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Vertragsabschluß und Primärleistungspflicht

UN-Kaufrecht
Vertragsabschluß und Primärleistungspflicht

Vertragsabschluß und Primärleistungspflicht
Sven Regula ist Rechtsanwalt in der Sozietät Regula & Schaeuffelen in Kelkheim. Sein Schwerpunkt liegt in der rechtlichen Beratung von Unternehmen. Als Autor ist er unter anderem für den „Einkaufsrechtsberater“ tätig, außerdem ist er Referent zahlreicher Seminare, unter anderem für Ein- und Verkaufsrecht, Internationales Kaufrecht, Transport- und Vergaberecht sowie Lehrbeauftragter an der Fachhochschule Wiesbaden.
Das UNKaufrecht regelt in Art. 14 ff. den Vertragsabschluß und verdrängt damit die Regelungen des unvereinheitlichten nationalen Rechts.

Sven Regula

Merke:
Sofern das UN-Kaufrecht nicht wirksam ausgeschlossen wurde, verdrängt es beispielsweise das deutsche BGB und HGB.
Diesbezüglich ist jedoch darauf hinzuweisen, daß insbesondere die skandinavischen Vertragsstaaten von der Möglichkeit, einen Vorbehalt nach Art. 92 zu erklären, Gebrauch gemacht haben, so daß in diesen Staaten die Art. 14 ff. nicht zur Anwendung kommen. Der Vertragsabschluß, wie etwa zwischen einem deutschen und einem schwedischen Unternehmen, bestimmt sich also nach der durch den Vertrag oder das internationale Privatrecht berufenen Rechtsordnung.
Angebot
Wie im deutschen Recht kommt nach dem UN-Kaufrecht ein Vertrag durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande. Im Gegensatz zum deutschen Recht ist der Begriff des Angebotes jedoch ausdrücklich definiert. Aufgrund von Art. 14 liegt ein Angebot nur dann vor, wenn
–das Angebot hinsichtlich des Adressaten und des Inhalts bestimmt genug ist und
–der Anbietende seinen Bindungswillen zum Ausdruck bringt.
Nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 ist ein Angebot bestimmt genug, wenn es die Ware bezeichnet und ausdrücklich oder stillschweigend die Menge und den Preis festsetzt oderderen Festsetzung ermöglicht. Entsprechend dem deutschen Recht wird ein Angebot erst mit Zugang wirksam. Für den Zugang des Angebots ist es jedoch nicht unbedingt erforderlich, daß der Empfänger die Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte. Vielmehr genügt es, wenn die Erklärung in den Verfügungsbereich des Empfängers gelangt.
Beispiel:
Während ein Telefax, welches beim Empfänger nachts um 23.00 Uhr ankommt, nach deutschem Recht erst am nächsten Tag mit Geschäftsbeginn zugeht, gilt es nach UNKaufrecht noch am selben Tag als zugegangen. Sofern mit dem Zugang des Schreibens eine Frist in Lauf gesetzt wird, zählt für die Berechnung der Frist somit immer der Tag, an dem das Schreiben tatsächlich eingegangen ist.
Sofern sich jedoch aus Gebräuchen oder Gepflogenheiten zwischen den Parteien ergibt, daß es auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme ankommen soll, gehen diese der allgemeinen Regel vor.
Während ein Angebot aufgrund von § 145 BGB grundsätzlich unwiderruflich ist, kann der Anbietende nach dem UNKaufrecht das Angebot jedoch grundsätzlich bis zur Absendung der Annahmeerklärung widerrufen (Art. 16 Abs. 1), es sei denn, das Angebot ist unwiderruflich (Art. 16 Abs. 2).
Tip:
Bei interessanten Angeboten sollte beim Anbietenden nachgefragt werden, wie lange er sich an das Angebot binden möchte.
Besondere Beachtung finden sollte auch der Umstand, daß AGB grundsätzlich nur dann Teil des Angebotes sind, wenn sie dem Anbietenden tatsächlich vorlagen. Ein bloßer Hinweis auf die eigenen AGB im Angebot reicht regelmäßig nicht aus, sie zum Bestandteil des Angebots werden zu lassen! Den Verwender von AGB trifft insofern eine „Kenntnisverschaffungspflicht“.
Merke:
Allgemeine Geschäftsbedingungen müssen dem Vertragspartner spätestens bei Vertragsabschluß vorliegen!
Annahme
Das Angebot kann sowohl durch eine ausdrückliche Annahmeerklärung als auch durch konkludentes Handeln angenommen werden. Eine Annahme durch Schweigen ist jedoch aufgrund von Art. 18 Abs. 1 Satz 2 grundsätzlich nicht möglich. Die Regeln bezüglich des kaufmännischen Bestätigungsschreibens sind deshalb in der Regel nicht anwendbar. Lediglich wenn sich diesbezüglich ein Handelsbrauch nachweisen läßt, können diese Regeln angewandt werden.
Tip:
Im internationalen Geschäftsverkehr sollte bei eigenen Angeboten grundsätzlich nicht darauf vertraut werden, daß ein Schweigen des Vertragspartners Zustimmung zu dem Angebot bedeutet. Andererseits sollte auch im internationalen Geschäftsverkehr sämtlichen Schreiben, die den Inhalt eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens haben, unverzüglich widersprochen werden.
Aufgrund von Art. 18 Abs. 2 S. 2 muß die Annahmeerklärung innerhalb der gesetzten Frist beim Anbieter eingehen. Hat der Anbieter keine Frist zur Annahme gesetzt, muß sie innerhalb einer angemessenen Frist eingehen.
Tip:
Aufgrund der Unwägbarkeit, welche Frist von einem Gericht im internationalen Geschäftsverkehr als angemessen angesehen wird, sollte in jedem Fall eine Frist zur Annahme gesetzt werden.
Im Falle der Fristversäumnis erlischt das Angebot. Im Gegensatz zum deutschen Recht stellt die verfristete Annahmeerklärung jedoch kein Gegenangebot dar!
Ergänzungen, Einschränkungen oder sonstige Änderungen des Angebots stellen aufgrund von Art. 19 Abs. 1 eine Ablehnung des Angebots verbunden mit einem Gegenangebot dar. Lediglich die nicht wesentliche Veränderung des Angebots stellt eine Annahme des Angebots dar, wenn der Anbietende das Fehlen der Übereinstimmung nicht unverzüglich rügt. Aufgrund von Art. 19 Abs. 3 sind Änderungen bezüglich des Preises, der Bezahlung, der Qualität und der Menge der Ware, des Ortes und der Zeit der Lieferung, der Haftung und der Beilegung von Streitigkeiten wesentliche Vertragsänderungen.
Insbesondere im Hinblick auf Art. 19 Abs. 3 ist bei der Verwendung von AGB darauf zu achten, daß diese das Vertragsangebot nicht wesentlich abändern. Sofern sie das Angebot in wesentlichen Punkten ändern, ist zu beachten, daß dieses Gegenangebot aufgrund von Art. 18 Abs. 2 S. 2 innerhalb einer angemessenen Frist angenommen werden muß, da es ansonsten erlischt und eine verspätete Annahme kein Gegenangebot darstellt.
Beispiel:
Ein deutsches Unternehmen erhält von einem amerikanischen Verkäufer ein Lieferangebot. Das deutsche Unternehmen nimmt dieses Angebot nach zwei Tagen mit Hinweis auf die beigefügten Einkaufsbedingungen an. Die Einkaufsbedingungen decken sich in wesentlichen Punkten nicht mit den Verkaufsbedingungen des amerikanischen Unternehmens. Danach passiert bis zur Lieferung der Ware nach sechs Wochen nichts. Selbst wenn die Ware nun von dem deutschen Unternehmen angenommen wird, kommt in diesem Fall dennoch kein Kaufvertrag zustande. Die Annahme durch das deutsche Unternehmen war eine Ablehnung des ursprünglichen Angebots, verbunden mit einem neuen Angebot. Dieses Angebot wurde nicht fristgerecht angenommen, so daß es erloschen ist. Nach deutschem Recht würde man nun in der Lieferung eine verspätete Annahmeerklärung und somit ein erneutes Angebot sehen ( § 150 Abs. 1 BGB). Da die verspätete Annahmeerklärung nach dem UNKaufrecht jedoch kein Gegenangebot darstellt, kann in der Lieferung kein neues Angebot gesehen werden. Für den Abschluß eines Vertrages fehlt es deshalb an einem Angebot, welches durch das deutsche Unternehmen angenommen werden könnte.
Bei der Verwendung von AGB ist des weiteren zu bedenken, daß sich die Einbeziehung der AGB in den Vertrag ausschließlich nach den Regeln des UNKaufrechts richtet, während die Wirksamkeit der einzelnen Klauseln die Gültigkeit des Vertrages betrifft und deshalb nach nationalem Recht zu beurteilen ist. In diesem Zusammenhang sei auf ein Problem bezüglich des Ausschlusses des UNKaufrechts durch AGB hingewiesen. Da sich die Einbeziehung der AGB nach dem UNKaufrecht bestimmt, muß der Vertragspartner zumindest von der Ausschlußklausel Kenntnis erlangen. Wird bei einem Geschäft jedoch lediglich auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwiesen, ohne diese vorzulegen, werden die ABG nicht Vetragsbestandteil und der Vertragspartner erhält keine Kenntnis von der Ausschlußklausel. In diesem Fall wäre trotz der Ausschlußklausel in den AGB das UNKaufrecht auf den Vertrag anwendbar.
Ein besonderes Problem bei internationalen Geschäftsbeziehungen ist die Vertragssprache. Sowohl das Angebot als auch die Annahme sowie sämtliche späteren Erklärungen müssen in einer Sprache erfolgen, die der Vertragspartner verstehen kann oder auf deren Verwendung sich die Vertragsparteien wirksam vertraglich verständigt haben.
Beispiel:
Ein Spanier verhandelt auf der Messe in Hannover mit einem deutschen Unternehmer in Englisch. Die AGB des deutschen Unternehmers sind in deutsch abgefaßt. Diese AGB werden nicht Vertragsbestandteil, wenn der Spanier kein Deutsch versteht.
Formerfordernisse
Nach dem UNKaufrecht können Kaufverträge grundsätzlich formfrei abgeschlossen werden (Art. 11). Sofern die Parteien jedoch Formvorschriften vereinbaren oder sich solche aus den sonstigen Umständen ergeben, sind diese Vorschriften einzuhalten. Sofern die Parteien Schriftform vereinbaren, ist diese aufgrund von Art. 13 auch durch Mitteilungen per Telegramm oder Fernschreiben gewahrt.
Primärleistungspflichten
Anders als das deutsche Recht, behandelt das UNKaufrecht die Pflichten der Vertragsparteien in gesonderten Unterabschnitten. In Art. 30 ff. werden die Rechte des Verkäufers, in Art. 53 ff. die des Käufers geregelt. Daneben sind in Art. 66 ff. die für beide Vertragsparteien gemeinsam geltenden Vorschriften geregelt.
Primärleistungspflichten des Verkäufers
Aufgrund von Art. 30 ist der Verkäufer verpflichtet, die Ware zu liefern, die sie betreffenden Dokumente zu übergeben und das Eigentum an der Ware zu übertragen. Der Inhalt der Lieferpflicht sowie der Ort der Lieferung werden in Art. 31 näher ausgeführt. Diesbezüglich ist zu beachten, daß der Verkäufer aufgrund von Art. 31 b) und c) in bestimmten Fällen seine Lieferverpflichtung bereits erfüllt, wenn er die Ware dem Käufer zur Verfügung stellt. Eine Übergabe der Ware wie nach § 433 BGB ist demnach in diesen Fällen nicht notwendig. Dies gilt beispielsweise immer dann, wenn es sich nicht um einen Beförderungskauf handelt und die Parteien keine abweichenden Absprachen getroffen haben und keine spezifischen Gebräuche oder Gepflogenheiten festzustellen sind.
Beispiel:
Ein deutsches Unternehmen kauft in Frankreich Ware. Da das Unternehmen über eigene Transportmöglichkeiten verfügt, übernimmt der Verkäufer keine Verpflichtung zur Beförderung der Ware. In diesem Fall genügt es, wenn der Verkäufer dem Käufer die Ware zur Verfügung stellt. Das Aufladen der Ware zählt im Zweifel zu den Käuferpflichten.
Aufgrund von Art. 52 Abs. 1 kann der Verkäufer bei vorzeitiger Lieferung nicht verlangen, daß der Käufer die Ware abnimmt. Vielmehr liegt es im eigenen Ermessen des Käufers, ob er die Ware abnimmt oder ob er die Annahme verweigert (im Gegensatz zu § 271 Abs. 2 BGB, wonach der Käufer bei vorzeitiger Lieferung der Ware im Zweifel verpflichtet ist, die Ware abzunehmen).
Von besonderer Bedeutung kann das Recht des Verkäufers zur Nacherfüllung aufgrund von Art. 48 sein. Danach hat der Verkäufer auch nach Verstreichen des Liefertermins die Möglichkeit zu liefern und somit einen Schadensersatzanspruch (dieser bleibt aufgrund von Art. 48 Abs. 1 S. 2 von diesem Recht unberührt) möglicherweise der Höhe nach zu beschränken. Voraussetzung für dieses Nachlieferungsrecht ist jedoch, daß durch die Nachlieferung keine unzumutbaren Verzögerungen eintreten und dem Käufer durch die Nachlieferung weder unzumutbare Unannehmlichkeiten entstehen noch Ungewißheit über die Erstattung seiner Auslagen durch den Verkäufer verursacht werden. Dieses „Recht der zweiten Andienung“ soll dem Verkäufer die Möglichkeit eröffnen, unter oben genannten Voraussetzungen selbst nach Eintritt des Liefertermins eine nicht vertragsgemäße Lieferung durch Ersatzlieferung oder Nachbesserung zu beseitigen. Dies gilt jedoch nicht, wenn die nicht vertragsgemäße Lieferung eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt.
Tip:
Damit der Käufer bei mangelhafter Ware selber bestimmen kann, ob er Ersatzlieferung oder Nachbesserung verlangt, sollte das „Recht der zweiten Andienung“ in den Allgemeinen Einkaufsbedingungen ausgeschlossen werden.
Obwohl der Verkäufer nach Art. 30 verpflichtet ist, das Eigentum an der Ware zu übertragen, enthält das UNKaufrecht keine Regelungen bezüglich des Eigentums-übergangs. Dies wurde sogar mit Art. 4 b) ausdrücklich ausgenommen, so daß sich der Eigentumsübergang ausschließlich nach nationalem Recht regelt.
Primärleistungspflichten des Käufers
Der Käufer hat aufgrund von Art. 53 den Kaufpreis zu zahlen und die Ware abzunehmen. Art. 54 ff. enthalten hinsichtlich der Zahlung des Kaufpreises besondere Regelungen. So hat der Käufer z.B. aufgrund von Art. 54 bereits vor der Zahlung alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die Zahlung rechtzeitig erfolgen kann.
Beispiel:
Der Käufer muß rechtzeitig ein Akkreditiv eröffnen. Diesbezüglich ist zu bedenken, daß bereits die Verletzung dieser Pflicht eine Vertragsverletzung darstellt, die dem Verkäufer ggf. die Geltendmachung von Leistungsstörungsrechtsbehelfen nach Art. 61 ff. ermöglicht!
Beispiel:
Da das Akkreditiv nicht rechtzeitig eröffnet wurde, mußte der Verkäufer die Ware länger einlagern. Die zusätzlichen Lagerkosten kann der Verkäufer vom Käufer als Schadensersatz verlangen.
In Ermangelung anderweitiger Absprachen ist der Käufer aufgrund von Art. 57 Abs. 1 a) verpflichtet, die Zahlung am Ort der Niederlassung des Verkäufers zu leisten bzw. aufgrund von Art. 57 Abs. 1 b) an dem Ort, an dem die Ware bzw. die Dokumente übergeben werden. Da der Erfüllungsort für die Kaufpreiszahlung demnach der Ort der Niederlassung des Verkäufers bzw. der Ort der Waren oder Dokumentenübergabe ist, besteht aufgrund von § 29 Abs. 1 ZPO (sowie nach zahlreichen anderen Verfahrensordnungen) für den Verkäufer die Möglichkeit, eine Kaufpreiszahlungsklage bei dem für den Ort seiner Niederlassung bzw. bei dem für den Ort der Warenübergabe zuständigen Gericht zu erheben. Für den Käufer empfiehlt es sich deshalb unbedingt, eine Gerichtsstandsvereinbarung zu treffen.
Da die Kaufpreiszahlungspflicht eine Bringschuld ist, genügt es im Gegensatz zum deutschen Recht nicht, wenn der Käufer das Geld am Fälligkeitstag anweist. Vielmehr muß er für das rechtzeitige Eintreffen des Geldes beim Verkäufer sorgen. Sofern die Parteien keine bestimmte oder bestimmbare Zeit der Kaufpreiszahlung vereinbart haben, muß der Käufer aufgrund von Art. 58 Abs. 1 den Kaufpreis zahlen, sobald ihm die Ware oder die entsprechenden Dokumente zur Verfügung gestellt wurden. Damit ist der Verkäufer vorleistungspflichtig.
Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen
Beinahe genauso wichtig wie die Fixierung der gegenseitigen Leistungen ist die Festlegung, welche Rechte ein Vertragspartner haben soll, wenn die versprochenen Leistungen nicht erbracht werden. In den seltensten Fällen wird es jedoch gelingen, in einem Vertrag alle Fälle von Pflichtverletzungen zu regeln, so daß die Rechtsfolgen derartiger Verletzungen aus dem Gesetz abgeleitet werden müssen. Hier stellt sich bei internationalen Kaufverträgen die entscheidende Frage, nach welcher gesetzlichen Grundlage diese Rechtsfolgen zu ermitteln sind. In Betracht kommen das originäre Kaufrecht des Käufer bzw. des Verkäuferlandes oder das UNKaufrecht.
Da es außer dem UNKaufrecht kein internationales Kaufrecht gibt, richten sich die Folgen von Verletzungen der vertraglichen Pflichten in den Fällen, in denen das UNKaufrecht nicht zur Anwendung kommt, nach den Rechtsordnungen, die aufgrund des internationalen Privatrechts auf den Vertrag anzuwenden sind. Sofern diesbezüglich weder eine ausdrückliche noch eine stillschweigende Rechtswahl von den Parteien getroffen wurde, findet das nationale Recht des Landes, in dem die für den Vertrag typische Leistung erbracht wird, auf den Vertrag Anwendung. Da beim Kaufvertrag die Lieferung der Ware die charakteristische Leistung ist, sind die Rechte und Pflichten der Parteien in solchen Fällen grundsätzlich nach dem Recht des Verkäuferlandes zu bestimmen.
Im Hinblick darauf, daß das UNKaufrecht von nahezu allen wichtigen Handelspartnern von Deutschland ratifiziert wurde, läßt sich eine exemplarische Darstellung von einigen nationalen Rechten kaum mehr rechtfertigen. Statt dessen werden hier ausschließlich die Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen, wie sie im UNKaufrecht geregelt sind, ausführlich dargestellt. Insbesondere werden die sich aus dem UNKaufrecht ergebenden Rechtsfolgen bei Nichtlieferung, nicht vertragsgemäßer Lieferung, Nichtzahlung des Kaufpreises, Annahme bzw. Abnahmeverzug des Käufers und die unterlassene Spezifikation der Ware durch den Käufer behandelt.
Verzug
Im Gegensatz zum deutschen Recht differenziert das UNKaufrecht nicht zwischen den Gründen der Nichtlieferung, so daß eine Unterscheidung zwischen Unmöglichkeit und Verzug entbehrlich ist.
Beispiel:
Die von Firma K bei Firma V bestellte Ware verbrennt in den Lagerräumen der Firma V = > Unmöglichkeit.
Firma V kann die Firma K nicht beliefern, weil der Zulieferer der Firma V bestreikt wird = > Verzug.
Nach dem UNKaufrecht werden beide Fälle gleichermaßen als „Vertragsverletzung“ behandelt.
Unabhängig von dem Grund der Nichtlieferung kann der Käufer im Fall der Nichtlieferung grundsätzlich die Erfüllung des Vertrags, die Aufhebung des Vertrags und/oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Dabei kann das Recht, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen, grundsätzlich neben dem Erfüllungsverlangen bzw. neben dem Recht auf Aufhebung des Vertrags verlangt werden.
Beispiel:
Da das Warenlager der Firma V abgebrannt ist, tritt Firma K vom Kaufvertrag zurück. Da sie keinen anderen Lieferanten findet, möchte sie nun Schadensersatz geltend machen. Wärend dies nach deutschem Recht nicht möglich ist (BGH NJW 88,2878), kann K nach dem UNKaufrecht Schadensersatz verlangen.
Merke:
Schadensersatz kann kumulativ zur Vertragsaufhebung geltend gemacht werden.
Eine Vertragsaufhebung wegen Nichtlieferung ist jedoch nur dann möglich, wenn die Vertragsverletzung eine wesentliche im Sinne des Art. 25 ist oder wenn der Verkäufer eine angemessene Nachfrist gesetzt hat und diese fruchtlos verstrichen ist bzw. der Verkäufer erklärt hat, daß er nicht innerhalb der gesetzten Frist liefern werde. Nach Art. 25 ist eine Vertragsverletzung wesentlich, wenn einer Vertragspartei im wesentlichen das entgeht, was sie nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen. Dieser durch die Vertragsverletzung für die Vertragspartei entstehende Nachteil muß jedoch für die vertragsbrüchige Partei oder zumindest für einen objektiven Dritten voraussehbar gewesen sein.
Tip:
Unter Umständen empfiehlt es sich, in einer Präambel zum Vertrag festzuhalten, wofür die Ware vom Käufer benötigt wird. Des weiteren empfiehlt es sich, vertraglich festzulegen, welche Eigenschaften bzw. Zustände die Ware haben soll und welche Abweichungen nicht hingenommen werden können.
Die Wesentlichkeit einer Vertragsverletzung kann sich dabei anhand der Verkehrsauffassung oder anhand der im Vertrag konkretisierten und umschriebenen Interessen des Käufers bestimmen lassen, wobei z.B. der aus der Pflichtverletzung für den Käufer drohende Schaden Anhaltspunkte für eine wesentliche Vertragsverletzung liefern kann.
Beispiel:
Der Billiganbieter kann das bestellte Sicherheitsventil nicht zum vereinbarten Zeitpunkt liefern. Ohne Sicherheitsventil erhält Firma K für die Maschine keine Genehmigung zu deren Betrieb, was Produktionsausfälle zur Folge hat.
Eine wesentliche Vertragsverletzung ist im Falle der Nichtlieferung zumindest dann anzunehmen, wenn die Lieferung objektiv unmöglich ist. Des weiteren, wenn die Leistung dem Verkäufer subjektiv unmöglich ist (Unvermögen) und nicht damit zu rechnen ist, daß der Verkäufer innerhalb angemessener Frist leistungsfähig wird. Außerdem stellt die ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung des Verkäufers eine wesentliche Vertragsverletzung dar.
Anders als nach deutschem Kaufrecht spielt es für die Vertragsaufhebung jedoch keine Rolle, ob der Verkäufer die Nichtlieferung zu vertreten hat. Vielmehr kann der Käufer auch bei nicht zu vertretendem Verzug die Aufhebung des Vertrags erklären, wenn die Nichtlieferung eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt.
Beispiel:
Firma A bestellt bei einer französischen Druckerei ein Programmheft für Theaterfestspiele. Auf diesem Programmheft wird diese Firma auf der Titelseite als Sponsor genannt. Ein Fixtermin wurde nicht vereinbart. Kurz vor den Festspielen versendet die Druckerei die Programmhefte mit der Post. Wegen eines Poststreiks kommen die Hefte erst nach den Festspielen an.Nach deutschem Recht befindet sich die Druckerei nicht in Verzug. Ein Rücktritt vom Vertrag ist deshalb nicht möglich.Nach dem UNKaufrecht stellt die Nichtlieferung eine wesentliche Vertragsverletzung dar, denn der Firma entgeht das, was sie nach dem Vertrag erwarten durfte. Da voraussehbar war, daß bei verspäteter Lieferung ein Schaden entstehen wird, ist Firma A zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt.
Merke:
Verschulden im Sinne des deutschen Rechts ist keine Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch nach dem UNKaufrecht.
In diesem Zusammenhang ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Aufhebung des Vertrags auch in den Fällen vom Käufer erklärt werden muß, in denen die Lieferung infolge einer vom Verkäufer nicht zu vertretenden Unmöglichkeit unterbleibt, denn das UNKaufrecht kennt eine dem BGB entsprechende automatische Befreiung von der Leistungspflicht nicht.
Beispiel:
Nachdem der Käufer für die Hochleistungsmilchkuh eine Anzahlung in Höhe von DM 1.000, geleistet hat, wird die Kuh auf der Weide vom Blitz erschlagen. Auch in einem solchen Fall muß der Käufer die Aufhebung des Vertrags erklären, um seine Anzahlung zurückzubekommen.
Merke:
Eine Lösung vom Vertrag ist immer nur nach vorher erklärter Vertragsaufhebung möglich. Eine Befreiung von den vertraglichen Verpflichtungen kraft Gesetzes gibt es im UNKaufrecht nicht.
In den Fällen der Nichtlieferung ist die Erklärung, den Vertrag aufzuheben, jedoch grundsätzlich nicht an eine Frist gebunden, so daß die Anzahlung praktisch jederzeit zurückgefordert werden kann. Ob in diesem Zusammenhang jedoch die Aufforderung, die Anzahlung zurückzuzahlen, alleine als konkludente Aufhebungserklärung angesehen werden kann, ist fraglich. Eine auf Rückzahlung der Anzahlung gerichtete Klage müßte somit unter Umständen als unbegründet zurückgewiesen werden, wenn das Gericht feststellen würde, daß der Vertrag wegen fehlender Aufhebungserklärung immer noch besteht.
Aufgrund von Art. 49 Abs. 2a verliert der Käufer im Falle der verspäteten Lieferung allerdings sein Recht, die Aufhebung des Vertrags zu erklären, wenn er dies nach erfolgter Lieferung nicht innerhalb einer angemessenen Zeit tut. Dies führt beispielsweise im Vergleich mit dem deutschen Fixhandelskauf zu dem entscheidenden Unterschied, daß die nach Ablauf des Fixtermins erfolgte Lieferung eine Vertrags-erfüllung darstellt, wenn der Käufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist die Aufhebung des Vertrags erklärt.
Beispiel:
Firma K bestellt bei der italienischen Firma V 500 Modehemden. Als Liefertermin wird der 31. August fix vereinbart. V liefert die Hemden erst am 15. September. Während nach deutschem Recht eine nachträgliche Erfüllung nur dann eine Vertragserfüllung ist, wenn der Käufer unverzüglich nach Ablauf des Fixtermins erklärt, daß er weiterhin auf eine Vertragserfüllung besteht, führt die stillschweigende Entgegennahme der Ware nach dem UNKaufrecht quasi zur Genehmigung der Lieferung.
Merke:
Selbst wenn ein Fixtermin verstrichen ist, muß der Käufer unverzüglich die Aufhebung des Vertrags erklären.
Im Gegensatz zum deutschen Kaufrecht, wonach der Käufer beim Überschreiten eines nicht kalendermäßig bestimmten Lieferzeitpunkts erst nach erklärter Mahnung die Ersetzung eines Verzugsschadens verlangen kann, kommt es nach dem UNKaufrecht auf eine Mahnung nicht an. Der Käufer kann vielmehr bereits nach dem Überschreiten des Lieferzeitpunkts ohne zusätzliche Mahnung nach Art. 45 Abs. 1b Schadensersatz verlangen.
Beispiel:
Der Verkäufer vereinbart mit dem Käufer „Lieferung innerhalb von 14 Tagen“. Sofern die Lieferung nicht innerhalb von 14 Tagen erfolgt, kann der Käufer ab dem 15. Tag seinen Verzugsschaden geltend machen.
Merke:
Verzugszinsen können bereits ab Fälligkeit der Leistung verlangt werden.
Schadensersatz wegen Nichterfüllung kann der Käufer dagegen erst nach fruchtlosem Ablauf einer gesetzten Nachfrist verlangen, es sei denn, das Überschreiten der Lieferzeit stellt eine wesentliche Vertragsverletzung dar. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn es sich bei dem Kauf um einen Fixkauf oder um ein dem Fixkauf ähnliches Geschäft handelt.
Das Thema Internationales Kaufrecht ist in drei Beiträge aufgeteilt. Im folgenden Teil 3 wird das Gewährleistungsrecht des UNKaufrechts dargestellt.
Folge 1: UN-Kaufrecht und die Wahl des Gerichtsstandes Folge 2: Vertragsabschluß und PrimärleistungspflichtFolge 3: Das Gewährleistungsrecht des UNKaufrechts
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