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Von wegen „aktiviertes Wasser“

Reinigungstechnik
Von wegen „aktiviertes Wasser“

Das Landgericht Stuttgart hat jetzt festgestellt: Der amerikanische Reinigungstechnikhersteller Tennant wirbt mit der irreführenden Aussage von „aktiviertem Wasser“. Dies ist jedoch ganz gewöhnliches Leitungswasser.

Im B2C-Geschäft gibt es den Goldenen Windbeutel. Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch kürt damit jährlich die dreisteste Werbemasche. In diese Richtung gehen wohl auch die Werbeaussagen des amerikanischen Herstellers Tennant zu dessen sogenannter „ec-H2O-Technologie“: Diese Aussagen sind irrenführend, so das Landgericht Stuttgart in einem jetzt ergangenen Urteil. Die mit dieser Technologie ausgestatteten Scheuersaugmaschinen wurden unter anderem mit der Aussage beworben, Wasser würde elektrisch „aktiviert“ und dadurch könne bei der Bodenreinigung auf chemische Reinigungsmittel verzichtet werden. Tatsächlich wirkt „aktiviertes“ Wasser nicht besser als Leitungswasser. Das Urteil erging gegen das Tochterunternehmen des US-amerikanischen Unternehmens in Deutschland, die Tennant GmbH & Co. KG in Kirchheim/Teck. Sie muss die Kosten des Rechtsstreits tragen, Rechtsmittel sind noch möglich.
Daher erwägt das Unternehmen derzeit noch, in Berufung zu gehen. „Obwohl uns das schriftliche Urteil des Gerichts noch nicht vorliegt, glauben wir, dass unvollständige und ungenaue Annahmen zugrunde gelegt wurden. Die beiden in einem Labor durch den vom Gericht bestellten Sachverständigen durchgeführten Tests hatten nichts oder nur wenig mit der praktischen Anwendung einer Scheuersaugmaschine mit unserer chemiefreien ec-H2O-Technologie zu tun“, sagt Chris Killingstad, Präsident und CEO der Company.
Geklagt hatte freilich der Wettbewerb, unter anderem Kärcher. Dieses Unternehmen hatte nach eigenen Praxistests ein Gutachten des wissenschaftlichen Instituts MicroMol (Karlsruhe) erstellen lassen. Alle Untersuchungen waren zum selben Ergebnis gekommen – wie auch der unabhängige Sachverständige Thomas Hofmann (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften), den das Landgericht bestellt hatte: Die verfahrensgegenständlichen Werbeaussagen zum „aktivierten“ Wasser sind wissenschaftlich nicht haltbar. Dass manche Anwender dennoch glauben, eine gewisse Reinigungswirkung trotz Umstellung auf tensidfreie Reinigung erkennen zu können, ist nach der Erfahrung von Gutachter Thomas Hofmann erklärbar: Auch nach Umstellung auf eine tensidfreie Reinigung werden durch die vorherige „häufig schlechte (Über-) Dosierung“ während ca. einem halben Jahr Tenside aus der porösen Struktur des Bodens abgegeben. Dieser Abbau verbessert häufig das Erscheinungsbild. Wenn die deponierten Stoffe dann aufgebraucht sind, nimmt die Verschmutzung wieder zu.
Das Landgericht hält in seinem Urteil als unstreitig fest, dass Verschmutzungen durch mineralölhaltige Substanzen nicht mit „ec-H2O-Technologie“ ausgestatteten Scheuersaugmaschinen beseitigt werden können. Ferner hält das Gericht in der schriftlichen Urteilsbegründung zum Ergebnis der Beweisaufnahme fest: „[…], dass die Reinigungswirkungen des mit der ec-H2O-Technologie aufbereiteten Wassers nicht über diejenigen von reinem Leitungswasser hinausreichen und insbesondere nicht denjenigen eines starken bzw. kräftigen Reinigers oder Allzweckreinigers entsprechen.“
„Wir begrüßen es sehr, dass die Kammer der wissenschaftlichen Argumentation des gerichtlichen Sachverständigen gefolgt ist“, sagt Markus Asch, Stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung der Kärcher Gruppe. „Ganz im Sinne von Verbraucherschützern hat die Branche sich mit diesem Urteil selbst reguliert.“ Neben Kärcher hatten auch andere Mitbewerber und Verbände die Wirksamkeit von „ec-H2O“ öffentlich bestritten und dazu wissenschaftliche Studien sowie Praxisversuche durchgeführt.
Dem Einkäufer würde es wohl helfen, wenn es auch im B2B-Bereich eine Bewertung von Werbeaussagen geben würde. Vielleicht mit dem Titel „Goldener Wasserbeutel“. dz
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