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Von der „Webifizierung“ zur Integration

Supplier Relationship Management – Lieferantenportale
Von der „Webifizierung“ zur Integration

Mit Supplier Relationship Management versuchen die OEMs die Zusammenarbeit innerhalb ihrer Zuliefernetzwerke zu verbessern. Während E-Procurement-Lösungen vornehmlich Prozesskosten reduzierten, hat sich die Einführung eines Lieferantenportals als Erfolg versprechender Ansatz erwiesen.

Dr. Michael Gehle, Dirk Engelien

In der Entwicklung vom Desktop-Purchasing-System (DPS) zum Supplier Relationship Management (SRM) hat sich das Beschaffungswesen grundlegend verändert: Klassische E-Procurement-Systeme optimieren lediglich die operativen Beschaffungsprozesse und sind meist nur rudimentär mit anderen IT-Systemen vernetzt. Der ganzheitliche SRM-Ansatz geht darüber hinaus und fordert die strategische Kooperation innerhalb des Lieferantennetzwerks. Dazu muss das Beschaffungsmanagementsystem die Interaktivität zwischen strategischen E-Sourcing- und operativen E-Procurement-Systemen unterstützen. Zusätzlich muss es den Zugriff auf Anwendungen und Daten aus Enterprise Ressource Planning (ERP) oder Supply Management Systemen (SCM) erlauben. Um diese Aufgaben zu bewältigen, bedarf es einer zentralen Schnittstelle, von der aus sich sämtliche lieferantenbezogenen Aktivitäten effektiv und übersichtlich koordinieren lassen. In der Praxis haben sich Lieferantenportale hierfür als geeignet erwiesen.
Portale ergänzen Altsysteme
Die Einführung eines Lieferantenportals ist insbesondere dann in Erwägung zu ziehen, wenn Einkäufer und Lieferanten unterschiedliche Systeme mit eigenen Benutzeroberflächen einsetzen oder sich die Lieferanten bei verschiedenen Weboberflächen eines Unternehmens registrieren müssen. Auch die Zielsetzung, Prozesse flexibler zu gestalten oder vor- und nachgelagerte Glieder der Beschaffungskette enger in die Geschäftsprozesse zu integrieren, kann die Entscheidung für ein Portal bestimmen. Ein Portal bietet sich außerdem an, wenn die Betriebs- und Wartungskosten der IT reduziert werden sollen oder wenn es darum geht, Altsysteme in eine moderne IT-Architektur einzubinden.
Berater der Softlab Gruppe haben beispielsweise die Realisierung eines solchen Lieferantenportals in der Automobilbranche unterstützt. Allen Benutzern des Portals steht nun ein homogenes Erscheinungs- und Navigationslayout zur Verfügung, das in ein zentrales Rechte- und Rollenkonzept eingebettet ist. Die angebundenen Zulieferer rufen die Bestellinformationen online ab und erhalten über ein integriertes Reklamations- und Rechnungshandling umgehend Feedback von ihrem Auftraggeber. Sie haben Zugriff auf die Bewertungen des OEM, so dass sie auf Liefer- und Produktmängel schnell reagieren können. Diese nahtlose Anbindung fördert die Zusammenarbeit und verbessert die Lieferanten-Einkäufer-Beziehung. Die enge Zusammenarbeit unter den Einkäufern führte zu einer weiteren Kosten- und Zeitersparnis. Das Web-Interface vereinfacht die operative Arbeit und die Einkäufer haben jetzt mehr Zeit, um neue oder intensivere Lieferantenbeziehungen aufzubauen. Auch in der Systemadministration ließen sich signifikante Einsparungen erzielen: Über Supplier-Self-Services können Zulieferer zum Beispiel die Stammdatenerfassung nun eigenhändig durchführen.
Der Erfolg eines Lieferantenportals hängt in erheblichem Maße vom Informationsaustausch zwischen den einzelnen Portalkomponenten und den angebundenen Backendanwendungen ab. Insellösungen führen selten zu Synergieeffekten und zu echter Kooperation. Die Nachteile solcher Monolith-Lösungen lassen sich folgendermaßen beschreiben:
  • zunehmende Systemheterogenität
  • steigende Wartungskosten
  • redundante Datenhaltung
  • lückenhaft abgebildete Geschäftsprozesse
  • aufgrund des Mehraufwands verärgerte Lieferanten und infolgedessen eine Belastung der Geschäftsbeziehungen.
Für eine Portallösung ist demzufolge die Integration und Synchronisation aller beteiligten Systeme der Beschaffungskette unbedingt erforderlich. Neben den bereits erwähnten ERP- und SCM-Systemen können auch die Systeme für Customer Relationship Management (CRM) einbezogen werden. Der wesentliche Mehrwert und die eigentliche Kernfunktion eines Lieferantenportals stecken also in der Integrationstiefe der Anwendungen. Die Integration nimmt deshalb nicht selten 70 Prozent eines Projektbudgets in Anspruch.
Bei der Realisierung von Lieferantenportalen verfolgt Softlab einen pragmatischen Ansatz, der sich an den Bedürfnissen des Kunden orientiert. In der Analysephase werden neben den organisatorischen und technischen Notwendigkeiten auch qualitative Anforderungen an einen zukünftigen Portalanbieter berücksichtigt. Wichtige Anhaltspunkte sind beispielsweise die Branchen- und Beschaffungskompetenz, Prozess-Know-how, die Stabilität des Unternehmens sowie Erfahrung in vergleichbaren Projekten. Auch der Reifegrad der Software sowie die Verfügbarkeit länderspezifischer Releases können wichtige Auswahlkriterien sein.
Die Feinkonzeption sollte immer in enger Abstimmung mit allen Projektpartnern erfolgen. Nur so lässt sich vermeiden, dass aufwändige Zusatzprogrammierungen das Projekt in die Budgetfalle führen. Als weitere Erfolgsfaktoren nennt Softlab:
  • die frühzeitige Einbindung von Fachabteilungen, Benutzern und Lieferanten
  • eine Unterteilung des Projekts in Stufen
  • die Definition und Kommunikation einer Einführungsstrategie im Rahmen eines projektspezifischen Change Managements
  • die frühe Bereitstellung eines Prototyps
  • eine möglichst kurze Projektlaufzeit
Software individuell auswählen
Der Markt für Portallösungen ist stark fragmentiert. Hersteller von Standardsoftware wie SAP haben ihre Systeme um eine Portaloberfläche und SRM-Funktionalitäten ergänzt. Ehemalige IT-Infrastrukturanbieter wie BEA Systems und IBM haben ihre Applikations-Server um Funktionalitäten zum Aufbau von Portalen erweitert. Neben diesen Anbietern tummeln sich dutzende spezialisierter Portalhersteller wie AbaXX, Plumtree und Broadvision auf dem Markt.
Die Preismodelle, Umfänge und Funktionsschwerpunkte unterscheiden sich in einigen Punkten. Viele Hersteller haben jedoch grundsätzliche Portalfunktionalitäten in ihre Produkte integriert. Folgende Features sind damit fast schon Standard:
  • Benutzermanagement
  • Content Management
  • Normierte Schnittstellen zur Anbindung der Backendsysteme (ERP)
  • Entwicklungs- und Testumgebungen
  • Kollaborationsmanagement
  • Personalisierung
  • Sicherheitsmanagement und Single-Sign-On
  • Suchfunktionalitäten
Neben diesen Standardfeatures grenzen sich die Portale über eine Reihe spezifischer Ausstattungsmerkmale ab. So variiert die Anzahl der verfügbaren Portlets, welche die sichtbaren und aktiven Komponenten einer Portal-Seite sind. Portlets können zum Beispiel den Zugriff auf Lieferantenstammdaten erlauben oder Suchfunktionen bereitstellen und die Suchergebnisse auf der Portaloberfläche präsentieren. Je größer die „Portlet-Bibliothek“, umso mehr Standardapplikationen lassen sich in einer Art „Baukastensystem“ in die Portaloberfläche integrieren.
Die Portale unterscheiden sich außerdem hinsichtlich der Workflow-Funktionalitäten. Mit Workflow-Management-Funktionen ist es möglich, Prozesse über verschiedene Quellsysteme wie interne Kalender, Nachrichtensysteme oder Projektterminpläne zu definieren und auszuführen. Werden zum Beispiel Ausschreibungen von mehreren Abteilungen bearbeitet, können einzelne Informationen für die partizipierenden Gruppen sichtbar oder verdeckt geschaltet und zeitliche Bearbeitungsabfolgen festgelegt werden. Darüber hinaus können Daten aus Backendsystemen – beispielsweise zu Stücklisten oder CAD-Zeichnungen – in die Ausschreibung eingebunden werden. Nur wenige Hersteller bieten zu ihrer technischen Plattform eine umfangreiche Palette an eigenen SRM-Modulen für Aufgaben wie Sourcing, Procurement, Content Management, Spend Analysis oder Reporting an. Das Gros der Anbieter kooperiert hier mit Partnerunternehmen.
Komplett- oder Baukastensystem
Aufgrund des breiten Angebotes und unterschiedlicher Produktausprägungen sind bei der Entscheidung für eine Portalsoftware die spezifischen Anforderungen eines Unternehmens ausschlaggebend. Zu diesem Ergebnis kommt auch die im April 2005 veröffentlichte Studie „Marktübersicht Portalsoftware 2005“ der Fraunhofer Gesellschaft, Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation.
Unterschiede im Funktionsumfang und Workflow
Einige Anhaltspunkte können die Orientierung dennoch erleichtern, wie folgender Überblick über vier ausgewählte und für Lieferantenportale taugliche Lösungen zeigt: Bei SAP bildet das Enterprise Portal EP 6.0 als Applikations- und Integrationsplattform das technische Grundgerüst für ein Lieferantenportal. Auf diesem setzt die eigentliche SRM-Lösung, das mySAP Supplier Relationship Management (mySAP SRM) auf. Klassische SRM-Funktionalitäten wie Lieferantenauswahl, Kontraktmanagement, Lieferantenselbstverwaltung und Auftragsbearbeitung sind in mySAP SRM integriert. Unternehmen mit einer vorherrschenden SAP-Infrastruktur können Lieferantenportale von SAP mit relativ wenig Aufwand in ihre Systemlandschaft integrieren. Damit sind sie natürlich enger an einen einzigen Hersteller gebunden. Und die SAP-Welt ist weniger flexibel, wenn es um die Integration von Produkten anderer Hersteller geht. Mit dem Release 6.0 von SAP Enterprise Portal werden jedoch mittlerweile auch eine Reihe offener Standards wie Java, .NET und XML-Services unterstützt.
IBM und BEA Systems setzen hingegen schon seit geraumer Zeit auf offene Standards. Die Portal-Lösungen basieren auf den Applikationsservern IBM Webspere bzw. BEA WebLogic Server und bieten neben umfangreichen Zusatzkomponenten Kompabilität mit Java sowie die Unterstützung einer Vielzahl von Betriebssystemen. Die IBM-Lösung verfügt außerdem über SRM-Funktionen wie Ordermanagement, Ausschreibung und Lagerbestandskontrolle. Sowohl IBM als auch BEA arbeiten mit zahlreichen Partnerunternehmen zusammen, deren SRM-Lösungen sich in die Portale einbinden lassen. Wird ein Lieferantenportal in über Jahre gewachsene Anwendungslandschaften integriert, kann BEA WebLogic Portal Vorteile bieten. Der Grund: Jahrelang hat dieser Anbieter Adapter für Software und Industriestandards entwickelt und Erfahrung in der Integration heterogener Umgebungen gesammelt.
Plumtree wird oft als Erfinder des Portals bezeichnet und ist im Gegensatz zu vielen Mitbewerbern auch heute noch ein reiner Portalanbieter. Plumtree bietet mit dem Corporate Portal eine plattformunabhängige Technologie an, die flexibel einsetzbar ist. Eine Stärke von Plumtree liegt in der Anzahl verfügbarer Portlets. Mit deren Hilfe lassen sich Applikationen wie Microsoft Excel, Lotus Notes oder Documentum in das Portal integrieren und bestimmte Funktionen in SAP, Siebel, Peoplesoft oder Cognos ausführen. Wie IBM und BEA verfolgt auch Plumtree die Bereitstellung von SRM-Applikationen über ein weltweites Partnernetzwerk, zu dem Content-, Applikations- und Consulting-Unternehmen gehören. Kunden, die über genügend Ressourcen verfügen, können dadurch das Portal sehr individuell an ihre Bedürfnisse anpassen.
Fazit
Lieferantenportale unterstützen den ganzheitlichen SRM-Ansatz. Die damit verbundenen Zeit- und Kosteneinsparungen hängen jedoch entscheidend von der Integrationstiefe des Portals ab. Bei der Auswahl einer Portalsoftware gilt es eine Vielzahl individueller, technischer und qualitativer Aspekte zu berücksichtigen. Auch die Schwerpunkte bzw. Stärken einer Portalsoftware können Anhaltspunkte liefern. Außerdem ist zu beachten, dass ein Portalprojekt vom ersten Konzept bis hin zur Realisierung eine hohe Komplexität aufweist und unterschiedlichste Kompetenzen erfordert. Damit ein SRM-Projekt nicht in einer bloßen Webifizierung der Bestellverwaltung endet, bedarf es deshalb mehr: Es müssen die gesamten Beschaffungsprozesse unter die Lupe genommen und alle an dem Prozess beteiligten Gruppen von Anfang an in das Projekt eingebunden werden. Nur so kann sicher gestellt werden, dass die Zusammenarbeit zwischen OEM und Zulieferern tatsächlich funktioniert und sich Synergieeffekte ergeben.
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