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Vorsicht beim Nachbessern

Gewährleistung
Vorsicht beim Nachbessern

Die sofortige Selbstnachbesserung ist problematisch, meint unser Autor Karlheinz Schmid. Durch zu schnelles Eingreifen kann die Gewährleistung verloren gehen.

Prof. Dr. Karlheinz Schmid

Reparaturbetriebe sind darauf trainiert, auftretende Störungen im Betrieb so schnell wie möglich zu beheben. Dabei ist es ihnen oft gleichgültig, ob die Anlage noch in der Gewährleistung ist oder nicht. Wenn sie dies jedoch missachten, ist der Lieferant zur Übernahme der Nachbesserungskosten im Regelfall nicht verpflichtet. Und es droht noch ein weiterer ganz erheblicher Nachteil: Ein vorschnelles Eingreifen des Erhaltungsbetriebs kann dazu führen, dass sämtliche Gewährleistungsrechte des Auftraggebers untergehen. Eine von Einkäufern mühsam und unter erhöhten Kosten erkämpfte verlängerte Gewährleistungszeit ist auch dahin.
Erweist sich bei einem Kaufvertrag der gelieferte Gegenstand innerhalb der 24-monatigen Gewährleistungszeit (§ 438 BGB) als mangelhaft (§ 434 BGB), dann steht dem Käufer zunächst das Recht auf Nacherfüllung zu. Nach § 439 BGB kann er dann vom Verkäufer nach seiner Wahl entweder die Beseitigung des Mangels (Nachbesserung) oder die Lieferung einer mangelfreien Sache (Neulieferung) verlangen. Bessert der Verkäufer innerhalb einer vom Käufer gesetzten angemessenen Frist schuldhaft nicht nach, stehen dem Käufer das Recht auf Rücktritt, Minderung und Schadensersatz zu.
Hat der Verkäufer innerhalb der ihm vom Käufer gesetzten angemessenen Frist nicht nachgebessert oder neu geliefert, kann der Käufer die Reparatur auch selbst erledigen oder durch ein Drittunternehmen durchführen lassen und die Nachbesserungskosten als Verzugsschaden gegenüber dem Verkäufer geltend machen. Da sich dieses Recht nicht ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt, kann eine entsprechende Klausel in Allgemeinen Einkaufsbedingungen recht hilfreich sein. Eine entsprechende Klausel könnte zum Beispiel wie folgt lauten:
„Kommen Sie Ihrer Pflicht zur Nachbesserung oder Neulieferung innerhalb einer von uns gesetzten angemessenen Frist schuldhaft nicht nach, so sind wir berechtigt, den Mangel selbst zu beseitigen bzw. die Reparatur von einem Dritten durchführen zu lassen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen von Ihnen zu verlangen.“
Die Länge der „angemessenen“ Frist richtet sich nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls und ist so zu bemessen, dass der Verkäufer die Nachbesserung oder Neulieferung rechtzeitig vornehmen kann. Wurde die Frist vom Käufer zu kurz gesetzt, wird im Regelfall eine – nach Ansicht des Gerichts – angemessene Frist in Lauf gesetzt. Der Käufer kann die Frist vor ihrem Ablauf durch einseitige Willenserklärung ändern, zum Beispiel verlängern.
Am besten verhandeln
Gut beraten ist sicher, wer mit dem Verkäufer eine angemessene Frist auszuhandeln versucht und das Ergebnis dokumentiert. Für das Ende der Nachbesserung sollte eine kalendermäßig bestimmte Frist (Kalendertag) vereinbart werden, dann kommt der Verkäufer mit Ablauf der Frist ohne Mahnung in Verzug. Andernfalls tritt Verzug erst mit Zugang einer von ordnungsgemäß formulierten Mahnung ein. Eine Mahnung ist eine sehr nachdrückliche Aufforderung nunmehr umgehend die ausstehende Lieferung/Leistung (hier: die Nachbesserung) zu erbringen. Nur in Ausnahmefällen ist eine Frist entbehrlich (§§ 323 Abs.2, 440 BGB).
Für den Anspruch auf Aufwendungsersatz ist selbstverständliche Voraussetzung, dass der Auftraggeber die Nachbesserungsarbeiten auch tatsächlich durchgeführt hat. Der Auftragnehmer ist auch dann zum Ersatz verpflichtet, wenn die Mängelbeseitigung des Auftraggebers keinen Erfolg hat, also die Nachbesserung nicht gelingt. Hat ein vom Auftraggeber beauftragtes Unternehmen den Misserfolg verursacht, muss der Auftraggeber gegebenenfalls bestehende Ersatzansprüche an den Auftragnehmer abtreten.
Aufwendungen müssen ersetzt werden, soweit sie objektiv erforderlich waren. Nach der BGH-Rechtsprechung sind Aufwendungen erforderlich, die ein wirtschaftlich denkender Auftraggeber auf Grund sachkundiger Beratung für eine geeignete und Erfolg versprechende Maßnahme der Mängelbeseitigung erbringen konnte und musste. Dazu gehören auch die Kosten, die zum Auffinden der Schadensursache notwendig sind. Je nach den Umständen sind dem Auftragnehmer auch teurere Nachbesserungskosten zuzumuten. Schließlich hätte er in der ihm gesetzten Frist Gelegenheit gehabt, selbst die Mängel zu beseitigen.
Wird ein Drittunternehmen zur Mängelbeseitigung beauftragt, spricht nach Ansicht der Gerichte der erste Anschein für die Erforderlichkeit der abgerechneten Kosten. Der Auftraggeber ist aber generell verpflichtet, die Nachbesserungskosten in engen Grenzen zu halten. Ist der Auftragnehmer der Meinung, dass die Reparaturkosten zu hoch sind, dann trägt er die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Auftraggeber im Rahmen der Selbstnachbesserung übermäßige Leistungen hat ausführen lassen (BGH NJW-RR 92, 1300).
Die Nachfrist muss sein – beseitigt der Käufer den Mangel selbst ohne dem Verkäufer zuvor eine Frist zur Durchführung der Reparatur gesetzt zu haben, kann er die Reparaturkosten vom Verkäufer nicht verlangen.
Im BGH-Urteil vom 23. 2. 2005 (Betriebs-Berater 2005, Seite 909) heißt es hierzu: „Das Gesetz räumt dem Käufer … keinen Aufwendungsersatzanspruch im Falle der Selbstbeseitigung von Mängeln ein. Der Gesetzgeber hat … bewusst von einem Selbstvornahmerecht auf Kosten des Verkäufers abgesehen … Beseitigt der Käufer den Mangel selbst, ohne dem Verkäufer zuvor eine erforderliche Frist zur Nacherfüllung gesetzt zu haben, kann er auch nicht gemäß § 326 Abs. 2, S. 2, Abs. 4 BGB (analog) die Anrechnung der vom Verkäufer ersparten Aufwendungen für die Mangelbeseitigung auf den Kaufpreis verlangen oder den bereits gezahlten Kaufpreis in dieser Höhe zurückfordern.“
Beim einem Werkvertrag sieht das Bürgerliche Gesetzbuch ein spezielles Selbstnachbesserungsrecht für den Auftraggeber vor. Das Gesetz verwendet den Begriff „Selbstvornahme“. In der Praxis wird auch – etwas missverständlich – von einem „Selbstbeseitigungsrecht“ gesprochen.
Erweist sich beim Werkvertrag das gelieferte Werk innerhalb der Gewährleistungszeit als mangelhaft, dann kann der Auftraggeber – im Gesetz antiquiert „Besteller“ genannt – u. a. nach § 634 Nr. 2 BGB den Mangel selbst beseitigen und vom Auftragnehmer – im Gesetz ebenfalls antiquiert „Unternehmer“ genannt – Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen (§ 637 BGB), wenn der Auftragnehmer innerhalb einer ihm gesetzten Frist die Mängelbeseitigung nicht vorgenommen hat. In § 637 Abs. 1 BGB heißt es:
„Der Besteller kann wegen eines Mangels des Werkes nach erfolglosem Ablauf einer von ihm zur Nacherfüllung bestimmten angemessenen Frist den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn nicht der Unternehmer die Nacherfüllung zu Recht verweigert.“
Im Regelfall muss also dem Auftragnehmer eine angemessene Frist zur Nachbesserung gesetzt werden. Erst wenn diese Frist abgelaufen ist, kann der Auftraggeber den Mangel selbst beseitigen. Dies gilt nach der Schuldrechtsreform, also seit dem 1. Januar 2002, ob der Auftragnehmer die ihm gesetzte Frist schuldhaft versäumt hat oder nicht; also auch dann, wenn der Auftragnehmer an der Nachbesserung durch höhere Gewalt gehindert wurde.
Nur ausnahmsweise kommt die Selbstnachbesserung ohne Fristsetzung in Betracht. Im Regelfall muss dem Auftragnehmer eine angemessene Frist zur Nachbesserung gesetzt werden. Dies ist ausnahmsweise in den nachfolgenden Fällen nicht erforderlich (§§ 637 Abs. 2 Satz 1, 323, Abs. 2 BGB). Die Frist ist entbehrlich, wenn
  • der Lieferant die Nachbesserung ernsthaft und endgültig verweigert. Bei dieser Alternative werden von der Rechtsprechung an das Vorliegen einer endgültigen Erfüllungsverweigerung strenge Anforderungen gestellt. Die Weigerung des Schuldners muss als sein letztes Wort aufzufassen sein. Nicht ausreichend sind daher Äußerungen rechtlicher Zweifel oder das zweimalige Nichteinhalten eines verbindlich zugesagten Termins.
  • der Lieferant die Nachbesserung zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer bestimmten Frist nicht bewirkt und der Gläubiger im Vertrag den Fortbestand seines Leistungsinteresses an die Rechtzeitigkeit der Nachbesserung gebunden hat. Beispiel: Diese Voraussetzungen können gegeben sein, wenn der Lieferant bei einem Just-in-time-Vertrag oder einem Fixgeschäft nicht umgehend nachbessert.
  • besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Nachbesserung durch den Auftraggeber rechtfertigen. Beispiel: drohende Geschäftsschließung durch Behörde wegen des Mangels.
Der Bestimmung einer Frist bedarf es auch dann nicht, wenn die Nachbesserung fehlgeschlagen oder dem Auftragnehmer unzumutbar ist (§ 637 Abs. 2 Satz 2 BGB).
Man kann die im Gesetz verwendeten Rechtsbegriffe „besondere Umstände“ und „Unzumutbarkeit“ im Einzelvertrag näher definieren; auch in Allgemeinen Einkaufsbedingungen, was aber nur effektiv ist, wenn diese dem Vertrag dann auch tatsächlich zugrunde liegen.
Das Selbstnachbesserungsrecht des Auftraggebers besteht allerdings dann nicht, „wenn der Unternehmer die Nacherfüllung zu Recht verweigert“(§ 637 Abs.1, letzter Halbsatz BGB). Der Auftragnehmer muss in einem solchen Fall auf Grund eines so genannten Leistungsverweigerungsrechts die Nachbesserung tatsächlich ablehnen.
Selbstnachbesserung „einkaufen“
Ein solches Leistungsverweigerungsrecht des Auftragnehmers ist dann gegeben, wenn der Aufwand des Auftragnehmers zur Mängelbeseitigung in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem mit der Beseitigung des Mangels erzielbaren Erfolg steht, also zu dem Vorteil, den der Auftraggeber durch die Nachbesserung erlangt (BGH Band 59 Seite 365). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.
Das Interesse des Auftraggebers an einer einwandfreien Leistung steht dabei allerdings immer im Vordergrund. Wird die erbrachte Leistung durch den Mangel erheblich gemindert, scheidet der Einwand des Auftragnehmers im Regelfall aus. Dies hat die Rechtsprechung u. a. angenommen bei „spürbarer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Werks“, bei „erheblicher optischer Beeinträchtigung“ sowie bei „unzureichendem Schallschutz“.
Die Lösung des Problems: In Allgemeinen Einkaufsbedingungen kann man das Selbstnachbesserungsrecht des einkaufenden Unternehmens einheitlich regeln. Dann kommt es nicht darauf an, ob im konkreten Einzelfall ein Werk- oder ein Kaufvertrag vorliegt. Eine solche Selbstnachbesserungsklausel könnte wie folgt lauten:
„Kommen Sie Ihren Verpflichtungen aus der Mängelhaftung innerhalb einer von uns gesetzten angemessenen Frist nicht nach, so können wir die erforderlichen Maßnahmen auf Ihre Kosten und Gefahr selbst treffen oder von Dritten vornehmen lassen. In dringenden Fällen können wir nach Abstimmung mit Ihnen die Nachbesserung selbst vornehmen oder durch einen Dritten ausführen lassen. Kleine Mängel können von uns – in Erfüllung unserer Schadensminderungspflicht – ohne vorherige Abstimmung selbst beseitigt werden, ohne dass hierdurch Ihre Verpflichtung aus der Mängelhaftung eingeschränkt werden. Wir können Sie dann mit den erforderlichen Aufwendungen belasten.
Das Gleiche gilt, wenn hohe Schäden drohen, uns die Nachbesserung durch Sie wegen erwiesener Unzuverlässigkeit oder Inkompetenz nicht zumutbar ist oder sonst besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen eine sofortige Nachbesserung durch uns rechtfertigen. Im Übrigen gelten die gesetzlichen Bestimmungen.“
Man sieht also, dass die Möglichkeiten einer sofortigen Selbstnachbesserung durchaus gegeben, wenn auch nur begrenzt vorhanden sind. Dies muss man den Technikern immer wieder vor Augen führen. Sonst drohen dem Unternehmen durch vorschnelle Reparaturen erhebliche Rechtsnachteile und damit nicht unbeträchtliche finanzielle Schäden.
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