ist, dass der Verkäufer damit stillschweigend ein Anerkenntnis abgegeben hat.
In dem umstrittenen Fall reichten dem Bundesgerichtshof Nachbesserungskosten in Höhe von rund 4,7 Prozent des Kaufpreises für ein Anerkenntnis aus. Dauer und Umfang der Nachbesserungsarbeiten waren daneben nicht mehr von Bedeutung.
Wurde allerdings die Nachbesserung vom Verkäufer ausdrücklich nur aus Kulanz ausgeführt, kann ein Anerkenntnis nicht angenommen werden. Der Verkäufer sollte bei einem solchen Entgegenkommen nicht noch durch eine neue Gewährleistungszeit „bestraft“ werden.
Der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsprechung mit Urteil vom 2. Juni 1999 (Der Betrieb 1999 Seite 1948) fortgesetzt, wobei er seit dieser Zeit „nicht nur unwesentliche Nachbesserungsarbeiten“ für den Beginn einer neuen Gewährleistungszeit ausreichend sein lässt. Im Einzelnen heißt es hierzu in dem Urteil: „Ob in der Vornahme von nicht nur unwesentlichen Nachbesserungsarbeiten ein Anerkenntnis der Gewährleistungspflicht des Verkäufers liegt, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei, ob der Verkäufer aus der Sicht des Käufers nicht nur aus Kulanz oder zur gütlichen Beilegung eines Streits, sondern in dem Bewusstsein handelt, zur Nachbesserung verpflichtet zu sein. Erheblich sind hierbei vor allem der Umfang, die Dauer und die Kosten der Mangelbeseitigungsarbeiten…“
Grundsätzlich gilt die neue Gewährleistungszeit nur für das reparierte bzw. ausgetauschte Teil. Ist jedoch die ganze Anlage zerstört oder ganz erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden, beginnt die neue Gewährleistungszeit für die Gesamtanlage. Eine entsprechende AGB-Klausel, bei der die vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 5. Oktober 2005 (VIII ZR 16/05, Der Betrieb 2006 Seite 781) vorgenommenen Einschränkungen berücksichtigt wurden, könnte wie folgt lauten:
„Liefern Sie im Rahmen der Nacherfüllung Ersatz, so beginnt die Verjährungsfrist für das ersatzweise gelieferte Teil mit dessen Einbau/Abnahme neu zu laufen. Bei einem nachgebesserten Teil beginnt die Verjährungsfrist mit Beendigung/Abnahme der Nachbesserung bzw. Einbau/Neubau des nachgebesserten Teils. Diese Regelung gilt nicht, wenn nur ein geringfügiger Mangel eines gelieferten Teils durch Ersatzlieferung oder Nachbesserung ohne nennenswerten Aufwand an Zeit und Kosten beseitigt werden kann. Sie gilt auch dann nicht, wenn die Ersatzlieferung oder Nachbesserung unbestritten aus Kulanz oder zur gütlichen Beilegung eines Streits oder im Interesse des Fortbestands der Lieferbeziehung erfolgen.“
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