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Vertragsmanagement beginnt mit der Vertragserstellung …

Jungheinrich-Einkauf im Wandel, Teil 2
Vertragsmanagement beginnt mit der Vertragserstellung …

Die ersten Gedanken beim Vertragsmanagement drehen sich um die Ablage bzw. Wiedervorlage von abgeschlossenen Verträgen. Mindestens den gleichen Stellenwert aber sollte die Erstellung der Verträge einnehmen. Worin liegt der Grund dafür, dass dieses Thema in vielen Einkaufsabteilungen nicht hinreichend professionell gemanagt wird?

Verträge werden häufig im Kompetenzbereich der Rechtsabteilung gesehen, obwohl viele Themen in erster Linie prozessualer oder kaufmännischer Natur sind und keine originär juristische Aufgabenstellung darstellen. Während sich zudem der Vertrieb meist „nur“ um ein Produkt kümmern muss, hat der Einkauf die anspruchsvolle Aufgabe, Bedarfe aus unterschiedlichsten Bereichen wie Produktionsmaterial, Software, Dienstleistungen oder Logistik zu bedienen.

Dies führt dazu, dass bei der Vertragserstellung – im besten Fall – eine Vielzahl unterschiedlichster Vertragsvorlagen zur Anwendung kommt.
Die Realität sieht meist so aus, dass eine Vorlage durch Einkäufer individuell angepasst und losgelöst weiterentwickelt wird.
Das klingt zunächst nicht weiter dramatisch, aber welche Konsequenzen ergeben sich daraus in der praktischen Handhabung für Strategische Einkäufer, Einkaufsleiter und Rechtsabteilungen? Unternehmen sollten sich die Frage stellen, wie sie hinsichtlich folgender Anforderungen aufgestellt sind:
  • 1. Verantwortlichkeiten und Richtlinien zur Vertragserstellung
  • 2. Qualitätssicherung und Festlegung von vertraglichen (Mindest-)Regelungsinhalten
  • 3. Prozess der Vertragserstellung
  • 4. Spielraum der Strategischen Einkäufer in der Verhandlung
  • 5. Vertragsablage / zentraler Vertragszugriff
  • 6. Controlling auslaufender Verträge, Fristen, Konditionen und Einkaufsvolumen
Vor dem Hintergrund dieser Anforderungen hat die Jungheinrich AG Anfang 2012 ein Projekt zur Neukonzeption eines ganzheitlichen Vertragsmanagements, d. h. der Vertragserstellung, -verhandlung, -ablage und des -controllings initiiert.
Verantwortlichkeiten und Richtlinien. Ausgangsbasis des neuen Konzeptes ist die klare Regelung von Verantwortlichkeiten anhand eines Pyramidensystems. An der Spitze – und damit Single Point of Contact in Richtung Lieferant – steht der Warengruppenmanager (WGM). Er ist verantwortlich für den (Rahmen-)Vertrag und alle kaufmännischen und juristischen Vertragsbestandteile. Leitungsbeschreibungen, Qualitäts- oder Logistikvereinbarungen obliegen in der Ausgestaltung den Fachabteilungen, deren Inhalte wiederum in der Vertragsverhandlung durch den Warengruppenmanager vertreten werden.
Bei Jungheinrich besteht in den Bereichen Technik, Indirektes Material und Handelsware eine hohe Anzahl von Lieferbeziehungen. Angesichts dessen stellte sich die Frage, wann notwendiger- und sinnvollerweise ein Vertrag zu schließen ist – und dies möglichst effizient.
Dieser Anforderung begegnet Jungheinrich künftig in Form eines Kriterien-Sets.
Der Warengruppenmanager bewertet somit anhand von 12 Kriterien seine Lieferanten. Trifft mindestens eines dieser für Jungheinrich erfolgskritischen Kriterien zu, so ist zwingend ein Vertrag zu schließen.
Qualitätssicherung und Festlegung von vertraglichen (Mindest-)Regelungsinhalten:
Aus der Durchsicht bestehender Verträge konnten drei wesentliche Erkenntnisse gezogen werden.
  • 1. Verträge enthielten trotz stets vergleichbarer Anforderungen unterschiedliche Regelungsinhalte.
  • 2. Vermeintlich gleiche Vertragsklauseln existierten in vielen Ausprägungen.
  • 3. Die Sicherstellung eines einheitlichen CI (Schriftarten, Schriftgrößen, Terminologie und Logos) war nicht durchgängig gegeben.
Bei der Neukonzeption der zukünftigen Vertragsinhalte wurde im Projekt mit einer gewagten These gestartet: „Grundsätzlich sind alle Verträge gleich“.
Jungheinrich hat sich im Projekt bewusst auf die Gemeinsamkeiten der unterschiedlichen Vertragsarten konzentriert. Abgesehen von der Leistungsbeschreibung und den Konditionen konnten so bis auf wenige Ausnahmen Vertragsklauseln allgemeingültig verfasst werden.
Oberste Prämisse bei der Neugestaltung der vertraglichen Klauseln war das Eindeutigkeitsprinzip. Alle Regelungsinhalte (juristischer, prozessualer oder beschreibender Natur) wurden klar strukturiert und eindeutigen Vertragsklauseln sowie Anlagen zugeordnet. Eine Regelung findet sich somit immer an einer festen Stelle innerhalb der Vertragsstruktur wieder. Redundanzen wurden beseitigt.
Aus dieser Grundprämisse heraus ist für Jungheinrich auch erstmalig ein Lieferantenhandbuch entstanden. Alle Regelungen, die die Zusammenarbeit mit einem Lieferanten (Anforderungen an Zertifizierungen, Logistik und Verpackung, Fertigungstoleranzen, Reklamationsprozess, etc.) beschreiben und zuvor auf eine Vielzahl von Richtlinien und Dokumente verteilt waren, wurden werksübergreifend neu definiert und verabschiedet. Durch Einbindung in den Bewerbungs- und Ausschreibungsprozess werden die Regelungen des Lieferantenhandbuches Grundvoraussetzung sein, sich als Jungheinrich Lieferant zu qualifizieren.
Für den künftigen Abschluss von Verträgen zwischen Jungheinrich und Lieferanten wurden zudem für alle Einkaufsvorgänge gültige Vertragsarten definiert.
Hinter diesen Vertragsarten (Rahmen- und Einzelverträge für Produktionsmaterial, IT, Dienstleistungen, Entwicklungen, etc.) liegt eine Regelungsmatrix, die definiert, welche Vertragsklauseln und –anlagen jeweils verpflichtend zu nutzen sind (Muss-Bestandteil) und welche durch den Warengruppenmanager optional hinzugewählt werden können (Kann-Bestandteil).
Für eine Vertragsart nicht relevante Klauseln und Anlagen werden nicht zur Auswahl angeboten.
Erfolgskritischer Aspekt bei diesem Projekt war die Aufstellung und Art der Zusammenarbeit. Vertreter aus Einkauf, Entwicklung, Qualität und Logistik sowie fast allen Werken brachten Erfahrungen ein, sorgten für den Übertrag der Arbeitsergebnisse in die Gesellschaften und deren erforderliche Akzeptanz.
Zur Sicherung der konsequenten Nutzung dieser Vertragsinhalte wurde eine zentrale Lösung benötigt, die allen am Vertragsprozess beteiligten Einheiten die gleichen Informationen und Regelungen zentral, aktuell und juristisch geprüft zur Verfügung stellt. In der Konsequenz entschied sich Jungheinrich für eine software-basierte Lösung – das Jungheinrich „EasyCon“.
Prozess der Vertragserstellung. Der Prozess der software-unterstützten Vertragserstellung (Neuvertrag) beginnt mit der Auswahl einer vordefinierten Vertragsart.
Nachfolgend werden interne Vertragsparameter (Warengruppe, Vertragsersteller, Vertragsnummer) und externe Vertragsdaten (Auftragnehmer, Adressdaten, Logo) eingegeben bzw. generiert.
Auf Basis der eingangs gewählten Vertragsart erhält der Vertragsersteller eine Gesamtübersicht aller obligatorischen und optionalen Klauseln und Anlagen (Muss- und Kann-Bestandteile).
Diese Gesamtübersicht dient zudem als Vollständigkeits- und Qualitätscheck, sodass vor der finalen Vertragserstellung noch optionale Vertragsklauseln und Anlagen ergänzt werden können. Das Risiko von Unvollkommenheiten und Regelungslücken in Verträgen wird minimiert.
Die Zusammenführung aller Vertragsbestandteile übernimmt die Software und erstellt – ergänzt um die einmalig eingegeben Vertragsparameter – den (Rahmen-) Vertrag inklusive. aller Anlagen im hinterlegten Jungheinrich-Design. Durch diesen Prozess wird bei gleichzeitig höherer Qualität und einheitlicher Außendarstellung der Zeitaufwand zur Vertragserstellung auf wenige Minuten reduziert.
Spielraum in der Verhandlung. Auch ausgereifte Standardverträge bieten keine Garantie dafür, dass der Vertragspartner einen Vertragsentwurf ohne Anpassungen akzeptiert und unterschreibt. Vor diesem Hintergrund stellten sich folgende Fragen:
  • Wie weit darf ein Warengruppenmanager/Einkäufer in einer Verhandlung gehen?
  • Welche Änderungen liegen in seiner Kompetenz?
  • Wann ist die Rechtsabteilung zu konsultieren oder eine Abweichung der definierten Standards zulässig?
Jungheinrich hat auf diese Fragestellungen hin zwei einfache Antworten entwickelt:
Klauseln, die bei Veränderungen der Zustimmung der Rechtsabteilung bedürfen, sind explizit gekennzeichnet (bspw. Haftung, Exklusivität, Versicherung). Die übrigen Vertragsklauseln sind im Standard zu nutzen.
Im Falle von gravierenden Anpassungen, sind diese über ein abschließendes Vertragsdossier zu dokumentieren und durch den zuständigen Einkaufsleiter zu bestätigen. Dieses Vertragsdossier enthält eine Gegenüberstellung der „Soll-Klauseln“ mit den final verhandelten „Ist-Klauseln“ sowie Aussagen zu Abnahmeverpflichtungen und Risiken aus der Vertragsbeziehung.
Vertragsablage/zentraler zugriff. Bei der Auswahl einer software-gestützten Vertragsmanagementlösung standen zahlreiche Optionen zur Auswahl.
Jungheinrich hat sich nach umfassender Marktrecherche und aufgrund einer ganzheitlichen SRM- Strategie für die SAP-Lösung SRM Contract Management entschieden. Angereichert um weitere Funktionen erfolgt seit Herbst 2012 die zentrale Ablage aller Verträge in dieser SAP-Lösung. Neben dem zentralen und revisionssicheren Zugriff waren für Jungheinrich die Möglichkeit der Versionierung sowie die Eingabe von Laufzeiten und Fristen entscheidende Kriterien.
Zur Unterstützung im operativen Betrieb haben neben dem Einkauf weitere Bereiche wie Qualität, Logistik und Entwicklung Zugriff auf abgelegte Vertragsdokumente.
Controlling auslaufender Verträge, Fristen, Konditionen und Einkaufsvolumen:
Zur Steuerung des Einkaufsvolumens nutzt Jungheinrich das SAP-BW (SAP-BI). Neben Kennzahlen zur Veränderung des Einkaufsvolumens, der Materialkostenveränderungen und bspw. der Maverick Buying Quote, werden ab Frühjahr 2013 auch Daten zur Vertragsquote und zu auslaufenden Verträgen / Konditionen in das BW integriert.
Ziel ist es, den Warengruppenmanagern – im Interesse einer optimalen Steuerung – ein möglichst umfassendes Bild über ihre jeweilige Warengruppe zu geben.
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