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Von isolierten Ansätzen zum Integrierten Management

Integriertes Stakeholdermanagement
Von isolierten Ansätzen zum Integrierten Management

Eine zunehmende Zahl von Unternehmen lässt sich nach den Standards zum Umwelt- und Qualitätsmanagement validieren bzw. zertifizieren. Die Unternehmen reagieren damit auf die steigenden Anforderungen, die aus Markt, Gesellschaft und Politik an sie herangetragen werden. Dabei wird die Forderung nach einer umweltgerechten Produktion an Unternehmen artikuliert.

Dipl.-Ing. Gunnar Jürgens ist seit 1997 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart mit den Aufgaben Umweltmanagement sowie Umweltinformationssysteme. Dipl. Ing. Severin Beucker ist seit 1999 Mitarbeiter am gleichen Institut. Seine Aufgaben umfassen das integrierte Management sowie entsprechende Informationssysteme. Kontakt über: Telefax 0049/711/970-2192

Wird ein Qualitäts- oder Umweltmanagement jedoch ausschließlich auf Druck äußerer Anforderungen eingeführt, so geht der steuernde und vorsorgende Charakter verloren. Wichtig ist zudem eine vollständige Integration des Systems in das bestehende Management eines Unternehmens. Das Ziel des Umwelt- oder Qualitätsmanagements muss mit Unternehmenspolitik und Unternehmenszielen in Einklang gebracht werden. Erst dann wird es nicht als zusätzliche Dokumentations- und Organisationsbelastung empfunden.
Die Existenz mehrerer spezifischer Managementsysteme im Unternehmen widerspricht auch dem Gedanken eines Integrierten Managements, nach dem eine Verbindung der einzelnen Managementsysteme mit dem bestehenden Management eines Unternehmens und seinen Kernpro- zessen angestrebt wird. Integriertes Management ist deshalb ein prozessorientierter Ansatz und ermöglicht ein flexibles Reagieren auf neue und zu erwartende Anforderungen aus Markt und Gesellschaft.
Das Prinzip des Integrierten Managements schlägt sich auch in der aktuellen Diskussion um Managementsysteme nieder. Die derzeit laufenden Revisionen der EG-Öko-Audit-Verordnung (EMAS) sowie die geplanten Neufassungen der DIN ISO 14001 und DIN ISO 9000 ff verfolgen ebenfalls die Ziele einer prozessorientierten Integration. Sie stellen die Orientierung an den Unternehmensprozessen in den Vordergrund, die in ihrer Struktur so geändert werden sollen, dass die Synergien von Umwelt- und Qualitätsmanagement besser als bisher genutzt werden können. Eine weitere wichtige Forderung stellt die Einbindung des Arbeitsschutzes in die bestehenden Managementsysteme dar. Auch hier sind vielfältige thematische Verknüpfungen, beispielsweise zwischen Arbeits- und Umweltschutz denkbar.
Das Stakeholderkonzept
Managementsystemen zum Umwelt- und Qualitätsmanagement ist gemeinsam, dass sie bestehende Anforderungen aus Markt, Gesellschaft und Politik aufgreifen. Sie stellen somit oftmals eine reaktive Problemlösung dar. Nur selten werden diese Instrumente für eine proaktive und vorausschauende Erfassung von Ansprüchen genutzt.
Um ein Verständnis für die Vielzahl der an ein Unternehmen gestellten Ansprüche zu gewinnen, eignet sich das vor allem in den USA und Großbritannien verbreitete Stakeholder- oder Anspruchsgruppenkonzept. Ein Stakeholder oder eine Anspruchsgruppe ist demnach ein Individuum oder eine Gruppe, welche Einfluss auf eine Organisation ausübt oder durch diese beeinflusst wird. Dabei sind Stakeholder selbstlegitimierend, d.h. wer von sich selbst sagen kann, ein Interesse an der Tätigkeit, dem Wert oder der Leistung einer Organisation zu haben, ist de facto ein Stakeholder.
Das Stakeholder- bzw. Anspruchsgruppenkonzept geht davon aus, dass ein Unternehmen keine langfristige Wertsteigerung erlangen kann, wenn es nicht seine wesentlichen und relevanten Anspruchsgruppen erfasst und deren Forderungen in seine Tätigkeit einbezieht. Dabei können die Anspruchsgruppen und deren Forderungen aus den unterschiedlichsten Teilen der Gesellschaft und aus dem Unternehmen selbst resultieren. Die Abbildung verdeutlicht eine mögliche Zuordnung von Stakeholdern bzw. Anspruchsgruppen zu einem Unternehmen.
Eine weitere Untergliederung dieser komplexen Sichtweise auf Anspruchsgruppen kann beispielsweise nach primären Stakeholder, mit unmittelbarem Bezug zum Unternehmen und sekundären Stakeholdern mit mittelbarem, nicht direktem Bezug zum Unternehmen getroffen werden. Diese Einteilung erlaubt jedoch noch keine Aussage über die Einflusskraft der Stakeholder. Auch sekundäre Stakeholder wie beispielsweise Umweltverbände und Medien können einen erheblichen Einfluss auf das wirtschaftliche Ergebnis und das Image eines Unternehmens ausüben.
Stakeholdermanagement, Leitbild strategischer Unternehmensführung
Die proaktive Nutzung des Stakeholdermanagements im Unternehmen setzt eine grundsätzlich andere Sichtweise des Unternehmens und seiner Anspruchsgruppen voraus. War in der Vergangenheit die Legitimation eines Unternehmens meist über dessen Erfolg am Markt gegeben, so entscheiden heute auch zunehmend nicht- marktliche Faktoren wie eine umwelt- und sozialverträgliche Produktion über den Erfolg. Unternehmen werden damit zusehends zu strukturpolitischen Akteuren. Der proaktive Umgang mit den Forderungen seiner Anspruchsgruppen stellt somit eine der wesentlichen zukünftigen Herausforderungen und Innovationschancen für ein Unternehmen dar. Die Gestaltungsfelder eines proaktiven Stakeholdermanagements sind vielfältig und reichen von der Konfliktvermeidung über die Erfassung neuer Produkte und Dienstleistungen bis zur Gestaltung von Untenehmensnetzwerken über Zuliefererketten hinweg. Damit wird ein proaktives Stakeholdermanagement zu einem Werkzeug strategischer Unternehmensführung.
Dass ein proaktives Stakeholdermanagement Möglichkeiten der Strategiefindung und der Unternehmenskommunikation beinhaltet, zeigt sich auch im betrieblichen Umweltmanagement. In der vorläufigen Neufassung der EG-Öko-Audit-Verordnung (kurz: EMAS II) wird das Unternehmen beispielsweise dazu aufgefordert, einen Dialog mit seinen Interessengruppen zu führen.
Stakeholdermanagement sollte zudem Teil eines Integrierten Managements sein. Wie bereits beschrieben, liegt der Erfolg eines Integrierten Managementsystems darin, dass es auf Basis bestehender Strukturen im Unternehmen die Integration möglichst vieler unterschiedlicher Anforderungen erreicht. Das Konzept des Stakeholdermanagements eignet sich insbesondere für die Ergänzung eines Integrierten Managements, da über den Begriff des Anspruchs bekannte Forderungen nach Qualität, Umweltschutz und Arbeitssicherheit in Unternehmensziele und Strategien einbezogen werden können. Gleichzeitig werden über ein proaktives Stakeholdermanagement auch neue Anforderungen in einem frühen Stadium vom Unternehmen erfasst und somit strategisch nutzbar gemacht.
Stakeholdermanagement in der Praxis
Der Grundgedanke eines Stakeholdermanagements ist nicht neu; bisher wird Stakeholdermanagement von Unternehmen jedoch nur selten systematisch betrieben. Im Zuge der stärker werdenden Konkurrenz auf den nationalen und internationalen Märkten beginnen sich jedoch neben den großen international operierenden Konzernen auch mittelständische Unternehmen für ein systematisches Stakeholdermanagement zu interessieren. Für sie steht die Kommunikation mit dem Kunden und deren Zufriedenheit im Vordergrund.
Bisher werden Ansätze von Stakeholdermanagement hauptsächlich von multinationalen Großunternehmen genutzt, um mit Interessengruppen (z.B. Umweltgruppen oder Menschenrechtsorganisationen) verbesserte Kommunikationsstrukturen aufzubauen. Oft wird Stakeholdermanagement dann ausschließlich als eine Erweiterung der Berichterstattung und nicht als ein strategisches Managementinstrument begriffen.
Um die Potenziale eines Integrierten Stakeholdermanagements über die Berichterstattung hinaus erschließen zu können, muss es gelingen, die Kernprozesse eines Unternehmens selbst in einen direkten Bezug zu den Zielen und Werthaltungen von Anspruchsgruppen zu stellen. Ziel der aktuellen Arbeiten am Fraunhofer-IAO ist es daher, Methoden und Instrumente zu entwickeln, die es auch mittelständischen Unternehmen ermöglichen, auf der Grundlage einer Stakeholderanalyse Unternehmensziele und -strategien aufzubauen und diese für eine Konfliktvermeidung sowie für die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen zu nutzen. Die Methoden und Instrumente müssen somit
–die Anforderungen der relevanten Stakeholder darstellen und mit den Geschäftsprozessen im Unternehmen in Einklang bringen,
–einen kontinuierlichen Verbesserungs- und Anpassungsprozess des Stakeholdermanagements in Bezug auf aktuelle und zukünftige Ansprüche gewährleisten,
–die Bedingungen für den Aufbau Integrierter Managementsysteme erfüllen.
Im Rahmen eines Workshops bei einem namhaften Maschinenbauunternehmen wurden zusammen mit Vertretern mittelständischer Unternehmen aus Maschinenbau, Glasverarbeitung und Apparatebau sowie des VDMA-Umweltausschusses erste Anwendungstests zu den entwickelten Methoden durchgeführt. Schwerpunkt des Workshops bildete die Erstellung von Stakeholderprofilen (siehe Abbildung) zur Abschätzung von Basisstrategien gegenüber Anspruchsgruppen. Auf Grundlage der ermittelten Basisstrategien konnten in Folge operationalisierbare Unternehmensziele und -strategien abgeleitet werden. Weitere Umsetzungsprojekte eines proaktiven Stakeholdermanagements in produzierenden Unternehmen und in der Dienstleistungsbranche sind in einer Forschungskooperation zwischen dem Fraunhofer IAO und dem Öko-Institut e.V geplant.
Stakeholdermanagement als Radar für Anspruchsrisiken
Die theoretisch-wissenschaftliche Diskussion zum Stakeholdermanagement ist weit vorangeschritten. Der Dialog mit Unternehmen zeigt jedoch den Mangel an umsetzbaren und praxisnahen Konzepten zur Umsetzung des Stakeholdermanagements im Unternehmen auf. Dabei sind Unternehmen insbesondere an proaktiven Instrumenten interessiert, die nach der Funktion eines Radars die Forderungen von Anspruchsgruppen erkennen, bevor diese zu Problemen werden, bzw. um die Chancen für zukünftige Produkte und Dienstleistungen frühzeitig zu erfassen.
Besondere Bedeutung für das Stakeholdermanagement kommt in Zukunft der Operationalisierung von Instrumenten mit proaktivem und vorausschauendem Charakter zu, die den langfristigen Unternehmenserfolg sichern und das strategische Potenzial zur Herausbildung von Alleinstellungsmerkmalen im unternehmerischen Wettbewerb besitzen.
Einem proaktiven und integrierten Stakeholdermanagement kommt damit auch Bedeutung für das umweltpolitische Leitbild zu. Eine kontinuierliche und kritische Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Anspruchsgruppen und ihren Forderungen beinhaltet auch die Integration der drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales in die Tätigkeit eines Unternehmens.
Gerade über die Erfassung der ökologisch relevanten Anspruchsgruppen haben in der Vergangenheit Unternehmen aus der Chemie- und Mineralölindustrie Verständnis für ein proaktives Stakeholdermanagement gewonnen.
Literatur:
–Hessische Landesanstalt für Umwelt (1997): Leitfaden Integrierte Managementsysteme, Fachverlag Moderne Wirtschaft.
–Bundesumweltministerium/Umweltbundesamt (1995): Handbuch Umweltcontrolling, Verlag Vahlen.
–Freemann, E.R. (1984): Strategic Management: A Stakeholder Approach, Marshfield Mass, Pitman Publishing.
–Schaltegger, S.; Sturm, A. (1994): Ökologieorientierte Entscheidungen in Unternehmen, Verlag Paul Haupt Stuttgart.
–Fichter K.; Clausen, J. (1998): Schritte zum nachhaltigen Unternehmen. Zukunftsweisende Praxiskonzepte des Umweltmanagements, Springer Verlag Heidelberg.
–Schneidewind, U. (1998): Die Unternehmung als strukturpolitischer Akteur. Kooperatives Schnittmanagement im ökologischen Kontext, Metropolis Verlag Marburg.
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